W IRTSCH A F T:
ES IST KOMPLIZIERT
ALS GELD DAS ERSTE MAL IN EUROPA AUS PAPIER WAR und was uns das über das Wesen des Geldes verrät. TEXT: DDR. JÜRGEN HUBER, UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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as Geld eigentlich ist, lässt sich bis heute nicht ganz einfach beantworten, etwa wenn wir an Bitcoin denken – kann Geld sein, ist aber keine Währung – an Gold – lange das einzig wahre Geld, aber nicht mehr Währung – aber auch an Zigaretten – Währung in vielen Gefängnissen – oder an Salz – das früher einmal Geld gewesen war.
PROF. DDR. JÜRGEN HUBER Jahrgang 1974, ist Professor für Finanzwissenschaft und seit 2010 Leiter des Instituts für Banken und Finanzen an der Universität Innsbruck. Er forscht und lehrt unter anderem zu empirischer Finanzwirtschaft. Er hat zahlreich in renommierten Zeitschriften publiziert und ist gern gesehener Gesprächspartner in nationalen und lokalen Medien. 2020 wurde er von den Studenten der Uni Innsbruck zum zweiten Mal zum „Professor of the Year“ gewählt.
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Begeben wir uns nach Frankreich im Jahr 1715, wo am 1. September der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. stirbt. In seinen 73 Jahren auf dem Thron – er wurde bereits als Vierjähriger König – baute er nicht nur das Prachtschloss Versailles, sondern auch noch viele weitere Schlösser und festigte die Macht Frankreichs durch viele Kriege. Er gab dabei außerordentliche Geldsummen aus, verschuldete sich enorm und hinterließ bei seinem Tod ein ruiniertes Land. Allein die Zinsen der Staatsschulden verschlangen 60 Prozent aller Einnahmen, jeder zweite Franzose war arbeitslos, Tausende wanderten aus, denn Industrie und Handel
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lagen völlig darnieder. Der Hauptgrund dafür war der Mangel an Geld, denn „Geld“, das war damals einzig und allein Münzen aus Gold oder Silber. Doch der König hatte mit seinen hohen Steuern das meiste Gold und Silber eingezogen und dieses in Kriegen und für Prachtbauten ausgegeben, wobei vieles ins Ausland abfloss. Dadurch zirkulierte in Frankreich immer weniger Geld und der innerfranzösische Handel brach nach und nach zusammen, denn niemand hatte mehr Geld. Und die Wenigen, die noch welches hatten, hüteten sich, es auszugeben. Dies zeigt uns bereits zwei wichtige Funktionen des Geldes: Es ist Tausch-, aber auch Wertaufbewahrungsmittel. Davon ist die Funktion als Tauschmittel die wichtigere, denn Geld ermöglicht es, dass Menschen, die Unterschiedliches brauchen und anbieten, miteinander handeln können. Geld macht es möglich, dass Millionen von Menschen ihre Waren und Dienstleistungen verkaufen und sich
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