100 Jahre Arbeiter-Samariter-Bund München/Oberbayern e.V.

Der Arbeiter-Samariter-Bund München/Oberbayern e. V.

Bildnachweis Titelbild: Archiv des ASB Deutschland e.V., ASB München/Oberbayern, ASB München/ Oberbayern/Wolfgang Becker, ASB München/Oberbayern/Tobias Engelmann, ASB München/Oberbayern/Felix Fassbinder, ASB/Hannibal, Shutterstock Archiv des ASB Deutschland e. V.: S. 12, 13, 16-32, 44 ASB/Barbara Bechtloff: S. 36, 45, 46, 96; ASB/Thekla Ehling: S. 55; ASB/Hannibal: S. 7, 36, 84, 85; ASB/Peter Nierhoff: S. 54; ASB/Thomas Schamberger: S. 99 ASB Besuchshunde Ingolstadt: S. 90; ASB Rettungshundestaffel München/Oberbayern: S. 89; ASB Wünschewagen München/Oberbayern: S. 123-127 ASB München/Oberbayern: S. 33, 37-41, 45, 48-51, 53, 56, 57, 59, 60, 63, 64, 67, 69, 70, 72, 73, 76, 79, 80, 81-85, 97, 98, 101, 107, 108, 111, 118, 120, 133, 135-138, 142, 143 ASB München/Oberbayern/Wolfgang Becker: S. 142, 143; ASB München/Oberbayern/Bettina Denzl: S. 36, 57, 101, 103, 119, 136, 137, 142, 143; ASB München/Oberbayern/Tobias Engelmann: S. 36, 37, 43, 47, 59, 61, 64-66, 71, 80, 81, 87, 89, 90, 92, 94, 95, 106, 111, 117, 121, 123, 129, 131, 133, 139, 142, 143; ASB München/Oberbayern/Felix Fassbinder: S. 37, 45, 92, 97, 98, 114, 115, 128, 129, 142, 143; ASB München/Oberbayern/Christian Reger: S. 110; ASB München/Oberbayern/Oliver Sold: S. 45, 55, 87, 88, 93 Astrid Assel, Christian Huber: München und das Bier. Volk Verlag, München 2009: S. 24 Bayerische Staatsbibliothek München, 4 Chir. 17 o, S. 15, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00071824-7: S. 15 Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung: S. 14 blende11 Fotografen, München: S. 10 Broschüre: Erholungsheim des Bayerischen Verkehrsbeamten-Vereins Tutzing am Starnberger See, 1914: S. 134 dpa/picture-alliance: S. 73, 75 GEWOFAG München: S. 104, 105 Edwin Henel: S. 132 ludmilalaub-fotografie: S. 90 Michael Nagy, Presse- und Informationsamt, Landeshauptstadt München: S. 9, 109 Shutterstock: S. 37, 112 Nicht in allen Fällen war es uns möglich, die Rechteinhaber der Abbildungen ausfindig zu machen. Für eventuell entstandene Fehler oder Auslassungen bitten wir um Verständnis.

Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

Impressum Herausgeber: Arbeiter-Samariter-Bund Regionalverband München/Oberbayern e. V., www.asb-muenchen.de Redaktion/Texte: Katrin Freiburghaus, Petra Linné Historische Beratung und Zuarbeit: Wilhelm Müller, Köln Fotorecherche historische Bilder: Brigitta Frucht, Archiv des ASB Deutschland e. V. © Arbeiter-Samariter-Bund Regionalverband München/Oberbayern e. V., 2021 Grafische Gestaltung: Hirschkäfer Design/Coriander P. Produktionsabwicklung: Hirschkäfer Verlag München, www.hirschkäfer-verlag.de Gedruckt bei Graspo CZ, A.S., Zlín Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags u ­ nzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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DER Arbeiter-samariter-bund München / Oberbayern e.V.

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Inhalt Bildnachweis/Impressum 4 Grußworte

Franz Müntefering 6 Dieter Reiter 8 Karin Majewski 10

Geschichte des ASB

Aus der Not geboren – die Anfänge 14

Der ASB München/Oberbayern e. V.

Zahlen. Daten. Fakten

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Strukturen des ASB

Ein Gespräch mit Dr. Christian Wolf, Vorstandsvorsitzender, und Gisela Heinzeller, Vorstand

Freiwilligen-Dienste

Erinnerungen an eine prägende Zeit – Der Zivildienst beim ASB

Arbeiter-Samariter-Jugend

Zeichen auf Zukunft – Die Arbeiter-Samariter-Jugend München

Kurse und Trainings

• Von der Erste-Hilfe-Ausbildung zum modernen Ausbildungszentrum • Jede Sekunde zählt: Keine Angst vorm AED!

Sanitätsdienste

Zur Sicherheit vor Ort – Sanitätsdienste

Bevölkerungsschutz

Von Amoklauf bis Zünder: In ständiger Bereitschaft

38 44 46 52 54 56 58

Rettungsdienst

• Ein Gespräch mit Klaus Kollenberger, G ­ eschäftsführer der Rettungsdienst GmbH • Gekommen, um zu bleiben: Andreas Schöwe • Routine im Akkord. Ein Rettungseinsatz mit Richard Hahn

Krisen-Interventions-Team

Ersthelfer für die Psyche: Das KIT-München

Intensivtransportwagen

Intensivmedizin auf Rädern – der ITW

Intensivtransporthubschrauber

Rettung aus der Luft: Christoph München

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62 67 68 70 78 82

Rettungshundestaffel

Vom Suchen und Finden – die ASB-Rettungshundestaffeln

Besuchshundedienst

Wenn Zuhören hilft – der ASB-Besuchshundedienst

Motorradstaffel

Schnell und wendig – die Motorradstaffel

Ambulante Pflege

»Dahoam bleibt dahoam« – der Ambulante Pflegedienst

Wohnen im Viertel

Versorgungssicherheit rund um die Uhr

Alten- und Service-Zentrum Altstadt

Austausch und Begegnung: 40 Jahre ASZ Altstadt

ASB-Hausnotruf

Auch im Alter sicher zu Hause – der ASB-Hausnotruf

86 90 92 96 100 104 110

Flucht und Migration

Auf verschlungenen Wegen – Neustart in der ASB Gemeinschaftsunterkunft

Wünschewagen

Der Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen

Haus für Kinder »Abenteuerland«

Doppelt geplant hält besser – das »Abenteuerland« in Pasing

Beringerheim Tutzing

Tutzing – Inklusives Lernen und Arbeiten ab 2021

Corona-Pandemie

Covid-19 – Eine Herausforderung für alle

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Nachhaltigkeit beim ASB

Ein Gespräch mit Christian Boenisch, Geschäftsführer ASB München/Oberbayern e. V.

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Chronologie

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Danksagung

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Grußwort

Liebe Samariterinnen und Samariter, vor etwa fünf Jahren hat mich ein Journalist gefragt, wo und wie ich mir mein Leben im höheren Alter vorstelle. Damals war ich in Ramersdorf beim »Wohnen im Viertel« zu Besuch und habe ihm geantwortet: »Ich weiß es nicht, bin davon ja noch weit weg, ich bin erst 75.« Heute weiß ich: Man wünscht sich, an einem Ort zu bleiben, wo man die Menschen mag und die Dinge kennt.

Wohnen im Alter ist ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, denn der Pflegebedarf kommt meist unvorbereitet.

Oft wissen die Menschen dann nicht, wo sie die richtigen Hilfen finden. Ältere und pflegebedürftige Menschen möchten gut und zuverlässig versorgt sein und möglichst in der vertrauten häuslichen Umgebung bleiben können.

Warum ich das erwähne? Das Modell »Wohnen im Viertel« beim ASB München hat mich beeindruckt. Hier haben Pflegebedürftige kompetente Ansprechpartner und Fachkräfte direkt vor Ort. Durch die ambulante Versorgung können sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden, für die Pflegekräfte zeitraubende und stressige Autofahrten entfallen. Das ist ein wichtiger Schritt weg von der sogenannten Rennpflege, ein zukunftsweisendes Konzept.

Aber der ASB-Regionalverband München/Oberbayern mit seinen rund 800 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern sowie fast 70 000 Mitgliedern hat noch mehr Highlights zu bieten. Das renommierte Krisen-Interventions-Team »KITMünchen« zum Beispiel ist für alle da, die eine psychosoziale Akutbetreuung benötigen. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, leisten die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Erste Hilfe für die Seele – und das seit fast 27 Jahren. Hut ab für so viel Einsatz!

Genauso vorbildlich: die Samariter im Rettungsdienst. Unterstützt von den Rettungshunde- und Motorradstaffeln oder dem Notfallteam der Luftrettung, sind sie schnell und zuverlässig zur Stelle. Und mit einer aktiven ASJ, die sich für 6

den Schulsanitästdienst starkmacht, ist beim ASB München auch die Jugend erfolgreich eingebunden.

Aber es lief nicht schon immer so rund: Am 3. März 1921 gegründet und im Nationalsozialismus verboten, brauchte der ASB München mehrere Anläufe, bis ihm im Mai 1962 endlich die Wiedereröffnung gelang. Der erste Wiedergründungsversuch 1945 war noch vom Polizeipräsidenten verboten worden.

Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Der ASB München/ Oberbayern ist heute eine über die Landesgrenzen hinweg geschätzte Hilfs- und Wohlfahrtsorganisation, denn die Samariter sind zuverlässig und wissen die Ärmel hochzukrempeln. Hier arbeiten eben allesamt »brauchbare Leit«, wie man in Bayern sagt. Ob in der Pflege, in der Kita, im Sanitätsdienst, im Rettungsdienst oder beim Wünschewagen: Das Herz schlägt hier für jeden, der Unterstützung und Hilfe braucht.

Für dieses unermüdliche Helfen – hier und jetzt – danke ich allen Samariterinnen und Samaritern in und um München.

Ich gratuliere zum runden Jubiäum und wünsche Ihnen für die nächsten 100 Jahre weiterhin gutes Gelingen bei Ihrer beachtlichen Arbeit. Helfen wird nie überflüssig werden.

Ihr Franz Müntefering ASB-Präsident

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»Der ASB ist für unsere Stadt ­unverzichtbar geworden.« »100 Jahre Hilfe für alle« lautet das Jubiläums-Motto des Arbeiter-Samariter-Bundes München/Oberbayern. Wie sehr dies auf die Arbeit des ASB in unserer Stadt zutrifft, ist gerade in Zeiten von Corona wieder einmal besonders deutlich geworden. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst, Kranken- und Intensivtransport waren in dieser Ausnahmesituation über die Maßen gefordert und haben ihr Bestes gegeben, um Leben zu retten und zu schützen.

Dasselbe gilt für die Pflege und Betreuung von Seniorinnen und Senioren mit Hausnotruf, Ambulanter Pflege, im ASZ Altstadt und im Wohn- und Versorgungsprogramm »Wohnen im Viertel« der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG. Darüber hinaus waren zum Beispiel auch ehrenamtliche ASB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter daran beteiligt, am Hauptbahnhof eine Corona-Teststation aufzubauen und auch die Corona-Tests durchzuführen.

100 Jahre Hilfe für alle umfassen einen Zeitraum von der Gründung des ASB München im Jahr 1921 unter schwierigsten Bedingungen nach den Schrecken des Ersten Weltkrieges, über das Verbot durch die Nationalsozialisten 1933 und den mühsamen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, der erst 1962 gelang, bis zu einer modernen Hilfs- und Wohlfahrtsorganisation mit einem vielfältigen Angebot für unsere Stadt im 21. Jahrhundert. Dabei hat sich der ASB München/ Oberbayern immer wieder als hoch innovativ erwiesen und viele neue, bedarfsorientierte Lösungen für die Menschen vor Ort entwickelt. Dazu zählen etwa der Intensivtransport auch per Hubschrauber, der Bevölkerungsschutz mit Motorradstaffel und Rettungshundestaffel oder der Wünschewagen für Menschen in der letzten Lebensphase.

Besonders hervorzuheben ist auch das Krisen-Interventions-Team des ASB München, das vor gut 25 Jahren als weltweit erstes Projekt dieser Art gegründet wurde und seitdem an jedem Tag im Jahr schnelle und direkte Hilfe für 8

Betroffene leistet. So war es zum Beispiel auch nach dem rassistischen Attentat am OEZ im Jahr 2016, einem der einschneidendsten Ereignisse der jüngeren Stadtgeschichte, über eine Woche im Dauereinsatz, um Angehörige der Toten, Verletzte, Augenzeugen und Überlebende zu betreuen.

Darüber hinaus leisten die derzeit insgesamt 380 haupt- und nebenamtlichen und über 400 ehrenamtlichen Samariterinnen und Samariter des ASB München/Oberbayern wertvolle Hilfe und Unterstützung in noch vielen weiteren Bereichen wie etwa der Kinderbetreuung mit dem Ende 2019 in Pasing eröffneten Haus für Kinder »Abenteuerland« oder in der Betreuung geflüchteter Menschen. Allein im Jahr 2019 hat der ASB über 44 000 ehrenamtliche Stunden mit über 1 000 Personen für die Stadt München und Oberbayern geleistet. Außerdem unterstützen fast 40 000 Menschen den ASB in München durch ihre Mitgliedschaft.

Deshalb gilt allen Mitgliedern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mein herzlichster Dank dafür, dass sie diese tagtägliche Hilfe für alle ermöglichen. Der ASB hat sich zu einem Wohlfahrtsverband und sozialen Dienstleister entwickelt, der für unsere Stadt unverzichtbar geworden ist. Glückwunsch zum 100-jährigen Jubiläum und alles Gute für die künftige Arbeit!

Dieter Reiter Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München

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»100 Jahre ASB erfüllen mich mit Ehrfurcht.« 100 Jahre Arbeiter-Samariter-Bund München und Oberbayern. Das ist als erstes Anlass zu gratulieren und Danke zu sagen für 100 Jahre Hilfe für Menschen in Not. Denn Helfen ist das oberste Ziel und der wesentliche Zweck des ASB. So lautet der erste Satz des Leitbildes auch »Der ASB München/ Oberbayern e. V. hilft hier und jetzt jedem Menschen, der Hilfe benötigt.« Am 3. März 1921 trafen sich über hundert Münchner*innen zur Gründungsversammlung des ASB München im Mathäserbräu. Im Anschluss starteten die ersten Sanitätskolonnen – nach einer Erste-Hilfe-Ausbildung durch einen Verbandsarzt – ihre Arbeit.

100 Jahre ASB erfüllen mich mit Ehrfurcht. Der ArbeiterSamariter-Bund entspringt aus den Werten und der Solidarität der Arbeiterbewegung und ist in diesem Sinne eine basisorientierte Selbsthilfe von Arbeiterinnen und Arbeitern. Der ASB hat sich gegründet, um Hilfe zu leisten für die Kolleg*innen, die verletzt und in Not waren und die von anderer Seite, ihren Arbeitgebern oder auch dem Staat, diese Hilfe nicht bekamen. So entstand ein tragfähiges Netz der Solidarität, das 100 Jahre hält. Und dieses Netz hat sich in München und Oberbayern im Laufe der Zeit enorm entfaltet.

Der ASB als Organisation der Wohlfahrtspflege bietet unverzichtbare Leistungen im sozialen Bereich, ist immer dort anzutreffen, wo es für andere nicht lukrativ oder attraktiv erscheint und agiert im Sinne des Gemeinwohls. Er entlastet den Staat in seinem Anspruch als Sozialstaat und mobi10

lisiert Ehrenamt. In Notsituationen sind es Organisationen wie der ASB, die ohne zu zögern auf allen Ebenen Unterstützungen anbieten. Sie stabilisieren demokratische Strukturen und das Miteinander der Menschen vor Ort. Kurz könnte man die aktuellen Leistungsbereiche des ASB München und Oberbayern in Blaulicht und Soziales gliedern. So stehen Stichworte wie Rettungsdienst, Motorradstaffel, Rettungshundestaffel, Intensivtransport zu Luft und am Boden genauso für den ASB München wie das KrisenInterventions-Team, der Wünschewagen, die ambulante Altenhilfe mit dem ASZ Altstadt, Wohnen im Viertel, der Ambulante Pflegedienst und der Hausnotruf. Ergänzt wird das Portfolio durch die jüngeren Bereiche: die Unterstützung von Flüchtlingen und die Angebote für Kinder. Die Arten und Formen der Hilfe haben sich über die Jahre ausdifferenziert und sind mehr geworden. Die tatkräftige Solidarität bildet die Konstante in der Entwicklung.

100 Jahre ASB erfüllen mich mit Stolz. Der ASB München und Oberbayern ist eines von 430 Mitgliedern im Paritätischen Wohlfahrtsverband in Oberbayern. Als »BlaulichtVerband« hat er unter dem paritätischen Dach ein Alleinstellungsmerkmal. Es ist wirklich schön, den ASB in unseren Reihen zu wissen. Ich freue mich, wenn ich die Rettungsautos auf der Straße sehe, ich freue mich, am Sankt-JakobsPlatz am Alten- und Servicezentrum vorbeizuspazieren, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Last but noch least möchte ich mich beim ABS für die tolle praktische und sozialpolitische Kooperation bedanken. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich auch bei allen Hauptund Ehrenamtlichen des ASB in München und Oberbayern, die durch ihr Engagement das Motto des ASB »Wir helfen hier und jetzt« jeden Tag aufs Neue mit Leben füllen.

In diesem Sinne überbringe ich einen herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Karin Majewski Geschäftsführung des Paritätischen Bezirksverband Oberbayern 11

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Die Geschichte: Der Arbeiter-Samariter-Bund in München und Oberbayern

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Geschichte des ASB

Aus der Not geboren – die Anfänge

Zum ASB in München – ein historischer Abriss »Fast 700 000 Arbeiter, darunter fast 9 000 Getötete, das sind die Opfer, die das Schlachtfeld der Arbeiter gefordert hat. Das sind erschreckende Zahlen.« (»Der Proletarier«, 1909) Was nach Kriegszuständen klingt, ereignete sich in Friedenszeiten. Mehr noch: Es war seit den 80er-Jahren des 19.

Jahrhunderts ziviler Alltag in deutschen Fabriken, Bergwerken, Betrieben und auf Baustellen.

Die Zahl der Arbeitsunfälle stieg dort Jahr für Jahr dramatisch an. Viele der Unfälle waren Übermüdung, Not, Elend und Hunger geschuldet oder resul- Das »Schlachtfeld der Arbeit« tierten aus schlechten Arbeitsbedingungen. Der in den Fabriken Unfallschutz am Arbeitsplatz war primitiv, die Versorgung von Verunglückten und Verletzten 1889 174 874 Unfälle 1900 454 341 Unfälle mangelhaft.

Die Arbeiterfamilien, die oft ohnehin schon materielle Not litten, befanden sich in permanenter Existenzangst: Denn wo immer ein Arbeiter verunglückte, verlor eine Familie ihren Ernährer.

Erschwerend kam hinzu, dass sich ein normaler Arbeitnehmer kaum einen Arzt leisten konnte. »Der Proletarier«, das Organ des Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands, forderte bei der Auswertung der Zahlen aus den »Amtlichen Nachrichten des Reichsversicherungsamtes« deshalb nicht nur Aufmerksamkeit für die gefährlichen Arbeitsbedingungen ein, sondern aktive Intervention: »Es wird nur besser, wenn an jedem Ort zu jeder Zeit tüchtig ausgebildete Samariter vorhanden sind!« Wer aber sollte das leisten? Die militärisch strukturierten Rote-Kreuz-Kolonnen waren zu dieser 14

Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal. Verunglückte ein Arbeiter, half man sich untereinander.

Zeit auf den Einsatz im Krieg ausgerichtet, um im Ernstfall das militärische Sanitätswesen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen.

Der einzige Ausweg: Selbsthilfe »Die Bauarbeiter mussten zehn und mehr Stunden schuften, und so zeigten sich die Folgen dieser für Arbeiter so schädlichen Arbeitsmethode recht schnell. Täglich waren Unfälle oft schwerer Natur zu verzeichnen. Irgendwelche Vorkehrungen für Unfallverletzte waren damals noch böhmische Dörfer.

Verbandskästen waren nur dem Namen nach bekannt, Ärzte nur schwer zu haben.« So beschrieb Emil Stein, der 1909 ASB-Bundesvorsitzender war, die Rahmenbedingungen für schwere körperliche Arbeit. Auch über die Infrastruktur berichtete er Unerfreuliches: »Für den Transport Verunglückter war nichts vorhanden, allenfalls wurden diese von einem leeren Klamottenwagen mitgenommen oder die Verunglückten blieben in einer verschmutzten Baubude liegen, um nach Feierabend von ihren mitleidigen Kollegen oft auf einem elenden Handkarren 15

Geschichte des ASB

nach ihrer Behausung gebracht zu werden. Unfallstationen gab es nicht. Ein paar Sanitätswachen in der Stadt waren nur des Nachts geöffnet.« Die Arbeiter hätten deshalb erkannt, »dass nur der Weg der Selbsthilfe hier Wandel schaffen könne«.

Wo der Staat nicht half, blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf eigene Faust Erste-HilfeKenntnisse zu erwerben, um sich bei Unfällen gegenseitig zu versorgen und so wirtschaftlicher Not zu entgehen. In Berlin wagte der Zimmer­ er­polier Gustav Dietrich 1888 deshalb ein bis dahin einmaliges Experiment, als er erstmals einen Erste-Hilfe-Kurs von Arbeitern für Arbeiter organisierte.

Gustav Dietrich: Gründervater des ASB Erste-Hilfe-Kurs für Arbeiter: 1888 organisierten der 37 Jahre Ein historischer November-Abend in Berlin Als Gustav Dietrich und seine Frau Ernestine alte Gustav Dietrich und fünf weiam 29. November 1888 abends um acht zum tere Zimmerleute in Berlin erstVeranstaltungslokal »Feuersteins Festsäle« ka- mals einen Erste-Hilfe-Kurs für Arbeiter. Dietrich lud für den 29. men, herrschte am Eingang bereits großes Ge- November 1888 zum »Lehrkurdränge: Über 100 Arbeiter standen vor der Tür sus über Erste Hilfe bei Unglücksim unteren Saal des Lokals in der Alten Jakob- fällen« nur für Arbeiter ein – und straße 75 in der historischen Mitte von Berlin. legte damit den Grundstein für 1888 organisierten der 37 Jahre alte Gustav die Gründung des Arbeiter-SamaDietrich und fünf weitere Zimmerleute in Ber- riter-Bundes. lin erstmals einen Erste-Hilfe-Kurs für Arbeiter. Dietrich lud für den 29. November 1888 zum »Lehrkursus über Erste Hilfe bei Unglücksfällen« nur für Arbeiter ein – und legte damit den Grundstein für die Gründung des Arbeiter-Samariter-Bundes.

Ohne Ärzte keine Samariter Die Hürden dafür waren freilich hoch: Arbeitern wurde nichts zugetraut, weil sie aufgrund fehlender akademischer Titel als ungebildet galten.

Die preußische Gesundheitspolizei hielt sich zudem streng an die Vorschriften. Diese sahen vor, dass der Unterricht in Erster Hilfe ausschließlich von Ärzten geleistet werden durfte. Laienausbilder waren nicht zugelassen, Zuwiderhandlung wurde mit einer Geldstrafe wegen Kurpfuscherei bestraft. Die Zimmerleute mussten also Ärzte gewinnen, die Lehrpläne und Leitfäden entwickelten und den Unterricht verantwortlich leiteten.

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Im Visier des Staates: Die Politische Polizei passt auf Zusammenkünfte von Arbeitern wurden streng von der Kaiserlichen Politischen Polizei überwacht. Seit dem 21. Oktober 1878 galt das »Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie«.

Arbeitern wurde generell unterstellt, an einem Umsturz zu arbeiten. Kaiser Wilhelm II. bezeichnete sie als »vaterlandslose Gesellen«. Die Zusammenkunft am 29. November 1888 blieb jedoch glücklicherweise unbeachtet.

Kein Mangel an Unterstützern Der 30 Jahre alte Arzt Dr. Alfred Bernstein sagte sofort zu, den ersten Samariter-Kurs zu leiten und auch die Prüfungen in Erster Hilfe abzunehmen. Seine Bedingung war, dass alle Teilnehmer ihr Wissen vertiefen und anwenden würden.

Weitere Ärzte meist jüdischer Konfession, die bereits zuvor arme Arbeiterfamilien kostenlos behandelt hatten, schlossen sich der Ausbildung an.

Leitfaden »Erste Hilfe bei Unglücksfällen« Alfred Bernstein und Paul Christeller entwickelten einen Leitfaden für die Samariter-Kurse für Arbeiter: die »Erste Hilfe bei Unglücksfällen«. Der Leitfaden bezog sich auf jene Verletzungen, die täglich in den Fabriken, Bergwerken oder auf Baustellen vorkamen. Er deckte aber auch Unfälle zu Hause, in der Familie oder in der Freizeit ab.

Christeller unterstrich in diesem Leitfaden, den er ab 1907 durch Veröffentlichung in der »Arbeiter-Gesundheits-Bibliothek« einem breiteren Publikum zugänglich machte, erneut die Bedeutung der prekären Arbeitsbedingungen: »Zum größten Teil sind es ungenügende Einrichtungen der Arbeitsräume, Mangel an Schutzvorrichtungen, überlange Arbeitszeiten, die Hast der Akkordarbeit, die Beschäftigung von zu jungen Personen und Frauen in gefährlichen Betrieben, welche den Betriebsunfall verschulden.

Es ist daher Pflicht der Arbeiter und Arbeitgeber, die Gesetzgebung zu veranlassen, hier Wandel zu schaffen. Zum anderen Teil tragen aber auch die verletzten Arbeiter selbst die Schuld, weil sie aus Unkenntnis oder Leichtsinn bestimmte Vorsichts- und Schutzmaßregeln außer Acht lassen. Hunderttausende würden aber auch vor Verletzungen und sogar vor dem Tod bewahrt, wenn sie ausreichende Erste-Hilfe-Kenntnisse hätten.« 17

Geschichte des ASB

Auszüge aus einem Lehrbuch der 1920er-Jahre:

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Werbeplakat aus den Anfängen der Samariter

Der Arbeiter-Samariter-Bund als erste Selbsthilfe-Organisation in Deutschland Die Erste-Hilfe-Kurse für Arbeiter hatten großen Zulauf.

Die ausgebildeten Arbeiter organisierten sich in SamariterKolonnen und übernahmen die ärztliche Versorgung bei Arbeitsunfällen. Zusätzlich entwickelten sie Arbeitsschutzvorschriften und kümmerten sich aus eigenen Mitteln um die Ausstattung der Fabriken und Werkstätten mit Unfallschutzvorrichtungen und Rettungsgeräten wie Wiederbelebungsgeräten und Verbandskästen. Außerdem leisteten sie bei Umzügen, Demonstrationen und Feierlichkeiten Sanitätsdienste.

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Geschichte des ASB

Bereits 1909 schlossen sich die ASBKolonnen deutschlandweit zu einer eigenständigen Erste-Hilfe- und Rettungsorganisation zusammen. Daraus entstand der Arbeiter-Samariter-Bund als erste Selbsthilfeorganisation in Deutschland.

Vorsitzender des Arbeiter-SamariterBundes wurde der Klempner Emil Stein aus Berlin. Als Beitrag wurde ein jährlicher Mitgliedsbeitrag von 50 Pfennig festgesetzt.

Offizielles Bundesabzeichen war das weiße Kreuz im roten Feld. Als offizielle Kennzeichnung im Dienst wurde eine Armbinde eingeführt.

Die ersten Samariter-Kolonnen in Bayern Zum selben Zeitpunkt wurde am 4. Feb­ruar 1909 in Nürnberg die erste ASB-Kolonne in Bayern gegründet. Akzeptanz und Unterstützung erfuhr sie, als der ASB bei einem Ausflug des sozialdemokratischen Wahlvereins 22 Unfälle zu versorgen hatte.

Hinzu kam, dass sich die Leitung des Bayerischen Roten Kreuzes unverändert deutlich als militärisch orientierte kaisertreue Hilfsorganisation abgrenzte und gewerkschaftlich organisierte Arbeiter ausschloss.

Schwerer Stand, haltlose Vorwürfe Das Königlich-Bayerische Ministerium des Innern machte den ASB–Kolonnen in Bayern dennoch das Leben schwer.

Es warf ihnen vor, den Sozialdemokraten nahezustehen und dem Roten Kreuz gezielt seine Mitarbeiter abzuwerben. Vor dem Hintergrund, dass sich die Arbeiter-Samariter-Kolonnen aus der Arbeiterschaft heraus gegründet hatten, waren Behelfsmäßige Stuhltrage

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Die Fahrradtrage aus Lauf erleichterte den Transport der Verletzten (o.)

Die erste Samariter-Tasche mit dem Samariter-Abzeichen: weißes Kreuz auf rotem Grund (l.)

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Geschichte des ASB

Fahrradtrage

diese Vorwürfe allerdings einigermaßen haltlos. Erschwerend kam hinzu, dass das Rote Kreuz in Gewerkschaften organisierte Arbeiter ohnehin ausschloss.

Bis zum Dezember 1911 entstanden zahlreiche weitere Samariter-Kolonnen in Bayern, die sich zum »ASB Kreis Bayern« unter dem Vorsitz von Otto Brödel zusammenschlossen.

Der ASB und das Arbeiter-Sport-Kartell Am 17. November 1912 schlossen sich die Arbeiter-SportVerbände zur »Zentral-Kommission für Sport- und Körperpflege«, kurz »Arbeiter-Sport-Kartell« genannt, zusammen.

Das »Arbeiter-Sport-Kartell« veranstaltete große Sportfeste, wie das 1. Süddeutsche Arbeiter-Turnfest 1912 in Nürnberg mit 200 000 Teilnehmern, bei dem die Arbeiter-Samariter den Sanitäts- und Rettungsdienst ausführten. Es war an der Gründung des ASB in der Isarstadt wesentlich beteiligt.

Gründungsmitglieder des Kartells waren unter anderem Arbeiter-Samariter-Bund, Arbeiter-Turn- und Sportbund, Arbeiter-Schwimmer-Bund, Arbeiter-Sänger-Bund, Arbeiter-Radfahrer-Bund, Touristenverein und die Naturfreunde.

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Am Isar-Hochufer – die ASB-Wasserwacht 1932

Arbeiter-Samariter und Arbeiter-Sportler stellen eine große Gemeinschaft dar – keine Sportveranstaltung ohne Samariter.

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Geschichte des ASB

Der ASB in München wurde am 3. März 1921 im Veteranensaal des Mathäserbräu München als eine eigene ASB-Kolonne gegründet.

Einladung in der Tagespresse Via Pressemitteilung in der »Münchner Zeitung« hatten Oswin Gebbert (Arbeiter-Sport-Kartell München), Gustav Schiefer (Gewerkschaftsverein München und Ortsausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes) sowie Xaver Freiberger (Aktionsausschuss der Betriebsräte) zur Gründungsveranstaltung eingeladen.

Wandel des ASB zur Wohlfahrtsorganisation der arbeitenden ­Bevölkerung Ab 1921 lag der Schwerpunkt des ASB endgültig auf dem Anspruch, eine Wohlfahrtsorganisation für ganz Deutschland zu sein. Der ASB definierte sich als demokratisch, föderalistisch, parteipolitisch und konfessionell unabhängig.

In den politischen Wirren der Weimarer Republik wandte der ASB alle Kraft auf, um der Bevölkerung zu helfen. Dabei blieben die Helfer von den gewaltigen Unruhen nicht verschont: Einige Samariter bezahlten ihre Sanitätseinsätze bei Aufständen, Streiks und Massendemonstrationen mit ihrem Leben.

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Münchner Samariter vor der Rettungsstation Blumenschule. In der Mitte der ASB-Kolonnenführer Josef Saller.

Auch wurden Haus- und Krankenpflegegenossenschaften gegründet und die Kinderhilfe etabliert. Zunehmend engagierten sich auch mehr weibliche ASB-Mitglieder.

Samariter versorgen Verletzte während der Unruhen.

Absurde Summen – Der ASB München im Strudel der Inflation Schon kurz nach seiner Gründung vermeldete der ASB München große Erfolge in seiner Arbeit. Allerdings machte die 1922 beginnende Inflation auch vor ihm nicht halt. Ende 1922 wurden für die Arbeiter alle 14 Tage Tariferhöhungen vorgenommen, trotzdem sank der Einzelne in immer tieferes Elend hinab.

Das führte dazu, dass ein Facharbeiter im Oktober 1923 für ein Pfund Margarine neun Stunden arbeiten musste.

Mittags wurde der Lohn ausbezahlt, die Ehefrauen der Arbeiter rasten zum nächsten Laden, um sofort Lebensmittel davon zu kaufen, ehe er wertlos geworden war.

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Geschichte des ASB

Ungeachtet der wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen fiel am 13. Januar 1923 die einstimmige Entscheidung, die ASB-Kolonne München als rechtsfähigen Verein (e. V.) ins Vereinsregister einzutragen.

Die Kolonne hatte die Aufgaben, 1. durch ihre Mitglieder dafür zu sorgen, dass sich an allen Arbeitsstätten Verbandskästen befanden und in ordnungsgemäßem Zustand gehalten wurden.

2. der Bevölkerung bei Unfällen, plötzlichen Erkrankungen, Massenansammlungen sowie öffentlichen Versammlungen kostenlos als Helfer zur Seite zu stehen.

3. Hauskrankenpflegepersonal gegen mäßige, den örtlichen Verhältnissen entsprechende Entschädigung zu vermitteln.

4. die hygienischen sowie Leben und Gesundheit gefährdende Missstände in Betrieben, Lokalen und an öffentlichen Orten festzustellen und auf deren Abhilfe in Gemeinschaft mit Behörden, Betriebsausschüssen und in Betracht kommenden Vereinigungen zu dringen.

Die Arbeiter-Samariter-Kolonne München 26

Samariter-Stationen wurden als Unfallmeldestellen gekennzeichnet. Ab 1927 das Abzeichen der Samariter – ein weißes Kreuz auf rotem Grund.

Am 4. November 1923 kostete ein Pfund Brot 420 Milliarden Mark.

Am 15. November 1923 wurde dem Spuk das amtliche Ende verordnet und die Rentenmark ausgegeben.

Für den ASB München bedeuteten die absurden Kursverfälle, dass seine Kassierer Josef Schmid und Josef Zitzelsberger für 1923 einen Verlust in Höhe von 16,7 Milliarden Reichsmark bekannt geben mussten.

Beachtliche Einsatzzahlen der Münchner Samariter: Bei der Mitgliederversammlung am 8. März 1924 schlagen für die 200 Mann starke Kolonne bereits Hilfe bei 618 Unfällen und 50 Betriebsunfällen sowie zahlreiche Krankentransporte zu Buche.

ASB-Kolonne vor der Rettungswache Blumenschule am Sendlinger-Tor-Platz, 3. v. rechts Kolonnenführer Josef Saller hinter seiner Frau.

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Krankenwagen aus dem Jahr 1926 der PrestoWerke in Chemnitz (Typ: Presto 9/49 PS)

In ganz Oberbayern gründeten sich jetzt nach Münchner Vorbild ASBKolonnen, die sich zum »ASB-Kreis Südbayern« zusammenschlossen. Bis 1929 wurden 2 000 Sanitätswachen gestellt, bei etwa 5 885 Unglücks- und Betriebsunfällen wurde Erste Hilfe geleistet.

Ein Meilenstein: Anerkennung der Gemeinnützigkeit Am 23. Dezember 1925 wurde der ASB vom Reichsminister des Innern, Otto Gessler, als gemeinnützige Organisa­ tion anerkannt. Er wurde zum amtlichen Sanitätsdienst zugelassen und vom »Staatskommissar für Rettungsund Krankentransportwesen« in die zuständigen Ausschüsse berufen.

1926 gab es bereits 6 Übungslokale Der harte Winter 1929 Einen besonderen Einsatz leisteten die · Blumenschule am SendlingerSamariter im schweren Winter 1929, Tor-Platz bei dem am Isarufer sogar die Enten · Sieboldschule im Wasser festfroren. Der ASB rückte · Schwindschule bei bis zu minus 40 Grad Celsius aus, · Haimhauser Kinderschule · Jugendheim Neuhausen um Erste Hilfe zu leisten. Die »Münch- · Boschetsrieder Schule ner Post« schrieb am 2. Januar: »Seit heute früh fünf Uhr wirbeln bis in den späten Nachmittag hinein ununterbrochen Schneeflocken hernieder und haben über die ganze Stadt eine dicke Schneedecke gebreitet. Ohne Unterlass fahren die großen Automobil- und die pferdebespannten Schneepflüge durch die Hauptverkehrsstraßen. Neben den 772 ständigen Arbeitern der Straßenreinigung sind seit Mittwoch mehr als 1 700 Hilfsarbeiter am Werk, um den Schnee zu Haufen zu türmen.« 28

Papierblumen und Sportfeste Um die Arbeit der Samariter zu finanzieren, wurden Mitgliedsbeiträge und Mittel aus öffentlichen Sammlungen verwendet. Ab 1928 durfte der ASB offiziell »Reichssammelwochen« durchführen. Die Spender bekamen als Dank eine symbolische Papierblume.

Es gab sechs Übungslokale in München: in der Blumenschule, der Sieboldschule, der Schulbaracke Schwindschule, der Haimhauser Kinderschule, im Jugendheim Neuhausen und in der Boschetsrieder Schule.

Mit dem gespendeten Geld wurden Kinderhilfseinrichtungen und die Hauskrankenpflege ausgebaut.

Am 23. und 24. Juli 1932 fand in München ein großes internationales Fest der bayrischen Arbeiter-Sport- und Kulturverbände statt. Festgäste aus Süddeutschland, Österreich, der Tschechoslowakei, dem Elsass und der Schweiz nahmen daran teil.

Auflösung und Enteignung des ASB München Als am 30. Januar 1933 die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, brachen auch für den ASB dunkle Zeiten an. Er sah sich zunächst weitreichender Diffamierung und Verfolgung ausgesetzt. Der ASB wurde schließlich als marxistische Organisation eingestuft und infolgedessen am 16. Mai 1933 polizeilich aufgelöst. Jüdischen Ärzten wurde die Arbeitser29

Die Münchner Samariter in den 1930er-Jahren

laubnis entzogen, ihr Vermögen wurde enteignet, und nicht wenige haben in Konzentrations- und Arbeitslagern ihr Leben verloren.

1945: Alles auf Anfang – die Samariter beginnen noch einmal von vorn Im Jahr 1945 lag Deutschland in Schutt und Asche. Unfassbares menschliches Leid und unermesslicher Sachschaden prägten die zurückliegenden, aber auch die folgenden Jahre.

Menschen hungerten, Flüchtlinge und Ausgebombte drängten sich in den Städten. Wer konnte, half, Schuttmassen zu beseitigen und den Wiederaufbau voranzutreiben. »Es waren Jahre des Hungerns und des Fehlens aller materiellen Güter«, schrieb der erste Präsident des ASB, Hermann Schaub, über diese Jahre: »Es war eine Zeit, in der jeder Einzelne von uns über das erträgliche Maß hinaus mit der Sorge um seine eigene Person und seine eigene Familie belastet war.

Doch auch damals gab es Menschen – und es waren erfreulich viele Menschen –, die noch die Kraft und den Willen hatten, sich neben der eigenen Not die Not der Mitmenschen auf die Schultern zu laden. Zu ihnen gehörten die Arbeiter-Samariter.

Ich sehe noch vor mir die von Hunger gezeichneten Gesichter unserer Freunde, die vor den Ruinen des Bauwerks ArbeiterSamariter-Bund standen. Mit Eifer und Hingabe, mit Begeisterung und Opfersinn haben sie aus den Trümmern des Dritten Reiches in mühsamer Arbeit wieder Stein auf Stein gefügt zum Neubau unseres Bundes.« 30

Überlebende Samariter melden sich zurück Viele Samariter begegneten sich rein zufällig wieder oder machten durch Zeitungsanzeigen auf sich aufmerksam. Was sie verband, war der gemeinsame Wille, den ASB wiederaufzubauen. Es stellte sich heraus, dass wichtige Unterlagen und Dokumente durch die Kriegsjahre gerettet worden waren, was sich in späteren Wiedergutmachungsverfahren als hilfreich erweisen sollte.

Der Aufbau des ASB erfolgte auf den bewährten Grundlagen und Erlaubnis zur Wiedergründung des mit denselben Regularien, AusASB Bundesverbandes bildungs- und Einsatzgrundsätzen Im Juni 1946 erhielten die Samariter von wie vor seinem Verbot 1933. der britischen Militärbehörde die Genehmigung, den Arbeiter-Samariter-Bund in Der ASB bekannte sich zu einem Deutschland wiederzugründen. Im Januar pluralistischen, liberal-demokra1947 wurde in Hannover ein neuer ASBtischen Staat und distanzierte sich Bundesvorstand gewählt. Nach und nach gründeten sich in allen Teilen der Bundes- von der überwiegend konservativrepublik auch die ASB-Kolonnen und Lan- autoritären Gesellschaft. Wichtiger Grundsatz war jedoch strikte desorganisationen neu.

Im Februar 1951 wurde auch die Landes- parteipolitische Neutralität. organisation Bayern mit Sitz in Nürnberg Bereits Ende der 40er-Jahre nahgegründet. men die Samariter die Ausbildung der Bevölkerung in Erster-Hilfe und Hauskrankenpflege auf und wurden – wie vor ihrem Verbot durch die Nationalsozialisten – wieder zur Sanitätsbetreuung von Sport- und Großveranstaltungen angefordert.

Eine Denkschrift brachte dem ASB schließlich die Anerkennung als gleichberechtigte Hilfsorganisation und Wohlfahrtsverband ein. Die Denkschrift wurde vom Bundesverband herausgegeben und in allen Tageszeitungen veröffentlicht: »Die soziale Notlage des deutschen Volkes und die ungeheuren Gesundheitsschäden geben heute mehr denn je dem ASB seine volle Existenzberechtigung wieder.

In der gleichen uneigennützigen Einsatzbereitschaft verfolgt der 31

Geschichte des ASB

ASB in weit größerem Maße seine früher gesteckten Ziele.

Es ist auch heute wieder mit dem gleichen Wahlspruch »An jedem Ort, zu jeder Zeit, sind wir zur Ersten Hilf ’ bereit« ein Auf- und Ausbau des ASB erforderlich. Dabei ist keineswegs beabsichtigt, die Aufgaben des Roten Kreuzes zu beeinträchtigen oder zu übernehmen.

Die Aufgabengebiete beider Organisationen sind zum Teil stark voneinander abweichend, der neu gegründete ASB will mit allen Behörden und Organisationen, die auf demokratischer Grundlage stehen, auf das Engste zusammenarbeiten.

Er ist eine politisch und konfessionell neutrale, im Dienste der Menschheit stehende Samariterorganisation. Wir wenden uns mit dieser Denkschrift an alle Abgeordneten des Bundes und der Landtage sowie an alle Gemeindevertreter und erbitten ihre Hilfe.« Neue Zeiten – neue Aufgaben Die traumatisierenden Ereignisse der Kriegs- und Nachkriegsjahre hallten im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung nach. Infolge der angespannten politischen Lage zwischen Ost- und Westmächten wuchs deshalb die Angst vor erneuten globalen militärischen Auseinandersetzungen bis hin zu einem Dritten Weltkrieg.

Zu Beginn der 50er-Jahre wurde der ASB aufgefordert, sich am Aufbau des Luft- und Katastrophenschutzes zu beteiligen. Bundesregierung und die Landesregierung des Freistaates Bayern hatten sich zudem das ehrgeizige Ziel gesteckt, Gründungsversammlung im dass im Katastrophenfall jeder Bundes- ­»Tannengarten« am 21. Mai 1962 bürger in der Lage sein sollte, sich selbst Als Vorsitzender wurde Ekhard Wenund anderen zu helfen. ger gewählt, als Technischer Leiter Dr. Der ASB erstellte dafür umfangreiche Hilmar Haag.

Unterlagen mit Lehrplänen für Kurz- Mit zunächst drei Ärzten und zwei kurse und schulte Hunderttausende Ausbildern begannen wieder ErsteLehrgangsteilnehmer für den mögli- Hilfe-Kurse und Sanitätsdienste. chen Ernstfall.

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1963 – eines der ersten Fahrzeuge der ASB-Kolonne in München

Der lange Weg zur Wiedergründung des ASB in München Bestrebungen, den ASB München neu zu gründen, gab es bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach Berichten von ASB-Wiedergründungsmitglied Josef Saller wurden diese Bemühungen allerdings durch den damaligen Münchner Polizeipräsidenten Franz Xaver Pitzner gebremst. »Ihnen war das Rote Kreuz genug, Samariter wollte er nicht«, hielt Saller fest.

