3 minute read

Ikebana in Baselland

Japan in der Schweiz

Reisen ist im Moment wieder nicht ganz einfach. Flüge zu fernen Sehnsuchtszielen scheinen risikobehaftet, oder die Grenzen sind gar geschlossen. Doch manchmal muss man gar nicht weit gehen, um das Fernweh zu stillen, wie unser Beispiel zeigt.

TEXT JULIANE LUTZ | FOTOS EMANUEL FREUDIGER

Der Teemeister bringt aus dem Nebenraum erst ein Wassergefäss, dann eine

Teeschale mit kleinem Besen drin und ein Döschen. Als schliesslich alle Utensilien vorhanden sind und das

Wasser im Kessel zu sieden beginnt, bereitet er den

Ma tcha-Tee von einer renommierten Plantage bei Kyoto zu. Er verneigt sich vor mir und fordert mich auf, die vor mir liegende Süssigkeit zu essen. Danach nimmt er die Schale, dreht sie, bis das schönste Motiv mir zugewandt ist und gibt sie mir. Ich soll den Tee jetzt trinken.

In Japan gilt er in dem Moment als perfekt, in dem er serviert wird. Danach räumt der Teemeister mit ebenso eleganten wie sparsamen

Bewegungen die Gerätschaften wieder ab. Das Ganze wirkt wie eine perfekt einstudierte Choreografie.

Wir sind im Teeraum des Museums Rietberg in Zürich. Alle Raumelemente wurden in Kyoto nach Mass hergestellt und in die Schweiz verschifft. Eingeflogene japanische Handwerker bauten sie ein. Der Teemeister allerdings kommt aus dem Aargau. Christoph Meier, studierter Sozialpädagoge, kam →

Teemeister Christoph Meier bringt die nötigen Utensilien in den Teeraum des Museums Rietberg in Zürich

Die japanische Teezeremonie ist ein ganz besonderes Erlebnis. In Japan gilt eine Einladung dazu als Ehre

über sein Interesse für Phi losophie zu Zen-Meditation und Kalligrafie und schliesslich zur Teezeremonie. Ihn fasziniere die Ästhetik der Schlichtheit und die Kultur der Achtsamkeit und des Respekts. 2009 begann er mit der Ausbildung zum Teemeister, ein langer Weg. Wer all die komplexen Abläufe beherrschen will, muss mit zehn bis zwölf Jahren Lehrzeit rechnen. Er erklärt, dass in Japan die Einladung zur Teezeremonie eine ausserordentliche Ehre sei. Die Gäste erscheinen in schlichteleganten Kimonos und ohne Schmuck, da nichts die Aufmerksamkeit von Tee und Zeremonie ablenken soll. Das Ganze dauere bis zu vier Stunden. Gesprochen wird dabei nicht. Erst werde hochkonzentrierter «dicker» Tee serviert, dann «dünner» Tee, das, was ich erleben durfte. Schon die Kurzversion empfinde ich als besonders.

Einst Blumenkunst der Samurai

Neben Ursina Früh liegen Äste, gefärbte Gräser und weisse Callas auf dem Tisch. Mit geübten Handgriffen steckt sie ein Freestyle-Arran- gement in Linienform. Freestyle heisst im Ikebana aber nicht, dass es keine Regeln

Lebendes Kunstwerk Ein Kakubana gelingt allerdings nur im Ikebana bereits sehr Fortgeschrittenen

gibt. Im Gegenteil. «Da die Vase gerade ist, stehen die Pflanzen aufrecht und bilden zusammen mit der Vase ein Rechteck. Und die Äste müssen von der Länge her zum Gefäss passen», erklärt die Frau aus der Region Basel, die vier Jahre in Japan lebte. Auf einer Kommode der Ikebana Misho Schule in Sissach steht eine flache mit Wasser gefüllte Schale. Darin stecken Äste, deren Zweige nach links ragen, und rote Tulpen. Regula Maier hat diese schöne Minilandschaft geschaffen. Dabei handelt es sich um ein Kakubana, eine klassische Form des Ikebana, die nur sehr Fortgeschrittenen gelingt. Während zehn Jahren in Japan erlernte die Primarschullehrerin die Kunst des Blumenarrangements. Ihr gefalle dieses nie enden wollende Streben nach Perfektion und Harmonie. Auch, dass es eine vergängliche Kunst sei. Nach der Rückkehr an den Wohnort Sissach gründete sie das Ikebana International Chapter Basel. Und eröffnete in einem Raum im Bürogebäude, wo sich der Firmensitz ihres Manns befand, die Schule. Längst hat sie einen der höchsten Ränge in dieser Disziplin und unterrichtet derzeit regelmässig 25 Interessierte, während Ursina Früh, Präsidentin des Chapters, saisonale Workshops gibt. Für sie ist Ikebana eine Form von Meditation, die sie im schnelllebigen Heute zur Ruhe kommen lasse. Jede und jeder könne Ikebana, das lange nur von den Samurai ausgeübt werden durfte, erlernen, sagen beide. Aber es brauche viel Geduld, und man müsse sich auf die strengen Regeln der Kunst einlassen.

Zwei lustige Gaijin

Fremd fühlt man sich im Gaijin nicht lange. Das liegt an der fröhlichen Art von George, Dan und ihrer Crew. Im Februar 2020 eröffnet, hat sich das Lokal an der Birmensdorferstrasse zu einer festen Grösse unter Ex- →

Konzentriert: Regula Maier (vorn) und Ursina Früh arbeiten in Sissach an Freestyle-Arrangements

Gut drauf und erfolgreich mit ihrer von Japan inspirierten Beiz in Zürich: Dan und George vom Gaijin

This article is from: