Frankreich Magazin 2023-1

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BASKENLAND Meer, Berge und ganz viel Seele CHAMPAGNE Eine prickelnde Rundreise AUSERKOREN Die Lieblingdörfer der Franzosen Ein umwerfend romantisches Landhaus in der NORMANDIE Côte d’Azur Entschleunigung im Schnee 41 9 7956 706905 01 D: € 6,90 CH: CHF 12,50 A: € 7,70 FR: € 8,70 LUX: € 8,20 NR. 1 - 2023

Mein Monsieur Mazza

Die Geschichte über das Baskenland in diesem Heft hat mich an meinen 84-jährigen Nachbarn in Nizza erinnert. Monsieur Mazza, ein französisch-baskischer Oberst a.D. Er trug stets ein Barett - oder eine Baskenmütze - außer im Juli und August. Jeden Abend hat er Le Figaro in unseren Briefkasten gesteckt, nachdem er ihn selbst ausgelesen und das Kreuzworträtsel gelöst hatte. Ich habe viele Tassen Kaffee mit ihm getrunken. Wir gingen dann in sein Arbeitszimmer, wo ein gigantischer Schreibtisch stand, auf dem sich Papiere und Zeitungsschnipsel gestapelt haben. Er hat gerne den Eindruck erweckt, sehr beschäftigt zu sein. Er hat erzählt, ich habe zugehört.

Dabei hat er wunderbare Wörter und Redewendungen verwendet, die ich mir zuhause schnell notiert habe. Zumindest wenn ich sie mir merken konnte, denn anfangs befand sich mein Mittelstufenfranzösisch noch im Tiefschlaf. Über seine Abenteuer bei der Armee hat er mit Bravour und erhobener Stimme gesprochen. Manchmal lief er rot an vor Aufregung, wenn er sich über nackte Touristen oder randalierende Jugendliche ärgerte. Dann hat er seine Worte förmlich ausgespuckt. Doch wenn er über das Baskenland sprach, redete er ganz leise. Er erzählte von der baskischen Sprache, über das Ballspiel Pelota, seine Jugend am Strand und die Picknicks in den Bergen. Auch brachte er mir bei, dass sich die Basken nicht als Franzosen fühlten, dass sie viel leidenschaftlicher lebten und das Biarritz die schönste Stadt Frankreichs sei - wenn nicht der ganzen Welt.

In diesem Heft finden Sie zudem Tipps über ruhigen Wintersport im Hinterland der Côte d’ Azur und Sie entdecken ein prächtiges Stück Natur jenseits der Strände Okzitaniens. Nicht zuletzt lernen Sie ein australisches Ehepaar kennen, das in die Normandie gezogen ist, um dort alle Vernunft über Bord zu werfen, um ein romantisches, klappriges Herrenhaus zu kaufen. Ihre Devise: lieber charmant als praktisch. Auch mein alter Nachbar ist inzwischen in die Normandie gezogen, wo ihm das Klima besser bekommt. Nun kann er mit seinen Enkeln Kaffeetrinken.

Ich denke oft an meinen persönlichen Integrationscoach, von damals, wenn „Baskenland“ höre. Jeder sollte seinen eigenen Monsieur Mazza haben.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Start ins neue Jahr!

Cathelijne van Vliet, Chefredakteurin redaktion@frankreichmagazin.org

Baskenland © Serge Strippentoir
Vorwort

6 Bienvenue

Neue Tipps und Adressen für Ihre Frankreich-Reise Besondere Unterkünfte, spannende Ausflüge & tolle Ideen Reise

Frankreichs Baskenland Nostalgische Rundreise durch ein ganz besonderes Stückchen Frankreich

Champagne: Ein Fest für alle Sinne Wandern, wo das flüssige Gold gedeiht

Die schönsten Dörfer Von Märchenkitsch bis zur Hafen-Idylle: Das sind die Lieblingsdörfer der Franzosen 2022

Traumhaus in der Normandie Zu Besuch im Maison de maître von Danielle und Mike

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Inhalt Frankreich Magazin - 2023 - 13 Jahrgang - Nummer 1 80 12 47 58
der
38
Südfranzösischer Schnee Winterliche Geheimtipps für entspannte Eskapaden in den Alpes Maritimes
Salziger Zauber Stromern entlang der Salzseen Okzitaniens
„Da schwebt sozusagen
Vintage-Geist im Raum und lebt und schafft.“ Designer Marin Montagut - S. 90

Kultur

FRANKREICH MAGAZIN 5
&
32 Une belle histoire Die lebenslange Liebe von Joséphine und Napoleon 47 Boutique Bekleidung und Accessoires für den Herbst 68 Kultur Ausstellungen in Frankreich und Deutschland 89 Maison Einrichtungsideen mit französischem „Chique“ 90 Lebende Nostalgie Wunderliche Spezialläden und Kunsthandwerkstätten in Paris 94 Auslese Mit Büchern auf dem Sofa nach Frankreich reisen Essen & Trinken 48 Rezepte Mit Zu Tisch in Paris erleben Sie Glücksmomente aus Bistros und Cafés aufs Neue 57 Bon appétit Küchenfreuden auf Französisch Und außerdem... 23 Ganz spontan Kolumnistin Christine Cazon hat keinen Plan 98 Impressum 89 48 38 GEWINNER 2022 57
Design

Bienvenue

Tipps für Unterkünfte, die Reise und Ausflüge

Alte Kunst in neuem Gewand

Das Kunstmuseum in Lille stellt seine Sammlung Schritt für Schritt auf neue Weise der Öffentlichkeit vor. Seit kurzem präsentiert sich die Abteilung „Mittelalter und Renaissance“ in einem völlig neuen Gewand. Nicht nur buchstäblich mit der neuen Beleuchtung, sondern auch durch Projektionen und Videos von zeitgenössischen Künstlern wird diese reiche Kunstepoche in einen neuen Kontext gestellt. Palais des Beaux Arts, Place de la République, Lille. pba.lille.fr

Gut und günstig essen in Paris

Simplicité, authenthique, saveurs, chaleureux, das sind die vier Schlagworte von Bouillon Chartier: einfachauthentisch - Geschmack - Wärme. 1896 gründeten die Brüder Frédéric und Camille Chartier in Montmartre das ur-Pariser Restaurant, in dem die örtlichen Arbeiter gut und günstig essen konnten. Es war eines der Bouillons, also Restaurants, die französische Klassiker servierten. Später folgte eine Filiale in Montparnasse, und seit April

vergangenen Jahres kann man auch am Gare de l’Est ein einfaches, kräftiges und klassisches Essen bekommen.

Ideal, wenn Sie anschließend den Zug nach Hause nehmen - oder auf der Durchreise zu einem anderen französischen Ziel sind, denn der Service ist schnell.

Täglich von 11.30 - 00:00 Uhr Bouillon Chartier

Gare de l’Est, 5 Rue du 8 mai 1945, Paris. bouillon-chartier.com/garede-lest

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VON AMÉLIE DUFOUR UND EUGENIE GOLDSCHMEDING, MALOU LAMMERTSE, ANNEKE WARDENBACH & ANJA WINTER

Normannischer Märchenwald

Fürstin Greta Sturdza kaufte 1955 zusammen mit ihrem Mann ein zwölf Hektar großes Anwesen in der Normandie. Von da an begann sie, ihr Paradies zu erschaffen. Sie verwandelte ein undurchdringliches Dickicht aus Brombeeren, Farnen und Kiefern in einen verwunschenen Garten mit 7000 Pflanzen- und Baumarten. Der Garten ist das ganze Jahr über gegen eine Gebühr und nach Vereinbarung (mit einem Führer) zu besichtigen. Jardin Le Vasterival, Allée Albert Roussel 346, Sainte Marguerite-sur-Mer (Normandie), +33(0)2 35851205. vasterival.fr

Im Ritz, wo sonst?

Sie kennen natürlich das Ritz, aber wussten Sie auch, dass der ChefPatissier François Perret Köstlichkeiten für die etwas normaleren Sterblichen zubereitet, die sich eine Nacht im Nobelhotel nicht leisten können? Im Ritz Paris Le Comptoir können Sie von Montag bis Samstag exquisite Patisserie und unwiderstehliche Croissants bekommen. Man gönnt sich ja sonst nichts! Ritz Paris Le Comptoir, 38 Rue Cambon, Paris. ritzparislecomptoir.com

C omme il faut

Vor zehn Jahren zog die Französin Géraldine Lepère nach England. Sie erlebte einen solchen Kulturschock durch die Sprache, dass sie, wieder zurück in Frankreich, beschloss, Nicht-Franzosen in dieser Situation mit einem kostenlosen Online-Kurs zu helfen. Jeden Dienstag lädt sie ein neues Video mit Französischkursen für Anfänger und Fortgeschrittene hoch. Es werden auch (kostenpflichtige) Kurse angeboten youtube.com/commeunefrancaise of commeunefrancaise.com

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Romantische Seufzer

Lieben Sie diese französischen Sänger mit sinnlichen, seufzenden Stimmen? Auf ihrem neuen Album Hors saison paart Alexia Grédy dieses Genre mit enormer emotionaler Kraft und schafft damit melancholische und leidenschaftliche Liebeslieder wie das schwindelerregende Vertigo, das mitreißende Drôle d’idée und das sinnliche Un peu plus souvent Alexia Grédy: Hors saison, Deluxe Video Album

Bienvenue

Tipps für Unterkünfte, die Reise und Ausflüge

Der sechste Sinn

Landschaftskino

Mit solchen Fotos brauchen Sie schon fast kein Auto mehr, um die Roadtrips durch Frankreich zu genießen! Der Reiseführer geht mit den vielen wunderbaren Bildern eigentlich als Bildband durch, wären da nicht die übersichtlichen Landkarten und vielen praktischen Tipps. Jede der 14 Routen beginnt mit einer schönen Einführung zum Schmökern, ergänzt durch zahlreiche kurze, vertiefende Texte zum Querlesen. Zusammen bieten sie einen tollen Überblick über ganz Frankreich und seine Verlockungen für Reiselustige, ganz nach dem Motto „Anhalten und genießen!“

Roadtrips Frankreich, Verlag Bruckmann, €30

Manchmal hat ein Künstler sein Herz und seine Seele derart in ein Kunstwerk eingebracht, dass der Betrachter noch Jahrhunderte später diese Hingabe spüren kann und das Werk tief berührt. La dame à la licorne ist ein solches Kunstwerk. Es besteht aus einer Serie von sechs Wandteppichen (Tenture), und besitzt bis heute eine so universelle Kraft, dass den Betrachter eine Art geheimnisvolle Ergebenheit überkommt. Jeder Teppich der Serie stellt einen der Sinne dar: Neben Hören, Sehen, Fühlen, Schmecken und Riechen bietet das sechste Werk, A mon seul désir, den meisten Stoff für Diskussionen. Bezieht es sich auf den sechsten Sinn, also auf jeden der ersten fünf Sinne auf einer übersinnlichen Ebene, so dass wir von Hellsehen, -hören, -schmecken und -riechen sprechen könnten? Oder geht es um Verführung und Liebe? Dazu würden die schönen Darstellungen von fruchtbaren Kaninchen, Blumen und Orangenbäumen passen.

Das Werk entstand wahrscheinlich im Übergang von der Renaissance zum Mittelalter im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert. Nach sieben Jahren

Restauration ist das Musée de Cluny, auch Musée national du Moyen-Âge genannt, endlich wieder geöffnet und zeigt La dame à la licorne.

Das Museum ist mit seinem Arsenal an mittelalterlichen Kunstschätzen ohnehin Muss im Herzen des Quartier Latin. musee-moyenage.fr

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Das Hotel***-Restaurant Le Bellevue liegt in Villerville, Normandie, zwischen Honfleur und Trouville-Deauville. Das reizende Hotel hat 22 Zimmer und vier Suites mit Meerblick. Genießen Sie im Restaurant die traditionelle, hochklassige Küche mit Fisch, Meeresfrüchten und Hummer.

Rue du Général Leclerc 12, 14113 Villerville, Frankreich Tel.: + 33 (0)2 31 87 20 22 biendormir@bellevue-hotel.fr www.bellevue-hotel.fr BOUTIQUE FM2022_2_Vignes dl Chapelle ADV.indd 80 28-04-2022
12:03

Bienvenue

Rustikal übernachten im Grünen

Schluchten & Seen

Alpes-de-Haute-Provence

Der kleine vier Sterne-Campingplatz La Farigoulette (mit Holzchalets für Glamping-Freunde) bietet Ruhe, Natur und Sport, mit einem beheizten Schwimmbad und Volleyball- und Fußballplätzen. Er liegt mitten in der Natur, am See Montpezat, nahe der Gorges du Verdon, wo Sie Kanufahren und wandern können. Camping Ciela Village La Farigoulette (Saint-Laurent-du-Verdon), Häuschen ab €54/Nacht. lafarigoulette.cielavillage.fr

Liebesnest Savoie

Am Rande von Savoyen finden Sie mitten im Wald die Baumhäuser von Entre Terre et Ciel (zwischen Himmel und Erde). Jede Hütte hat ihren eigenen Charakter; man könnte La Cabane Mont-Blanc ein richtiges Liebesnest nennen, mit Sauna, Whirlpool und Blick auf den Mont-Blanc. Sobald Sie die Klappleiter hochklettern, gelangen Sie in eine andere Welt. Entre Terre et Ciel (Saint-Nicolas-la-Chapelle), ab €280/Nacht. cabanes-entreterreetciel.fr

Vintage an

der See Charente-Maritime

Nur 50 Meter vom Strand entfernt liegt das charmante Boutiquehotel La Villa Ouest. Die Kombination aus modernem Komfort und dem typischen Look der 1930er Jahre mit Vintage-Möbeln ist der Hit. Mit Weinbar, schönem Spa und Swimmingpool. Der Badeort Royan ist nur zehn Autominuten entfernt. La Villa Ouest (Saint-Palais-sur-Mer), ab €75/Nacht. lavillaouest.com

Schräge Vögel

Savoie

Sie sind ein ungewöhnlicher Anblick, diese modernen Häuser in den Bergen. Die Häuser im Feriendorf Village des Oiseaux des französischen Vogelschutzvereins sind nachhaltig gebaut und eingerichtet. Hier können Sie wandern, radeln, inlineskaten, im See schwimmen und auf der Rhône Kanu fahren. Wollen die Eltern ungestört Vögel beobachten, dürfen Kinder in den Kinderclub. Résidence Le Village des Oiseaux –Vacancéole (Motz), ab €84/Nacht. vacanceole.com

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Rundreise voller Nostalgie

FrankreichsBaskenland

Es ist ein ganz besonderes Stückchen Frankreich, aufgrund seiner Küche, seiner Architektur und seiner tiefverwurzelten Kultur. Das Frankreich Magazin hat sich zwischen den Pyrenäen und dem Atlantik auf die Suche nach der baskischen Seele begeben.

FOTOS SERGE STRIPPENTOIR
TEXT HUIB AFMAN

Es herrscht reges Treiben auf dem Samstagsmarkt rundum Les Halles in Bayonne. Lautstark preisen die Händler Bio-Weine, Pasteten und Porc Gascon an. Probieren ist erlaubt! Dieser Markt für lokale Produkte wandert durch die Region PaysBasque (französisches Baskenland). Heute in Bayonne, montags in Saint-Jean-Pied-de-Port. „Folgen Sie einfach der Nive stromaufwärts und Sie werden ihn finden“, sagt Christiane Bonnat, die seit Jahren im Tourismus in Bayonne tätig ist. Sie zeigt auf den Gezeitenfluss, der die Stadt teilt. Auf unserer Seite das alte Zentrum mit der Kathedrale aus dem 14. Jh. und ein gemütliches Einkaufsviertel. Auf der anderen Seite Petit Bayonne; weniger poliert, das Baskische ist deutlicher an den

Fassaden von Bars und Restaurants zu erkennen. Das Lauburu, das vierköpfige Kreuz, ist häufiger abgebildet. Unter der Woche ist dieser Teil der Stadt eine Oase der Ruhe, an den Wochenenden gehen hier Studenten aus. Christiane weist mit dem Kinn auf die Laternen am Kai. Ob ich die blauen und weißen Fahnen bemerkt hätte. Bayonne ist nämlich nationaler Rugby-Meister geworden. Rugby. Der Volkssport Nummer eins in Frankreich. „Und hier die Nummer zwei: Nach Pelota“, sagt sie. Christiane will es mir zeigen. Wir überqueren die Brücke. Am Ende einer Gasse öffnet sich eine Tür. Le Trinquet Saint André ist in Bayonne ein Begriff. In der überdachten Halle schlagen zwei DamenDuos mit Schlägern fanatisch einen Ball gegen eine meterhohe Wand. Nebenan liegt eine Brasserie, in der junge Leute Karten spielen. In der speziellen Pelota-Halle hängt der Geruch von Schweiß und

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Wein. Die Liebe zur Tradition; das ist typisch baskisch. Während ich den Gedanken laut ausspreche, fällt mir auch wieder ein, dass ich schon einmal vom Pelota-Spiel gehört habe. Vor sechs Jahren, bei einem Interview in Spanien mit einem ehemaligen ETA-Häftling. Anonym. Teils nur als Hintergrundinformation, ein schwieriges Gespräch. Das Baskenland hat auch eine dunkle Seite. Dieses Streben nach Unabhängigkeit, dieser ungebrochene Stolz, sie sagen viel über die baskische Identität. Christiane bagatellisiert das Thema nicht. „Vor 30 Jahren explodierte eine Bombe in meinem Büro. Aber das war eine Ausnahme. Die ETA war hauptsächlich in Spanien aktiv.“

Französisch - spanisch

Bayonne, die Hauptstadt des französischen Baskenlandes (Departement Pyrénées-Atlantiques) ist ein guter Ausgangspunkt, um die baskische Kultur kennen zu lernen. Die hohen Fachwerkhäuser mit ihren roten und blauen Balken verleihen der Stadt ein markantes Aussehen. Christophe Fromager, Franzose und Baske, betreibt seit zehn Jahren eine Fromagerie mit erlesenen Käsesorten, darunter auch handwerklich hergestellter Schafskäse aus der Region. Zum Beispiel Ardi-Gasna, Tomette d'Alberto oder Grande Moho aus Navarra. Ein bisschen französisch, ein bisschen spanisch. Besucher finden diese Mischung nicht nur in den Käsesorten, sondern auch in der Schokolade, denn

die spanischen Juden, die vor der spanischen Inquisition flohen und sich auch in Bayonne niederließen, brachten ihr Wissen über die Schokoladenherstellung mit. Die Identität des Baskenlandes liegt in den Details, weiß Tuchhändlerin Isabel in ihrem Geschäft Tissage de Luz. Das Leinen, das sie verkauft, schützte dank seiner festen Textur einst das Vieh vor Insektenstichen: Sein Muster im Bayadere-Stil hat sieben Streifen, die der Anzahl der Provinzen des Baskenlandes entsprechen: drei französische und vier spanische. „Früher wurden nur Grün, Rot und Weiß, also die Farben der baskischen Flagge, für das Design verwendet, aber alles ändert sich. Wir gehen mit der Zeit.“ Auch mit dem baskisch sein ist es so eine Sache. „Im Baskenland geboren zu sein, macht einen noch nicht zum Basken. Nur wenn man Euskara spricht, ist man Baske“, sagt Isabel.

Einsame Riesen in der Stille Ein ganz anderes Baskenland entfaltet sich im hügeligen Hinterland, wo die ländliche Stille die wunderschön erhaltenen Dörfer umfasst. Sare,

Aufschlagseiten, rechts: die ‚Sémaphore‘ von Guéthary, wo die Glocken erklungen sind, wenn Wale gesichtet wurden; links: Ainhoa. Linke Seite: Bio-Maronihändler auf dem Samstagsmarkt in Bayonne. Oben, links: der Strand von Biarritz; rechts: Café in der Fuß gängerzone bei der Kathedrale von Bayonne.

Dieses Streben nach Unabhängigkeit, dieser ungebrochene Stolz, sie sagen viel über die baskische Identität
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Lieber ein Hafen im Windschatten, als einer voll im Wind dieses gewaltigen Ozeans am Golf von Biskaya, sagte der gesunde Menschenverstand
Französisches Baskenland FRANKREICH MAGAZIN 17

DAS FRANZÖSISCHE

BASKENLAND

Das französische Baskenland gehört zum Departement Pyrénées-Atlantiques und ist in drei Provinzen unterteilt: Labourd, Basse-Navarre und Soule.

Anders als in Spanien, wo das Baskenland eine autonome Region ist, wird Baskisch in Frankreich nicht offiziell als Sprache anerkannt, obwohl es Schulen gibt, die Baskisch unterrichten.

Mit rund 52.000 Einwohnern ist Bayonne die inoffizielle Hauptstadt des französischen Baskenlandes.

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Ainhoa, Ascain und natürlich Espelette, berühmt für seinen roten Pfefferschoten, sind sehr fotogen. Alles ist hier innerhalb einer Stunde mit dem Auto zu erreichen und ich erfreue mich der Gesellschaft des Fotografen Serge, der im französischen Baskenland geboren und aufgewachsen ist. Die Landschaft zieht an unserem Auto vorbei. Wiesen mit Eseln und Pottock-Ponys, einer seltenen, typisch baskischen Rasse. Fachwerk-Bauernhäuser ragen einsam in der Stille empor; schöne Labourdine-Häuser mit weiß verputzten Wänden und roten Balken. „Früher wurden sie mit Ochsenblut imprägniert, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen, heute sind sie gebeizt“, erklärt Serge. Der Einfluss des Atlantiks hat sich auch auf die Art und Weise ausgewirkt, wie die Menschen ihre Höfe und Kirchen errichten. Ich liebe es, von Dingen zu erfahren, die man erst sieht, sobald man sie kennt. Die überwiegend hölzernen Gebäude stehen mit dem Rücken zur Küste: die Front nach Osten, die Rückseite zur See. Das hilft, die Feuchtigkeit draußen zu halten, zusätzlich müssen die alten Höfe regelmäßig gelüftet werden. „Ein großer Unterschied zwischen der baskischen und der französischen Kultur ist das Haus“, fährt Serge fort. „Ein Franzose besitzt ein Haus, ein Baske muss sich an sein Haus anpassen.“

Königliche Hochzeit

Dann die baskische Küste! Da ist natürlich Biarritz mit seiner leichten Flanier- und Surfkultur, fast eine Enklave. Saint-Jean-de-Luz hingegen ist international viel weniger bekannt, etwas alltäglich, eher gemütlich. Hier spielt sich das Strandleben vor der Kulisse neuer Villen im alten baskischen Stil ab. Hinter dem Strand liegt im Zentrum ein kleiner Hafen, ein Erbe aus jener Zeit, als der Ort zwischen dem 11. und 16. Jh. zusammen mit San Sebastián und Bayonne wichtig für den Walfang war. Lieber ein Hafen im Windschatten, als einer voll im Wind dieses gewaltigen Ozeans am Golf von Biskaya, sagte der gesunde Menschenverstand. So schmiegt sich der Strand heute wie eine Bananenschale an den Damm, der im 19. Jahrhundert nach einer großen Überschwemmung errichtet wurde. Bei der Église Saint-Jean-Baptiste von 1658 erinnert die Form des Daches noch an den Laderaum eines Walfängers. In dieser Kirche fand übrigens auch die Hochzeit zwischen Ludwig XIV. und Marie-Thérèse d'Autriche, der Infantin von Spanien, statt. Inoffiziell war dieser Bund der Ehe der Höhepunkt des Pyrenäenfriedens, der den Krieg zwischen Frankreich und Spanien 1659 beendete. Auf dem Platz am Hafen steht ein Musikpavillon, in dem

Gilbert Valota seit 50 Jahren seine Bilder verkauft. Er ist „vierundachtzigeinhalb. Wenn man so alt ist wie ich, fangen die Halbjahre wieder an, zu zählen,“ sagt er verschmitzt. Er spricht kein Euskara, ist kein Baske. Wohl aber jemand, der Saint-Jean-de-Luz inund auswendig kennt und der nie große Veränderungen beobachten musste. Vielleicht ist der Badeort deshalb so beliebt bei Jean Paul Gaultier. Wo die Liebe zwischen dem Sonnenkönig und Marie-Thérèse seit Generationen im Maison Adam verkauft wird - in Form von Macarons, gebacken nach dem Rezept des französischen Hofes. So kommt man nicht umhin, diesen Ort zu lieben. Und die Seele dieses Landstrichs. Dieses Landes, das kein Land ist. „Früher war das Baskenland einfach da, heute ist es eine Idee“. Es waren Worte des Käseexperten Christophe aus Bayonne. Sie fallen mir plötzlich ein, als ich mit dem Fotografen Serge ins Auto steige. Was ist diese Seele des Baskenlandes eigentlich? Eine Suche nach Nostalgie? Wenn

› Französisches Baskenland

„Ein großer Unterschied zwischen der baskischen und der französischen Kultur ist das Haus. Ein Franzose besitzt ein Haus, ein Baske muss sich an sein Haus anpassen.“
Vorige Seiten: der Hafen von Saint-Jean-de-Luz. links, im Uhrzeigersinn: Bayonne; Saint-JeanPied-de-Port; Schinkenverkauf auf dem Samstagsmarkt in Bayonne. Unten: traditioneller baskischer Bauernhof in Sare. FRANKREICH MAGAZIN 19

Links: der große Strand von Saint-Jean-de-Luz; rechts: Hôtel Euzkadi in Espelette.

ja, sind wir auf dem richtigen Weg, denke ich. Wir fahren tiefer ins Landesinnere, nach Irouléguy. Wolken streichen durch die Hügel; ein Streifen kleiner Weinberge löst sich in Nichts auf. Die Bergkämme schimmern wie Perlmutt, ein Halo ziert die Sonne.

Pilgerroute

Als wir in Saint-Jean-Pied-de-Port aussteigen, ist es kühl. Vier Tore durchbrechen die mittelalterliche Stadtmauer, deren Namen die geografische Lage der Grenzstadt verraten: Porte de France, Porte d'Espagne, Porte de Navarre und Porte de SaintJacques. Der Samstagsmarkt in Bayonne ist weitergewandert und wird montags hier aufgebaut. In der Rue de la Citadelle in der Altstadt herrscht ein Kommen und Gehen von Touristen und Pilgern. Für viele ist sie der Ausgangspunkt für den Camino Francés nach Santiago de Compostela. Das verleiht Irouléguy ein anderes Flair. Das Maison des Pèlerins registriert zwischen 350 und 500 Pilger, die hier von Mai bis September täglich aufbrechen.

Saint-Jean-Pied-de-Port war einst das politische Zentrum der Basse-Navarre; heute ist es das wirtschaftliche, kulturelle und sportliche Zentrum des französischen Baskenlandes. Kleine und mittlere Betriebe profitieren davon. Im Laden von Patricia und ihrer Mutter stapeln sich die luftigen Espadrilles -Schuhe meterhoch in den Regalen. Authentisch, handgefertigt, seit 40 Jahren. Mit dicken Nadeln nähen sie das Leinen auf die Jutesohlen. Höchstens 15 Stück pro Tag. Schwielen an den Fingerspitzen. Unermüdliche Arbeit. Nostalgie?

Ein Stück weiter will Catherine Ithurbide in ihrem Schmuckgeschäft, die baskische Identität neu definieren. „Meinem Schmuck dient das baskische Symbol, das Lauburu, als Grundlage. Es gibt viele Theorien über die Bedeutung des Kreuzes, aber die plausibelste ist, dass es die Sonne symbolisiert.“ Am Nachmittag bricht diese dann auch am Himmel durch. Mir fällt ein Plakat an der Wand ins Auge. Ein Schwarz-Weiß-Foto eines jungen Mannes im Polohemd, dazu der Text „Gabi Askatu, amnistia osoa“. Irgendwas mit einer Demonstration, Amnestie und politischer Gefangener im spanischen Baskenland. Das Plakat entgeht den Touristen und Pilgern. Das wunderschöne Baskenland regt die Fantasie an, aber für den Besucher bleibt immer eine verborgene, unerreichbare Ebene.

Wolken streichen durch die Hügel; ein Streifen kleiner Weinberge löst sich in Nichts auf. Die Gipfel schimmern wie Perlmutt, ein Halo ziert die Sonne
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Im Uhrzeigersinn: handgemachte Espadrilles mit dem baskischen Lauburu-Kreuz in SaintJean-Pied-de-Port; eine Terrasse auf dem Place du Marché in Bayonne; die macarons von Adam in Saint-Jean-de-Luz.

Tipps & Adressen

Anreise

Der TGV fährt als Nachtzug direkt von Paris nach Hendaye. thalys.com

Übernachten

Hôtel-restaurant des Basses-Pyrénées (Bayonne)

Charmantes ****Hotel an einem gemütlichen Platz mit ausgezeichnetem Frühstück. hotel-bassespyrenees-bayonne.com

Hotel Ohartzia (Saint-Jean-de-Luz)

Sympathisches Hotel im Stadtzentrum, geführt von einem älteren französischen

Ehepaar. Großer Garten. hotel-ohartzia.com

Essen

Bar du Marché (Bayonne)

Seit 100 Jahren ein bekannter Name. Von Einheimischen geliebt. Immer dasselbe einfache Menü. 39, Rue des Basques Restaurant Kaïku (Saint-Jean-de-Luz) Restaurant von Nicolas Borombo. Echte baskische Küche. Eintrag im Michelin-Führer. Authentisch, modern, subtil. 17, Rue de la République Restaurant Les Alcyons (Guéthary)

Nördlich von Saint-Jean-de-Luz,

am Hafen. Eine nette Mittagsadresse. Jetée Des Alcyons

Einkaufen

Christophe Fromager (Bayonne) 13, Rue Argenterie. christophefromager.com Tissage de Luz Geschäfte in Bayonne, Biarritz, Espelette und Saint-Jean-de-Luz. tissagedeluz.com

Maison Adam –macarons et chocolaterie fine (Saint-Jean-de-Luz) 4-6, Place Louis XIV. maisonadam.fr

Lorea – le bijou Basque (Saint-Jean-Pied-de-Port) 31, Rue d’Espagne. lorea.fr

Weitere Infos

paysbasque-tourisme.com

FRANKREICH MAGAZIN 21 Französisches Baskenland

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Frankreich

Christine Cazon

Ganz spontan

„Das neue Jahr fängt ja gut an!“, schnaube ich und knalle den Hörer auf. „Mir reicht es jetzt schon!“ „Was ist denn mit dir los?“ Wundert sich Monsieur. „Na, so geht das doch nicht! Seit Tagen haben wir kein warmes Wasser im Bad und dieser Installateur kommt einfach nicht! ‚Am Donnerstag kommt er‘, hieß es. Das war gestern, da ist er aber nicht gekommen, und glaub mal nicht hat, dass er abgesagt hätte. Als ich nachmittags anrief, um zu hören, wo er bleibt, sagte man mir, er käme heute. Oder am Montag. Ja, wann denn nun?“ ereifere ich mich. „Als hätte ich nichts anderes zu tun, als zu Hause zu sitzen und auf den Installateur zu warten! Jetzt ist es Freitagnachmittag und wer ist wieder nicht gekommen?“ Ich blitze Monsieur wütend an. „Und natürlich erreiche ich jetzt nur noch den Anrufbeantworter!“ „Dann kommt er am Montag, das sagte er doch“, wendet Monsieur versöhnlich ein. „Ja, am MONTAG! Noch ein Wochenende ohne warmes Wasser, dann sind es gleich zwei Wochen! Ich verstehe jetzt, warum Belmondo den Elektriker und den Installateur umgebracht hat!“ „Wie bitte?“ Fragt Monsieur irritiert. „In Ich bin der Größte (Le magnifique) spielt Belmondo einen verkrachten Krimischriftsteller, François Merlin, der wochenlang auf den Elektriker und den Installateur wartet“, erkläre ich Monsieur. „Als der Elektriker endlich kommt, besieht er sich den Schaden im Bad und schüttelt den Kopf: Er könne nichts machen, nicht bevor der Installateur da war! Achselzuckend verschwindet er wieder. Dann kommt der Installateur und rauscht ebenfalls unverrichteter Dinge ab, weil er nicht arbeiten kann, solange der Elektriker nichts repariert hat! Belmondo, alias François Merlin, baut daraufhin in seinem Kriminalroman einen dramatischen Schusswechsel ein, in dem der Held, der Geheimagent Bob Saint-Clair, ebenfalls gespielt von Belmondo, den Elektriker und den Installateur mit einem Maschinengewehr niedermäht.“

„Aha“, sagt Monsieur, „kann mich nicht erinnern.“ „Natürlich nicht!“ Ich bin gerade schön warmgelaufen und schimpfe weiter. „Weil du genauso bist! Alle seid ihr so! Mit Euch Franzosen kann man nichts planen!“

„Was willst du denn so Wichtiges planen?“ Fragt Monsieur nun seinerseits etwas angefressen. „Seit Monaten sind wir zu diesem runden Geburtstag in Deutschland eingeladen und jetzt muss ich definitiv zu- oder absagen und du sagst nur ‚Sehen wir mal‘. So kommen wir doch nicht weiter“, ereifere ich mich. „Na, aber, was ist das denn auch für eine Art, sechs Monate vorher eine Antwort

wissen zu wollen“, ereifert sich seinerseits Monsieur. „Was weiß denn ich, was in sechs Monaten ist? Ich weiß nicht mal, ob ich da noch lebe!“ „Drei Monate“, widerspreche ich. „Es sind nur drei Monate!“ „Drei, sechs, vollkommen egal. Ihr seid so unspontan, ihr Deutschen!“ „Wir Deutschen sind organisiert, wir planen, Herrgottnochmal. „Man muss das Lokal buchen, das Restaurant muss rechtzeitig die Anzahl der Gäste wissen, das ist doch normal! Und wir hier müssen rechtzeitig einen Flug buchen, sonst sind alle Flüge weg oder viel zu teuer. Und ich kann doch nicht drei Tage vergeblich auf einen Handwerker warten, der nicht mal absagt, ich habe doch auch etwas anderes zu tun!“

„Bring nicht alles durcheinander“, weist mich Monsieur zurecht. „Der Installateur kommt schon noch, und zu dem Geburtstag fahren wir eben mit dem Auto, wenn die Flüge zu teuer sind. Und kein Restaurant der Welt wird zwei spontane Gäste zusätzlich ablehnen.“ Ich schnappe nach Luft. „Spontan! Immer ist alles spontan und improvisiert!“, zische ich. „Können wir nicht wie erwachsene Menschen PLANEN!“ Zugegeben, ich rede in Großbuchstaben. „Oh là là, Chérie, sei ein bisschen locker!“ Monsieur verdreht die Augen. „Weißt du was“, räumt er dann ein. „Ich habe gar nichts gegen Planungen, ich wüsste zum Beispiel immer gerne morgens früh schon, was es mittags zu essen gibt. Oder was kochst du heute Abend, hast du da schon was geplant?“

„Französischer Macho“, zische ich leise. „Heute Abend gibt es kaltes Abendbrot und ich gehe jetzt in die Stadt!“ „Mach das“, brummt Monsieur und schaltet den Fernseher ein. Kaum bin ich stadtfein, klingelt es an der Tür. Ausgerechnet jetzt, wo ich weg wollte! Es ist der Installateur! Ich bin wütend und erleichtert gleichzeitig. Er repariert, was zu reparieren ist, und wir haben erneut warmes Wasser! Halleluja! Das Wochenende ist gerettet. Sonntagmorgen. „Hier, für dich!“ Monsieur hält mir einen fetten Strauß bunter Anemonen unter die Nase. „Lass uns Essen gehen“, sagt er. „Hab‘ ich was verpasst?“ Frage ich. Aber nein. Es gibt keinen Anlass. Die Blumen gibt’s, weil ihn die Anemonen auf dem Markt so angelacht haben und Essen am Strand ist eine gute Idee, weil überraschend so schönes Wetter ist. „Aber …“, wende ich ein und blicke auf das klein geschnippelte Gemüse und das Stück Fleisch, das ich schon ofenfertig vorbereitet habe. Ich seufze, aber dann schiebe ich alles kurzerhand in den Kühlschrank, das gibt es eben morgen. Wir essen köstlich am Strand, windgeschützt und in

Sonne; es ist wie Urlaub.

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der
Christine Cazon, alias Christiane Dreher, ist Krimiautorin und Wahlfranzösin. Zusammen mit ihrer Romanfigur Kommissar Duval erlebt sie Cannes sowohl vor als auch hinter den Kulissen der südfranzösischen Glitzerwelt.
„Französischer Macho“, zische ich leise. „Heute Abend gibt es kaltes Abendbrot und ich gehe jetzt in die Stadt!“

Ein Fest für alle Sinne

Champagne

Die Region verwöhnt ihre Besucher, in hunderten von Weingütern und Verkostungslokalen kitzelt das flüssige Gold den Gaumen. Vor allem aber lädt das sanfte Auf und Ab der Weinberge, wo die Trauben mit Sorgfalt geerntet werden, zum Wandern ein.

TEXT MICK PALARCZYK & PAUL SMIT FOTOGRAFIE MICK PALARCZYK
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In den Weinbergen oberhalb des Dorfes Ville-Dommange ist Violet der Liebling der Traubenleser. Sie schleppt die schwersten Kisten, schimpft nicht mit dem Chef, beklagt sich nicht über Rückenschmerzen oder stechende Fliegen und ist nie übler Laune. Sie ist der ruhige, geerdete Mittelpunkt des Teams, und jeder streichelt im Vorbeikommen liebevoll ihre schöne dunkelbraune Mähne. Wir spazieren auf dem Weinberg von Jeeper Champagne, einem kleinen Weingut, das Wert auf ökologisches Arbeiten legt. Eigentümerin Myriam Dubois erklärt: „Pestizide kommen bei uns nicht in Frage, und ich ziehe es auch vor, die frisch geernteten Trauben

nicht mit Raupenfahrzeugen aus dem Weinberg zu fahren, da die Raupen den Boden verdichten. Violets Hufe lockern den Boden sogar auf.“ Fuhrmann Fabrice begleitet das Pferd, das einen Schlitten voller Traubenkisten mit Präzision zwischen den Rebstöcken hinaufzieht. „Das Risiko, die Reben zu beschädigen, ist viel geringer als bei einer Maschine“, meint Fabrice. „Die ersten Jahre von Jeeper Champagne waren weniger ökologisch“, erzählt Myriam. „Schauen Sie, wie steil die Hänge hier sind. Darum bekam Armand Goutorbe, der Gründer des Weinguts, am Ende des Zweiten Weltkriegs von der US-Armee einen Jeep geschenkt, mit dem er auf die Hügel seiner Domäne fahren konnte. Als Ehrbekundung an sein

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CHAMPAGNE

unverwüstliches Gefährt hat er seinen Champagner danach benannt.“

Flüssiges Fest

Bei einer Verkostung in den mittelalterlichen Weinkellern von Châlons-en-Champagne erklärt Sommelière Anthonie, dass kleine, handwerklich arbeitende Winzer oft bessere Champagner produzierten als die berühmten großen Weingüter.

„Es ist wichtig, dass die geernteten Trauben innerhalb von fünf Stunden gepresst werden. Je mehr Zeit verstreicht, desto größer ist die Gefahr der Oxidation des Traubensaftes, die zu Geschmacksverlusten und Verfärbungen des Weins führt. Landwirte, die ihre Trauben selbst keltern,

schaffen dies oft innerhalb von drei Stunden. Die großen Weinkellereien haben häufig keine eigenen Weinberge und müssen den Großteil ihrer Trauben von anderen kaufen. Sie haben daher weniger Einblick wie viel Zeit seit der Ernte verstrichen ist.“ Anthonie hält ein Glas gegen das Licht. „Nehmen Sie diesen Grand Cru von Voirin-Jumel, einem kleinen Winzer in der Nähe von Cramant: hell, spritzig und delikat. Ein Fest für den Gaumen!“

Bei Einbruch der Dunkelheit verwöhnt mich die Stadt Châlons mit einem weiteren „flüssigen“ Fest: den Métamorph'eau'ses, einer Lichtshow, bei der Brücken, Stadttore und Kirchen am Wasser mit bewegten Projektionen beleuchtet werden. Eine Brücke über den Fluss Mau etwa scheint im

Champagne FRANKREICH MAGAZIN 27
Aufschlagseiten: Violette zieht einen Schlitten mit frisch geernteten Trauben. Linke Seite: Radfahren an der Abtei von Hautvillers. Oben: Alice Voirin vom Champagnerhaus Voirin-Jumel.
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magischen türkisfarbenen Flusswasser versunken zu sein, und vor den Steinbögen schwimmen Fische. Dann zieht sich das Wasser zurück wie eine Welle am Strand und hinterlässt ein Mosaik aus goldenen Muscheln auf den Mauern der Brücke.

Flickenteppich

In der Nähe des Dorfes Cramant besuche ich auf Empfehlung der Sommelière Anthonie einen der Weinberge des Weinguts Voirin-Jumel, das von Alice Voirin und ihrer Familie geführt wird. Ich treffe sie am Rande des Feldes wo sie den Pflückern gerade ein warmes Mittagessen serviert. Alice: „Es ist wichtig, rechtzeitig nahrhaftes und schmackhaftes Essen anzubieten, sonst verliere ich meine Pflücker. Es sind alles Franzosen und die nehmen kein Vorlieb mit schlechtem Essen. Sie kümmert sich wirklich gut um ihr Team, denn nach dem Essen versorgt sie mütterlich Kratzer und kleine Wunden mit Pflastern und Salbe. „Das ist für mich der schönste Moment des Tages“, erzählt sie mir, während die Pflücker wieder an die Arbeit gehen. „Aufgrund der Art meines Produkts habe ich viel mit wohlhabenden, aber schwierigen Kunden zu tun, und dann bleibe ich nicht immer ganz bei mir selbst. Nach einer anspruchsvollen Verhandlung über einen großen Verkauf kann ich draußen auf dem Feld unter den Pflückern aufatmen.“

Alices Urgroßvater, Gründer der Weinkellerei, arbeitete während des Ersten Weltkriegs in einer Brennerei und erhielt aus Geldmangel seinen Lohn in Form von lauter kleiner Weinbergsparzellen, die damals sehr günstig waren. Alice bewirtschaftet bis heute diese Stücke, die zu klein sind, um dort maschinell zu ernten. „Das kostet Zeit, aber es hat auch einen Vorteil, von Hand zu pflücken. Dann werden die Trauben weniger gequetscht, was dazu führen würde, dass der Traubensaft oxidiert und der Champagner weniger frisch würde.“

Alice ist eine warmherzige Persönlichkeit mit eigenen Vorstellungen von der Herstellung und dem Genuss von Champagner. „Kürzlich habe ich Statistiken über den Prozac-Verbrauch in Frankreich nach Departements gesehen. Unsere Region stand ganz unten auf der Liste.“ Ob sie glaube, dass

Champagner Depressionen lindere, frage ich. Alice erhebt ihr Glas und lächelt. „Nein, das nicht. Aber Champagner trinkt man zusammen mit Freunden und das macht einen glücklicher!"

„Ich schmecke die Sterne!"

Das Dorf Hautvillers und seine schon 658 gegründete Abtei gelten als Geburtsort des Champagners. Tausend Jahre nach der Gründung leitete der Benediktinermönch Dom Pérignon hier ab 1668 fast ein halbes Jahrhundert lang die Weinkellerei. Ihm wird die Erfindung des Champagners zugeschrieben. „Komm schnell, ich schmecke die Sterne“, soll er ausgerufen haben, nachdem er seine erste Flasche Champagner geöffnet hatte. Diese Anekdote ist mit ziemlicher Sicherheit das Ergebnis späterer Legenden um seine Person. In Wirklichkeit scheint Pérignon als Weinverwalter der Abtei viel Energie darauf verwendet zu haben, eine zweite Gärung in der Flasche zu verhindern, da die Flaschen seiner Zeit nicht stark genug waren, um dem Druck der entstehenden Blasen standzuhalten. Explodierende Flaschen im Weinkeller waren lebensbedrohlich. Erst im 19. Jh. wurden die Flaschen stabil genug, um dieses Problem wirklich zu lösen. Aber der Mönch trug wesentlich zur Entwicklung des typischen Champagnergeschmacks bei, indem er beispielsweise Trauben aus verschiedenen Parzellen mischte, um ein reicheres Bouquet zu erhalten, und einen strengen Rebschnitt vornahm. Er war es auch, der erkannte, wie wichtig es ist, die gepflückten Trauben vor dem Pressen so

„Champagner trinkt man zusammen mit Freunden und das macht einen glücklicher!“
Linke Seite: Alice Voirin serviert ihren Traubenlesern das Mittagessen. Unten: Während der Lichtshow Métamorph'eau'ses werden die Wahrzeichen von Châlons-en-Champagne mit Projektionen in Traumobjekte verwandelt, wie hier die Pont des Mariniers über der Mau. Champagne FRANKREICH MAGAZIN 29

Unten: Weinberge um Chamery, südwestlich von Reims. Rechte Seite: In Hautvillers machen die Winzer mit ihren fröhlichen Schildern auf sich aufmerksam.

wenig wie möglich zu beschädigen. In der Abteikirche besuche ich das Grab von Pérignon - eine schwarze Marmorplatte vor dem Altar - und mache dann einen Spaziergang durch die umliegenden Weinberge, wo ich mit einem weiten Blick auf das Marnetal und Épernay belohnt werde.

Unterirdisches Netzwerk

In Épernay, dem Zentrum der Champagnerherstellung, fahre ich mit dem Ballon d'Épernay. Allerdings fliege ich nicht wirklich, denn es handelt sich um einen so genannten Seilballon, der über ein Ankerkabel mit dem Boden verbunden bleibt. Der große, mit Helium gefüllte Ballon funktioniert eher wie ein Aufzug und bringt uns in wenigen Minuten auf 150 Meter über die Stadt. Schaue ich aus der ringförmigen Gondel hinunter, sehe ich die gerade Linie der berühmten Avenue de Champagne, wo die

großen Champagnerhäuser wie Moët & Chandon und Mercier im 19. Jh. ihre palastartigen Hauptsitze errichteten. Zwischen der Avenue und der Marne liegt der große Komplex von De Castellane Champagne mit seinem Zierturm, den man nicht verpassen sollte. Der Turm kann bestiegen werden und im angrenzenden Museum können Sie alte Werbeplakate von De Castellane bewundern. Vor allem die aus den 1930er und 1950er Jahren sind wahre Kunstwerke. Und natürlich können Sie auch die Weinkeller dieser Champagnermarke besichtigen. Das Netz von Stollen und Kellern unter Épernay, die in den weichen Kreideboden gegraben sind, ist mehr als 100 km lang, während das oberirdische Straßennetz nicht mehr als 60 Kilometer beträgt! So bleibt ein wichtiger Teil der Stadt dem Blick verborgen, wenn man mit dem Ballon über ihr schwebt. Am Hang nördlich der Marne erkenne ich die Abtei von Hautvillers und darüber erhebt sich die bewaldete Montagne de Reims. Aus den Bäumen dort werden traditionell Champagnerfässer hergestellt. Auf dem Weg nach Süden fällt mein Blick schließlich auf eine hügelige Landschaft mit Weinbergen und kleinen Dörfern. Dort, irgendwo an einem Tisch in einer großen Küche, öffnet Alice eine Flasche Voirin-Jumel Grand Cru und macht ihre Traubenleser glücklich.

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Das Netz von Stollen und Kellern unter Épernay, die in den weichen Kreideboden gegraben sind, ist mehr als 100 Kilometer lang

Tipps & Adressen

LAGE

Épernay liegt südlich von Reims, etwa 135 km von Paris entfernt.

BESTE REISEZEIT

Besonders lebendig ist die Region zur Erntezeit, also normalerweise Anfang September, aber in warmen Jahren kann es etwas früher sein. Informieren Sie sich vorab. In der zweiten Oktoberhälfte färbt der Herbst die Weinberge wunderschön.

SCHLAFEN

La Villa Eugène (Épernay)

Eine Nacht auf der prestigeträchtigen Avenue de Champagne verbringen? Das geht in der Villa Eugène. Reizvolle Zimmer im Stil der Belle Époque, Schwimmbad und Blick vom Restaurant aus auf den großen Garten. 84, Avenue de Champagne. villa-eugene.com

Château d’Étoges (Étoges)

Sie fahren in die Champagne, um verwöhnt zu werden, warum also nicht in einem echten Château Hotel übernachten?

Buchen Sie rechtzeitig in diesem Denkmal aus dem 17. Jh. über die eigene Website, dann wird der Preis auch nicht zu happig sein. Die Orangerie beherbergt ein GourmetRestaurant; die angrenzende Brasserie L'Atelier bietet eine kleinere Speisekarte in Bistro-Atmosphäre.

4, Rue de Richebourg. chateau-etoges.com

B&B Au Pré du Moulin (Clamanges)

In Clamanges, im Süden der Champagne, überrascht dieses B&B in einem umgebauten Bauernhaus mit freundlichen Zimmern, einem großen Garten und einem attraktiven Preis. Wenn Sie vorher anfragen, kann ein üppiges Abendessen zubereitet werden.

4, Rue du Moulin. aupredumoulin.com

B&B Champagne

Petitjean-Pienne (Cramant) Übernachten Sie bei den Winzern Dominique und Denis und genießen Sie dort auf Wunsch ein fantastisches Abendessen mit einer großen Auswahl an Champagnern.

4, Allée des Bouleaux. champagnepetitjean-pienne.fr

B&B Magna Quies (Épernay)

Das stattliche Haus an der Avenue de Champagne, dem stilvollen Herzen von Épernay, beherbergt drei Gästezimmer. 49, Avenue de Champagne. magnaquies-epernay.jimdofree.com

ESSEN & TRINKEN

Dégustation Champagne

Pierre Mignon (Épernay)

Dies ist kein Restaurant, sondern eine Verkostungsadresse im Herzen von Épernay. Die stilvollen Räumlichkeiten sowie der Humor und das Wissen des Sommeliers Denis Garret machen eine Verkostung (oder einen „Meisterkurs“) und die dazugehörigen Vorspeisen zu einem unvergesslichen Erlebnis.

9, Rue Jean Moet. boutiquepierremignon.com/ degustation

La Table Kobus (Épernay) Innovative Küche in stilvollem Rahmen, der perfekt zu Épernay passt. Zum Mittagessen gibt es die Formula Ardoise (die Tafel) und am Abend vier umfangreichere Menüs, und das alles zu einem günstigen Preis. 3, Rue du docteur Rousseau. la-table-kobus.fr

Brasserie La Banque (Épernay)

Einst eine Bank, in der finanzielle Angelegenheiten rund um den Champagner abgewickelt wurden. Heute bilden die Säulen und Gewölbe die Kulisse für angenehme Mahlzeiten. Pluspunkt: Man braucht keine Bank auszurauben, um es sich leisten zu können. Der Nachteil: Wenn es voll ist, kann der Service manchmal eine Weile brauchen. 40, Rue du Général-Leclerc. brasserie-labanque.fr

Le Comptoir à Bulles (Sacy)

Bemerkenswert sympathischer Service an der Bubble-Bar, wo der Champagner übrigens eine untergeordnete Rolle spielt, denn hier zählt nur, was man auf den Teller bekommt. Dabei können Sie jedoch zu jedem Gang einen passenden (Schaum-)Wein bestellen, und zwar glasweise und nicht unbedingt flaschenweise. 6, Place Saint Avertin. facebook.com/lecomptoirabulles

Verkostung Au 36 (Hautvillers)

Überraschende kleine Adresse in dem hübschen Dorf Hautvillers. Eine Terrasse, ein Garten und im Obergeschoss ein gemütliches Wohnzimmer. Hier verkosten Sie 2, 3, 4 oder 6 Flûtes verschiedener Champagner mit gut durchdachten kleinen Häppchen dazu. 36, Rue Dom Pérignon. au36.net

SEHEN & PROBIEREN

Die Weinkeller des Winzers Voirin-Jumel sind zu besichtigen. Auch Chambres d'hôtes mit Blick auf das Dorf Cramant. champagne-voirin-jumel.com Verkosten in den mittelalterlichen Weinkellern von Châlons-en-Champagne en.chalons-tourisme.com/enjoy/ champagne-experiences/tastingin-the-medieval-cellars

Turm

Le Phare in Verzenay. phare-verzenay.com

Museum und Keller des großen Weinhauses Castellane in Épernay. castellane.com/en/visites

Métamorph’eau’ses, die Lichtshow mit Flussfahrt in Châlons-en-Champagne. en.chalons-tourisme.com/ discover/10-must-sees-in-chalons/ metamorpheauses-boat-trip

MEHR INFO

• de.france.fr/de/champagne

• tourisme-en-champagne.com

• epernay-tourisme.com

• de.chalons-tourisme.com

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Une belle histoire

Was wäre Frankreich ohne die Liebe? Das Frankreich Magazin porträtiert die berühmtesten Liebespaare der Geschichte.

In dieser Ausgabe: Napoleon Bonaparte und Joséphine de Beauharnais.

STÜRMISCH UND AUFRICHTIG

Napoleon Bonapar�e&Joséphine

Wie der kleine General sein Leben lang bei seiner extravaganten Kaiserin blieb.

TEXT CHANTAL VAN WEES FOTOS IMAGESELECT 32 FRANKREICH MAGAZIN

Die Liebe zwischen Napoleon Bonaparte und Joséphine de Beauharnais inspirierte zahlreiche Schriftsteller und Filmemacher. Es war eine Liebe voller Leidenschaft und gleichzeitig Zärtlichkeit, die das ganze Leben des französischen Staatsmannes andauern sollte. Der Überlieferung nach ist Joséphine eine hübsche, temperamentvolle Frau mit dunklem Haar und warmherzigem Auftreten, die viele Freunde hat. Sie wird auf Martinique als Tochter einer französischen Siedlerfamilie geboren, die dem niederen Adel angehört. Als junges Mädchen träumt sie davon, nach Paris zu gehen. Dieser Traum geht in Erfüllung, als sie im Alter von 16 Jahren den drei Jahre älteren Alexandre de Beauharnais ehelicht. Doch im Vergleich zu dem freien Leben auf ihrer tropischen Insel, wo sie die Tiere und Blumen um sich herum sehr genossen hat, kommt ihr Paris wie eine farblose Zwangsjacke vor. Auch die Ehe ist enttäuschend: Er findet sie dumm, weil ungebildet, sie findet ihn langweilig und gemein, weil er Affären mit anderen Frauen hat und sie ignoriert. Sie haben

zwei Kinder, Eugène und Hortense, leben aber weitgehend getrennt. Die Ehe endet, als Alexandre während der Französischen Revolution unter der Guillotine landet.

Als 1795 ein Gesetz erlassen wird, das den Bürgern den Besitz von Waffen in ihren Häusern verbietet, erinnert sich Joséphine daran, dass sie immer noch Alexandres Schwert herumliegen hat. Sohn Eugène, damals 14 Jahre alt, weigert sich hartnäckig, dieses Andenken an seinen Vater abzugeben. Könnte man da nicht eine Ausnahme machen? Der aufstrebende General Napoleon Bonaparte, damals 26 Jahre alt, ist der Einzige, der darüber entscheiden darf. Er ist gerührt von Eugènes Wunsch, streicht mit der Hand über sein Herz und überlässt ihm das Schwert. Als sich Joséphine einige Tage später im Hauptquartier persönlich bei ihm bedankt, verliebt sich Napoleon auf der Stelle. Und wie er auch sonst alles in seinem Leben angeht, lässt er nichts unversucht, um sie zu umwerben. Er liebt sie sofort, „mit der erhabenen

Linke Seite: 1804 ruft sich Napoleon zum Kaiser aus - Detail aus einem Gemälde von der Krönung in der Notre-Dame in Paris.

Diese Seite: Porträt von Kaiser Napoleon I von (dem Atelier von) François Gérard (ca. 1805-1815); Porträt von Joséphine de Beauharnais.

Ganz Frankreich ist überrascht, als Napoleon sich für diese ältere Frau mit zwei Kindern entscheidet
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Das Schloss Malmaison, liegt einige Kilometer westlich von Paris. Hier wohnten Napoleon und Joséphine.

und romantischen Intensität eines sozialen Aufsteigers für eine Frau, von der er glaubt, dass sie seiner eigenen Klasse überlegen ist“, schreibt William Bolitho über Napoleon in seinem Bestseller Zwölf gegen das Schicksal.

Kluger Schachzug

Der berühmteste französische General, der auf dem besten Weg ist, sich zum Kaiser zu machen, ist von relativ einfacher Herkunft: korsisch, von niederem, verarmtem Adel. Daher ergreift er die Gelegenheit beim Schopf, in der französischen Armee zu kämpfen und dort Karriere zu machen. In ihm brennt das Feuer, seinem „Stern“, wie er es formuliert, zu folgen und ewigen Ruhm zu erlangen. Es ist ein kluger Schachzug, sich die beliebte Dame der Gesellschaft auszusuchen, deren Charme die Herzen mit demselben Elan erobert, mit dem er Schlachten gewinnt. Die dunkle Schönheit berührt ihn wirklich bis in die Seele; er tauft sie bald in Joséphine um, denn das klingt für ihn viel romantischer als ihr Rufname Rose.

Joséphine gefällt seine Aufmerksamkeit sehr, aber sie ist nicht verliebt. Vielleicht, weil sie mit 32 Jahren kein Neuling mehr ist. Ganz Frankreich ist überrascht, als Napoleon sich für diese ältere Frau mit zwei Kindern entscheidet. Er kümmert sich nicht darum, schreibt ihr eine Kiste voller Liebesbriefe, aus denen die Flammen nur so schlagen, und macht weniger als ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung einen Heiratsantrag. Viele seiner Liebesbriefe sind erhalten geblieben und scheinen

eher der Feder eines aufgeregten Jugendlichen zu entstammen, als der eines Generals. Ein Beispiel: „Deine Tränen rauben mir den Verstand und setzen mein Blut in Brand. Glaube mir: Ich bin unfähig, auch nur einen einzigen Gedanken zu haben, der sich nicht um dich dreht, oder einen Wunsch, den ich nicht mit dir teilen könnte.“ Oder dieses: „Du wirst an meiner Seite sein, in meinen Armen, auf meiner Brust, an meinem Mund? Komm her, komm her... Einen Kuss auf dein Herz, und einen viel tiefer!“

Und das ist nur der erste Satz eines langen, leidenschaftlichen Briefes. Joséphine vertraut einer Freundin an: „Ich befinde mich in einem lauwarmen Zustand, den ich hasse“.

Aus Liebe oder aus Faulheit

Dennoch heiraten sie 1796. Er aus Liebe, sie aus Faulheit. Napoleon strebt eine große Karriere an und an seiner Seite kann sie glänzen. Und: eine Menge Geld ausgeben. Außerdem sichert es die Zukunft ihrer Kinder.

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Wenige Tage nach der Trauung bricht er zu einem Feldzug nach Italien auf, in dem naiven Glauben, er lasse eine liebevolle Braut zurück. Es stellt sich bald heraus, dass dies nicht der Fall ist.

Schaden und Scheidung

Er schreibt ihr fast täglich, sie antwortet selten und hat Liebhaber. Ihre desinteressierte Antwort auf seine Bitten, ihn nach Italien zu begleiten, schockiert Pariser Kreise. Sein Herzschmerz ist groß, seine Siege auf dem Schlachtfeld schmälern den Schmerz nicht. Als sie endlich in Mailand ankommt und er zum Palast eilt, trifft er sie nicht an. Joséphine ist zu einer Party gegangen. Ein untröstlicher Napoleon schreibt ihr: „Ich komme in Mailand an, ich eile zu deiner Wohnung, ich habe alles verlassen, um dich zu sehen, um dich zu umarmen... du warst nicht da: Du feierst; du verlässt mich, als ich ankomme, du kümmerst dich nicht mehr um deinen lieben Napoleon. Eine Laune ließ dich ihn lieben, Unbeständigkeit macht dich gleichgültig. An Gefahren gewöhnt, kenne ich das Heilmittel für die Sorgen und Übel des Lebens. Das Unglück, das ich erlebe, ist unermesslich. (...) Ich bin bis zum 9. hier. Es soll dich nicht kümmern, Spaß zu haben ist dein Glück. Die ganze Welt deines Amüsement, während dein Mann allein und sehr unglücklich ist.“ Napoleon fühlt sich ungeliebt und betrogen. In den darauffolgenden Jahren liegt die

Scheidung in der Luft. Joséphine erkennt allmählich den Schaden, den sie ihrer jungen Ehe zufügt, und bekommt Angst, ihn zu verlieren. Immerhin hat er sie inzwischen nicht nur zur Kaiserin gekrönt, Napoleon hat sich auch als guter Partner gezeigt. Schließlich lernt sie ihn doch noch lieben. „Der Kaiser war einer der besten Ehemänner, die ich je gekannt habe“, sagt Mademoiselle Avrillion, die erste Zofe der Kaiserin. „Wenn es ihr nicht gut ging, schob er seine kaiserlichen Angelegenheiten so lange wie möglich auf, um an ihrer Seite zu bleiben. Er empfand eine zärtliche Freundschaft für sie.“ Louis Constant, erster Diener des Kaisers:

Einer der leidenschaftlichen Briefe von Napoleon an Joséphine; Napoleon überquert die Alpen, Gemälde des Franzosen JacquesLouis David.

Die Liebesbriefe scheinen eher der Feder eines aufgeregten Jugendlichen zu entstammen, als der eines Generals
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Napoleon teilt Joséphine das Scheidungsdatum mit, 1809.

„Wie rührend war dieser kaiserliche Haushalt! Voller Aufmerksamkeit und Respekt für Joséphine küsste der Kaiser sie gerne auf den Hals, auf das Gesicht, liebkoste sie und nannte sie »mein großes Tier«. Und sie las am Abend ihrem kaiserlichen Gemahl gerne vor!“ Ihr Versäumnis, ihm einen Erben zu schenken, wird zu einem großen Problem. Auch wenn ihn das nicht daran hindert, ihren Kindern ein guter Stiefvater zu sein.

Während Napoleon Europa mühelos seinen Willen aufzwingt, hat er in seinem eigenen Haus kaum Mitsprache. Sogar bei Joséphines Hund Fortuné hat er nichts zu sagen: Zu seinem Freund Antoine-Vincent Arnault sagt er über das kleine Tier: „Siehst du diesen Herrn hier, er ist mein Rivale. Er war im Bett von Madame, als ich sie heiratete. Ich wollte ihn rauswerfen, aber es war zwecklos, man sagte mir, ich solle mich entscheiden, entweder woanders zu schlafen oder das Bett mit ihm zu teilen.“

Joséphine gibt gerne viel Geld aus und macht

Schulden. Napoleon ist ein Mann der Ordnung und der Regelmäßigkeit und gewinnt große Schlachten durch sein Genie, aber es gelingt ihm nicht, Joséphine dazu zu bringen, ihr Budget einzuhalten. Sie betrügt ihn zu Beginn ihrer Beziehung mit einer Nonchalance, die man am besten als herzlos bezeichnen kann.

Auch der Kaiser wird ihr nach einer Weile untreu, sorgt aber dafür, dass seine Frau nichts von seinen Ausflügen erfährt. Diese Haltung unterscheidet sich von derjenigen der europäischen Könige dieser Zeit, die sowohl offizielle Ehefrauen als auch Mätressen haben. Für Napoleon ist es jedoch wichtig, dass seine Familie und sein Gefolge glücklich und unbesorgt sind. Joséphine sorgt sich sehr wohl, als Napoleon während eines Aufenthalts in Polen mit Frau Walewska anbändelt, die ihm 1810 seinen ersten Sohn schenkt. Ein Kaiser, so sehr er es auch bedauern mag, braucht nun einmal Erben. Es markiert das Ende ihrer Ehe.

König von Rom

Auch lange nach ihrer Trennung ist die Beziehung von Napoleon und Joséphine von Zärtlichkeit und echter Freundschaft geprägt. Er besucht sie häufig. Sie behält ihren Titel als Kaiserin und er sorgt dafür, dass es ihr an nichts fehlt. Sie kümmert sich weiter um ihn, gibt ihm geschäftliche Ratschläge und hilft ihm, Marie-Louise von Österreich als seine zweite Ehepartnerin zu wählen. Sie gratuliert ihrem Ex-Mann aufrichtig zur Geburt von Napoleon II. Zeit seines Lebens und besonders auf St. Helena, wo er einige Jahre nach ihrem Tod sterben wird, denkt der Kaiser gern an seine Joséphine zurück. Denn trotz ihrer großen charakterlichen Unterschiede ist Joséphine die große Liebe Napoleon Bonapartes, und sie verbindet eine zugegebenermaßen stürmische, aber doch auch aufrichtige Liebe.

„Ging es ihr nicht gut, schob er seine kaiserlichen Angelegenheiten so lange wie möglich auf, um an ihrer Seite zu bleiben“
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Lieblingsdörfer der Franzosen

Von märchenhaft bis höchst idyllisch

Einmal im Jahr wählen die Franzosen live im Fernsehen ihre Lieblingsdörfer. Moderator Stéphane Bern präsentiert begeistert die beliebte Show über französisches Kulturgut, das Frankreich Magazin stellt die Top 10 der Villages-préférés 2022 vor.

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TEXT EUGENIE GOLDSCHMEDING FOTOS MORGANE PRODUCTION ILLUSTRATION EDITH BUENEN

Märchenhaft Bergheim (Grand Est)

Auch bei dieser jüngsten Wahl des Lieblingsdorfes der Franzosen gewann ein Dorf nahe der deutschen Grenze (2020 gewann Hunspach). Das malerische Dorf im Elsass, das wie aus einem Grimm'schen Märchen entsprungen scheint, ist von imposanten Stadtmauern umgeben, und überall wallen rosa und rote Geranien von den Balkonen. Der Tour des Sorcières erinnert an eine weniger schöne Vergangenheit, als hier sogenannte Hexen hingerichtet wurden. Eine Statue am Stadttor stellt einen Mann dar, der den Gendarmen die Zunge herausstreckt und seinen nackten Hintern zeigt. Er erinnert an die

Zeit als Bergheim ein Zufluchtsort für Malfrats war, also Gauner, Schurken und andere Schelme. Die Fachwerkhäuser sind in rosa, rot, gelb und blau getüncht: Die Winzer haben früher gut gewirtschaftet, dadurch konnten sie sich die damals teuren Pigmente leisten, um ihre Häuschen in fröhlichen Farben zu streichen. Bei all den Weinbergen rund um Ihr Dorf kommt automatisch gute Laune auf und so wird hier regelmäßig ein schwungvoller Elsässer Walzer getanzt, während Gäste eine leckere Wurst und elsässischen Weißwein genießen. Santé, oder sollten wir Gesundheit sagen?

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Mit künstlicher Eisbahn La Grave (Provence-Alpes-Côte d’Azur)

Moderator Stéphane Bern reiste persönlich zu den hohen Gipfeln von La Grave in den Alpes­Maritimes, wo das Massif de la Meije bis auf 3987 Meter reicht und der Bürgermeister Jean­Pierre Pic heißt. Wer sich als Mensch nicht immer brav an die Regeln halten möchte, will womöglich als Skifahrer neben der Piste die Hänge hinabfahren. Genau das ist die Spezialität dieses Skigebiets, wo präparierte Pisten rar sind. Auch Schnee ist garantiert. Aus der Dorfquelle zapfen Besucher das vielleicht am besten schmeckende frische Alpenwasser, das locker mit teuren abgefüllten Marken mithalten kann. Früher ließen zum Spaß aufgelegte Jugendliche das Wasserbecken absichtlich überlaufen, so dass in kürzester Zeit eine fantastische Eisbahn entstand (damals war es wirklich kalt). Auf 1500 Metern Höhe steht die kleine Kirche Notre Dame de l'Assomption. Dort oben können Besucher die schöne Aussicht auf das Tal und die Berge genießen. Im Sommer ist das schöne Naturschutzgebiet sehr beliebt.

Colettes Jugend Saint-Sauveuren-Puisaye (Burgund-Franche-Comté)

Wir kannten diesen Ort bereits aus den Büchern von Colette, der großen Schriftstellerin, Journalistin, Schauspielerin und Schönheitssalonbesitzerin, die hier mit ihrer geliebten Mutter Sido aufwuchs. In diesem Dorf mit heute über 900 Einwohnern, das von freundlichen grünen Hügeln umgeben ist, brachte Sido ihrer Tochter Sidonie­ Gabrielle Colette die Freude an der Natur näher. Durch ihren exzentrischen Lebensstil sorgte sie dafür, dass auch ihre Tochter eine freigeistige und eigensinnige Rebellin und später eine berühmte Schriftstellerin wurde. „Es ist, als wäre ich 300 Jahre zu früh geboren worden“, seufzte Sido. Sie verlangte neben dem Ehebett auch ein eigenes Bett, denn verheiratet zu sein, bedeute keineswegs, dass man seinen Époux ständig neben sich dulden müsse, so die feministische Vordenkerin. Das farbenfrohe Bürgerhaus mit prächtigen Tapeten voller chinesischer Motive und Louis XV­Möbeln wurde so restauriert, wie Colette es als Kind kannte. Weitere Sehenswürdigkeiten des Dorfes sind das Schloss aus dem 11. Jh., La Tour Sarrasine, die Künstlergemeinschaft La Poèterie und das Musée Saint Sauveur, in dem auch das Musée Colette untergebracht ist.

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Der pfiffige Abbé Prévost Hesdin (Hauts-de-France)

Das im Norden gelegene Dorf Hesdin ist die Reinkarnation eines Ortes, der vor 1553 sechs Kilometer entfernt lag. Dieses Dorf wurde von Karl dem Fünften aus strategischen Gründen geschleift und mit neuen Wällen und tiefen Gräben für die damals moderne Kriegsführung andernorts wieder aufgebaut. Das i­Tüpfelchen war ein hoher Turm, von dem aus man den Feind schon von weitem sehen konnte. Das Dorf ist vor allem für den schelmischen Abbé Prévost bekannt, dessen Skandalroman Manon Lescaut die Leute mit hochrotem Kopf gelesen haben, ehe er verboten wurde. Der Priester, ein bekannter Frauenheld, beschrieb Manon als sinnliche und moderne Frau, die ein abwechslungsreiches Liebesleben führen wollte, in dem sie häufig den Liebhaber wechselte. Die Zeiten haben sich geändert, denn inzwischen steht das Buch auf der Leseliste für das Baccalauréat (die französischen Abiturprüfungen). Übrigens: Nach einer kurzen Zeit in der Armee desertierte der Abbé und betrieb vorübergehend eine Kneipe in Holland. Tipp für Wanderer: Entdecken Sie den Tour de Chaussée, einen schönen Wanderweg.

Von Gottes Hand Dieulefit (Auvergne-Rhône-Alpes)

Der Name dieses schönen Dorfes in der provenzalischen Region Drôme bedeutet „Gott hat es gemacht“. Das Besondere an dieser rund 3000 Seelen zählenden Gemeinde mit ihren drei kleinen Kirchen ist, dass sie seit jeher eine tolerante Haltung gegenüber Religion und Außenstehenden hat. Selbst während der Religionskriege im 16. und 17. Jh. konnte sich hier eine kleine protestantische Minderheit verstecken und behaupten. Vor allem während des Zweiten Weltkriegs verdoppelte sich die Einwohnerzahl durch den Zuzug jüdischer Familien und Widerstandskämpfer (wie dem Schriftsteller Louis Aragon und seiner Frau Elsa Triolet). Keiner wurde verraten, niemand wurde verhaftet. Eine der Heldinnen, die dies ermöglichte, war die 20­jährige Stadtschreiberin Jeanne Barnier, die ein Genie im Fälschen von Personalausweisen war. Wie der Dichter Pierre ­Emmanuel sagte: „In Dieulefit ist niemand ein Fremder“. Die beliebteste Freizeitbeschäftigung hier ist die Herstellung von Keramik und Töpferwaren, dank des guten Tons, der rund um Dieulefit vorkommt.

4 5 FRANKREICH MAGAZIN 41 Lieblingsdörfer

Wie in Grimms Märchen Levroux (Centre-Val

de Loire)

Dieser Ort verdankt seinen Namen einer dunklen mittelalterlichen Vergangenheit, als Leprakranke hierher kamen, um von den Kanonikern gepflegt zu werden. Eines der Wahrzeichen von Levroux ist das Maison de Bois, das mit seinen Holzschnitten direkt aus einem Märchenbuch der Gebrüder Grimm zu stammen scheint. Ein weiteres Denkmal ist die imposante Collégiale Saint­Sylvain, auch La Petite Cathédrale du Berry genannt, in der der

Heilige Sylvain verehrt wird, ein Spezialist für die Heilung von Hautkrankheiten. Daher ist der Bau ein beliebtes Ziel für Pilger. Die kleine Kathedrale beherbergt ein gotisches Prunkstück: eine der schönsten und ältesten Kirchenorgeln Frankreichs. Das Dach des Stadttors aus dem 15. Jahrhundert wurde durch eine spielerische Form des Crowdfunding finanziert (jeder konnte für fünf Euro einen Dachziegel kaufen und unterschreiben).

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Schalkhafte Katholiken Quintin (Bretagne)

Dies war einmal eine stolze bretonische Stadt, in der das Handwerk blühte. Ob es an der Anwesenheit der vielen Protestanten lag, wissen wir nicht, aber die Menschen arbeiteten hart, um so viel Leinen wie möglich herzustellen. Quintin war berühmt für seine Leinenwebereien. Um die Protestanten zu ärgern, mauerten die Katholiken schalkhafte Gesichter in die Wand und zeigten den gläubigen Protestanten so die Zunge. Die erfolgreichen Leinenproduzenten bauten neben den freundlichen Fachwerkhäusern stattliche Villen, die sich an der Architektur von Saint­Malo orientierten. Hauptattraktion des Dorfes ist das Château de Quintin, das noch immer von einer adretten Familie bewohnt wird, die das rez-dechaussée (Erdgeschoss) für die Öffentlichkeit geöffnet hat. Dort sind die Speisesäle mit den im Louis­XVI­Stil gedeckten Tischen zu bewundern.

Geduckte Häuschen Port-Joinville-Île-d’Yeu (Vendée)

Jedes Jahr wurde auch ein Hafendorf im Wettbewerb berücksichtigt. Diesmal war die Ehre Pont­Joinville auf der Île ­ d'Yeu vorbehalten. Wie das auf Inseln so üblich ist, hat man dort stets mit viel Wind zu kämpfen. Deshalb sind die meisten Häuser klein und niedrig, so dass der Sturm nicht so gut daran zerren kann. Die Gemüsegärten sind von hohen Steinmauern umgeben, die viele kleinen Gassen, so genannte Venelle, bilden. Hier gehen die Inselbewohner vorzugsweise dann spazieren, wenn der Wind besonders heftig über das Eiland fegt. Das letzte hölzerne Fischerboot heißt Le Corsaire und ist im Hafen zu bewundern. Doch letztlich kann nichts mit dem herrlichen Blick über den endlosen Ozean konkurrieren.

7 8 FRANKREICH MAGAZIN 43 Lieblingsdörfer

Sonntagsmaler

La Bouille

(Normandie)

Das etwa 20 Kilometer von Rouen entfernte Dorf La Bouille liegt an einer schönen Schleife der Seine, wo die Sonne die Landschaft zu jeder Tageszeit in ein anderes Licht taucht. Maler wie Sisley, Turner und Gauguin ließen sich hier inspirieren; heute ist La Bouille ein bekannter Ort für begeisterte Sonntagsmaler. Nach der Erfindung des Dampfschiffs wurde La Bouille zu einem beliebten Urlaubsziel für die Rouennais, die sich schöne Häuser in der Normandie direkt am Wasser bauen ließen und sich in den Guinguettes vergnügten, den unprätentiösen Kneipen, in denen man tanzen, essen und trinken konnte. Hector Malot, der Autor der weltberühmten Schnulze Sans famille (Allein auf der Welt), wurde hier geboren. Die Geschichte besagt, dass wenige Stunden nach seiner Geburt der Mast eines Schiffes das Fenster seines Geburtszimmers durchbohrte (die Häuser lagen damals sehr nahe am Kai) und der kleine Hector ungestört und friedlich weiterschlief. Hier an der Loire kommt leicht Urlaubsstimmung auf.

Filmkulisse Saint-Sulpicede-Favières

(Île-de-France)

Nur 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, finden die Pariser hier Ruhe und Entspannung bei Vogelgezwitscher. Doch was hat eine gigantische, 23 Meter hohe Kirche, die 4000 Gläubige fassen kann, in einem Weiler mit rund 300 Einwohnern zu suchen? Saint­Sulpice ­ de ­Favières ist ein berühmter Wallfahrtsort, der seit Jahrhunderten von Gläubigen besucht wird. Dieses gotische Meisterwerk aus dem 13. Jh. gilt als eine der schönsten Kirchen und Kathedralen Frankreichs. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie man im himmlischen Licht, das durch die hohen Fenster fällt, seine dunkelsten Seelengeheimnisse beichtet. Inzwischen hat Saint­Sulpice auch einen weltlichen Erfolg: Seit der Jahrhundertwende diente es dank seiner malerischen Straßen und gepflegten Steinhäuser mehr als 20 Spielfilmen als Kulisse. Für Naturliebhaber beherbergt die Domaine de Segrez ein jahrhundertealtes Arboretum, in dem seit mehr als 200 Jahren Gewächse von kernigen Baumpflegern versorgt werden.

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Côte d’Azur

Urlaub an der Côte d’Azur, direkt am Strand? Im Schatten eines weitläufigen Pinienwaldes an der Küste finden Sie den FünfSterne-Campingplatz Camp du Domaine, ein idealer Ort für die ganze Familie.

Wenn Sie abends vor Ihrem Wohnmobil, Zelt oder Wohnwagen unter dem Sternenhimmel das Rauschen des Meeres hören, sind Sie wie verzaubert. Dies ist der Campingplatz am Meer, von dem Sie geträumt haben. Für jeden ist etwas dabei, da man auch mieten kann. Die Bungalows, die etwas höher auf einem bewaldeten Hügel liegen, bieten von der Terrasse einen Meerblick. Auf diesem großen Campingplatz finden Sie alles, was Sie brauchen, von Restaurants und Bars bis hin zu einem Supermarkt.

Sehenswürdigkeiten

Wer gerne die Umgebung erkunden möchte, kann Monaco und Saint-Tropez besuchen. Bormes-Les-Mimosas, ein typisches provenzalisches Dorf mit verwinkelten Gassen, liegt nur wenige Gehminuten vom Campingplatz entfernt. Das alte Fischerdorf Le Lavandou ist über einen Pfad entlang der Küste zu erreichen. Es gibt einen Markt am Donnerstagmorgen. Der Campingplatz organisiert auch Ausflüge mit dem Minibus und einer Führung. Einfach praktisch.

Auf dem Campingplatz

Für kleine Kinder gibt es schöne Spielplätze, Wasserfontänen und einen kostenlosen Miniclub. Sie finden sogar spezielle Babybäder! Die Kinder können Bogenschießen, Windsurfen und Wasserski fahren, für Jugendliche gibt es die Möglichkeit, Tennis oder Beachvolleyball zu spielen. Herausforderung: vielleicht sogar einen Tauch- oder Segelkurs machen. Abends sorgt das Animationsteam für Spaß. Camp du Domaine ist ein großartiges Urlaubsziel und weit genug vom Trubel von St. Tropez entfernt.

CAMP DU DOMAINE

2581 La Favière

F-83230 Bormes-les-Mimosas

Tel. (0033) 4 94 71 03 12

GPS 43.1179, 6.35183

9 April bis zum 31 Oktober 2022 geöffnet.

Der Campingplatz liegt in einem 45 Hektar großen Park direkt am Strand mit vielen Plätzen für Camping und Bungalow.

Camp du Domaine versichert seinen Gästen, dass alle notwendigen Vorkehrungen getroffen wurden, um die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern.

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www.campdudomaine.com
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DU CALME

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Boutique

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VON ANNA SOPHIE BAKKER
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Zu Tisch in Paris

Paris sehen und... essen! Im Café oder Bistro werden Pausen leicht zu memorablen Glücksmomenten, sobald der Parisbesucher einkehrt, um sich vom Rausch der Stadt zu erholen. Dieses Kochbuch der Klassiker ist gespickt mit kleinen Infos, angereichert mit Tipps für nette Entdeckungen in der Stadt und garniert mit stimmungsvollen Fotos. So weckt es zuhause herrliche Erinnerungen an schöne Tage des Savoir-vivre in der Stadt des Lichts.

Quiche mit getrockneten Tomaten und Feta

Die Urform der Quiche ist die Quiche Lorraine aus Lothringen. Lorraine bedeutet lothringisch, und Quiche geht auf die deutschen Wörter Küche und Kuchen zurück.

Für den Mürbteig Mehl, Butter und Salz in eine Schüssel geben und zu einem Teig verkneten. Den Teig anschließend zu einer Kugel formen und ca. eine halbe Stunde kühl stellen. Den Teig gleichmäßig ausrollen und in einer gefetteten Quicheform auslegen. Mit einer Gabel vorsichtig kleine Löcher in den Boden der Quiche stechen. Den Boden mit Backpapier auslegen und mit trockenen Erbsen oder Linsen beschweren. 10 Minuten bei 180 °C blindbacken. Eier und Creme fraîche vermengen

und mit Salz und Pfeffer würzen. Die getrockneten Tomaten klein schneiden und den Feta würfeln; anschließend zusammen mit dem Babyspinat zur Eier-Crème fraîche–Mischung hinzugeben.

Den vorgebackenen Teig aus den Backofen holen und die Mischung vorsichtig über den Teig gießen. Die Quiche für ca. 30 Minuten weiterbacken.

Für 4 Personen
FÜR 1 QUICHE CA. Ø 25 CM • 200 g Mehl • 120 g Butter • 3 Eier • 200 ml Crème fraîche • 100 g getrocknete Tomaten • 100 g Babyspinat • 100 g Feta • Salz & Pfeffer
ZUTATEN
FRANKREICH MAGAZIN 49 Rezepte

Crème Brûlée

Rezept Seite 54 50 FRANKREICH MAGAZIN

Salade Auvergnate

Rezepte

Boeuf Bourguignon

Für 4 Personen

ZUTATEN

• 1 kg Rindfleisch aus der Wade

• 100 g Speck (frisch)

• 2 große Zwiebeln

• 2 Karotten

• 1 Knoblauchzehe

• 2 Lorbeerblatt

• 2 Thymianzweige

• 1 Rosmarinzweig

• 1 Bund glatte Petersilie

• 1 Flasche Rotwein (vorzugsweise Burgunder)

• 1 EL Mehl

• Salz & Pfeffer

Dieses Gericht ist nichts für Eilige, da es über Nacht mariniert wird … Denn wenn man etwas Fleisch über Nacht in einer Marinade aus Rotwein, Lorbeer, Kräuter der Provence sowie Knoblauch und Pfeffer ziehen lässt, wird der Geschmack noch intensiver. Und noch besser schmeckt dieses Gericht aufgewärmt am nächsten Tag.

Das Rindfleisch in grobe Stücke schneiden, Speck fein würfeln sowie Zwiebeln in Ringe und Karotten in Scheiben schneiden. Das Fleisch zusammen mit dem Gemüse, der Knoblauchzehe und den Kräutern über Nacht im Rotwein ziehen lassen. Das Rindfleisch aus dem Gemüse-Rotwein-Sud herausholen und auf einem Küchenpapier abtropfen lassen. Währenddessen die Speckwürfel in einem großen Kochtopf auslassen. Das Fleisch in diesen Topf geben und von allen Seiten anbraten. Das Fleisch wieder aus dem Topf nehmen und abgedeckt beiseitestellen. Nun die Zwiebelringe aus der Marinade nehmen und in dem Topf leicht anschmoren. Dann das Fleisch wieder hinzufügen. Das Ganze mit Mehl bestäuben und mehrere Minuten zusammen rösten. Dabei immer wieder umrühren, damit nichts anbrennt. Nun die restliche Marinade aus Gemüse und Rotwein dazugeben, mit Salz und Pfeffer würzen. 3 Stunden bei schwacher Hitze köcheln. Die Petersilie fein hacken und zum Schluss vor dem Servieren auf dem Bœuf Bourguignon verteilen.

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Rezepte

Zu Tisch in Paris, die besten Rezepte aus Cafés und Bistros.

Verlag Thorbecke, € 25

Crème Brûlée

Die köstlich knusprige Karamellkruste einer Crème Brûlée bekommt man am einfachsten hin, indem man die Crème gut auskühlen lässt und dann mit einem kleinen Flambiergerät den darüber gestreuten Zucker karamellisiert. Falls man kein Flambiergerät besitzt, geht das auch im Backofen. Einfach bei höchster Temperatur Oberhitze oder Grill karamellisieren lassen … nur gut aufpassen, denn der Karamell kann in diesem Fall schnell schwarz werden.

Für 6 Personen

ZUTATEN

• 1,5 Vanilleschoten

• 2 ganze Eier

• 8 Eigelbe

• 160 g Zucker

• 800 ml Sahne

• 75 g brauner Zucker

Den Backofen auf 130 °C vorheizen. Die Vanilleschoten längs aufschneiden und das Vanillemark in eine Schüssel geben. Eier, Eigelbe und Zucker hinzugeben und alles cremig rühren. Sahne steif schlagen und vorsichtig unter die Creme heben.

Die Creme in sechs feuerfeste Förmchen gießen, auf ein tiefes Backblech stellen, dieses mit etwas Wasser auffüllen und 40 Minuten im Ofen backen. Die Crème in der Form – wenn möglich über Nacht –abkühlen lassen.

Bevor die Creme Brûlée serviert wird, mit braunem Zucker großzügig bestreuen und mit einem kleinen Flambierbrenner karamellisieren.

Salade Auvergnate

Inspiriert vom Französischen Star-Koch Alain Ducasse kommt dieser Salade Auvergnate auch ohne die sonst verwendeten gekochten Kartoffeln aus. Er ist eine leichte, sommerliche Variante für zwischendurch und wird durch die besondere Verwendung von Blauschimmelkäse abgerundet.

Für 2 Personen

ZUTATEN

• 2 bis 3 Handvoll bunter Pflücksalat

• 6 Scheiben Speck

• 2 EL Olivenöl

• 1 EL Weißweinessig

• 0,5 TL Senf

• 0,5 TL Agavensirup

• 100 g Blauschimmelkäse oder Comté

• 30 g Walnüsse

• Salz & Pfeffer

Den Salat waschen und putzen. Den Speck würfeln und in einer Pfanne 5 Minuten kross anbraten. Anschließend auf Küchenpapier abtropfen lassen.

Für das Dressing in einem Glas Olivenöl, Weißweinessig, Senf und Agavendicksaft mischen; mit Salz und Pfeffer abschmecken. Den Käse würfeln und die Nüsse grob hacken.

Den Salat gleichmäßig auf zwei Tellern verteilen. Das Dressing darüber geben. Zum Schluss auf dem Salat Käse, Speck sowie Walnüsse verteilen.

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Die Sonne im Glas

„Mocktail“ ist ein Scherzwort für alkoholfreie Cocktails. Darin steckt der englische Begriff „to mock“, also „nachahmen“ oder „verspotten“. Doch wer alkoholfreie Varianten bevorzugt, braucht den Spott heutzutage nicht mehr zu fürchten. Osco zum Beispiel ist wirklich für Genießer. Der alkoholfreie Aperitif auf der Grundlage von biologischem Verjus (Saft aus grünen unreifen Trauben) aus dem Périgord und mit sonnigen Aromanoten des Südens wie Rosmarin, Anis und Feige ergibt mit Tonic auf Eis einen herrlichen Mocktail – oder zwei. Oscodrinks.com

Bon appétit

Tipps, Neuigkeiten und Wissenswertes aus der französischen Küchenwelt

Geist des Weins

Diese neue handgefertigte Seife kommt fast direkt vom Weinberg. Weinliebhaber Étienne Millerioux stellt sie nach altbewährten traditionellen Methoden her. Seine Manufaktur siedet im Kessel Traubentrester aus biologischer Kelterei mit Ölen, Kräutern, Ocker, Tonerden und Parfums aus Grasse zu dieser herrlich milden Naturseife. Umweltfreundlicher Weinbau, natürliche Zutaten und soziale Arbeitsplätze – diese Seife verbindet in vielerlei Hinsicht. Vielleicht liegt es am Geist des Weins, der ihr innewohnt: der willkommene Geist der Geselligkeit und der Gemeinsamkeit. viegne.fr

Französische Blume

Paris hat die erfrischenden Schaumweine ohne Alkohol schon längst entdeckt. So zelebrierte das schicke Hotel de Crillon in Paris im vergangenen Sommer die erste alkoholfreie Außengastronomie mit einem üppigen Blumenmeer des Design-Floristen Djordie Varda. Die Zeiten, dass alkoholfreie Weine schmecken wie schlechter süßer Traubensaft sind definitiv vorbei. Natürlich sind die Franzosen wieder ganz vorne mit dabei, so gewann French Bloom den „World Sparkling Wine Award 2022“ mit seinen alkoholfreien Tropfen. frenchbloom.com

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Maison de Maître in der Normandie

Reizvoll und doch bodenständig

Sie zogen von Australien nach Frankreich, um ein Bed & Breakfast zu eröffnen. Da die Arbeit aber Tag und Nacht lief, beendeten sie das Abenteuer. Jetzt sind sie stolze Besitzer eines stattlichen Maison de Maître, in dem sich Familie und Freunde gerne aufhalten. Danielle und Mike erzählen von vielen Träumen in der Normandie, die wahr wurden. Jetzt wartet „nur“ noch den Garten.

TEXT & FOTOS ANNEMIQUE DE KROON
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MAISON DE MAÎTRE

Ein Herrenhaus mit angrenzenden Gebäuden, aus denen es sein Einkommen bezog, in der Regel Bauernhöfe. Der architektonische Stil entstand nach der Französischen Revolution, als die neue Bourgeoisie wuchs, und ist heute beliebt als Ferienhaus ohne die enormen Heiz- und Instandhaltungskosten eines Schlosses, aber mit mindestens ebenso viel Charakter und Charme. Ein Maison de Maître ist rechteckig und symmetrisch,

mit einer gleichen Anzahl Fenster auf beiden Seiten und über der zentralen Eingangstür. Ideal ist eine „3 x 3“-‚ Symmetrie mit drei Stockwerken und jeweils drei Fenstern. Jedes Stockwerk besteht meist aus vier Räumen, die sich um das zentrale Treppenhaus gruppieren. Im Erdgeschoss liegen vorne ein Wohnzimmer und ein Esszimmer, dazwischen der Eingang. Die hohen Decken sind mit Stuckleisten verziert, die Wände holzgetäfelt, die Böden bestehen aus Stein oder Parkett, und die großen Fenster sind oft oben gewölbt. Die

beiden kleineren hinteren Räume waren für das Gesinde reserviert und dienten als (Neben-)Küche oder Waschküche sowie als Büro, von dem aus der Haushalt geführt wurde. Die Türen zu den Zimmern der Bediensteten sind oft geschickt in der Vertäfelung versteckt. Im ersten Stock liegen die Schlafzimmer - zwei große im vorderen Bereich für Madame und Monsieur und zwei kleinere im hinteren Bereich für die Kinder. Im zweiten Stock sind die kleineren Dienstbotenzimmer im Mansardendach untergebracht.

Sollten Sie erwägen nach Frankreich zu ziehen, denken Sie vielleicht an ein verstecktes Schloss hinter rostigen Eisentoren. Es liegt vor den Toren eines charmanten Dorfes und eine lange, begrünte Auffahrt führt dorthin. Sie träumen von spitzen Türmchen, alten Steinmauern und ovalen Dachfenstern. Innen sehen Sie vor dem geistigen Auge Marmorkamine, Eichenböden, Wendeltreppen und geheime Gänge. In der großen Küche mit offenem Kamin wird für Familie und Freunde gekocht, an einem langen Tisch gespeist und Wein am offenen Kamin getrunken. Die Tage werden damit verbracht, schöne Dörfer zu entdecken, auf Flohmärkten nach Schätzen zu stöbern, beim örtlichen Affineur Leckereien auszusuchen und lange Mittagspausen einzulegen. So zumindest malte sich das Danielle aus, bevor sie nach Frankreich zog. Ihr Ehemann Mike dachte an andere Dinge: Visa, Wechselkurse, Steuerabkommen und die berüchtigte französische Bürokratie.

Zu gut

Das Paar zog nach Frankreich, um das arbeitsreiches Leben in Australien als Unternehmensberater bzw. politische Beraterin mehrerer australischer

Premierminister hinter sich zu lassen. Ihr erstes französisches Zuhause war in Arromanches-lesBains, wo sie ein Bed & Breakfast eröffneten. Eine strategische Wahl, denn dieses Dorf an der Küste der Normandie besuchen viele Touristen, die sich für die Geschichte des D-Day interessieren. Ihr B&B mit fünf Zimmern war vom ersten Tag an ein großer Erfolg. Im Nachhinein betrachtet sogar ein bisschen zu groß: Bald waren beide den ganzen Tag damit beschäftigt, es ihren Gästen bequem zu machen. Danielle: „Nach sechs Jahren, kurz vor dem Ausbruch der Pandemie, sahen wir uns an und führten ein entscheidendes Gespräch: Wollen wir so weitermachen oder erfüllen wir uns einen anderen französischen Traum? Mike wollte schon immer in einem Schloss wohnen. Wir haben uns laut gefragt, ob das machbar wäre.“ Gesagt, getan. Sie boten ihr Haus zum Verkauf an, wobei sie dachten, es

Unten links: Die Chinoiserie-Lampe wurde bei Kaprika in Deauville gekauft; rechts: die Blumen holt Danielle jeden Samstag in Mortagne-au-Perche..

› BEAUMESNIL
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würde Monate oder gar Jahre dauern, aber innerhalb weniger Tage war es an die ersten Interessenten verkauft. Fieberhaft machten sie sich auf die Suche nach einem anderen Haus. „Zum Glück konnten wir eine Zeit lang bei Freunden in Versailles unterkommen. Wir haben das definitiv nicht als Strafe empfunden“, schmunzelt Danielle.

Zu verfallen

Unterdessen suchten sie hartnäckig weiter. Sie besichtigten Châteaus, Maisons de Maître und Maisons Bourgeois. „Wenn wir im Dorf ankamen, gingen wir zuerst in die Boulangerie oder Pâtisserie, nicht nur, um die Croissants und Pains au Chocolat zu kosten, sondern auch die Atmosphäre des Ortes. Das wiegt fast so viel wie die Schönheit eines Hauses und dessen Zustand. Ein ernsthafter Kandidat war ein echtes Schloss in Saumur – wir haben dort köstliche Croissants gegessen! – aber es kam nicht in Frage, denn die geschätzten Renovierungskosten entsprachen dem Kaufpreis. Die Besichtigung einiger weiterer verfallener Schlösser hat uns klar gemacht, dass wir eine große Renovierung scheuen.

Nach einigen aufregenden Monaten besichtigte das Paar ein Maison de Maître aus dem 19. Jh. in der Nähe des Dorfes Beaumesnil. Danielle und Mike klopften sich gerade die Krümel ihrer Croissants von der Kleidung, als die Immobilienmaklerin Ludivine vorfuhr und ihnen winkte, ihr zu folgen.

Die Bäckerei und das nahegelegene Dorf hatten ihnen bereits gut gefallen: Die Einheimischen waren freundlich, die Bäckersfrau nett und in der Vitrine lagen gute Quiches.

Zu charmant

Ludivine bog von der Straße ab zu einem offenen Eisentor. Danielle: „Wir folgten ihr eine lange, von Linden gesäumte Auffahrt hinunter – ich freute mich sofort auf den Blütenduft im Sommer. Am Ende der Einfahrt stand ein perfekt proportioniertes Schlösschen, ein Maison de Maître. Mansardendach: check. Türmchen: check. Französischer Balkon, dekorative Balustraden und französische Lamellenfensterläden: check, check, check. Noch bevor wir ausgestiegen waren, drehte sich Mike zu mir um. Seine Lippen formten ein lautloses „Wow“. Ich nickte wortlos zurück, wir setzten unser Pokerface auf und stiegen aus dem Auto.“ Die Verkäufer waren zwei charmante, kosmopolitische Pariser, die ihre Wochenenden in Beaumesnil verbrachten. Vielleicht waren sie ein wenig zu charmant und ihre Einrichtung ein wenig zu geschmackvoll. Die Australier dachten, sie

Für ihr Haus und ihren Garten lässt sich Danielle von schönen Büchern inspirieren.

Noch bevor wir ausgestiegen waren, drehte sich Mike zu mir um. Seine Lippen formten ein lautloses „Wow“
Hier blättert sie durch die „Gardens of Style“ ihrer australischen Kollegin Janelle McCulloch. FRANKREICH MAGAZIN 63

Blick ins Wohnzimmer über einen verwitterten antiken Spiegel. Die Farbe an der Wand ist Light Blue und die an der Tür Elephant's Breath, beide von Farrow & Ball. Den Savonnerie-Teppich hat Danielle von einer ihrer liebsten InstagramAdressen gekauft: @nomibis.

hätten inzwischen Erfahrung mit Immobilien, aber heute geben sie zu, dass sie vielleicht ein wenig überfordert waren. Sie haben das Haus sofort gekauft. Jetzt, nach mehr als anderthalb Jahren, sind einige Mängel zutage getreten: Elektrizität, Sanitäranlagen und Keller mussten in Ordnung gebracht werden. „Aber irgendwie machen uns solche Rückschläge nicht so viel aus“, sagt er.

Zu praktisch

Über die Geschichte des Hauses ist nicht viel bekannt. Beaumesnil ist auf der Cassini-Karte eingezeichnet, die erste Karte von ganz Frankreich aus dem 18. Jh.. Das heutige Maison de Maître soll um 1850 erbaut worden sein. Im Laufe der Zeit

hatte Beaumesnil mehrere Besitzer, darunter einen Botschafter und den Erfinder der Kompressionsbremse für Züge, Edouard Jean-Baptiste Guerin, dessen Initialen in den Putz über der Eingangstür eingelassen sind. Auch eine gewisse Madame Veuve Papillon steht auf der Liste. Nebengebäude sind hinzugekommen und verschwunden, und die angrenzende Kapelle wurde ins Haus integriert. Die Küche kam von ihrem ursprünglichen Standort im Keller ins Erdgeschoss und hinterließ eine Spur von gusseisernen Brotbacköfen in den Mauern. Trotz der verschiedenen Eingriffe ist die puppenhausartige Symmetrie der Fassade erhalten geblieben. Danielle: „Äußerlich haben wir nur wenig verändert, aber ich habe mich umso mehr daran erfreut, unser Haus einzurichten. Inzwischen weiß ich, dass der reizvolle französische Landhausstil nicht in jedem Einrichtungsgeschäft Frankreichs zu finden ist. Ich suchte Möbel und Accessoires mit dem Komfort von heute und dem Charme und der

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Patina von einst, aber das gibt es einfach nicht. Natürlich existieren auch Familienschlösser mit Stapeln bestickter Wäsche, Bücherregalen mit in Leder gebundenen Titeln, Küchenschränken mit einem Sammelsurium von Sarreguemines-Keramik und gewöhnlichen Kupfertöpfen von klein bis groß. Aber die Wohnung eines durchschnittlichen Parisers oder ein Vorstadthaus ist für den Familienalltag eingerichtet. Ich wollte es charmant, nicht praktisch oder vielleicht charmant mit einem Hauch Praktischem. Das zu finden war nicht einfach, aber über Auktionen, Floh- und Antikmärkte konnten wir das Haus nach unserem Geschmack einrichten.“

Zufrieden

Nun, da die wichtigsten Arbeiten erledigt sind, herrscht Muße in Beaumesnil. Mike füllt und leert den Weinkeller und übt seine Golfschläge im Garten; Danielle stickt und besucht Yoga-Kurse im Dorf. Gemeinsam gehen sie mit den kürzlich im Tierheim adoptierten Hunden Brian und Kevin spazieren. Doch es braut sich etwas zusammen.

Danielle: „Man könnte sagen, dass sich alle unsere Träume erfüllt haben, aber ich habe noch ein weiteres Ziel: Ich möchte einen Garten anlegen, der von der Vereinigung Les Plus Beaux Jardins de France als Jardin Remarquable (bemerkenswerter Garten) anerkannt wird. Von unseren Nachbarn, die seit 45 Jahren hier wohnen, wissen wir, dass das Haus früher eine Terrasse und einen Garten mit Blick auf den großen Rasen vor dem Haus hatte. Ich sehe es als eine Herausforderung an, so etwas Ähnliches zu erschaffen.“

Um all ihre botanischen Wünsche zu erfüllen, stehen Danielle zwei Hektar Land zur Verfügung. Es standen auf dem Grundstück einige schöne alte Bäume, ein Obstgarten und ein Wäldchen doch Blumenbeete fehlten. Es gab auch keinen Traktor, um sie anzulegen. Aber Danielle hatte einen Spaten, und so entstanden allmählich Rabatten mit Pfingstrosen, Dahlien, Lavendel, Rittersporn, Lupinen, Hortensien und Stockrosen. Danielle: „Mit meinem Ansatz, den Garten langsam und stetig anzugehen, war es schnell vorbei, als ich im Internet in den Niederlanden einen Züchter von

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„Ich suchte Möbel und Accessoires mit dem Komfort von heute und dem Charme und der Patina von einst“

Die Suppenterrinen sammelte Danielle auf Auktionen und Flohmärkten in der Normandie; die Farbe an der Wand ist French Grey von Farrow & Ball.

Rechts: Danielle in ihrem Garten, wo sie nach und nach Rabatten und Formschnitt anlegt, aber auch große Wiesen für Bienen, Füchse, Dachse, Eichhörnchen, Igel und Kaninchen pflegt.

Tipps von Danielle

Antik- & Flohmarkt

Le grand déballage (das große Auspacken) ist ein monatlicher Antiquitätenmarkt, der an mehreren Orten in Frankreich stattfindet. Man braucht Stunden, um alles zu durchstöbern. Das erste Mal kamen wir um 10 Uhr morgens an. Da wurden bereits Schubkarren voller fantastischer Antiquitäten

ungewöhnlichen Rosen entdeckte und – etwas Wein war auch im Spiel – sofort 110 Exemplare bestellte. Doch im Sommer hatte ich den schmerzenden Rücken vom Einpflanzen schon wieder vergessen: Jeden Morgen kontrollierte ich mit einem Kaffee in der Hand, ob Kaninchen in der Nacht da gewesen waren, pflückte ein paar Blumen für die Vase und jeden Abend schnitt ich die verblühten Blüten ab und suchte nach neuen Knospen.“

Der kommende Winter steht ganz im Zeichen des Buchsbaums. Während klügere Gärtner ihre alten, kranken Buchsbaumhecken zugunsten von weniger empfindlichen Alternativen roden, züchtet Danielle derzeit Dutzende von jungen Buchsbäumen in Töpfen und sammelt auf Pinterest Bilder von graziösen Formgehölzen. Danielle: „Hoffentlich kommt der Garten mit Blumenrabatten, Rosengarten, Buchsbäumen in allen Formen, einem Obstgarten, einem Feld mit Wildblumen und einem Gemüsegarten zu dem Prädikat Jardin Remarquable. Wenn ich dieses Ziel erreicht habe, werde ich endlich Ruhe haben. Es sei denn, ich fange danach an, ein Buch über meine französischen Träume zu schreiben.“

herausgefahren, so dass wir beim zweiten Mal gleich zur Eröffnung um 8 Uhr dort waren. Der Markt ist eigentlich für professionelle Antiquitätenhändler gedacht, aber wir sind bei unserem ersten Besuch in seliger Unwissenheit hin gegangen und das haben wir seither so gehalten.“ deballagelemans.com

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Schätze des Burgund

Die Städte des Burgund sind kulturhistorisch sehr bedeutend. Gut also, dass Besucher neuerdings Gelegenheit haben, die Schätze von Dijon, Auxerre, Nevers, Mâcon, Sens oder Avallon auf eigene Faust neu zu entdecken. Hierzu dient ihnen ein System aus bronzenen Pfeile im Straßenpflaster. Allein in Mâcon existieren 550 solcher Markierungen, die auf architektonische, literarische, gastronomische oder historische Schätze weisen. Bei der Orientierung sind Besucher nicht nur auf sich selbst angewiesen; sie können sich sich mithilfe einer App oder eines Audioführers in den Städten des Burgund umsehen und diesen auf diese Weise neue Reize abgewinnen. bourgogne-tourisme.com

Kulturtipps

Jubiläumsschallplatte

Schon seit langen Jahren macht sich das Label Le Pop um den französischen Chanson der Gegenwart verdient. Immer wieder haben die Kölner auf das Medium eines Samplers zurückgegriffen, um das deutschen Publikum mit Talenten bekannt zu machen. Seit Kurzen nun liegt das zehnte Werk dieser Reihe vor, das schlicht „Le Pop 10“ betitelt ist. Selbst Kenner werden darauf nicht viele bekannte Namen entdecken, denn die Macher haben es zu ihrer Maxime erklärt, die Fans mit 16 vielversprechenden Künstlern zu erfreuen. Von Emma Peters bis Elisa Erka teilen die bewährt geschmackssicher kuratierten Songs nicht nur ihre Frische, sondern auch eine bislang nie dagewesene Vielfältigkeit.

