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Traumhaus in der Normandie

Maison de Maître in der Normandie Reizvoll und doch bodenständig

Sie zogen von Australien nach Frankreich, um ein Bed & Breakfast zu eröffnen. Da die Arbeit aber Tag und Nacht lief, beendeten sie das Abenteuer. Jetzt sind sie stolze Besitzer eines stattlichen Maison de Maître, in dem sich Familie und Freunde gerne aufhalten. Danielle und Mike erzählen von vielen Träumen in der Normandie, die wahr wurden. Jetzt wartet „nur“ noch den Garten.

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TEXT & FOTOS ANNEMIQUE DE KROON

MAISON DE MAÎTRE

Ein Herrenhaus mit angrenzenden Gebäuden, aus denen es sein Einkommen bezog, in der Regel Bauernhöfe. Der architektonische Stil entstand nach der Französischen Revolution, als die neue Bourgeoisie wuchs, und ist heute beliebt als Ferienhaus ohne die enormen Heiz- und Instandhaltungskosten eines Schlosses, aber mit mindestens ebenso viel Charakter und Charme. Ein Maison de Maître ist rechteckig und symmetrisch, mit einer gleichen Anzahl Fenster auf beiden Seiten und über der zentralen Eingangstür. Ideal ist eine „3 x 3“-‚ Symmetrie mit drei Stockwerken und jeweils drei Fenstern. Jedes Stockwerk besteht meist aus vier Räumen, die sich um das zentrale Treppenhaus gruppieren. Im Erdgeschoss liegen vorne ein Wohnzimmer und ein Esszimmer, dazwischen der Eingang. Die hohen Decken sind mit Stuckleisten verziert, die Wände holzgetäfelt, die Böden bestehen aus Stein oder Parkett, und die großen Fenster sind oft oben gewölbt. Die beiden kleineren hinteren Räume waren für das Gesinde reserviert und dienten als (Neben-)Küche oder Waschküche sowie als Büro, von dem aus der Haushalt geführt wurde. Die Türen zu den Zimmern der Bediensteten sind oft geschickt in der Vertäfelung versteckt. Im ersten Stock liegen die Schlafzimmer - zwei große im vorderen Bereich für Madame und Monsieur und zwei kleinere im hinteren Bereich für die Kinder. Im zweiten Stock sind die kleineren Dienstbotenzimmer im Mansardendach untergebracht.

Sollten Sie erwägen nach Frankreich zu ziehen, denken Sie vielleicht an ein verstecktes Schloss hinter rostigen Eisentoren. Es liegt vor den Toren eines charmanten Dorfes und eine lange, begrünte Auffahrt führt dorthin. Sie träumen von spitzen Türmchen, alten Steinmauern und ovalen Dachfenstern. Innen sehen Sie vor dem geistigen Auge Marmorkamine, Eichenböden, Wendeltreppen und geheime Gänge. In der großen Küche mit offenem Kamin wird für Familie und Freunde gekocht, an einem langen Tisch gespeist und Wein am offenen Kamin getrunken. Die Tage werden damit verbracht, schöne Dörfer zu entdecken, auf Flohmärkten nach Schätzen zu stöbern, beim örtlichen Affineur Leckereien auszusuchen und lange Mittagspausen einzulegen. So zumindest malte sich das Danielle aus, bevor sie nach Frankreich zog. Ihr Ehemann Mike dachte an andere Dinge: Visa, Wechselkurse, Steuerabkommen und die berüchtigte französische Bürokratie.

Zu gut

Das Paar zog nach Frankreich, um das arbeitsreiches Leben in Australien als Unternehmensberater bzw. politische Beraterin mehrerer australischer Premierminister hinter sich zu lassen. Ihr erstes französisches Zuhause war in Arromanches-lesBains, wo sie ein Bed & Breakfast eröffneten. Eine strategische Wahl, denn dieses Dorf an der Küste der Normandie besuchen viele Touristen, die sich für die Geschichte des D-Day interessieren. Ihr B&B mit fünf Zimmern war vom ersten Tag an ein großer Erfolg. Im Nachhinein betrachtet sogar ein bisschen zu groß: Bald waren beide den ganzen Tag damit beschäftigt, es ihren Gästen bequem zu machen. Danielle: „Nach sechs Jahren, kurz vor dem Ausbruch der Pandemie, sahen wir uns an und führten ein entscheidendes Gespräch: Wollen wir so weitermachen oder erfüllen wir uns einen anderen französischen Traum? Mike wollte schon immer in einem Schloss wohnen. Wir haben uns laut gefragt, ob das machbar wäre.“ Gesagt, getan. Sie boten ihr Haus zum Verkauf an, wobei sie dachten, es ›

BEAUMESNIL

Unten links: Die Chinoiserie-Lampe wurde bei Kaprika in Deauville gekauft; rechts: die Blumen holt Danielle jeden Samstag in Mortagne-au-Perche..

würde Monate oder gar Jahre dauern, aber innerhalb weniger Tage war es an die ersten Interessenten verkauft. Fieberhaft machten sie sich auf die Suche nach einem anderen Haus. „Zum Glück konnten wir eine Zeit lang bei Freunden in Versailles unterkommen. Wir haben das definitiv nicht als Strafe empfunden“, schmunzelt Danielle.

