Europa aus Rasse und Raum

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Die Grundziige der "Neuordnung"

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Gleichgewichts"46 zu beseitigen versuchte. So begann in der nationalsozialistischen Lesart nicht 1918, sondern erst 1938 - mit dem Münchner Abkommen - der "Neubau eines gesunden Europas",47 der den als "notwendig" erklärten Abschied vom System des Gleichgewichts einleitete. Das deutsche Streben nach einer umfassenden Revision der Versailler Bestimmungen konnte durch diese Argumentation als eine echte, im Interesse des gesamten europäischen Kontinents liegende, unabdingbar notwendige "Neuordnung" des Staatensystems charakterisiert werden, deren Grundzüge sich zunächst über die Abgrenzung von "Feindbildern" herauskristallisierten.

2.1.2. "Britischer liberaler Imperialismus" und "jüdischer Bolschewismus" als Feinde Europas r - '■

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Die Charakterisierung der "Feindbilder", die die postulierte Notwendigkeit einer "Neu­ ordnung" des europäischen Kontinents untermauern sollten, wurde zunächst als eine primär "weltanschauliche" Frage dargestellt,48 die erst im weiteren Verlauf konkrete politische Schlußfolgerungen zeitigte. Die beschworenen "Gefahren", die Europa ins­ gesamt zu drohen schienen, verstärkten das Bild "unhaltbarer" Zustände im politischen Staatensystem, dem nur durch eine radikale Abkehr von den bisherigen - untauglich gewordenen - Organisationsprinzipien zu begegnen war. Die "Feindprojektionen", die dabei verwendet wurden, griffen erneut auf die differenzierten Einschätzungen der europäischen Zustände zurück und vereinten diese mit ganz konkreten Schlußfolgerun­ gen, die ausschließlich deutsche Interessen bedienten. Die gesamteuropäischen "Befind­ lichkeiten", die durchaus von diesen angenommenen Gefahren mitgeprägt waren, machten einzelne Aspekte der "Feinbildpropaganda" durchaus akzeptabel. Erst deren prononcierte Wichtung und die Auswahl der angesprochenen Themen ließ sie zu einer äußerst wirkungsvollen Instrument im nationalsozialistischen "Neuordnungs"-Streben werden. In diesem Verständnis basierten die Feindbilder auf der Gegenüberstellung von natio­ nalsozialistischer bzw. faschistischer "Revolution" und westlicher Demokratie sowie bolschewistischem System. Ausgehend von diesen allgemein angelegten Aspekten wurde die "weltanschauliche" Gegenüberstellung im Verlauf der deutschen Außenpolitik mit den realen Gegnern Deutschlands politisch personalisier und wechselseitig den

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Vgl. E. v. Wedel: Der Grundsatz vom europäischen Gleichgewicht, a.a.O., S. 104. Vgl. J. Pfitzner: Die Wiederherstellung der mitteleuropäischen Lebensgemeinschaft, in: Europäische Revue, 1939, S. 333-337, S. 333. Vgl. A. Rosenberg: Krieg der Weltanschauungen, in: Nationalsozialistische Monatshefte, 1940, S. 323-326, S. 323.


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Europa aus Rasse und Raum by Dr. Rath - Issuu