„Le Pop 10“ als Doppel-Vinyl, CD und Download

Pflege des Brutalismus

Mit der Kapelle von Ronchamp verfügen die südlichen Vogesen über ein Bauwerk von Weltrang. Errichtet hat es Charles-Édouard Jeanneret-Gris, besser bekannt als Le Corbusier. Der Sakralbau mit seinen expressionistischen, organischen Formen ist zwischen 1950 und 1955 entstanden. Seitdem wird er nicht nur zu den bedeutendsten Bauwerken der Moderne gezählt, sondern wurde er mit dem Titel des UNESCOWeltkulturerbes geadelt. Als Baustoff hat sich Le Corbusier für Sichtbeton entschieden. Das auf Französisch als „béton brut“ bezeichnete Material hat mit dem Brutalismus eine eigene

Formensprache ausgeprägt, die eine große Anhängerschaft besitzt. Das Material allerdings gilt als witterungsanfällig. Aus diesem Grunde wird der Sakralbau nun bis voraussichtlich 2024 restauriert. Insgesamt 2,3 Millionen Euro stehen für die Instandsetzung von Innenwänden und Fassaden zur Verfügung. In gut 18 Monaten soll der skulpturale Bau dann wieder in ganzer Pracht zur Verfügung stehen. Auch bis dahin müssen Architekturfans nicht auf die Besichtigung verzichten: Führungen bleiben möglich, zu ausgesuchten Anlässen sogar auf Deutsch. massif-des-vosges.fr

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Monet und die Sonne

Mit der Darstellung von Sonne und Licht befasst sich eine groß angelegte Ausstellung im Potsdamer Museum Barberini. Ausgangspunkt der Schau ist Claude Monets Meisterwerk Impression, Sonnenaufgang, das der Maler vor 150 Jahren geschaffen hat. Normalerweise ist die, um die Sprache der Fotografie zu bemühen, nur sparsam illuminierte und auf verhuschte Weise dargestellte Szene im Pariser Musée Marmottan Monet zu sehen. In Potsdam steht das Bild im Mittelpunkt von 80 weiteren Exponaten, darunter Werke von Peter Paul Rubens, William Turner, Caspar David Friedrich und Sonja Delaunay. Auf diese Weise bietet die Ausstellung, die anschließend noch bis Ende 2023 in Paris zu sehen ist, einen Überblick über die Abbildung von Sonne und Licht von der Antike bis in die Gegenwart.

„Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst“, 23. Februar bis 11. Juni 2023, Museum Barberini Potsdam

Maria träumt im Kino

Die Pariser Académie des Beaux-Arts ist eine wunderbare farbenfrohe Kulisse für diese warmherzige Feelgood-Komödie über Sehnsüchte, geheime Leidenschaften und neue Anfänge mit Karin Viard („Verstehen sie die Béliers?“) in der Hauptrolle. Maria muss beruflich neu starten, denn die alte Dame, deren Haushalt sie geführt hat, ist verstorben und so fängt sie an als Reinigungskraft in der Kunstakademie. Dort stößt sie auf welt-

offene Studenten, kreative Kunstprojekte und auf den eigenwilligen Hausmeister Hubert, der heimlich im Büro an seinem Hüftschwung arbeitet. Gespickt mit freundlichen Seitenhieben auf die Kunstwelt und schönen Bildern von der Académie des Beaux-Arts entdeckt Maria ganz neue Seiten an sich - und Hubert. Maria träumt, Regie: Lauriane Escaffre, Yvonnick Muller ab 19. Januar 2023 im Kino

Mit David Hockney in der Normandie

David Hockney gehört zu den originellsten Künstlern der Gegenwart. Immer wieder hat sich der 1937 geboren Brite in seinem umfassenden Oeuvre auch charakteristischer Landschaften angenommen - nicht zuletzt der Yorkshire Dales in seiner britischen Heimat. In fortgeschrittenem Alter hat der Maler 2019 die Normandie aufgesucht, wo er sich sofort vom berühmten Wandteppich von Bayeux begeistert zeigte. In der Folge beschloss Hockney, seine eigene Interpretation von einem großformatigen Wandgemälde zu erstellen. Dabei herausgekommen ist ein 90 Meter langer Fries, der die

Ankunft des Frühlings in der charakteristischen normannischen Landschaft feiert. Zu sehen ist neben den fruchtbaren Feldern, den Baumreihen sowie den typischen lang gestreckten Fachwerkhäusern immer wieder auch das unverwechselbare Licht. Bei der Arbeit übrigens hat Hockney ganz modern auf einen Pinsel verzichtet. Stattdessen hat er seinen normannischen Wandteppich mithilfe eines iPads angefertigt.

„A Year in Normandie“, David Hockney, Musée de la Tapisserie de Bayeux bis 23. April 2023, bayeuxmuseum.com

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Wiedervereinigung

Keiner von ihnen hatte eine künstlerische Ausbidlung: André Bauchant, Camille Bombois (rechts sein Bild Femme nue assise, 1930), Séraphine Louis, Henri Rousseau und Louis Vivin. Dennoch konnten sie sich in der Pariser Kunstszene des frühen 20. Jh. durchsetzen, wobei ihr Kontakt zum deutschen Kunsthändler Wilhelm Uhde entscheidend war. Mit seiner Ausstellung „Die Maler des Heiligen Herzens“ hatte Uhde 1928 die Werke der Autodidakten vereint. Die Museen Böttcherstraße in Bremen feiern ihre Wiedervereinigung mit einer Sonderausstellung. Die Maler des Heiligen Herzens, Museen Böttcherstraße, Bremen, bis 12. März 2023, museen-boettcherstrasse.de

Kulturtipps

Der Norden in Paris

Im frühen 20. Jh. sind gleich mehrere Künstler aus Schleswig-Holstein ins ferne Paris gezogen, um dort an den neuesten künstlerischen Entwicklungen teilzuhaben. Unter anderen Emil Nolde, Käte Lassen, Jacob Alberts, Ernst Barlach und Hans Christiansen ließen sich zwischen dem Louvre und den vielen belebten Boulevards treiben, um sich von den verschiedenen Spielarten des Impressionismus inspirieren zu lassen. Eine Auswahl ihrer seinerzeit entstandenen Arbeiten zeigt nun in einer sehenswerten Schau der Museumsberg Flensburg. Unser Bild zeigt die von Rodin beeinflusste Skulptur „Die Froschprinzessin“ (1906) von Anna Magnussen-Petersen. Paris! - Schleswig-holsteinische Künstlerinnen und Künstler in der Welthauptstadt der Kunst, bis 23. April 2023, Museumsberg Flensburg, Hans-Christiansen-Haus, museumsberg-flensburg.de

Fabrice Hyber

Mit einer groß angelegten Schau würdigt die Pariser Fondation Cartier den französischen Gegenwartskünstler Fabrice Hyber. Das stets betont avantgardistische Ausstellungshaus zeigt rund 60 großformatige Gemälde des 1961 in der Vendée zur Welt gekommenen Hyber. Charakteristisch für seine Arbeiten sind ihr lebendiger, stets etwas unvollendet aussehender Stil. Nicht selten dienen ihm Landschaften und Straßenszenen als Motive, die er während seiner Jugend auf dem elterlichen Bauernhof im Westen Frankreichs absorbiert hat. 15 Exponate hat Hyber eigens für die Pariser Monografie angefertigt. Mit ihrer

Hilfe führt er Besucher in sogenannte Klassenräume, in denen er seine Gedankengänge zur Entfaltung bringt. Immer wieder wird dabei deutlich, dass sich der Künstler keineswegs auf die Kunst zurückzieht. Vielmehr zeichnet Hyber für ein Werk verantwortlich, dass sich auch immer Exkurse in andere Disziplinen gestattet. So finden sich in seinen Arbeiten auch Einflüsse aus Mathematik, Neurowissenschaften, Wirtschaftsleben, Geschichte und Astrophysik wieder.

The Valley,Fabrice Hyber, Fondation Cartier, Paris bis 30. April 2023 fondationcartier.com

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Schneeidyll nahe der Côte d’Azur

Wintermärchen

Die Alpes-Maritimes kennen überraschend viele Wintersportarten und das an weitaus mehr Orten, als nur in den berühmten Skigebieten Isola 2000, Auron oder Valberg. Gerade die kleineren, malerischen Dörfer eignen sich wunderbar für entspannte Eskapaden im Winter.

Mein Dorf ist weder in einer Wintersportbroschüre noch auf der Liste von „Les Plus Beaux Villages de France“ aufgeführt.

Es gibt hier zwischen den traditionellen Dächern aus dunkelrotem Schiefer Varianten aus Wellblech und auch die neue Mehrzweckhalle passt nicht wirklich zu den mediterranen Häusern. Das Hinterland der Côte d'Azur beherbergt derart viele Perlen, dass Roure nicht mithalten kann. Aber, wenn eine dichte Schneedecke liegt, ist das Dorf unschlagbar schön. Und seit Mittag wirbeln hier dicke Flocken umher. Mit Einbruch der Dämmerung hört es auf zu schneien, die LED-Laternen im Vintage-Stil schalten sich ein und machen das Wintermärchen komplett. Ich trete vor die Tür, die Kamera im Anschlag. Auch meine Nachbarn kommen aus ihren Häusern. Auf dem Schlossberg, einem schönen Aussichtspunkt über dem Dorf, treffe ich Valérie und Jean-Marc, Gäste unseres Hotels Le Robur. Sie hätten vergebens auf weiße Weihnachten gehofft, erzählen sie mir. Das habe leider nicht geklappt, aber heute wird es doppelt und dreifach nachgeholt. Sie wollen meine Meinung zu ihren Plänen für den folgenden Tag hören. „Wir schwanken zwischen Auron und Valberg. Wir könnten Skier leihen, haben aber auch Schneeschuhe im Auto. Was würden Sie tun?". Météo France hat für heute Nacht noch mehr Schnee vorhersagt und die Straße zu

unserem Dorf wird nicht sofort geräumt. „Sollen wir wirklich auf Schneeketten schlittern, während wir in einem perfekten Dorf zum Schneewandern wohnen?“. Ich beschließe, morgen früh selbst die Schneeschuhe anzuschnallen und lade sie ein, mich zu begleiten. „Bei Valberg oder Auron werden Sie kaum eine schönere Schneewanderung finden.“

Buddha im Schnee

Als wir am Morgen aufbrechen, sind noch zehn Zentimeter Schnee dazugekommen; wohin wir auch blicken, bietet sich uns ein Wintermärchen. Die gusseisernen Kreuze auf dem alten Friedhof neben dem romanischen Kirchturm tragen Schneekragen, die selbst den Tod in einen meditativen Winterschlaf schicken. Neben dem Friedhof öffnet sich

Linke Seite: Roubion. Oben: Jean-Marc und Valérie genießen die Aussicht.

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ALPES-MARITIMES
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das bewaldete Vionène-Tal, auch hier kaschiert der Schnee die Äste aller Bäume. Wäre es eine Weihnachtskarte, könnte man denken, dass alles ein bisschen übertrieben ist.

Oberhalb des Dorfes wird das Gehen anstrengend, weil die Füße bei jedem Schritt 30 Zentimeter einsinken. Also binden wir die Schneeschuhe unter. Der Weg führt zum Arboretum, das sowohl ein botanischer Garten als auch ein Ausstellungsraum für Landschaftskunst ist. Unter der Schneedecke sind diese Kunstwerke besonders faszinierend. Zum Beispiel der Kopf Buddhas, der zwischen den Bäumen aus dem Boden ragt. Der glatzköpfige Mönch hat jetzt ein Toupet aus Schnee. Ein Stück weiter bahnt sich eine kleine Prozession von Pénitents ihren Weg durch den verschneiten Wald. Wörtlich „Büßer“, aber faktisch Laienbrüder, die

Unter der Schneedecke sind diese Kunstwerke besonders faszinierend
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hier in den Alpes-Maritimes Wohltätigkeitsarbeit leisten, auch jetzt noch im 21. Jh. Aufgrund ihrer Ku-Klux-Klan-ähnlichen Gewänder mit spitzen Hüten erschrecken Valérie und Jean-Marc zunächst, als sie die Gruppe entdecken, die sich leuchtend rot vom Schnee abhebt.

Unser Ziel ist Rougios, ein verlassenes Scheunendorf inmitten von Almwiesen. Auf dem Weg dorthin durchqueren wir einen Lärchenwald. Es ist märchenhaft still, abgesehen vom gelegentlichen dumpfen Aufprall eines fallenden Schneebretts. Auf den Terrassen rund um Rougios bauten die Einwohner von Roure einst Weizen an. Das können wir uns jetzt kaum vorstellen, in dieser Höhe –1400 Meter – und bei diesem Relief. Die Menschen wohnten dort nur im Sommer und während der Erntezeit. Bis zum Ersten Weltkrieg lebten die Bergdörfer autark, sie deckten ihren gesamten Nahrungsbedarf selbst. Valérie und Jean-Marc sind begeistert und auch ich kann kaum glauben, wie der Winter diesen Ort, den ich doch gut kenne, verzaubert hat. Wir blicken auf eine endlose Berglandschaft, die von einer Kette von Dreitausen-

dern an der Grenze zwischen Frankreich und Italien gesäumt wird. Die Scheunen, teils aus Stein, teils aus Holz im Blockhausstil, träumen vor sich hin. Die Schneeschuhe erlauben es uns, hier den Weg zu verlassen, denn gute Raquettes bieten überall Halt. Egal, ob die Hänge sanft oder steil sind. Auch der Untergrund spielt keine Rolle mehr: Ein mit Steinen bedecktes Gelände wird unter einer Schneedecke mit Schneeschuhen genauso gut begehbar wie eine Almwiese. Wir vereinbaren, dass jeder auf eigene Faust die Gegend erkundet – ich für eine Fotosafari – und mittags für ein Picknick aus dem Rucksack hierher zurückkehrt.

Schneeschuhparadies

Valérie und Jean-Marc sind auf den Geschmack des Schneeschuhwanderns gekommen. Für ihre letzten Urlaubstage wollten sie eigentlich an die Küste. Aber jetzt haben sie ein B&B im Schneeschuhparadies des Tinée-Tals gebucht: Saint-Dalmas-le-Selvage, mit 50 Kilometern ausgeschilderten RaquetteStrecken. Es liegt ganz hinten im Tal, 400 Meter höher und damit schneesicherer als Roure.

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Linke Seite: eine der entspannten Loipen, Pénitents im Schnee. Oben: Blick auf Roure.

DIE TÜRMALEREIEN VON ROUBION

„Dank meines französischen Freundes habe ich angefangen, in Roubion Türen zu bemalen“, erzählt die Italienerin Imelda Bassanello. „Er ist ein Journalist aus Marseille, der ein Haus in Roubion besitzt. Er schlug dem Bürgermeister vor, dass ich während des jährlichen Dorffestes die Tür des Dorfofens bemale. So bildete ich eine lustige Attraktion zwischen den Straßenmusikern. Die Dorfbewohner schauten zu und zusammen mit den Musikern wurde ich zu einem festlichen Essen an einer langen Tafel eingeladen. Als die Feierlichkeiten vorbei waren und die Tür fertig, stellte sich heraus, dass ich einen Fan hatte. Eine ältere Dame, die mich dafür bezahlte, zwei weitere Türen zu bemalen. Die anderen Dorfbewohner mussten sich erst mal an die farbenfrohen Malereien gewöhnen – die Bergbewohner von Mercantour tun sich schwer mit Veränderungen –, aber die Touristen reagierten begeistert, was schließlich auch dem Bürgermeister auffiel. Elf Jahre nach diesen ersten drei Türen reiste er nach Vallecrosia in Italien, wo ich ein Jahr vor Roubion eine Reihe von Türen bemalt hatte, und fotografierte sie alle. Dann breitete er bei der nächsten Plenarsitzung die Bilder auf dem Tisch aus und schlug vor, dasselbe in Roubion zu tun, aber noch umfassender. Noch am selben Nachmittag wurde das Projekt genehmigt. Und obwohl die Hauseigentümer 20 Prozent der Kosten selbst tragen mussten, häuften sich die Anfragen.“ Mit einem Augenzwinkern fährt Imelda fort: „Sie durften das Motiv aussuchen, was alle möglichen Geschichten hervorbrachte, die sich hinter diesen Türen zugetragen hatten.“

Hier findet man Ruhe, reine Luft, milde Sommertemperaturen und vor allem: einen echten Winter

Außerdem ist es von den fast 3000 Meter hohen Gipfeln des Mercantour-Nationalparks umgeben, von denen kalte Luft herabströmt. Ist der erste Schnee einmal gefallen, bleibt er oft den ganzen Winter über liegen, mit gelegentlichem Nachschub. Diesmal sind es Valérie und Jean-Marc, die mich einladen. Ich treffe sie beim Frühstück im La Petite Étoile, einem B&B in einem altehrwürdigen Gebäude mitten im Dorf. „Die Wandertipps der Besitzer sind Gold wert. Deshalb folgen wir heute ihrem Rat.“

Unter alten Bögen

Das erste Ziel ist der Pra Gazé. Pra bedeutet Wiese auf Provenzalisch; es handelt sich um eine Terrasse mit Almwiesen oberhalb des Dorfes. Beim Aufstieg haben wir einen schönen Blick auf das intakte Bergdorf Saint-Dalmas. Kein einziges modernes Gebäude stört die Einheit der verschneiten Dächer, die sich um den romanischen Kirchturm schmiegen. Es fehlen die üblichen Wintersporthotels. Tatsächlich gibt es überhaupt kein Hotel, sondern nur zwei Chambres d'hôtes, von denen La Petite Étoile eines ist. Für mehr Luxus müssen Besucher ins 7,5 Kilometer entfernte Saint-Étienne-de-Tinée hinunterfahren. Le Pra Gazé entpuppt sich als Volltreffer. Der Blick über das Gialorgues-Tal, in dem Valérie und Jean-Marc am Vortag gewandert sind, ist wegen der dahinter aufragenden Berge unerwartet spektakulär. Sie erinnern mich an die kanadischen Rocky Mountains. Wir legen eine ausgiebige Pause ein und genießen die Aussicht, bevor wir durch ausgedehnte Lärchenwälder nach Sestriere wandern, einer weiten, offenen Ebene, in der mehrere Täler zusammentreffen. Wir wollen ins Vallon de la Braïsse, weil dort weiter oben am Waldrand uralte Lärchen wachsen. Auch das erweist sich als goldener Tipp: Wenn Lärchen so alt werden, verlieren sie die typische Nadelbaumsilhouette und werden knorrig wie alte Eichen. Ein magischer Ort. Ein paar Tage später mache ich mich alleine auf den Weg. Diesmal zum Skilanglauf, auf den Loipen eines anderen malerischen Dorfes: Roubion. Sie beginnen und enden am Col de la Couillole. Das Besondere an ihnen ist, dass sie durch eine freundliche, hügelige, offene Landschaft führen, aber mit Blick auf viel höhere Berge in der Ferne. Der höchste von allen ist der 3300 Meter hohe Argentera knapp hinter der italienischen Grenze. Hier ist man fernab vom Trubel, oft sogar allein in der Natur. Wer früh dran ist, hat gute Chancen Hirsche, Rehe, Gämse und Wildschweine zu sehen. Wer neben Langlaufen und Schneeschuhwandern dennoch auf die schnellen Pisten möchte, aber lieber nicht im Trubel von Isola

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Unten: Saint-Dalmas.