Die Beziehung zwischen ASB und Rotem Kreuz war und blieb schwierig: Noch zu Beginn der 60er-Jahre bezeichnete das Rote Kreuz den ASB in einem Gutachten als »politische oder weltanschauliche Organisation«.* Trotz aller Schwierigkeiten konnte der ASB München im Mai 1962 seine Dienste wieder aufnehmen. Bereits Anfang 1963 wurden die ersten Krankentransporte durchgeführt, im Jahresbericht nach Wiedergründung waren 143 Diensteinsätze verzeichnet.

Der Weg für ein sich immer weiter verzweigendes und spezialisierendes Hilfsnetz war frei.

Folgende Dienststellen gab es nach der Wiedergründung 1962: *An dieser Stelle wird ausdrücklich darauf hingewiesen, 1962 Seidlstraße 26 1966 Brudermühlstraße 10 1971 Rumfordstraße 23-25 1983 Schulstraße 5 Seit 1994 Adi-Maislinger-Straße 6-8

dass sich der Text auf die Gründungsphase des ASB in München bezieht. Heute besteht zwischen dem Bayerischen Roten Kreuz und dem ASB eine konstruktive Zusammenarbeit bei vielen Projekten und auf unterschiedlichsten Ebenen.

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Strukturen des ASB

»Eine Frage der Haltung«

Ein Gespräch mit Dr. Christian Wolf, Vorstandsvorsitzender, und Gisela Heinzeller, Vorstand Es gibt wenig, was sich über eine Zeitspanne von 100 Jahren nicht verändert, gibt es dennoch Konstanten im ASB? Heinzeller: Ich glaube, dass der ASB auf die gesellschaftspolitischen Fragen immer eine zeit- und bedarfsgerechte Antwort gefunden hat. Wichtig ist, dass wir eine lernende Organisation bleiben, die sich immer wieder an neue Gegebenheiten anpasst und versucht, eigene Antworten zu finden.

Wolf: Dieser Beweglichkeit verdankt der ASB unter anderem, dass er eine Organisation mit flachen Hierarchien ist. In München sind wir so aufgebaut, dass wir aktuelle Aufgaben zügig umsetzen können.

Wie schnell wir als Organisation reagieren, hat sich 2015 in der Flüchtlingsbewegung nach Europa oder 2020 in der Corona-Lage gezeigt.

Dr. Christian Wolf, Welche Grundsätze sind nicht verhandel- Vorsitzender des Vorstands bar?

Der Jurist und Fachanwalt für ArbeitsWolf: Respekt. Und das offene Einste- recht steht dem ASB München/Oberhen für unsere Werte, wie Solidarität bayern seit 2014 vor und ist zudem und Gerechtigkeit. Auch Schwei- stellvertretender ASB-Landesvorsitzengen kann ein Statement sein – und der in Bayern. Seine Laufbahn beim ASB manchmal ist es kein Gutes. Der ASB begann vor über 40 Jahren mit seiner ist politisch neutral. Aber wenn es um Verpflichtung zum Katastrophenschutz.

Er arbeitet seit vielen Jahren ehrenamtDinge wie Rassismus geht, die aus un- lich in der Motorradstaffel, dem Krisenserer Sicht schädlich für die Gesell- Interventions-Team (KIT-München) und schaft sind, positionieren wir uns klar. dem Rettungsdienst aktiv mit.

Heinzeller: Solidarität mit Menschen, 38

die Hilfe benötigen. Wir wollen eine Verbesserung ihrer Lebenssituation erreichen, und dafür stehen wir ein. Es gibt eine große Individualisierung in der Gesellschaft – deshalb muss man die Menschen in die Lage versetzen, dass sie für ihr Leben selbst Verantwortung übernehmen oder behalten können.

Bei älteren Menschen ist es ganz wesentlich, dass sie selbst bestimmen und nicht über sie bestimmt wird.

Ein zentraler Punkt ist zudem, Menschen nicht durch fürsorgliche Handlungen zu helfen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und sie in ihren Fähigkeiten und Kompetenzen zu stärken.

Die Gründung des ASB geht auf unzureichenden Schutz für Arbeiter im ausgehenden 19. Jahrhundert zurück. Hat sich der Schwerpunkt seines Wirkens verschoben?

Wolf: Der ASB ist aus der Notwendigkeit der medizinischen Versorgung von Arbeitern entstanden. Diese ist glücklicherweise mittlerweile sichergestellt.

Nachholbedarf und Möglichkeiten, unser Engagement auszubauen, bestehen vor allem im sozialen Sektor, wo wir unser Spektrum ständig erweitern.

Heinzeller: Der ASB muss noch stärker auf die demografische Entwicklung reagieren: Es wird mehr und mehr alte Menschen geben. Auf die daraus entstehenden Fragen wollen wir eine gute Antwort finden. Das innovative Konzept »Wohnen im Viertel« stellt Gisela Heinzeller, zum Beispiel eine Alternative zur Mitglied des Vorstands stationären Versorgung von älteren Die Sozialpädagogin und Supervisorin Menschen dar. Der ASB ist da als ersist seit 2018 als Beraterin für Wohnkon- ter Kooperationspartner eingestiegen zepte älterer Menschen tätig. Beim ASB – durchaus mit einem gewissen Risibekleidete sie von 1985 bis 2011 in ko. verschiedenen Funktionen ein Hauptamt. Unter anderem leitete sie das Gehört das Risiko, in Vorleistung zu geAlten- und Service-Zentrum Altstadt, ei- hen, zu einer lebendigen Hilfsorganisatinen Betreuungsverein und das Ressort on dazu?

Soziales. Seit 2019 ist sie Mitglied des Vorstands.

Heinzeller: Der ASB war schon immer sehr innovativ und hat neue Dinge 39

Strukturen des ASB

ausprobiert, die heute längst in die Regelversorgung übergegangen sind. Das hat den ASB ausgezeichnet und zeichnet ihn bis heute aus.

Wolf: Das Krisen-Interventions-Team (KIT-München) ist eine Erfindung des ASB. Auch die Entwicklung des Intensivtransportwagens (ITW) in München geht auf den ASB zurück.

Heinzeller: Dasselbe gilt für die Umgestaltung schon bestehender Strukturen. Hier muss sich der ASB manchmal aus gesellschaftspolitischen Gründen entscheiden, in Bereiche zu investieren, für die er keine Refinanzierung bekommt. In der Pflege etwa ist uns wichtig, dass wir den Mitarbeitern im Zweifel mehr Zeit zugestehen, als finanziell abgedeckt ist, weil dies ein wichtiges Signal für eine menschenwürdige Pflege ist.

Wolf: Wobei es parallel Forderungen an die Politik geben muss, dass Verbände wie der ASB ihr nicht die Verantwortung abnehmen. Denn eigentlich ist es ein Unding, wenn der Staat die nötigen Mittel nicht zur Verfügung stellt.

Welche Rolle spielen Spenden und Mitgliedsbeiträge für diese finanziellen Spielräume?

Heinzeller: Ohne sie könnten wir in bestimmten Bereichen, in denen wir sozialpolitische Lücken feststellen, nichts neu aufbauen oder ausbauen.

Wolf: Ich bin kein Freund von Abhängigkeiten, weil diese immer dazu führen, dass man sich an denen orientieren muss, die einem Mittel zuteilen. Deshalb vertrete ich die Auffassung, dass wir in Zukunft noch stärker Bereiche finden müssen, in denen wir uns von diesen Abhängigkeiten lösen können. Wir können Mitgliederwerbung machen, aber wir dürfen damit nicht kalkulieren. Die Realität ist aber auch: Es geht nicht immer ohne Abhängigkeiten. Wir sind als ASB auf Unterstützung angewiesen.

Ein weiterer großer Kritikpunkt war der fehlende Tarifvertrag im Rettungsdienst. Warum hat der ASB hier den Alleingang gewagt?

Wolf: Wir haben vor sechs Jahren gefragt, was unseren Mitarbeitern wichtig ist, und sie wünschten sich auch einen Tarifvertrag. Das haben wir umgesetzt. Wir haben mit ver.di 2018 einen Anerkennungstarifvertrag zum TVöD ausgehandelt, der die Arbeitsbedingungen, Entgelte und be40

Der Vorstand (v. l.): Dr. Julia-Sarah Mangel, Thomas Nindl, Dr. Christian Wolf, Gisela Heinzeller, Dr. Andreas Müller-Cyran

triebliche Altersversorgung der Notfallsanitäter, Rettungsassistenten und Rettungssanitäter in der ASB Rettungsdienst GmbH München regelt. Ab Januar 2021 gilt auch für alle übrigen Beschäftigten im ASB e. V. ein Anerkennungstarifvertrag zum TVöD sowie ein Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung. Diese Tarifwerke machen deutlich, dass wir ein fairer Arbeitgeber sein wollen und die Mitarbeiter das höchste Kapital unserer Non-Profit-Organisation sind.

Als großer Münchner Wohlfahrtsverband sehen wir eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darin, den Bedarf der Daseinsvorsorge sicherzustellen.

Eine zentrale Säule des ASB sind ehrenamtliche Mitarbeiter. Wie koordiniert man Haupt- und Ehrenamt?

Heinzeller: Beides sollte sich ergänzen. Wichtig ist, dass daraus keine Konkurrenz-Situation entsteht, sondern beide Gruppen gleichermaßen Wertschätzung erfahren. Das Ehrenamt kann Aufgaben übernehmen, die nicht refinanzierbar sind, aber einen großen Wert für die Menschen haben, und ist somit unverzichtbar.

Wolf: Ich wünsche mir deshalb, dass wir das Ehrenamt stärker in den Fokus rücken. Beispielsweise durch einen Ehrenamtsbeauftragten, damit Ehrenamtliche einen zentralen Ansprechpartner im ASB haben.

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Strukturen des ASB

Nimmt die Bereitschaft zum Ehrenamt generell ab?

Wolf: In einer Stadt wie München mit ihren vielen Freizeitangeboten hat der ASB natürlich starke Konkurrenz. Man muss den Menschen also etwas bieten, denn es gibt immer ein Motiv für ein Engagement. Ich denke, dass den Menschen, die kein Ehrenamt ausüben, etwas entgeht. Ein Ehrenamt ist nicht nur Arbeit, sondern Bereicherung für einen selbst.

Jedoch können es sich viele junge Menschen schlicht nicht leisten, sich unentgeltlich zu engagieren, da sie schon viel Zeit aufbringen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hier spielen die ständig steigenden Mieten in München eine große Rolle.

Heinzeller: Die Ehrenamtlichen, die sich innerhalb des ASB einsetzen, werden in Vorbereitung auf ihre Aufgaben geschult und können Qualifikationsmaßnahmen und Supervision in Anspruch nehmen. Es geht aber auch darum, dass es vielen Menschen in unserer Gesellschaft gut geht. Und wer viel hat, kann etwas zurückgeben.

Wie hat sich die Abschaffung des Zivildienstes auf den ASB ausgewirkt?

Heinzeller: Das ist für alle Verbände sehr schwierig gewesen.

Der Bundesfreiwilligendienst war nie ein vollwertiger Ersatz für den Zivildienst.

Wolf: Ich bin selbst über den Katastrophenschutz zum ASB gekommen. Es war ein Automatismus, dass viele beim ASB hängen geblieben sind. Dasselbe gilt für den Zivildienst.

Das gibt es heute nicht mehr; deshalb müssen wir die Menschen direkt ansprechen. Das gelingt über die sozialen Medien immer besser. Auch Wohnraum ist ein Thema: Wir müssen überlegen, ob wir Mitarbeiter nicht auch gewinnen oder binden können, wenn wir ihnen neben den üblichen Arbeitsbedingungen Wohnraum zur Verfügung stellen.

