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So ist das halt

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Herr K., 42 Jahre, Dornbirn

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Am Weihnachtsabend 2015 habe ich gemerkt, dass mich meine Lebenspartnerin betrogen hat. Wir haben zwei kleine Töchter, und wir waren kurz vor der Hochzeit. Meine zukünftige Frau sagte nur: „So ist das halt.“ Das war eine schwierige Situation, die aber erst ein paar Tage später eskalierte – aus gutem Grund. Ich habe einen Teil der Wohnung zerstört, genauer gesagt meine Hälfte des Ehebettes und wollte Selbstmord begehen, hab mich aber dann selbst ins Krankenhaus eingeliefert. Der Portier im Spital sagte, ich soll mich hinsetzen und mich beruhigen, aber mein Magen war voller Tabletten, und ich hatte Angst. Vor allem Angst, dass ich vielleicht meine Mädchen nicht mehr sehe. Und auch Angst, dass ich mich noch einmal ins Auto setzen könnte – ich war in diesem Zustand mit dem Auto zum Spital gefahren. Dem Portier habe ich dann meinen Autoschlüssel in seinen Raum geschmissen, was dazu führte, dass man mir den Magen ausgepumpt hat und mich anschließend nach Rankweil ins LKH brachte. Dort haben die Ärzte zwei Tage lang gebraucht um festzustellen, dass mein Arm gebrochen war. Es begann eine echt schwere Zeit für mich, ich war mitten in der Ausbildung im Sozialbereich und befürchtete, dass ich alles verlieren könnte, meine Arbeitsstelle, meine Kinder, meine Ausbildung. Die Ausbildung musste ich unterbrechen, aber nicht für lange – an meiner Arbeitsstelle wurde ich herzlich empfangen. Zum Glück, das war ein wichtiger Halt für mich. Aber dann war nicht klar, wo ich wohnen sollte, kurzfristig konnte ich zu meiner Schwester, das ging auf Dauer nicht gut. Dann war ich wohnungslos, bei Freunden, in einem Stall, auch auf der Straße – im Winter. Das ging 1,5 Jahre lang so. Ich habe es verheimlicht, dass ich keine Wohnung mehr habe, ging immer als letzter „nach Hause“ und blieb auch manchmal an der Arbeitsstelle über Nacht. Manchmal hat ein Kollege angeboten, dass ich bei ihm übernachten kann. Es ist nicht leicht, das zuzugeben, auch bei meiner Schwester hätte es dazu geführt, dass sie die Wohnbeihilfe verliert, wenn ich offiziell bei ihr gewohnt hätte. Die eigentliche Katastrophe kam dann etwas später, als die Mutter meines ersten Kindes dafür gesorgt hat, dass ich ihn nicht mehr sehen darf. Die Richterin hat mich behandelt, als wäre ich gewalttätig, was ich nie war. Ich habe alles versucht, um den Kontakt zu meinem Sohn aufrecht zu halten, aber das wurde mir dermaßen unmöglich gemacht, dass ich zu seinem Schutz darauf verzichte. Er ist zwölf Jahre alt, es ist sehr schmerzlich für mich – er wird vermutlich Dinge über mich hören, die ich nicht widerlegen kann.

Das Gefühl, dass du nicht alleine dastehst, macht den Unterschied.

Ich wollte auf keinen Fall zur Beratungsstelle, schließlich war ich immer arbeitsfähig, habe verdient und war kein Sozialfall. Ich hatte nur keine Wohnung und sonst noch ein paar Probleme ... und ich dachte immer, zur Beratungsstelle gehen die mit den Drogen- und Alkoholproblemen. Diese Meinung habe ich ganz schnell revidiert. Zunächst haben die mir mal eine Kontaktadresse besorgt, damit ich mich überhaupt beim Wohnungsamt anmelden konnte. Bei den schwierigen Dingen war immer jemand an meiner Seite. Die gehen sogar mit dir die Briefe durch – man würde es nicht glauben, wie schwer es fallen kann, einen simplen Briefkasten zu öffnen. Ich durfte mit dem Stapel Briefe kommen, und wir haben das gemeinsam alles gelesen. Das Gefühl, dass du nicht alleine dastehst, macht den Unterschied. Inzwischen habe ich die Gemeindewohnung, die ist wirklich klein, aber meinen Töchtern ist das egal – sie kommen jedes Wochenende zu mir und versuchen mit Meterstab und Kreativität, einen Platz für das Stockbett in der winzigen Wohnung zu finden. Wir haben als Eltern ein gutes Verhältnis, immerhin das passt gut. Mit den Alimenten, die ich zahlen muss, und meinem geringen Gehalt bekomme ich aufstockende Mindestsicherung. Mit Hilfe der Beratungsstelle kam ich zu Einrichtung, man kann einen Antrag für eine Waschmaschine stellen, zu einem Bett und einem Schrank. Außerdem haben wir selbst eine Tischlerei hier, ich konnte also viel selbst bauen. S. hat irgendwann dafür gesorgt, dass ich mir wieder mal Schuhe kaufen kann oder dass ich mal einen Gutschein für Lebensmittel bekomme ... ich esse oft fünf Mal die Woche die Aktionsnudeln von Hofer. Bei den zuständigen Behörden habe ich viel Unfreundliches erlebt, aber wenn jemand von der Beratungsstelle mitgeht, wird plötzlich alles möglich. Im September haben wir den Antrag für eine Wohnung gestellt – im November bin ich eingezogen. Diese Leute sind so engagiert. Ich arbeite viel ehrenamtlich, auch für die Gemeinde, das hat natürlich auch geholfen. Jetzt helfen sie mir bei einem Schuldenregulierungsverfahren, und auch das Privatleben muss ich wieder in den Griff bekommen, auch da sind sie sehr unterstützend. Ich habe mich echt in die Arbeit gestürzt. Meine Scheu, Hilfe anzunehmen, habe ich vollkommen verloren, ich wurde dort so herzlich empfangen und immer gut behandelt. Ich kann nur empfehlen, sich an die Beratungsstelle zu wenden, auch wenn man nur mal über die Situation reden muss – so kann man auch Schlimmeres vermeiden.

Bei meinem geringen Gehalt abzüglich der Alimente, die ich zahlen muss, bleiben mir etwa 30 Euro in der Woche zum Leben.

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