Kornmagazin 2021/02

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Regionales

Infotafel erinnert an Fund eines bandkeramischen Hauses

Steinzeitliches Leben im Raum Schwiegershausen/Ührde

So könnte jungsteinzeitliches Leben zwischen Schwiegershausen und Ührde ausgeschaut haben.

» Osterode-Schwiegershausen. Es war im Jahr 1980, als die beiden SchwiegershĂ€user Heimatforscher Klaus Bertram (†) und Wilhelm Sonntag bei Feldbegehungen auf dem FlurstĂŒck „Am Pfuhl“ zwischen ihrem Dorf und dem Stadtdorf Ührde außergewöhnliche FundstĂŒcke aus ganz alter Zeit auf dem Acker entdeckten. Eine professionelle Grabung ergab: Die beiden SchwiegershĂ€user hatten Überreste eines mehr als 7000 Jahre alten Dorfes der jungsteinzeitlichen „Bandkeramischen Kultur“ gefunden. Es waren die ersten

Ackerbauern, die im sĂŒdwestlichen Harzvorland sesshaft geworden sind. Mehr als 40 Jahre spĂ€ter ist auf Initiative des Fördervereins Dorfgeschichte und Brauchtum Schwiegershausen e. V. in der NĂ€he der Grabungsstelle an der Straße nach Ührde eine Informationstafel aufgestellt worden. Dort fĂŒhren der Radweg nach Ührde und neuerdings auch der TSV-Wanderweg S2 entlang.

Â»Â»Ăœberdurchschnittlich gut erhalten

Bei dem von der AckeroberflĂ€che aufgesammelten Fundmaterial handelte es sich u.a. um verzierte Tonscherben, Flachhacken und Schuhleistenkeile aus Felsgestein, durch Feuereinwirkung orange-rot gefĂ€rbte Brocken vom einstigen Lehmverputz der HĂ€user und BruchstĂŒcke von Mahlsteinen. Bereits kurz nach Entdeckung der Siedlungsstelle fand eine erste kleine Ausgrabung durch den damaligen

Kreisheimatpfleger Wilhelm Reißner statt. Hierbei stellte sich heraus, dass die Überreste der Siedlung unter einem heute kaum mehr wahrnehmbaren mittelalterlichen Wölbackersystem teilweise noch ĂŒberdurchschnittlich gut erhalten geblieben waren. Fortschreitende Verluste an der Denkmalsubstanz fĂŒhrten in den Jahren 1993 und 1994 zu einer Notgrabung der KreisarchĂ€ologie Osterode am Harz in Kooperation mit dem NiedersĂ€chsischen Landesamt fĂŒr Denkmalpflege. Hierbei gelang es, einen der zum damaligen Zeitpunkt besterhaltenen bandkeramischen Hausgrundrisse Deutschlands freizulegen (FlĂ€che A, Haus 2). In den Jahren 1997 (FlĂ€che B) und 2010 – 2011 (FlĂ€che C) folgten weitere archĂ€ologische Grabungen mit dem Ziel, den Erhaltungszustand in anderen Bereichen der Siedlungsstelle zu klĂ€ren.

Hintergrund – Die Bandkeramische Kultur Zwischen etwa 6.100 und 5.700 vor Christus hat sich in großen Teilen SĂŒd-, Mittel- und Osteuropas ein Wechsel von der aneignenden Lebensweise der alt- und mittelsteinzeitlichen JĂ€ger und Sammler zur produzierenden Wirtschaftsform der Ackerbauern und ViehzĂŒchter vollzogen. Diese ZĂ€sur in der Geschichte der Menschheit war so einschneidend, dass sie auch als „Neolithische = jungsteinzeitliche Revolution“ bezeichnet wird. Kennzeichnend fĂŒr die neue Epoche der Jungsteinzeit sind neben der nun allgemein vorherrschenden Sesshaftigkeit mit Ackerbau und Viehzucht vor allem der Bau von festen HĂ€usern

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sowie die Herstellung von GefĂ€ĂŸkeramik und SteingerĂ€ten mit glatt geschliffenen OberflĂ€chen.

»»Ackerbau als

Lebensgrundlage

In Mitteleuropa ist zu Beginn der neuen Wirtschaftsweise um etwa 5.700 v. Chr. zunĂ€chst nur eine einzige Kulturgruppe mit einem ĂŒberall sehr Ă€hnlichen Erscheinungsbild verbreitet. Als die rund 750 Jahre wĂ€hrende Bandkeramische Kultur (ca. 5.700–4.950 v. Chr.) mit ihren Siedlungen auch das sĂŒdliche Niedersachsen erreichte, waren die fruchtbaren Lössböden noch von dichten

Eichen- MischwĂ€ldern ĂŒberzogen, die zur Anlage der meist recht kleinen Dörfer und der Felder gerodet werden mussten. Mit einer rund 2°C höheren Durchschnittstemperatur war das Klima deutlich milder als heute und begĂŒnstigte so die EinfĂŒhrung der Landwirtschaft in der hiesigen Region. Lebensgrundlage der Bandkeramiker war in erster Linie der Ackerbau. Neben dem Ackerbau bildete die Viehzucht das zweite wichtige Standbein der bandkeramischen Wirtschaft. Bedeutendster Fleischlieferant war das Rind, gefolgt von Schwein, Schaf und Ziege.


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