Europa aus Rasse und Raum

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Zwischen Modernisierung und Hegemonieanspruch

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den kriegswichtigen Bereich der Naturwissenschaften betraf, aber auch die Geisteswis­ senschaften einschloß, die mit ihren "zukunftsweisenden" Ideen und Zielen den eigentli­ chen Inhalt des Krieges bestimmen würden.167 Gerade dieser Aspekt der ideologischen Absicherung und inhaltlichen Ausgestaltung der "Europavorstellungen" war von entscheidender Bedeutung für die Propagierung der "Neuordnungs"-Vorhaben", da Europa laut Friedrich Berber eben "kein koloniales Neuland" sei, "das man sozusagen ins Leere konstruieren" könne.168 Allerdings wurde diese Einsicht durch die zuvor bereitwillig anerkannte Unterordnung der Forschung unter die Politik in weiten Teilen widerlegt. A uf der Grundlage dieses eindeutig politisch bestimmten Selbstverständnisses griffen Geopolitik, Raumforschung und Auslandswissenschaften in der Ausgestaltung der "Neuordnungs"-Idee" analog ihrer inhaltlichen Schwerpunkte ineinander. Den Aus­ gangspunkt für die politische Konzeptionalisierung der "Neuordnung" lieferte dabei die Geopolitik mit ihren Überlegungen zu "Raum" und "Lebensraum".

1.2.2. Karl Haushofer und die geopolitischen Grundlagen r

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Geopolitische Ansätze waren bereits über die Beziehungen zwischen K arl Haushofer und R udolf Heß in Hitlers "Mein K am pf' eingeflossen. Dabei hatte Haushofer im Unterschied zu Ratzel eine spezifische Form der Geopolitik entwickelt, die er ab 1924 in der "Zeitschrift für Geopolitik" verbreiten konnte.169 Die von ihm begründete "deut­ sche Schule" dieser Wissenschaft untersuchte vor allem dem Einfluß geographischer Bedingungen auf die Entwicklung der Staaten und verstand sich dabei als wissen­ schaftliche Grundlegung der Politik.170 Obwohl Karl Haushofer nach 1945 betonte, daß die Naziideologie lediglich Schlagworte der Geopolitik benutzt, diese aber zumeist falsch interpretiert hatte, und seine Arbeiten nach 1933 "under pressure" entstanden seien,171 läßt sich der immense Einfluß geopolitischer Gedanken in der "Neuordnungs"Ideologie kaum leugnen. Die Geopolitik war nach 1933 fast zur offiziellen Wissenschaft vom "Lebensraum" avanciert.172

167 168 169

Vgl. ebenda, S. 3ff. ; Vgl. F. Berber: Die Neuordnung Europas und die Aufgabe der aussenpolitischen Wissenschaft, a.a.O„ S. 195. Vgl. K. Lange: Der Terminus "Lebensraum" in Hitlers "Mein K am pf', a.a.O., S. 431.

170

Vgl. M. Schmoeckel: Die Großraumtheorie, a.a.O., S. 83.

171

Vgl. K. Lange: Der Terminus "Lebensraum" in Hitlers "Mein K am pf', a.a.O., S. 431f.

172

Vgl. M. Schmoeckel: Die Großraumtheorie, a.a.O., S. 84; sowie F. Neumann: Behemoth, a.a.O., S. 176f.


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Europa aus Rasse und Raum by Dr. Rath - Issuu