Viele der angesprochenen Themen werden stark politisiert. Kann sich der ASB positionieren, ohne seine Neutralität aufzugeben?

Wolf: Das sollte er sogar. Denn Fragen wie die, was der Mensch wert ist, wenn es um medizinische Versorgung oder Pflege geht, sind Fragen, die die Gesellschaft beantworten muss. Das ist eine Haltungsfrage, keine Frage von Parteien.

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Deshalb muss man diese Probleme mit Bestimmtheit in die Politik hineintragen, weil sie nur in der Politik gelöst werden können. Für Menschen da zu sein, beinhaltet, dass wir unsere Stimme bei Dingen erheben, die verbesserungsbedürftig sind, und etwas anstoßen.

Was macht den ASB für Sie persönlich aus?

Heinzeller: Ich habe 1985 hier angefangen, und was mich hier hält, sind die Menschen. Das Personal ist das größte Kapital des ASB, dem ich an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte.

Wolf: Vollkommen richtig. Der Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich hier mit viel Herzblut engagieren und nicht immer sehr gut verdienen, weil die Strukturen das momentan nicht hergeben. Es ist mir wichtig, diesen Mitarbeitern das Gefühl zu geben, dass ihre Entscheidung für den ASB eine gute ist. Wenn wir dieses Engagement nicht hätten, blieben Impulse aus dem Vorstand bloß Impulse. Als ich 2014 gewählt wurde, bin ich mit dem Wunsch angetreten, dass der ASB die innovativste und attraktivste Hilfsorganisation in München wird.

Auch als Vorstandsvorsitzender ist Dr. Wolf regelmäßig an der Basis im Einsatz, u. a. beim KrisenInterventions-Team (KIT-München), bei der Motorradstaffel und beim Wünschewagen.

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Freiwilligen-Dienste

Erinnerungen an eine prägende Zeit – Der Zivildienst beim ASB Der Zivildienst fehlt Verbänden wie dem ASB an allen Ecken und Enden. Seit Beginn der 70er-Jahre bis zur Abschaffung des Zivildienstes Ende 2011 haben jährlich circa zehn junge Männer beim ASB in München ihren Zivildienst abgeleistet.

Nicht wenige von ihnen sind dem ASB auch danach noch als Mitarbeiter oder Ehrenamtliche treu geblieben.

Doch nicht nur der ASB profitierte vom Ausflug der jungen Leute in die Welt der schnellen Hilfe – auch die Zivildienstleistenden erlebten ihre Monate beim ASB als prägende Zeit. Zwei Anekdoten über den ganz eigenen Charme des Zivildienstes.

Sven Müller, Zivildienstleistender 1988 – heute Pressesprecher bei der Polizei in München und Mitglied der ASB-Kontrollkommission: »Seit einem Jahr Führerscheininhaber und dann mit VW Bussen mit Blaulicht durch die große Stadt düsen und spannende Einsätze erleben – das klang nach einer aufregenden Sache. Dazu wurde man von allen Chefs gleich geduzt, da man ab jetzt ein Samariter war. Nach mehreren Wochen Ausbildung ging es als zweiter Mann auf dem Rettungswagen los. Das Arbeitsklima mit den hauptamtlichen Sanitätern und dem lustigen Haufen junger Zivildienstleistender war solidarisch und kollegial. Mobil trotz Gehbehinderung Eine unserer Aufgaben war der Trans- Ein klassisches Betätigungsfeld der portdienst für die Innenstadtkliniken.Wir Zivildienstleistenden waren Spezial­ hatten dafür einen Piepser. Wenn man taxis, die Menschen mit schwerer seine Ruhe haben wollte, stellte man sei- Gehbehinderung die Teilhabe am öfnen Krankenwagen an einem Ort ab, der fentlichen Leben erleichtern sollten. etwas im Funkschatten war. Sehr geeignet Sie waren ab Juli 1977 im Einsatz.

Das Angebot beinhaltete Fahrten zu war da die Anfahrt der Notaufnahme der Verwandten, Behörden, ins Theater, Dermatologischen Klinik in der Thalkir- zu Sportveranstaltungen oder zum chener Straße. Dort konnte man temporä- Einkaufen. re Unerreichbarkeit mit technischen Defi44

Zivildienstleistende in den 1970er-Jahren

Manuel Soria Parra (l.) und Sven Müller (r.) sind heute ehrenamtlich in der ASB-Kontrollkommission tätig.

ziten erklären – denn die ersten Handys kamen erst drei Jahre später auf den Markt.« Manuel Soria Parra, Zivildienstleistender beim ASB von November 2000 bis Juli 2001 – heute Patentanwalt und im Ehrenamt Vorsitzender der ASB-Kontrollkommission: »Wir wurden zu Rettungsdiensthelfern ausgebildet, um als Fahrer auf den Krankentransportwagen eingesetzt werden zu können. Die Hauptaufgabe der Zivis war aber der Labor- und Blutfahrdienst.

An eine Nachtschicht im Blutfahrdienst erinnere ich mich besonders. Eine Frau war in der Stiftsklinik reanimiert worden, und ich wurde mehrfach mit Blaulicht angefordert, um Blutkonserven und Medikamente aus dem Klinikum Großhadern zu holen. Ich hatte in dieser Nacht zum ersten Mal das Gefühl, zu etwas wirklich Gutem und Wichtigem beizutragen.

Der Bundesfreiwilligendienst Das Nachfolgemodell des Zivil- Leider hatte ich in dieser Zeit auch die dienstes, der »Bundesfreiwilligen- mit Abstand meisten Fahrzeugschäden dienst«, beruht auf freiwilliger Initia- in meinem Leben zu verantworten. Das tive der »Bufdis«, die sich für maximal führte dann auch mal zu einem Sechs18 Monate vertraglich an eine Orga- Augen-Gespräch mit unseren Rettungsnisation binden. Menschen zwischen dienstleitern. Trotz der Standpauke, die 16 und 99 können den Bundesfreiich damals zurecht erhalten hatte, hatte willigendienst absolvieren – zwischen Schule und Berufsausbildung, ich das Gefühl, dass ich beim ASB Rückals Wiedereinstieg in den Beruf oder halt habe und bei den wunderbaren Menschen, die den ASB prägen, richtig aufgeauch im Rentenalter. hoben bin.« 45

Arbeiter-Samariter-Jugend

Zeichen auf Zukunft – Die ArbeiterSamariter-Jugend (ASJ) München Ein genaues Gründungsdatum ist für die Mitglieder der heutigen ASJ nicht mehr nachzuvollziehen. Fest steht, dass die ASJ in München im Jahr 1990 wiedergegründet wurde. Eine Verantwortliche für die Entstehung der ASJ-Gliederung in München ist hingegen sehr wohl auszumachen: Monika Maier, die zugleich eine der ersten Jugendleiterinnen war.

Anfangs lag der Fokus darauf, Kinder und Jugendliche altersgerecht in Erster Hilfe auszubilden.

Neben fachlicher kompetenter Anleitung wird großer Wert auf Teamgeist und Spaß am Lernen gelegt. Kinder und Jugendliche werden zudem in Projekten dazu ermuntert, sich auch politisch für ihre Positionen und Anliegen einzusetzen. Zusätzlich zu dieser Form der außerschulischen Fort- und Weiterbildung betreut die ASJ auch den Schulsanitätsdienst an acht Münchner Schulen.

Den Jugendlichen der ASJ München ist es ein wichtiges Anliegen, Gleichaltrige für soziales Engagement zu begeistern Übung macht den Meister. Erste-Hilfeund auf die Bedeutung von Ersthelfern Training der ASJ hinzuweisen. Für die Nachwuchsgewinnung des ASB ist die Arbeit mit den Jugendlichen essenziell, da es nicht leicht ist, sich als Hilfsorganisation gegen ein breit gefächertes Freizeitangebot für Jugendliche durchzusetzen.

In Zusammenwirkung mit dem Mediencenter München reisten 2013 drei Jugendliche der ASJ in die ukrainische Hauptstadt Kiew, um dort eine Doku- Ehrung von drei jugendlichen Schulsanitämentation zum Thema NS-Zwangsar- tern des ASB München auf der ASB-Mitgliebeit zu drehen. Im Jahr 2015 folgte der derversammlung 2016, die einem Passanten Gegenbesuch einer ukrainischen Dele- mit ihrem beherzten und fachkundigen Eingreifen das Leben retteten. gation in München.

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Zukunftsträchtiges Erfolgsprojekt: Seit 2019 werden interessierte Jugendliche der Schulsanitätsdienste auf ihren zukünftigen Einsatz im Bevölkerungsschutz vorbereitet.

Gelebte Geschichte am Rande von Kiew – Bericht von Moritz Wohlrab – Der 29. Oktober 2013 war ein besonderer Tag im Leben von Laura, Sven und Maximilian: In einer Plattenbausiedlung am Rande der ukrainischen Hauptstadt Kiew trafen sie hochbetagte Menschen, die über ihre Zeit als Zwangsarbeiter im nationalsozialistischen Deutschland berichteten.

Eine von ihnen war Maria Leschenko, die in jungen Jahren zur Arbeit in einer Münchner Fabrik gezwungen worden war. Stolz erzählt sie den Besuchern aus Bayern, wie sie als junges Mädchen lange Zöpfe getragen hatte – und gleich darauf, wie sie ihre Haarpracht bei ihrer Ankunft in München durch giftiges Läuse-Shampoo verlor.

Jugendliche Leidenszeit Sie erzählt von einer Jugend in München, in der sie die Stadt nicht kennenlernte. Sie spricht von Erlebnissen, die sie nie vergessen wird; von Angst, Hunger, Gewalt und sehr viel Leid. Sie kann sich weder erinnern, in welcher Fabrik sie arbeiten musste, noch daran, was die Arbeiter dort eigentlich produzierten. Ein Fluchtversuch aus ihrer Baracke, um sich von ihrem wenigen, hart verdienten Geld ein Brot zu kaufen, endete mit schrecklicher Strafe. Ihre körperlichen Beschwerden zeugen von den damaligen Verletzungen. Ihre Entschädigungszahlungen deckten gerade eben die Kosten für ihre Medikamente, die in der Ukraine sehr teuer sind.

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ASJ München

Emotionale Dreharbeiten in der Ukraine

Maria Leschenko bezieht nur eine kleine Rente, die kaum zum Leben reicht. Sie wird daher – wie viele andere ehemalige NS-Zwangsarbeiter – vom ASB Kiew mit kostenlosen Lebensmitteln versorgt. Zudem erhält sie regelmäßig Besuch von einer ambulanten Pflegekraft des ASB. Über viele Jahre hinweg wurden die ukrainischen Samariter von ASBVerbänden aus Bayern finanziell unterstützt.

Den Münchner Jugendlichen war es wichtig, die Geschichten der ehemaligen Zwangsarbeiter für die Nachwelt zu erhalten. Es entstand ein 50-minütiger Film, der auf YouTube unter dem Suchbegriff »Pryvit Kiev – Pryvit München« abrufbar ist.

Dass die intensiven Gespräche überhaupt zustande kamen, hat viel mit einem anderen Datum zu tun: dem 6. Oktober 1989. An diesem Tag besiegelten die damaligen Oberbürgermeister Münchens und Kiews, Georg Kronawitter und Valentin Sigurskij, die Partnerschaft zwischen den beiden Millionenstädten – sie lebt.