2000, Auron oder Valberg, dem sei Roubion empfohlen. Vor allem der Ortsteil Les Buisses. Er liegt abseits das alten Dorfes und bietet 20 Abfahrten. Das ist natürlich viel weniger als Isola 2000 mit 45 Pisten, aber es stehen keine Warteschlangen an den Liften und die Preise sind die niedrigsten in den Alpes-Maritimes. Außerdem ist die Atmosphäre entspannter und die Landschaft besser intakt. In Roubion bewegt sich der Besucher nicht zwischen modernen Wintersporthotels, sondern schlendert unter alten Gewölben durch enge Gassen, vorbei an den charakteristischen Türmalereien von Imelda Bassanello (s. Kasten). Die Italienerin besitzt seit zwei Jahrzehnten ein Haus in Roubion. Hier findet sie Ruhe, reine Luft, milde Sommertemperaturen und vor allem: einen echten Winter. Ich kenne Roubion schon seit 24 Jahren und seit Imelda hier ihre Bilder gemalt hat, ist es zum Leben erwacht. Ich kann nicht sagen, was Ursache und was Wirkung ist, aber das alte Dorf hat heute zwei Restaurants mit gemütlichen Terrassen und auf dem Col de la Couillole oberhalb des Dorfes, wo die Langlaufloipen anfangen, hat sich ein ambitioniertes Restaurant etabliert, das Quintessence, das nebenbei sieben Hotelzimmer bietet. Roubion wird nie ein Touristenort wie Èze oder Saint-Paul-de-Vence werden, dafür ist es mit 70 km zu weit von der Küste entfernt. Genau wie Roure und Saint-Dalmas-le-Selvage. So bleiben die Dörfer Geheimtipps für malerische Tage im Schnee. Auf Raquettes, Langlaufskiern oder den schnellen Brettern.

Tipps & Adressen

ANREISE

Entfernung Frankfurt-Roure: 1039 km. Mit dem Zug nach Nizza dauert es von Frankfurt aus mindestens 12 Stunden. Flüge nach Nizza sind möglich von Berlin, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Luxemburg, Basel, Zürich und München. Roure ist 1,5, Roubion 1,75 und Saint-Dalmas 2 Autostunden vom Flughafen entfernt.

ROURE roure.fr Hotel-Restaurant Auberge Lo Robur aubergelorobur.com Arboretum Marcel Kroenlein arboretum-roure.org

SAINT-DALMASLE-SELVAGE saintdalmasleselvage.fr Für den Verleih von Schneeschuhen, siehe: les activités > hiver > raquettes.

B&B La Petite Étoile la-petite-etoile-dhotes-enmercantour.fr Restaurant

Les 3 Marmottes Route de Saint-Dalmas, 06660 Saint-Dalmas-le-Selvage, Tel.: +33 6 84 48 67 93

ROUBION

roubion.com Für den Verleih von Schneeschuhen, siehe: les services > commerces > location matériel.

B&B Le Rupicapra rupicapra-tinee.com

Hotel-Restaurant Auberge Quintessence

Am Col de la Couillole (Ausgangspunkt für Langlaufund Schneeschuhwanderungen). auberge-quintessence.com

Bistrot de pays Auberge du Moulin auberge-du-moulin-roubion.fr

Pizzeria Chez Joëlle Außengastronomie mit Ausblick Place Adolphe Ramin, 06420 Roubion, Tel.: +33 6 30 92 78 54

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Salzseen in Okzitanien

Salziger Zauber

Gleich hinter den großen Stränden Okzitaniens liegen die Salzseen, die Étangs. Hier brüten Vögel, hier wird Salz gewonnen und hier liegen eigenwillige Dörfer, die sich keinen Deut um die schicken Beach Clubs am Meer scheren.

TEXT HANS AVONTUUR FOTOGRAFIE HANS AVONTUUR & SHUTTERSTOCK

Am Nordufer des Étang de Thau habe ich Glück. Ich habe mich mit Quentin und Emmeline verabredet. Das junge Paar betreibt eine Austernfarm und ausgerechnet heute fahren sie hinaus, um Austern zu ernten. Ob ich mitkommen möchte? Was für eine Frage! Kurz darauf gleiten wir auf dem dunkelblauen Wasser dahin. Die Sonne brennt und ein strammer Wind weht. „Das ist es, was unser Leben so schön macht“, sagt Emmeline, „gemeinsam in der Wildnis“. Ihr Mann Quentin lacht: „Ich hatte sie gewarnt, im Winter muss man auch raus. Dann kann es unangenehm kalt, nass und stürmisch sein.“ Quentin weiß, wovon er spricht, denn er ist mit diesem Beruf aufgewachsen. Seine Eltern hatten eine Austernzucht. Von ihnen lernte er alle Kniffe, die ein Züchter braucht. Mit seinem eigenen Unternehmen hat er einen etwas anderen Weg eingeschlagen: „Hochwertige Austern. So wollen wir uns profilieren. Wir haben auch eine besondere Sorte, die schon Preise gewonnen hat“. Wir passieren die Anlegestellen der Kollegen und das Dorf Mèze, das im goldenen Sonnenlicht badet. Zu

unserer Rechten sehen wir die Metallgerüste der Austernzüchter. Der Étang de Thau ist berühmt für seine Austern. Sie hängen an langen Schnüren im Wasser. Wir hieven sie aus dem Wasser, um die Schalentiere von den Schnüren zu lösen. Quentin und Emmeline sind perfekt aufeinander eingespielt. Sie legen an, installieren die Erntemaschine, befestigen die Schnüre nacheinander und sammeln die gelösten Austern in großen Kübeln. An Land werden sie nachher für den Verkauf an Restaurants, Zwischenhändler und Direktabnehmer gereinigt. Morgen vor Sonnenaufgang wird das junge Paar anderthalb Stunden zum Wochenmarkt in Uzès fahren. Mit vollen Eimern steuern wir zurück zum Kai. Es war herrlich auf dem Wasser. Schön, erholsam, arbeitsintensiv und unprätentiös – eben typisch für das Leben an den Salzseen. Die touristischen Strände liegen nur eine halbe Stunde entfernt, scheinen aber Lichtjahre weit weg zu sein.

Alte Salzpfannen

Am Nordufer des Salzsees fahre ich ein paar Kilometer ins Landesinnere nach Frontignan und finde eine schöne Bleibe für die Nacht in einem alten Landhaus, das von Caroline und Marie in ein Chambre d'hôtes umgewandelt wurde: die Domaine

OKZITANIEN
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de Selhac. Es ist eine Geschichte, die aus viel mehr als Jahreszahlen besteht. Carolines Großvater arbeitete dort als kleiner Junge für eine wohlhabende Familie, die ein Weingut führte.

Caroline serviert ein köstliches Abendessen mit Tielle, einer Art Kuchen mit gepfeffertem Tintenfisch, Tomatenmark, schwarzen Oliven, Knoblauch und Zwiebeln. Das auffallende Gericht geht auf das späte 19. Jh. zurück, als italienische Einwanderer das Rezept mitbrachten. Lange Zeit galt es als Essen für arme Leute. Bis Adrienne Pages in den 1930er Jahren es an ihrem Stand in Sète zu verkaufen begann. Die Resonanz war enorm. Tielle hat einen intensiven Geschmack, an den man sich erst gewöhnen muss. Nach ein paar Bissen dringen die Nuancen des Gerichts durch. Von einem Snack hat es sich zu einem vollwertigen Hauptgericht entwickelt. Dazu gibt es frischen Salat. Nach dem Essen sitze ich noch eine Weile draußen. Der salzige Wind rauscht durch die Bäume und lässt erahnen, dass das Meer nicht weit entfernt ist. Ich trinke ein Glas Rosé aus der Region, lasse meine Gedanken zurückschweifen zum Besuch bei Quentin und Emmeline und freue mich auf den folgenden Tag, der mit einem Spaziergang durch die alten Salinen von Frontignan beginnen wird, die

in ein Naturschutzgebiet umgewandelt wurden. Am Treffpunkt am Rande des Dorfes wartet Laurent Woock, um mich durch die außergewöhnliche Landschaft zu führen. Er erzählt von der Methode der Salzgewinnung, den verschiedenen Becken, dem Spiel mit dem Wasserstand und dem harten Leben der Arbeiter: „Stellen Sie sich vor, diese Männer und Frauen stehen hier im Hochsommer bei 35 Grad Celsius (und mehr!) im Salz. Im Meerwasser sticht das auf der Haut, in den Pfannen ist die Konzentration so hoch, dass es brennt. Und vergessen Sie nicht die Mücken. Seit dem Aufkommen des Tourismus in den 1960er- und 1970er-Jahren werden diese bekämpft, aber damals war das noch nicht der Fall.“ Das seichte Wasser ist heute ein Paradies für Vögel, unter denen die Flamingos am meisten auffallen. Die Altvögel sind schön rosa vom Fressen des spezifischen Planktons, die Jungvögel dagegen noch weiß und grau. Viele ziehen im Winter in wärmere Gefilde, aber

Aufschlagseite: Boot mit Mimosen in Sète. Hier von links nach rechts: Die Place St. Louis in Aigues-Mortes; Sonnenuntergang am Étang de Thau; Quentin und Emmeline bei der Austernernte.

Es war herrlich auf dem Wasser.
Schön, erholsam, arbeitsintensiv und unprätentiös – eben typisch für das Leben an den Salzseen
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einige überwintern hier. Laurent: „Früher gab es an mehreren Orten hinter der Küste Salinen, heute sind nur noch die in Aigues-Mortes in Betrieb.“

Die Region besitzt eine ganz eigene Schönheit. Es ist eine Art Niemandsland zwischen dem Meer und den Bergen. Wer von der Landseite über die Salinen und Seen blickt, sieht auf der anderen Seite einen schmalen Landstreifen, hinter dem sich das Mittelmeer versteckt. In den 1960er Jahren wurde beschlossen, dort den Tourismus zu entwickeln. Über diesen schmalen Streifen fahre ich wenig später zu einem etwas versteckten Ort: la Cathédrale de Maguelone. Die Kultstätte liegt auf einer Halbinsel zwischen den Salzseen von Arnel und Des Moures. „Als ich als Kind zum ersten Mal hierher kam, war ich enttäuscht“, sagt Maguelonne Arghyris von der Stiftung, die die Halbinsel verwaltet. „Bei einer Kathedrale dachte ich an die Sacre Coeur, aber hier regiert die Einfachheit. Gerade das Fehlen von Ornamenten macht den Ort zu etwas ganz Besonderem: die geraden Steine, die einsame Marienstatue, das dekorative Tor, die Festungsanlagen und vor allem die wahnsinnig schöne Lage zwischen Land und Wasser. An der Seite findet sich ein auffälliges Detail, eine eigens für den Papst gebaute Treppe, über die er mit seinem Esel auf den Balkon reiten konnte, ohne abzusteigen. Im 16. und 17. Jh. wurde die

Kathedrale aufgegeben und verfiel“, sagt Maguelonne. „Das heutige Gebäude ist dem Historiker Frédéric Fabrège zu verdanken, der die Ruinen restaurieren und die Halbinsel neu bepflanzen ließ. Seine Tochter schenkte es 1949 der Diözese Montpellier unter der Bedingung, dass es eine soziale Funktion erhalte“. Auf der Halbinsel und in dem dazugehörigen Restaurant arbeiten auch Menschen, die auf dem freien Arbeitsmarkt nicht zurecht kämen. Einige von ihnen leben auch dort. Wer einen Beitrag dazu leisten möchte, das Projekt zu unterstützen, kann im Laden unter anderem den hier produzierten Wein erstehen.

Bastion der Kreuzritter

Ich stromere weiter zwischen den Salzseen. Unterwegs besuche ich mehrere Naturschutzgebiete wie das von Scamandre und Méjean. In den Besucherzentren erfahre ich viel über die Pflanzen und Tiere, die dort leben. Von den weißen

Links: Fischer am Étang de Thau. Rechts: die Salzseen mit den Stadtmauern von Aigues-Mortes im Hintergrund.

„Früher gab es an mehreren Orten hinter der Küste Salinen, heute sind nur noch die in Aigues-Mortes in Betrieb.“
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Camargue-Pferden bis hin zu einer langen Liste von Wasservögeln. Auf dem Weg dorthin werfe ich auch einen Blick auf die Domaine Royal de Jarras, einen der Erzeuger der so genannten Vins Sable, der Sandweine. Sie werden so genannt, weil die Reben in trockenem, lockerem Sandboden stehen und dort doch gut gedeihen. „Der Boden aus Sand und Muscheln bringt einen trockenen und zugleich fruchtigen Wein hervor“, sagt Roland, der Chef des Weinbergs. Die Mönche pflanzten in diesem Gebiet bereits im 13. Jh. Weinreben an.

Vom Weinberg aus kann ich schon meinen nächsten Halt sehen: die Salinen von Aigues-Mortes. Besucher können dort wandern, Rad fahren oder eine Tour mit dem Touristenzug machen. Auf Schusters Rappen macht es am meisten Spaß. Dann sind die unterschiedlichen Farben der Becken besser

erkennen, ist die Wärme zu spüren und bietet sich ein wunderbarer Blick auf das mittelalterliche und noch vollständig ummauerte Städtchen AiguesMortes, einst eine Bastion der Kreuzritter. Am Wendepunkt des Wanderweges türmt sich ein riesiger, mehrere Dutzend Meter hoher Berg aus Salz auf. Irgendwann wird es als grobes Meersalz im Streuer landen. Jetzt kann ich hinaufklettern, um einen besseren Blick auf die Weite der Salinen zu bekommen. Die Männer mit Schaufeln und Schubkarren von den alten Fotos von Frontignan sind verschwunden. Heutzutage dröhnen hier Bulldozer und Traktoren mit Anhängern. Kurz vor Sonnenuntergang erreiche ich meine letzte Station: Sète. Am Hafen frage ich in einem Restaurant nach l'arrivage, dem Fang des Tages. Frischer geht's nicht.

Schöne Erinnerungen

Das Städtchen Sète liegt buchstäblich auf der Grenze zwischen dem Mittelmeer und dem Étang de Thau. Der Canal Royal verbindet die beiden Gewässer und bildet das letzte Stück des berühmten Canal du Midi. Als dieser Kanal im 17. Jh. gegraben wurde, verwandelte sich Sète von einem

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Am Hafen frage ich in einem Restaurant nach l'arrivage , dem Fang des Tages. Frischer geht's nicht

Links: Das Fischerviertel La Pointe Courte in Sète.

Oben: Spazieren auf der Stadtmauer von Aigues-Mortes; unten Caroline von der Domaine de Selhac.

Folgende Seite: „Tournoi de joutes“ während des sechstägigen Festivals von St. Louis in Sète.

bescheidenen Fischerdorf in eine blühende Stadt des Handels und der Fischerei. Auch die Marine spielte eine Rolle. In den schönen Gebäuden und großen Kirchen spiegelt sich bis heute ihre Anziehungskraft. Ich schlendere an den Villen am Canal Royal entlang, spaziere durch die hübschen Straßen dahinter und steige in den oberen Teil, wo früher italienische und spanische Einwanderer lebten. La Pointe Courte hatte lange Zeit nicht gerade den besten Ruf. Das Fischerviertel liegt am Étang de Thau und besteht aus kleinen Häusern und den charakteristischen Cabanes, Schuppen aus Wrackteilen, Brettern, Seilen und allerlei anderen Fundstücken. In einer der Hütten sitzt Michel Izoard an einer Werkbank. Der ehemalige Fischer stellt aus Spaß Miniaturen aus Holz her; viele kleine Boote. „Einst haben hier 80 Familien vom Fischfang gelebt“, sagt er. Heute ist es noch eine Handvoll. Der Étang ist auch salziger geworden, und das ist für einige Fischarten nicht gut.

Unter dem Vordach hängen Bilder aus vergangenen Zeiten. Junge Männer in der Blüte ihres Lebens, die am Tournois de Joutes teilnehmen, einer Art Ritterturnier, bei dem Männer auf Booten

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versuchen, sich gegenseitig mit langen Lanzen von einer Plattform zu stoßen. „Jahrelang war ich dafür zuständig, die Lanzen und Schilde zu bergen, die im Wasser gelandet waren“, erzählt Michel. Er berichtet von einer wunderbaren Zeit voller toller Erinnerungen. Am Ende des Nachmittags besteige ich den Mont Saint-Clair. Der Aussichtspunkt gibt den Blick frei auf das Mittelmeer, die Umrisse der Pyrenäen, Sandbänke und Salzseen. Am Étang de Thau schimmern die Austernbänke, wo ich zuvor mit Emmeline und Quentin war. Ein Boot zeichnet in der Ferne lautlos ein weißes V in das dunkelblaue Wasser. Ich beobachte in aller Muße wie die Sonne hinter dem Horizont verschwindet und den Himmel in ein bezauberndes Violett einfärbt.

Tipps & Adressen

ANREISE

Aigues-Mortes liegt etwa 900 Kilometer von Frankfurt a.M. entfernt. Es gibt gute Flugverbindungen nach Marseille, Montpellier oder Toulouse. Anschließend ist ein Mietwagen sehr praktisch, wenn Sie verschiedene Orte erkunden möchten. Der TGV hält in Montpellier und Perpignan.

ÜBERNACHTEN

Le Splendid Camargue, Le Grau-du-Roi

Das Hotel ist seit mehreren Generationen im Besitz derselben Familie. Geräumige, komfortable Zimmer mit Balkon, direkt am Meer und Strand. Top: Frühstück im obersten Stockwerk mit traumhaftem Ausblick. DZ ca. 120 € inklusive Frühstück splendid-camargue.com

Domaine de Selhac, Frontignan

Gemütliche Chambres d'hôtes in einem stilvoll renovierten Landhaus, umgeben von den berühmten Muskateller-Weinbergen von Frontignan. Caroline

und Marie servieren regionale Spezialitäten und heißen Gäste herzlich willkommen.

DZ mit Frühstück ab €100 domainedeselhac.fr

L’Orque Bleue, Sète Boutique-Hotel in einem klassischen Herrenhaus, direkt am Canal Royal. Es verbindet alte Elemente mit Design und moderner Kunst.

DZ mit Frühstück ab €114 orquebleue.fr

ESSEN UND TRINKEN

Café Miramar, Grau du Roi

Eine moderne Kombination aus Bistro und Weinbar. Die überraschenden Gerichte - viele auf Fischbasis - werden in der offenen Küche zubereitet. Wenn das Wetter es zulässt, kann man dort auf der Promenadenterrasse sitzen. cafe-miramar.fr

Le Comptoir des Compagnons, Maguelone Eine etwas versteckte Adresse

auf der Halbinsel Maguelone. Das Personal setzt sich zum Teil aus Personen zusammen, die sonst auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen haben. Das sorgt für eine besondere und entspannte Atmosphäre. Toller Blick von der Terrasse auf die Weinberge und das Meer. compagnons-de-maguelone.org

Le Poisson Rouge, Frontignan-Plage

In diesem ehemaligen Wohnhaus von Austernfischern kann man buchstäblich die Füße in den Sand stecken. Die Küche ist hell und logischerweise hauptsächlich auf das Meer ausgerichtet. Eine der Spezialitäten ist Seiche à la Plancha, gegrillter Tintenfisch. le-poisson-rouge.fr

Oh Gobie, Sète

Mit den Fischerbooten vor der Haustür ist es klar, dass sie im Oh Gobie mit frischem Fisch und Meeresfrüchten glänzen. Bei Besuchern und Einheimischen gleichermaßen beliebt. Unkompliziert und lecker.

9 Quai Maximin Licciardi, Tel.: +33 4 99 02 61 14

UNTERNEHMEN

Naturschutzgebiete Rund um die Salzseen (eigentlich sind es Lagunen) liegen mehrere Naturschutzgebiete, die zu besichtigen sind. Besonders zu erwähnen sind die ehemaligen Salinen von Frontignan, die Grünanlagen rund um das Maison de la Nature in Lattes und die Petit Camargues von Scamandre.

Salzpfannen

Die Salinen von Aigues-Mortes sind die einzigen nennenswerten Salinen, die noch Betrieb sind. Besucher können sie auf eigene Faust besichtigen oder an einer Führung teilnehmen. visitesalinsdecamargue.com

INFORMATION

• tourismegard.com

• herault-tourisme.com

• toerisme-occitanie.nl

• montpellier-toerisme.nl

• sete-archipel-de-thau.com

• france.fr

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Strahlendes Licht

Die Deckenleuchte Drio wird aus einem einzigen Stück recyceltem Glas mundgeblasen. Dadurch entstehen kleine Unebenheiten, die jedes Exemplar einzigartig machen und für spielerische Lichteffekte sorgen. Erhältlich in drei Größen. Caravane, Suspension Drio, ab €125. caravane.fr

Maison

Spielerisches Licht, ein warmer Begleiter und ein Herz für Käse.

