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Gas als Stromspeicher
Aus Strom wird Gas
Die Umwandlungstechnologie Power-to-X könnte in Zukunft eine wichtige Rolle beim Überbrücken der Energieengpässe und zur Herstellung von energieneutralen Treibstoffen spielen. In Dietikon geht demnächst eine erste Pilotanlage in Betrieb.
TEXT FELIX MAURHOFER | ILLUSTRATION NICOLAS KRISTEN
Bei der Energieumwandlungstechnologie Power-to-X werden mittels überschüssigen Sommerstroms oder erneuerbaren Stroms (Wind, Solar) gasförmige oder flüssige Energieträger wie Wasserstoff,
Methan oder Methanol erzeugt. Im Gegensatz zum Strom kann beispielsweise Methangas über einen längeren
Zeitraum gespeichert und bei Bedarf zur Wärme-, Stromerzeugung (Rückverstromung) oder zur Herstellung von synthetischen Treibstoffen (E-Fuels) verwendet werden. Diese Energieumwandlungstechnologie kann in Zukunft dazu beitragen, Energieangebot und -nachfrage über einen längeren Zeitraum auszugleichen, insofern die elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen stammt.
Wie geht Power-to-X?
Am Anfang des Umwandlungsprozesses steht die energieintensive Elektrolyse: Wasser wird mithilfe von Strom in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Entweder wird der Wasserstoff nun direkt verwendet oder mit CO2 synthetisches Methangas (CH4) erzeugt, die sogenannte Methanisierung. Diese kann technisch oder aber auch mikrobiell erfolgen. Weitere Verfahren sind Power-to-Liquid, wo der Wasserstoff zu synthetischem Benzin, Diesel oder Kerosin weiterverarbeitet wird. Bei Power-to-Chemicals werden nicht fossile Ausgangsstoffe für die chemische Industrie hergestellt. Beispielsweise Ammoniak.

In der Pilotphase
Das Bundesamt für Energie (BFE) geht davon aus, dass Power-to-X ab 2030 in Bezug auf Energieversorgungssicherheit und Speicherung von Leistungsüberschüssen an Bedeutung gewinnen und eine Rolle innerhalb der Energiestrategie spielen wird. «Diese energieintensive Technologie ist erst dann sinnvoll, wenn wir einen Überschuss an erneuerbarem Strom haben», sagt BFE-Sprecherin Marianne Zünd. Derzeit befinde sich die Technologie in der Pilotphase und lohne sich wirtschaftlich noch nicht. Wichtiger Erfolgsfaktor ist laut Zünd eine sinnvolle Sektorenkopplung. Die verknüpft die energiewirtschaftlichen Sektoren Strom, Wärme und Verkehr durch den Energieträger Strom, sodass Synergien effektiv genutzt werden können.
H₂O
Das Paul Scherrer Institut (PSI) hat das Potenzial von Power-to-X untersucht und kommt laut eines Berichts zum Schluss: «Entscheidend für einen erfolgreichen Einsatz dieser Technologie im Rahmen der Energiestrategie 2050 ist, dass sich Forschung und Innovation auf eine optimale Integration von Powerto-X in das gesamte Energiesystem der Schweiz konzentrieren.»
O₂
Vorreiter Limeco in Dietikon
Die schweizweit erste industriell betriebene Power-to-Gas-Anlage baut derzeit das Regiowerk Limeco in Dietikon (ZH), sie soll Anfang 2022 ihren Betrieb aufnehmen. Die Anlage kostet rund vierzehn Millionen Franken und hat eine Produktionskapazität von achtzehn Gigawattstunden erneuerbarem Gas pro Jahr.
CO₂

H₂
Methan CH₄
So können bis zu 5000 Tonnen CO2-Ausstoss pro Jahr vermieden werden. Diese Menge entspricht den jährlichen Emissionen von rund 2000 Haushalten. Das Regiowerk nutzt erneuerbaren Strom aus der Kehrichtverwertungsanlage (KVA) für die Elektrolyse. Der daraus gewonnene Wasserstoff gelangt zusammen mit dem Klärgas der Abwasserreinigungsanlage (ARA) in einen Bioreaktor. Dort produzieren Mikroorganismen (Archaeen) aus dem Wasserstoff und dem im Klärgas enthaltenen CO2 Methangas. Dieses wird ins Gasnetz eingespeist, wo es statt fossilem Erdgas genutzt wird. Um im Winter Stromlücken zu vermeiden, kann das grüne Gas auch mittels Wärmekraftkopplungs-Anlagen in Strom umgewandelt werden und die dabei entstehende Abwärme in Fernwärmenetze einspeist werden. Mit dem Projekt wolle man nachweisen, dass die Technologie unter geeigneten Rahmenbedingungen Marktreife erreiche, sagt Thomas Di Lorenzo, Leiter Abwasserwirtschaft Limeco. Diese derzeit schweizweit grösste Power-to-Gas-Anlage entsteht in Partnerschaft mit acht Schweizer Energieversorgern und der Stadtwerke-Allianz Swisspower. Gefördert wird das Projekt unter anderem vom Bundesamt für Energie. ◆

FOTOS: SYNHELION, RAG / KARIN LOHBERGER PHOTOGRAPHY Untergrundspeicher und Sonnenenergie Das Projekt «Underground Sun Conversion – Flexible Storage» (USC-FlexStore) untersucht in Pilsbach (AT), wie in einem Untergrundspeicher in über tausend Metern Tiefe erneuerbare Energie saisonal, grossvolumig gespeichert und ganzjährig verfügbar gemacht werden kann. Bei diesem Verfahren werden mit erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) in einen porösen unterirdischen Gasspeicher (ausgeförderte Erdgaslagerstätte) eingebracht. Dort findet eine natürliche mikrobielle Methanisierung statt, das heisst eine biologische Umwandlung von CO2 und H2 zu Methan (CH4).

underground-sun-conversion.at

Die Amag-Gruppe investiert mit ihrem eigenen Klima- und Innovationsfonds in das Schweizer ETH-Spin-off Synhelion. Es entwickelt ein Verfahren, das mit Solarwärme eine thermochemische Reaktion antreibt. Im Reaktor werden Kohlendioxid und Wasser zu Synthesegas umgewandelt, das dann zu Treibstoffen wie Solarbenzin oder Solardiesel verarbeitet wird. Eine Anlage im industriellen Massstab wird 2022 gebaut und 2023 in Betrieb genommen. Trotz dem Vormarsch der E-Mobilität sollen damit beispielsweise Oldtimer CO2-neutral weiterfahren können.