Was lange währt … – Die bewegende Rückkehr ukrainischer NSZwangsarbeiterkinder nach Bayern – Bericht von Astrid Abou El Ela – Manchmal braucht es ein ganzes Leben, bis sich der Kreis schließen und Wichtiges zu Ende gebracht werden kann.

Beim Besuch von Kindern ehemaliger ukrainischer NSZwangsarbeiter in München, die in Begleitung von vier jungen Leuten nach Deutschland reisten, gelang dies gleich mehrfach auf sehr emotionale Weise.

Beim Besuch der ASJ Bayern 2013 in der Ukraine war ein Band geknüpft worden, ein Gegenbesuch der ukrainischen NS-Zwangsarbeiterkinder nach München sollte folgen. Es würde wohl die letzte Gelegenheit für sie sein, nach Deutschland zurückzukehren, um Erfahrenes zu verarbei48

ten und abzuschließen. Und um versöhnliche Erfahrungen zu machen in dem Land, in dem sie so viel Leid erfuhren, dass es sie nie wieder losließ.

Die Vorbereitungen für die Reise waren im vollen Gange, als im November 2013 auf dem Maidan-Platz in Kiew die Bürger für den Machtwechsel kämpften; ein Aufstand, verbunden mit Ausgangssperren und vielen Opfern. Nach zahllosen Telefonaten, E-Mails und Behördenschreiben konnte die 13-köpfige Besuchergruppe aus Kiew schließlich am 27.

April 2015 in München begrüßt werden. In den folgenden Tagen wurde die Jugend aus Kiew und München nicht nur Zeuge der Bewältigung traumatischer Erlebnisse, sondern direkt daran beteiligt. Bei gemeinsamen Unternehmungen wurde gelacht, erzählt, auf Ukrainisch und Deutsch gesungen. Mithilfe der einfühlsamen Dolmetscherinnen gelang es, die Welt des anderen besser zu verstehen.

Eine Handvoll Erde Schließlich durfte die Gruppe die 72-jährige Ljubow Sachno zum sehr bewegenden Besuch am Grab ihres Vaters begleiten. Ihre Eltern waren Zwangsarbeiter in einer Nürnberger Fabrik gewesen. Im Alter von 20 Jahren wurde Ljubows Vater im Lager so zusammengeschlagen, dass er an den Folgen seiner schweren Verletzungen starb. Den Namen ihres Vaters auf dem Grabstein zu lesen und endlich Abschied nehmen zu können, war nicht nur für Ljubow Sachno ein überwältigendes Ereignis. Sie brachte ukrainische Erde mit und nahm Nürnberger Boden mit in die Heimat. Manchmal dauert es ein ganzes Leben, bis sich ein Kreis schließt.

Auch der Gegenbesuch wurde filmisch festgehalten: »Pryvit Kiew – Die Rückkehr«

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ASB-Bereiche und ihre Entwicklung im 20. Jahrhundert

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Kurse und Trainings

Von der Erste-Hilfe-Ausbildung zum modernen Ausbildungszentrum Hilfe zur Selbsthilfe war und ist das Hauptanliegen des ASB. In der Breite setzte der ASB diesen Grundgedanken erstmals bei seiner Gründung im ausgehenden 19. Jahrhundert bei der Erste-Hilfe-Ausbildung für Arbeiter um.

Ein Jahrhundert später sind die Bedingungen am Arbeitsplatz sicherer, die Weitergabe von Fachwissen für die medizinische Erstversorgung ist jedoch unverändert Herzstück der Arbeit im ASB. Erste-Hilfe-Kurse und notfallmedizinische Trainings bilden einen Grundpfeiler des ASB in München und Oberbayern.

Überblick über die Erste-Hilfe-Kurse und -Trainings beim ASB in München/Oberbayern Erste-Hilfe-Kurs für alle / Führerschein Egal ob beim Wandern, Skifahren oder im Verkehr. In diesem Kurs wird Ersthelferwissen vermittelt, um einem Menschen in Not Erste Hilfe leisten zu können.

Kindernotfallkurse Auch bei verletzten Kindern müssen die Handgriffe sitzen, denn hier stehen Eltern oder Kinderbetreuungskräfte häufig unter besonderem emotionalen Stress. Ist das Ersthelferwissen präsent, geht die Hilfe leichter von der Hand.

Grundlehrgang für Ersthelfer im Betrieb Auch in Betrieben wird Sicherheit großgeschrieben. Das Wissen über Erste Hilfe im Notfall sollte immer auf dem aktuellen Stand sein. Nur so ist gewährleistet, dass im Notfall die oft lebensrettenden Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden können.

Frühdefibrillationskurse (AED-Training) Bei Herzstillstand zählt jede Sekunde. Das Training mit dem Automatisierten Externen Defibrillator (AED) unterrichtet die sachgerechte Anwendung eines Defibrillators, um im Falle eines Falles einen Menschen wiederbeleben zu können.

Erste Hilfe in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen Erste Hilfe leisten zu können, ist für Personal in Kindertagesstätten und in Schulen eine Grundvoraussetzung. In diesem Kurs werden sowohl Erste-Hilfe-Anwendungen für Kinder als auch für Erwachsene erlernt.

Spezialtraining in Praxen und Betrieben Hier wird auf die Besonderheiten bei den Erste-Hilfe-Maßnahmen in bestimmten Einrichtungen, Praxen und Betrieben eingegangen.

Weiterentwicklung zum Ausbilder Verantwortung übernehmen, medizinisches Fachwissen weitergeben und den ASB München nach außen repräsentieren – das sind Aufgaben der Kursleitung. Der ASB München bietet viele Möglichkeiten, als Kursleiterin oder Kursleiter aktiv zu werden, so z. B. in Vorschule und Schule, in der Erste-Hilfe-Breitenausbildung oder in der sanitäts- und rettungsdienstlichen Ausbildung.

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Das Kurs- und Ausbildungsangebot wurde in den letzten Jahrzehnten laufend den medizinischen Erfordernissen und Entwicklungen angepasst. Spezialtrainings für bestimmte Zielgruppen, wie z. B. Ausbildungen für den Bereich der Sanitäter und der Rettungshundestaffeln sowie für Beschäftigte im Rettungsdienst wurden entwickelt.

Spezialausbildungen beim ASB Ausbildung zum Sanitäter im Sanitätshelfer- und Sanitätsdienst-Lehrgang Hier wird das erforderliche Wissen vermittelt, das auf den Einsatz im Sanitätsdienst, z. B. auf Open-Air-Veranstaltungen oder Sportevents, vorbereitet.

Ausbildung zum Schulsanitäter Während ihrer Erste-Hilfe-Ausbildung und einem Aufbaulehrgang lernen Schülerinnen und Schüler, wie man in Notsituationen schnell, richtig und mit wenigen Handgriffen Erste Hilfe bei Mitschülern und Lehrern und auf schulischen Veranstaltungen leisten kann.

Rettungssanitäter – Grund- und Abschlusslehrgang Die Ausbildung zum Rettungssanitäter ist eine Qualifikation innerhalb des Rettungsdienstes. Mit einer Ausbildungsdauer von 520 Stunden bietet sie den Einstieg in die aktive Notfallrettung.

Ausbildung zum Rettungshundeführer Die Ausbildung eines Rettungshundeteams (Hundeführerin bzw. Hundeführer und Hund) nimmt circa zwei Jahre in Anspruch und findet vor Ort in der Rettungshundestaffel statt. Neben Erster Hilfe am Menschen und am Hund sowie Sanitätshelferausbildung umfasst das Training auch fachspezifisches Wissen über Kynologie, Einsatztaktik, Orientierung im Gelände und Sprechfunk.

Intensivtransportkurs gemäß DIVI – Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfall­ medizin Dieses Training bereitet Ärzte, Notfallsanitäter und Rettungsassistenten darauf vor, die zusätzlichen Risiken bei der Beförderung und Betreuung von Patienten im Interhospitaltransfer optimal bewältigen zu können. In Vorträgen wird Fachkompetenz vermittelt, die in praxisnahen Simulationstrainings direkt angewandt wird.

Im praktischen Teil wird unter Einsatz modernster Simulationstechnik der Ernstfall geprobt.

Erfahrene Intensiv- und Notfallmediziner begleiten die Kurse.

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Kurse und Trainings

Jede Sekunde zählt: Keine Angst vorm AED! Beim Gedanken an einen vorzeitigen Tod gehen viele Menschen Drehbuchschreibern und bunten Schlagzeilen auf den Leim: Sie fürchten sich vor tödlichen Haiattacken, vor Mord, Giftspinnen im Bananenkarton oder Blitzeinschlägen. Dabei ist die häufigste Todesursache in Deutschland eine ganz leise: der plötzliche Herztod. Er kommt unerwartet und trifft selbst Menschen ohne jede Vorerkrankung. Die ersten Symptome können trügerisch unauffällig sein: z. B. Schweißausbruch, Blutdruckabfall, Schwächeanfall. Dann wird die Situation jedoch schnell lebensbedrohlich und jede Sekunde zählt.

Oft ist der plötzliche Herztod mit einer Herzrhythmusstörung, dem sogenannten Herzkammerflimmern, verbunden. Blut und Sauerstoff werden durch die unkoordinierten Kontraktionen des Herzmuskels nicht mehr in lebenswichtige Organe transportiert, wodurch die Patienten bereits nach wenigen Sekunden das Bewusstsein verlieren. Ab diesem Zeitpunkt sinkt ihre Überlebenschance um 7 bis 10 Prozent pro Minute.

Durch schnelle Erste-Hilfe-Maßnahmen kann zunächst ein Minimalkreislauf hergestellt werden, um das Absterben von (Gehirn-)Zellen zu verhindern. Gegen das Flimmern hilft eine Herzdruckmassage allerdings nicht – hier kann nur ein Defibrillator Abhilfe schaffen.

Der Automatisierte Externe Defibrillator, kurz AED, ist ein kleines, tragbares Gerät, das mittlerweile an vielen Bahnhöfen, auf öffentlichen Plätzen oder in Unternehmen angebracht ist. Durch gezielte Stromstöße kann es die Herzrhythmusstörungen beenden und einen Impuls für die normale Herzaktivität geben. Es ist so konzipiert, dass es auch von medizinischen Laien einfach anzuwenden ist. Doch obwohl immer mehr dieser Geräte im öffentlichen Raum platziert werden, trauen sich Menschen oft nicht, sie im Ernstfall auch einzusetzen.

Das liegt vor allem an mangelnder Infor- Sie sehen unterschiedlich aus, aber mation über die Funktionsweise und der haben alle das eine Ziel: Leben retten!

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Der Schock wird per Knopfdruck ausgelöst, alles Weitere läuft automatisch. Gerade bei plötzlichem Herzstillstand zählt jede Minute.

Beim AED-Training wird der Umgang mit dem Gerät geübt (vermittelt Sicherheit im Ernstfall).

Angst, etwas falsch zu machen und einem Menschen dadurch womöglich mehr zu schaden als zu helfen.

Was viele nicht wissen: Diese Angst ist vollkommen unbegründet. Denn die Defibrillatoren erklären dem Ersthelfer, was zu tun ist. Er muss lediglich die Elektroden richtig am Patienten platzieren, danach bestimmt der AED über die weiteren Maßnahmen und informiert den Ersthelfer mittels Sprachanweisung und Piktogramm, wie weiter vorzugehen ist. Wer die Anweisungen befolgt, kann also gar nichts falsch oder gar schlimmer machen.

