marie 67/ Jänner 2022

Page 18

Mittendrin in V

So ist das halt Herr K., 42 Jahre, Dornbirn

18 |

Am Weihnachtsabend 2015 habe ich gemerkt, dass mich meine Lebenspartnerin betrogen hat. Wir haben zwei kleine Töchter, und wir waren kurz vor der Hochzeit. Meine zukünftige Frau sagte nur: „So ist das halt.“ Das war eine schwierige Situation, die aber erst ein paar Tage später eskalierte – aus gutem Grund. Ich habe einen Teil der Wohnung zerstört, genauer gesagt meine Hälfte des Ehebettes und wollte Selbstmord begehen, hab mich aber dann selbst ins Krankenhaus eingeliefert. Der Portier im Spital sagte, ich soll mich hinsetzen und mich beruhigen, aber mein Magen war voller Tabletten, und ich hatte Angst. Vor allem Angst, dass ich vielleicht meine Mädchen nicht mehr sehe. Und auch Angst, dass ich mich noch einmal ins Auto setzen könnte – ich war in diesem Zustand mit dem Auto zum Spital gefahren. Dem Portier habe ich dann meinen Autoschlüssel in seinen Raum geschmissen, was dazu führte, dass man mir den Magen ausgepumpt hat und mich anschließend nach Rankweil ins LKH brachte. Dort haben die Ärzte zwei Tage lang gebraucht um festzustellen, dass mein Arm gebrochen war. Es begann eine echt schwere Zeit für mich, ich war mitten in der Ausbildung im Sozialbereich und befürchtete, dass ich alles verlieren könnte, meine Arbeitsstelle, meine Kinder, meine Ausbildung. Die Ausbildung musste ich unterbrechen, aber nicht für lange – an meiner Arbeitsstelle wurde ich herzlich empfangen. Zum Glück, das war ein wichtiger Halt für mich. Aber dann war nicht klar, wo ich wohnen sollte, kurzfristig konnte ich zu meiner Schwester, das ging auf Dauer nicht gut. Dann war ich wohnungslos, bei Freunden, in einem Stall, auch auf der Straße – im Winter. Das ging 1,5 Jahre lang so. Ich habe es verheimlicht, dass ich keine Wohnung mehr habe, ging immer als letzter „nach Hause“ und blieb auch manchmal an der Arbeitsstelle über Nacht. Manchmal hat ein Kollege angeboten, dass ich bei ihm übernachten kann. Es ist nicht leicht, das zuzugeben, auch bei meiner Schwester hätte es dazu geführt, dass sie die Wohnbeihilfe verliert, wenn ich offiziell bei ihr gewohnt hätte. Die eigentliche Katastrophe kam dann etwas später, als die Mutter meines ersten Kindes dafür gesorgt hat, dass ich ihn nicht mehr sehen darf. Die Richterin hat mich behandelt, als wäre ich gewalttätig, was ich nie war. Ich habe alles versucht, um den Kontakt zu meinem Sohn aufrecht zu halten, aber das wurde mir dermaßen unmöglich gemacht, dass ich zu seinem Schutz darauf verzichte. Er ist zwölf Jahre alt, es ist sehr schmerzlich für mich – er wird vermutlich Dinge über mich hören, die ich nicht widerlegen kann.

Das Gefühl, dass du nicht alleine dastehst, macht den Unterschied.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
marie 67/ Jänner 2022 by marie - Die Vorarlberger Straßenzeitung - Issuu