Schatztruhe

La Cheese Box nach einem Entwurf von Emile Henry ist wahrlich eine kleine Schatztruhe, in der das herrliche Aroma des . französischen Käse sicher bewahrt bleibt. Der Topf aus Steingut ist lang, schmal und somit platzsparend im Kühlschrank. Besonders praktisch: Der Deckel dient zugleich als Käseplatte. Emile Henry, La Cheese Box, €79,90. emilehenry.com

Dezent und warm

Diese handgefertigte rosa Steppdecke von Blanc d’Ivoire mit dem süßen Blumenmuster und dezenten Bommeln lässt sich gut mit anderen frischen Farben kombinieren. Sie besteht vollständig aus Baumwolle und ist mit 200 mal 150 Zentimeter groß genug als Tagesdecke für ein Bett. Blanc d’Ivoire, Courtepointe Tokyo Rose, €289. blancdivoire.com

Ran an den Käse!

Keine Käseplatte ohne passende Messer! Dieses hübsche 3er-Set ist nicht nur praktisch, sondern dank der Handgriffe in der Form von goldfarbenen Palmenblättern auch noch sehr dekorativ. Aulica, Set aus drei Käsemessern Palm Leaf, €25,90. aulica.fr

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Lebende Nostalgie

Weite Plätze, brausende Boulevards und mächtige Fassaden, so präsentiert sich Paris. Aber ohne die versteckten Gassen, kleinen Cafés, authentischen Läden und Ateliers wäre die Stadt nur halb so wunderbar. Sie drängen sich dem Besucher nicht auf, hier wird er zum Entdecker. Das Frankreich Magazin sprach mit dem Künstler Marin Montagut, der schon seit fast zwei Jahrzehnten in seiner Stadt auf Entdeckungsreise ist.

Selbst die großen Namen in Paris wie Chanel oder Dior wären nichts ohne diese leisen, unbekannten Spezialisten, die in ihrem jeweiligen Gewerk grandiose Experten sind.

Designer Marin Montagut hat nun aus Collagen, Aquarellen und neuen Fotos einen üppigen Bildband zusammengestellt, der dieses lebende Erbe des Kunsthandwerks in Paris vorführt.

Traditionsgeschäfte? Das klingt erst einmal staubig – altmodisch.

„Ach, i wo. Es ist so reizvoll. Meine große Leidenschaft! Echtes altes Kunsthandwerk, die Ateliers, die Künstlerstudios – ich liebe es. Ich

kam als 20-Jähriger von Toulouse nach Paris und begann, solche Orte peu à peu zu entdecken. Ich bin Designer, Aquarellist und Illustrator. Um meine Kunstwerke zu verwirklichen, brauche ich Werkstätten oder Fachleute, die ein bestimmtes altes Handwerk beherrschen. Sie werden immer seltener, die Kunstschmiede, Farbmischer oder Papierschöpfer. Es war jedes Mal eine tolle Überraschung, wenn ich eine dieser versteckten Perlen entdeckt hatte. Jetzt bin ich 38 und kenne viele besondere Adressen. Ich bewundere diese Spezialisten und ihre Ladeneinrichtungen, denn es ist so schwierig, im modernen Paris damit zu überleben.“ ›

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GESPRÄCH: ANNEKE WARDENBACH, FOTOS: ROMAIN RICARD, PIERRE MUSSELEC, MARIN MONTAGUT, LUDOVIC BALAY Autor und Künstler Marin Montagut vor seiner Galerie im Herzen von Paris.

Im Uhrzeigersinn: Löwe in Deyrolle, die Galerie von Marin Montagut, Eindrücke aus der Kurzwarenhandlung Mercerie Ultramod und aus der Bouclerie Poursin, einem Spezialisten für Metallschnallen

Warum dann dieses Buch?

„Es ist eine Hommage an diese Spezialisten. „Antik“, „Nostalgie“ und „vintage“ sind jetzt hippe Begriffe. Aber diese Läden und Werkstätten haben nicht nur antike Gegenstände, nein, sie leben! Da schwebt sozusagen der „Vintage-Geist“ im Raum und lebt und schafft, teilweise schon seit 150 Jahren. Auf diese Weise bilden sie seit jeher eine große Inspirationsquelle für mich als Künstler.“

Und dann kamen die Lockdowns.

„Ja, in gewissem Sinne ist dieser Bildband ein Produkt des Lockdowns. Ich hatte meine Kunstboutique mit Dekorationen und Papierwaren im 6. Arrondissement ausgerechnet 2020 eröffnet. Finanziell habe ich das nur überlebt, weil viele Pariser hierher fanden, die plötzlich Zeit hatten, ihre Wohnungen schöner zu dekorieren. Aber Reisen zu Inspirationszwecken war nicht mehr möglich. Also hatte ich Zeit, etwas aus meinem Netzwerk vor Ort zu entwickeln. So entstand das Buch. Und jetzt kommen hoffentlich die Touristen!“

Was sind Ihre Tipps für Touristen?

„Ich persönlich liebe das Kuriositätenkabinett Deyrolle, wo Tiere, allerlei Schmetterlinge und andere Insekten gezeigt werden. Aber für Besucher ist die Herboristerie an der Place de

Clichy lohnenswert, da gibt es auch viel zu kaufen, was ins Handgepäck passt. Oder das Musée Montmarte oder die Mercerie Ultramod. Aber meinen eigenen Laden dürfen Sie natürlich auch nicht vergessen, der ist ja auch noch ziemlich neu. Für mich ist die Académie de la Grande Chaumière die schönste Entdeckung im Rahmen dieses Buches, darüber freue ich mich riesig, dort male ich jetzt selbst. Diese Kunstakademie wurde 1902 gegründet und befindet sich bis heute in denselben urigen Räumlichkeiten in Montparnasse.“

Marin Montagut Verborgene Schätze in Paris €32

Dumont Verlag, 256 Seiten

Frankreich Magazin verlost unter den Lesern 5 Bücher. Mitmachen unter frankreichmagazin.org

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GEWINN AKTION

Verschwörung am See

Auf einem Parkplatz in der Nähe des Genfer Sees wird ein Mann mit mehreren gezielten Schüssen ermordet. Bald stellt sich heraus, dass das Opfer einer Eliteeinheit des französischen Geheimdienstes angehörte. Ungewollt wird der Pariser Untersuchungsrichter Jacques Ricou in den Fall verwickelt, wodurch er gleichzeitig in die undurchsichtigen Spielchen einflussreicher Politiker gerät. Die Elite behindert den Ermittler nach Kräften, doch dieser lässt sich nicht einschüchtern: Gemeinsam mit der Journalistin Margaux und Kommissar Jean geht er diversen Spuren in der französischen Hauptstadt nach. Dabei ahnt er nicht, dass ihn zwei Spezialagenten ausschalten sollen, die ihm schon bedenklich nahegekommen sind. Mit diesem spannenden Plot meldet sich Tagesthemen-Veteran und Frankreich-Kenner Ulrich Wickert bereits zum siebten Mal aus dem Vorruhestand. Ein Muss für Fans und ein gutes Argument für Neulinge, um in die unabhängig voneinander lesbaren Bände der Reihe einzusteigen. „Der Schatten von Paris“, Ulrich Wickert – Piper €22

Auslese

Der verhüllte Triumphbogen

Schon 1961 hat sich das Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude mit dem Gedanken beschäftigt, ob und wie es den Arc de Triomphe in Paris auf ihre später charakteristisch gewordene Art und Weise zeitweise verhüllen könnte. Das Paar, das sich gerade der Gruppe Nouveau Réalisme angeschlossen hatte, hat die Realisierung des Vorhabens zeitlebens weiterverfolgt – doch erleben sollten die beiden es nicht: Erst 2021, ein Jahr nach dem Tod Christos und zwölf Jahre nach dem Tod Jeanne-Claudes, wurde der Triumphbogen temporär mit 25.000 Quadratmetern recycelbarem Stoff und 3000 Metern Seil zu einem überdimensionalen Paket verschnürt. Wie es dazu gekommen ist, dokumentiert der Taschen-Verlag auf 128 Seiten mit Fotos, Zeichnungen und anderen Dokumenten. Visionen können wahr werden, zeigt die Evolutionsgeschichte dieser Idee.

„L’Arc de Triomphe, Wrapped” Christo & Jeanne-Claude Taschen Verlag € 25

Krimikomödie an der Küste

Der Gelegenheitsgauner Guillaume sieht endlich die Chance, mit wenig Aufwand an viel Geld zu kommen: Die Lösung eines Rätsels soll ihn zum Familienschatz einer Adelsdynastie im südfranzösischen Küstenstädtchen Port Grimaud führen. Eilig stellt er ein Team von Komplizen zusammen, das unter anderem einen Wassertaxifahrer, eine Eisverkäuferin, einen Fremdenlegionär sowie eine 84-Jährige Lebedame umfasst. Die Unverbesserlichen von der Cote d‘Azur sind geboren. Doch damit beginnen auch die Probleme, denn keiner hat einen Plan, wie man den großen Coup über die Bühne bringen soll. So nimmt eine Geschichte ihren Lauf, den das Autorenduo ganz bewusst in der Tradition der Kriminalkomödie verfasst hat. Das turbulente Katz-und-Maus-Spiel lebt von den unbeholfenen Nebenfiguren, die in dem malerischen Urlaubsort von einer Katastrophe in die nächste stolpern. Die Unverbesserlichen Volker Klüpfl, Michael Kober Ullstein € 24,99

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Auf dem Sofa nach Frankreich reisen VON

Opulenter Bildband

Der Taschen-Verlag genießt weltweit Ansehen für seine Publikationen. Oft handelt es sich um Bücher in massenkompatiblen Formaten, nicht selten aber auch um Bände, deren pure Existenz an ein kleines Wunder grenzt. Ein solches Werk hat der Verlag nun dem französischen Architekten Jean Nouvel gewidmet. Es umfasst 784 Seiten in einem Format, das DIN-A3 an nächsten kommt. Es wiegt stolze 5,6 Kilo und es wurde von Philip Jodidio herausgegeben, der zu den bedeutendsten Architekturkritikern unserer Zeit gehört. Das Format gestattet einen detaillierten Blick auf das Oeuvre Nouvels, der am 12. August 1945 in Fumel bei Toulouse zur Welt gekommen ist. Wer die Fußball-WM in Katar nicht boykottiert hat, dürfte die organischen Formen des dortigen Nationalmuseums wiedererkennen, dessen verschachtelte Dachkonstruktion den Knospen einer Wüstenrose nachempfunden ist. Doch Nouvel lässt sich nicht auf eine Stilrichtung festlegen. Das zeigt sich wenige

Seiten später bei seinem Schwimmbad, das er in Le Havre gestaltet hat: Les Bains des Docks sind mit ihren weißen Wänden und rechten Winkeln auf feierliche Weise sachlich. Auch betont urbane Bauten sind dem Pritzker-Preisträger nicht fremd. Da wären etwa die Duo Towers in der Nähe des Pariser Bahnhofs Austerlitz, die auf den ersten Blick mit Gleichgewichtsstörungen zu kämpfen scheinen, bei näherem Hinsehen jedoch dank des virtuosen Einsatzes von Winkeln eine angenehme Abwechslung zur Tristesse der Büroturmarchitektur bilden.

Wer das Werk des Franzosen begleitet, tritt einen Parforceritt rund um den Globus an. Im Unterschied zu vergleichbaren Bänden gestattet sich Jodidio den Luxus, neben der gängigen Weitwinkelfotografie auch auf verhuschte Aufnahmen zu setzen, welche die Fantasie beflügeln. So erhält dieses Coffee-Table-Book eine experimentelle Note. Die eloquenten Texte indes liegen nur auf Englisch und Französisch vor. (RJO) Jean Nouvel by Jean Nouvel. 1981–2022 –Jean Nouvel, Philip Jodidio Taschen Verlag € 150

Gutschein für La Cinetek

Sie lieben das Kino, doch bei den gängigen StreamingDiensten vermissen Sie hoch qualitative Filme und eine nachvollziehbare Kuratierung? In diesem Fall könnte La Cinetek (www.lacinetek.com) etwas für Sie sein. Seit Oktober 2022 verfolgt das französische Unternehmen den Anspruch, ein Online-Angebot vorzulegen, das nicht von Algorithmen, sondern von Kennern und Liebhabern zusammengestellt wird. Schon mehr als 100 Regisseure haben eine Liste mit ihren Lieblingsfilmen erstellt, die über verschiedene Pakete zugänglich sind. Versteht sich von selbst, dass das französische Kino gut repräsentiert ist. In Zusammenarbeit mit La Cinetek verlost das Frankreich Magazin fünf Gutscheine im Wert von je 10 Euro.

Das Frankreich Magazin verlost unter den Lesern 5 Gutscheine. Mitmachen unter: frankreichmagazin.org/gewinnspiel GEWINN AKTION ANZEIGE

Ausgrabungen am Strand

Ursprünglich wollte Brigitte gemeinsam mit Hund, Kater und ihrem altersschwachem VW-Bus ein neues Leben in der Normandie beginnen. Mit der anvisierten Ruhe aber ist es schnell vorbei, als Border Collie Belmondo in den Dünen den Teil einer Leiche ausgräbt. Mit den geheimnisvollen Aufzeichnungen, die auf Deutsch formuliert sind, kann die örtliche Polizei wenig anfangen. So ist es Brigitte vorbehalten, sich mit einem deutschen Geologen und einer normannischen Schäferin auf die Spuren des unbekannten Toten zu machen. „Das Grab am Havre“ – Barbara Homolka Piper Verlag €19

Geheimnisse der Sprache

Redewendungen gehören zu den am schwierigsten Verständlichen Details einer Sprache. Was das betrifft, ist Französisch keine Ausnahme. Ein Autorenduo hat sich nun zur Aufgabe gemacht, Licht ins Dunkel zu bringen. Um die Bedeutungsnuancen dabei ausgewogen zu bewerten, erläutern Pierre Sommet und Waltraud Schlosser diverse französische Bonmots und andere Redewendungen in beiden Landessprachen. Herausgekommen ist dabei ein erhellendes Buch, das nicht nur dem Ausdrucksvermögen, sondern auch der Freundschaft zwischen beiden Ländern dient. Pot-Pourri / Potpourri Waltraud Schlosser und Pierre Sommet Magenta Verlag €10

Auslese

Der Jura neu entdeckt

Bis in die Gegenwart pflegt der französische Jura seinen Ruf als eigenwillige und eher schwer zugängliche Region. Nun stellt sich der für seinen sorgsamen Recherche bekannte Trescher Verlag der Aufgabe, das landschaftlich reizvolle Mittelgebirge touristisch aufzuarbeiten. Autorin Sabine Herre widmet ihre Aufmerksamkeit unter anderem den kulinarischen Reichtümern der Region. Doch auch die vielen Schluchten und Höhlen, die Wanderer und Trekking-Touristen anziehen, finden gebührende Beachtung. Das gilt auch für. pittoreske Dörfer wie Arbois, malerische Städte wie Besançon und Ausflüge in die nahe Schweiz.

Französischer Jura Sabine Herre Trescher Verlag € 19,95

Wilde Zwanziger

In den 1920er Jahren hat Paris seine glamouröseste Zeit erlebt. Eine Steilvorlage für einen historischen Roman, den Tabea Koenig (*1992) im literarischen Milieu ansiedelt: Im Jahre 1921 entflieht Protagonistin Lizzie ihrer Ehe, um in Paris ein neues Leben zu beginnen. Bald arbeitet sie in der legendären Buchhandlung „Shakespeare & Company“, wo sie für James Joyce ein Manuskript abtippt. Voller Bewunderung nimmt sie zur Kenntnis, dass die Künstler sich nicht von gesellschaftlichen Konventionen beeindrucken lassen. Vor allem in Sachen Liebe gehen sie ihrem Verlangen unbefangen nach. Einmal in dieser Welt angekommen, verfolgt Lizzie den Traum, eigene Bücher zu verlegen. Eine liebevolle Hommage an ein Zeitalter, als Literatur und Buchhandlungen noch der Mittelpunkt des Lebens waren.

Die Verlegerin von Paris, Tabea Koenig Aufbau Taschenbuch € 12,99

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Literarisches Selbstporträt

Anne Serre (*1960) zählt in Frankreich schon seit geraumer Zeit zur literarischen Elite. In Deutschland hingegen feiert sie erst jetzt ihr spätes Debüt. Dabei geholfen hat sicherlich, dass „Im Herzen eines goldenen Sommers“ 2020 mit der höchsten literarischen Auszeichnung bedacht wurde, dem Prix Goncourt de la Nouvelle. Der nur 120 Seiten starke Band fügt mit spielerischer Leichtigkeit 33 Miniaturen zusammen, bei denen es sich um Träume, Erinnerungen und Fantasien handelt. Mal sind diese scharf konturiert, dann wieder verschwimmen sie vage. So entsteht einen ebenso raffiniertes wie spielerisch leichtes Selbstporträt. Im Herzen eines goldenen Sommers Anne Serre Barenberg Verlag € 24

Tod auf dem Pilgerweg

Das Wandern auf der Via Podiensis kann gefährlicher sein, als man vermuten würde. Dies zeigt sich im jüngsten Bordeaux-Krimi von Maria Dries, in dem ein Mann auf dem historischen Abschnitt des Jakobsweges spurlos verschwindet. Da der Vermisste als körperlich fit und zudem als erfahrener Wanderer galt, vermuten Ermittler schon bald, dass es sich nicht um einen Unfall handelt. Eine groß angelegte Suche bleibt zunächst ohne Erfolg. Erst als Pauline Castelot und ihr Team auf den Fall angesetzt werden, entdecken sie die Leiche des Mannes. Sein lebloser Körper liegt auf dem Grund einer Schlucht, alles deutet auf ein Verbrechen hin. Kurz nach dem Fund wird ganz in Nähe eine junge Frau vermisst gemeldet, wodurch der Fall eine neue Dimension erhält. Abermals nimmt eine fieberhafte Suche ihren Lauf, wobei Landschaft und Kultur Südwestfrankreichs eine bedeutende Rolle einnehmen. Schatten der Gironde Maria Dries Aufbau Verlag, € 12

FRANKREICH MAGAZIN 97 ANZEIGE Französisch lernen am Puls der Zeit Artikel aus führenden französischsprachigen Medien und unserer Redaktion Sprachtraining • Landeskunde • Vokabelhilfen • Übungsmaterial Diaty Diallo a fait sensation lors de la rentrée littéraire. Dans son premier roman, la Française raconte les violences policières subies par les jeunes de banlieue. Lire l article en page 11 € 3,00 [d] Décembre  • No 12 | 69º Année • mit Audiodatei und Übungsmaterial ACTUALITÉ • Entre l’Allemagne et la France, une liste de divergences longue comme un jour sans bretzel Page 2 SOCIÉTÉ • Les jeunes et la mode Interdits de claquettes en classe Page 6 ÉCONOMIE • Ces jeunes qui falsifient leur CV pour décrocher un job Page 7 ff FRANÇAIS FACILE ff • Quatre cyclistes sur dix ont peur à vélo en France • Comédie culte: «Le Père Noël est une ordure» Pages 8–9 L’ÉPOQUE • «Dans les soirées étudiantes, les gens ont l’air tristes. Je préfère rester chez moi» B1–C2 Phoebe Plummer est l’un des jeunes visages du militantisme écolo. L’automne dernier, l’activiste britannique a jeté de la soupe sur un Van Gogh pour alerter sur l’urgence climatique. Lire l’article en page 4 Faut-il se préparer à un Noël sans lumières? CRISE ÉNERGÉTIQUE restreintes et de lieux visible n’est pas forcément énerde Noël communal neuchâtelois Mauro Moruzzi, qui réfléchit encore à des mesures significatives. 4 À Lausanne, le municipal Xavier Company procède à une pesée d’intérêts avant d’arrêter toute décision «La direction des services industriels mène actuellement des discussions avec le Festival Lausanne Lumières et Bô Noël [les marchés de Noël lausannois] pour imaginer une ville respectueuse des restrictions énergétiques durant l’Avent et les fêtes, tout en gardant à l’esprit la sécurité routière et piétonne que garantissent les illuminations, ainsi que le moral de la population», explique-t-il. (…) 5 On a bien demandé aux Suisses
«Dans
dans
Dans de nombreuses villes, ce Noël 2022 pourrait être moins lumineux. | | Photo: Picture Alliance Photo: Bénédicte Roscot Bestellen Sie gleich Ihr kostenloses Probeexemplar! www.sprachzeitungen.de Aktuell in Revue de la Presse: Faut-il se préparer à un Noël sans lumières?
de ne pas fêter Noël à plus de cinq ou dix par le passé, leur interdira-t-on un traîneau illuminé dans leur jardin ou une guirlande clignotante sur le sapin sous peine de dénonciation par leurs voisins?
les foyers, on ne va pas demander aux gens de passer Noël
le
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