Zu verfallen

Unterdessen suchten sie hartnäckig weiter. Sie besichtigten Châteaus, Maisons de Maître und Maisons Bourgeois. „Wenn wir im Dorf ankamen, gingen wir zuerst in die Boulangerie oder Pâtisserie, nicht nur, um die Croissants und Pains au Chocolat zu kosten, sondern auch die Atmosphäre des Ortes. Das wiegt fast so viel wie die Schönheit eines Hauses und dessen Zustand. Ein ernsthafter Kandidat war ein echtes Schloss in Saumur – wir haben dort köstliche Croissants gegessen! – aber es kam nicht in Frage, denn die geschätzten Renovierungskosten entsprachen dem Kaufpreis. Die Besichtigung einiger weiterer verfallener Schlösser hat uns klar gemacht, dass wir eine große Renovierung scheuen. Nach einigen aufregenden Monaten besichtigte das Paar ein Maison de Maître aus dem 19. Jh. in der Nähe des Dorfes Beaumesnil. Danielle und Mike klopften sich gerade die Krümel ihrer Croissants von der Kleidung, als die Immobilienmaklerin Ludivine vorfuhr und ihnen winkte, ihr zu folgen. Die Bäckerei und das nahegelegene Dorf hatten ihnen bereits gut gefallen: Die Einheimischen waren freundlich, die Bäckersfrau nett und in der Vitrine lagen gute Quiches.

Noch bevor wir ausgestiegen waren, drehte sich Mike zu mir um. Seine Lippen formten ein lautloses „Wow“

Zu charmant

Ludivine bog von der Straße ab zu einem offenen Eisentor. Danielle: „Wir folgten ihr eine lange, von Linden gesäumte Auffahrt hinunter – ich freute mich sofort auf den Blütenduft im Sommer. Am Ende der Einfahrt stand ein perfekt proportioniertes Schlösschen, ein Maison de Maître. Mansardendach: check. Türmchen: check. Französischer Balkon, dekorative Balustraden und französische Lamellenfensterläden: check, check, check. Noch bevor wir ausgestiegen waren, drehte sich Mike zu mir um. Seine Lippen formten ein lautloses „Wow“. Ich nickte wortlos zurück, wir setzten unser Pokerface auf und stiegen aus dem Auto.“ Die Verkäufer waren zwei charmante, kosmopolitische Pariser, die ihre Wochenenden in Beaumesnil verbrachten. Vielleicht waren sie ein wenig zu charmant und ihre Einrichtung ein wenig zu geschmackvoll. Die Australier dachten, sie › Für ihr Haus und ihren Garten lässt sich Danielle von schönen Büchern inspirieren. Hier blättert sie durch die „Gardens of Style“ ihrer australischen Kollegin Janelle McCulloch.

Blick ins Wohnzimmer über einen verwitterten antiken Spiegel. Die Farbe an der Wand ist Light Blue und die an der Tür Elephant's Breath, beide von Farrow & Ball. Den Savonnerie-Teppich hat Danielle von einer ihrer liebsten InstagramAdressen gekauft: @nomibis. hätten inzwischen Erfahrung mit Immobilien, aber heute geben sie zu, dass sie vielleicht ein wenig überfordert waren. Sie haben das Haus sofort gekauft. Jetzt, nach mehr als anderthalb Jahren, sind einige Mängel zutage getreten: Elektrizität, Sanitäranlagen und Keller mussten in Ordnung gebracht werden. „Aber irgendwie machen uns solche Rückschläge nicht so viel aus“, sagt er.

Zu praktisch

Über die Geschichte des Hauses ist nicht viel bekannt. Beaumesnil ist auf der Cassini-Karte eingezeichnet, die erste Karte von ganz Frankreich aus dem 18. Jh.. Das heutige Maison de Maître soll um 1850 erbaut worden sein. Im Laufe der Zeit hatte Beaumesnil mehrere Besitzer, darunter einen Botschafter und den Erfinder der Kompressionsbremse für Züge, Edouard Jean-Baptiste Guerin, dessen Initialen in den Putz über der Eingangstür eingelassen sind. Auch eine gewisse Madame Veuve Papillon steht auf der Liste. Nebengebäude sind hinzugekommen und verschwunden, und die angrenzende Kapelle wurde ins Haus integriert. Die Küche kam von ihrem ursprünglichen Standort im Keller ins Erdgeschoss und hinterließ eine Spur von gusseisernen Brotbacköfen in den Mauern. Trotz der verschiedenen Eingriffe ist die puppenhausartige Symmetrie der Fassade erhalten geblieben. Danielle: „Äußerlich haben wir nur wenig verändert, aber ich habe mich umso mehr daran erfreut, unser Haus einzurichten. Inzwischen weiß ich, dass der reizvolle französische Landhausstil nicht in jedem Einrichtungsgeschäft Frankreichs zu finden ist. Ich suchte Möbel und Accessoires mit dem Komfort von heute und dem Charme und der

„Ich suchte Möbel und Accessoires mit dem Komfort von heute und dem Charme und der Patina von einst“

Patina von einst, aber das gibt es einfach nicht. Natürlich existieren auch Familienschlösser mit Stapeln bestickter Wäsche, Bücherregalen mit in Leder gebundenen Titeln, Küchenschränken mit einem Sammelsurium von Sarreguemines-Keramik und gewöhnlichen Kupfertöpfen von klein bis groß. Aber die Wohnung eines durchschnittlichen Parisers oder ein Vorstadthaus ist für den Familienalltag eingerichtet. Ich wollte es charmant, nicht praktisch oder vielleicht charmant mit einem Hauch Praktischem. Das zu finden war nicht einfach, aber über Auktionen, Floh- und Antikmärkte konnten wir das Haus nach unserem Geschmack einrichten.“

Zufrieden

Nun, da die wichtigsten Arbeiten erledigt sind, herrscht Muße in Beaumesnil. Mike füllt und leert den Weinkeller und übt seine Golfschläge im Garten; Danielle stickt und besucht Yoga-Kurse im Dorf. Gemeinsam gehen sie mit den kürzlich im Tierheim adoptierten Hunden Brian und Kevin spazieren. Doch es braut sich etwas zusammen. Danielle: „Man könnte sagen, dass sich alle unsere Träume erfüllt haben, aber ich habe noch ein weiteres Ziel: Ich möchte einen Garten anlegen, der von der Vereinigung Les Plus Beaux Jardins de France als Jardin Remarquable (bemerkenswerter Garten) anerkannt wird. Von unseren Nachbarn, die seit 45 Jahren hier wohnen, wissen wir, dass das Haus früher eine Terrasse und einen Garten mit Blick auf den großen Rasen vor dem Haus hatte. Ich sehe es als eine Herausforderung an, so etwas Ähnliches zu erschaffen.“ Um all ihre botanischen Wünsche zu erfüllen, stehen Danielle zwei Hektar Land zur Verfügung. Es standen auf dem Grundstück einige schöne alte Bäume, ein Obstgarten und ein Wäldchen doch Blumenbeete fehlten. Es gab auch keinen Traktor, um sie anzulegen. Aber Danielle hatte einen Spaten, und so entstanden allmählich Rabatten mit Pfingstrosen, Dahlien, Lavendel, Rittersporn, Lupinen, Hortensien und Stockrosen. Danielle: „Mit meinem Ansatz, den Garten langsam und stetig anzugehen, war es schnell vorbei, als ich im Internet in den Niederlanden einen Züchter von ›

Die Suppenterrinen sammelte Danielle auf Auktionen und Flohmärkten in der Normandie; die Farbe an der Wand ist French Grey von Farrow & Ball. Rechts: Danielle in ihrem Garten, wo sie nach und nach Rabatten und Formschnitt anlegt, aber auch große Wiesen für Bienen, Füchse, Dachse, Eichhörnchen, Igel und Kaninchen pflegt. ungewöhnlichen Rosen entdeckte und – etwas Wein war auch im Spiel – sofort 110 Exemplare bestellte. Doch im Sommer hatte ich den schmerzenden Rücken vom Einpflanzen schon wieder vergessen: Jeden Morgen kontrollierte ich mit einem Kaffee in der Hand, ob Kaninchen in der Nacht da gewesen waren, pflückte ein paar Blumen für die Vase und jeden Abend schnitt ich die verblühten Blüten ab und suchte nach neuen Knospen.“ Der kommende Winter steht ganz im Zeichen des Buchsbaums. Während klügere Gärtner ihre alten, kranken Buchsbaumhecken zugunsten von weniger empfindlichen Alternativen roden, züchtet Danielle derzeit Dutzende von jungen Buchsbäumen in Töpfen und sammelt auf Pinterest Bilder von graziösen Formgehölzen. Danielle: „Hoffentlich kommt der Garten mit Blumenrabatten, Rosengarten, Buchsbäumen in allen Formen, einem Obstgarten, einem Feld mit Wildblumen und einem Gemüsegarten zu dem Prädikat Jardin Remarquable. Wenn ich dieses Ziel erreicht habe, werde ich endlich Ruhe haben. Es sei denn, ich fange danach an, ein Buch über meine französischen Träume zu schreiben.“

Instagram: @daninnormandie

Tipps von Danielle

Antik- & Flohmarkt

„Le grand déballage (das große Auspacken) ist ein monatlicher Antiquitätenmarkt, der an mehreren Orten in Frankreich stattfindet. Man braucht Stunden, um alles zu durchstöbern. Das erste Mal kamen wir um 10 Uhr morgens an. Da wurden bereits Schubkarren voller fantastischer Antiquitäten herausgefahren, so dass wir beim zweiten Mal gleich zur Eröffnung um 8 Uhr dort waren. Der Markt ist eigentlich für professionelle Antiquitätenhändler gedacht, aber wir sind bei unserem ersten Besuch in seliger Unwissenheit hin gegangen und das haben wir seither so gehalten.“ deballagelemans.com