Eine versehentliche oder nicht indizierte Schockabgabe ist beispielsweise unmöglich, weil der AED den Knopfdruck für einen Elektroschock nur freigibt, wenn er sicher ein Herzkammerflimmern erkannt hat. Hat die bewusstlose Person hingegen kein Kammerflimmern, erkennt der AED auch das am gemessenen Herzrhythmus – und gibt keinen Stromstoß frei. Stattdessen fordert er den Anwender dazu auf, mit einer Herzdruckmassage zu beginnen oder fortzufahren. Die Analysesicherheit ist nicht nur beim Ausschluss, sondern auch beim Erkennen eines Kammerflimmerns sehr hoch: Liegt es der Bewusstlosigkeit tatsächlich zugrunde, wird das vom AED in über 95 Prozent aller Fälle erkannt.

Die einzige falsche Entscheidung ist somit, wie so oft bei der Ersten Hilfe, nichts zu tun. Weil die Vorstellung, im Notfall zu einem Gerät greifen zu müssen, das man nicht kennt, vielen Menschen nicht geheuer ist, bietet der ASB München neben Erste-Hilfe-Kursen auch spezielle AED-Trainings an.

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Sanitätsdienste

Seit Ende 2011 bestreiten die Münchner Samariterinnen und Samariter die Sanitätsdienste beim FC Bayern Basketball im Audi Dome. Sie sind bei allen Heimspielen vor Ort, das sind circa 40 Einsätze pro Jahr.

Zur Sicherheit vor Ort – Sanitätsdienste Der Sanitätsdienst des ASB München ist so alt wie der ASB selbst. Vom Großevent bis zum Punktspiel fordern Veranstalter und Organisatoren den ASB für die Ausrichtung ihrer Sanitätsdienste an. Sanitätsdienst ist Prävention, die Ausstattung der Einsatzkräfte orientiert sich am Anlass.

Während für den Flohmarkt im Viertel ein Einsatzteam mit Defibrillator, Notfallrucksack und Sauerstoffbehandlungseinheit genügt, steht für Sportveranstaltungen in unwegsamem oder schwer zugänglichem Gelände seit 2013 sogar ein AllTerrain-Vehicle (ATV) zur Verfügung. Seit 2015 bestreitet der ASB damit unter anderem Sanitätsdienste beim Wintersport.

Der Sanitätsdienst des ASB in München und Oberbayern kann bei Großveranstaltungen auf mehr als 100 Einsatzkräfte zugreifen. »Wir bedanken uns für die Außerdem steht eine vielseitige Fahrzeug- sehr vertrauensvolle und stets flotte von Krankentransportwagen bis hin harmonische Zusammenarbeit und gratulieren ganz herzlich zu Notfalleinsatzfahrzeugen zur Verfügung.

Das Spektrum an Aufgaben umfasst unter- zum 100-jährigen Bestehen. schiedlichste Dienste. So wurden die Ein- Der ASB RV München/Oberbaysatzkräfte zum Beispiel bei der Münchner ern e. V. leistet eine unheimlich wertvolle Arbeit, von der auch Sicherheitskonferenz Teil des Konvois des wir seit nunmehr einem JahrUS-Vize-Präsidenten und fuhren mit ei- zehnt profitieren dürfen.« nem Rettungswagen vom Flughafen, zum FC Bayern München Basketball Hotel und in die Staatskanzlei jeden Meter GmbH mit.

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Der 50 km-Fußmarsch um den Starnberger See wurde 1969 von den Münchner Sanitätsdiensten begleitet. Eingesetzt waren 53 Helferinnen und Helfer, die in 1 367 Fällen Erste Hilfe leisteten. Sie verbrauchten an einem Tag 60 Meter Heftpflaster und 25 Meter Verbandmaterial. Außerdem schenkten sie an die ermüdeten Marschierer 1 200 Liter Tee aus. Eine Unfallwache war in der Gaststätte Bernried untergebracht.

Während der Olympischen Spiele 1972 leisteten ASB-Einsatzkräfte 9 177 Mal Hilfe und führten 43 Notfall- sowie 174 Krankentransporte durch. Die Münchner Einsatzkräfte betreuten U-Bahn-Stationen und die S-Bahn-Station Ostbahnhof. Externe ASB-Unterstützung kam aus Pirmasens, Pegnitz, Coburg, Lauf, Schweinfurt und Heilbronn.

Papst Benedikt besuchte 2006 München – ein Großaufgebot an Einsatzkräften aller Hilfsorganisationen, bei einer Freilichtmesse auf dem Messegelände in München-Riem.

Seit 2015 ist das geländefähige SanitätsQuad zur Unterstützung der Österreichischen ASB-Kollegen im Einsatz, wie hier beim Biathlon Hochfilzen.

Seit 1998 begleitet der ASB das Oben-Ohne-Festival in München.

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Bevölkerungsschutz

Von Amoklauf bis Zünder: In ständiger Bereitschaft Personell ist es vom Sanitätsdienst bis zum Katastrophenschutz nicht weit, weil die meisten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in beiden Bereichen tätig sind. Derzeit engagieren sich im ASB in den Bereichen Sanitätsdienste und Katastrophenschutz rund 300 ehrenamtliche Einsatzkräfte; sie alle haben neben der medizinischen Grundausbildung eine zusätzliche Einsatzgrundausbildung im Katastrophenschutz durchlaufen. Zudem werden sie anderen Qualifikationen entsprechend auf die verschiedenen Schnelleinsatzgruppen und Einsatzstaffeln verteilt.

Doch auch die Einsätze selbst zeigen, wie schmal der Grat zwischen präventiver Präsenz bei einer Veranstaltung und dem Schutz der Bevölkerung im Katastrophenfall sein kann. »Es gibt immer Dinge, die man nicht vorhersehen kann«, sagt Julian Ro- Welche Schnelleinsatzgruppe (SEG) senlehner, stellevertretender Leiter wofür?

Bevölkerungsschutz, »bei Großveranstaltungen ist immer eine potenzielle Die SEG Behandlung versorgt LeichtGefahrensituation im Hintergrund.« bis Schwerverletzte vor Ort, bis sie Traurige Berühmtheit erlangten in transportiert und einem Krankenhaus diesem Zusammenhang das Unglück zugeführt werden können. bei der Flugshow von Ramstein im Die SEG Transport bringt Verletzte in Jahr 1988 und die Love Parade 2010 Kliniken und evakuiert Betroffene in Akutbetreuungsstellen oder Pflegeheiin Duisburg. me.

Eine scharfe Grenze ist zwischen Sa- Die SEG Betreuung errichtet oder benitätsdienst und Katastrophenschutz treibt Notunterkünfte und Sammelsteldeshalb kaum zu ziehen. Denn auch len, wo sie die unverletzten Personen Letzterer ist zum Großteil Präven- mit allem versorgt, was sie für den tägtivmaßnahme. Das sieht man allein lichen Bedarf benötigen. Sie organisiert daran, dass von der meisten Arbeit, auch die Versorgung der Einsatzkräfte. die die Bevölkerungsschützer leisten, Die SEG Technik, Sicherheit & Logisoft niemand erfährt. Um im Katas­ tik stellt eine ausreichende Strom- und trophenfall einsatzfähig zu sein, muss Wasserversorgung für Zivilpersonen viel in Pläne investiert werden, die und Einsatzkräfte sicher; beispielsweise mit Stromaggregaten. Sie organisiert womöglich nie gebraucht werden. Material- und Lebensmittelnachschub.

Schließlich wünscht sich niemand, 58

Der Katastrophenschutz fordert viel Übungszeit von den Ehrenamtlichen ein – heute genauso wie in den 70er- und 80er-Jahren: Fahrzeugkolonne 1977 (l.), Bevölkerungsschutzübung im Olympiapark 2020 (r.)

dass etwas passiert - darauf vorbereitet sein muss der Bevölkerungsschutz trotzdem.

Vier Berichte über die Einsätze von Bevölkerungsschützern.

Helfer im Einsatz »Der große Knall – Bombe in Schwabing gesprengt« – Süddeutsche Zeitung, 29.8.2012 Gesprengt hat der Kampfmittelräumdienst, gelöscht die Feuerwehr. Dass beides möglich war, ohne die Bevölkerung zu gefährden, organisierte hingegen der Katastrophenschutz. Den Platz in der medialen ersten Reihe bekommt man damit zwar selten, »aber man muss wissen, welche Aufgabe man hat«, sagt Abteilungsleiter Chris Jürgens. Als sich herausstellte, wie gefährlich die Bombe wegen ihres chemischen Zünders war, mussten die Anwohner in einem 300-Meter-Radius um den Fundort schnellstmöglich ihre Häuser verlassen. Nicht alle von ihnen hatten Freunde oder Verwandte in der Nähe, nicht alle kamen selbstständig die Treppen hinunter. Unter den Anwohnern waren Patienten, die zu Hause gepflegt wurden und in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen untergebracht werden mussten. Der ASB trug deshalb als eine der zuständigen Hilfsorganisationen Sorge dafür, dass rund 2 500 Menschen geordnet ihr Zuhause verließen, in den folgenden Tagen untergebracht und betreut wurden. Als Akutbetreuungsstellen stehen in München 53 öffentliche Gebäude zur Verfügung. »Deggendorf versinkt im Wasser« – Zeit Online, 6.6.2013 Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastro59

Bevölkerungsschutz

Die SEG Transport bringt Material und ein Versorgungszelt ins Hochwassergebiet.

Amoklauf im OEZ: Die Einsatzkräfte haben im Olympiastadion Stellung bezogen.

phenhilfe hat im Jahr 2007 das Konzept der Medical Task Force (MTF) ins Leben gerufen und seitdem 61 Einheiten im Bundesgebiet aufgestellt. In Bayern wurde dieses Konzept in sogenannten Hilfeleistungskontingenten umgesetzt.

Diese Einheiten dienen der überregionalen Hilfeleistung bei schweren Unglücksfällen und Katastrophen. Darin bilden mehr als 150 Einsatzkräfte aus unterschiedlichen Schnell­ einsatzgruppen ein Kontingent.

Der ASB leitet die oberbayerischen Kontingente und war in dieser Funktion in Deggendorf für die Unterbringung der betroffenen Bevölkerung in Notunterkünfte zuständig. Weil sich die Lage lange nicht entspannte, installierte der Katastrophenschutz parallel ein infrastrukturelles Auffangnetz für die medizinische Versorgung: Für den Fall, dass das Wasser weiter gestiegen wäre, bereiteten die Einsatzkräfte die Räumung von Krankenhäusern und Altenheimen im betroffenen Gebiet vor. Zum Glück blieb die Maßnahme präventiv. »Schüsse in Einkaufszentrum – Die Polizei spricht von einer ›Terrorlage‹« – Süddeutsche Zeitung, 22.7.2016 Einige Bevölkerungsschützer waren im regulären Rettungsdienst eingeteilt, als sich die Polizisten im Stadtgebiet nach Schüssen im Olympia-Einkaufszentrum ihre Schutzwesten anlegten und die Maschinenpistolen umschnallten. Was folgte, war Katastrophenschutz im Schnellverfahren. Per Piepser und App alarmiert, müssen ehrenamtliche Katastrophenschützer zu jeder Tages- und Nachtzeit zum Einsatz ausrücken. Während die Polizei einen Überblick über das Ausmaß der Lage zu ermitteln versucht, rücken die Ehren60

amtlichen aus, um die Verletzten zu versorgen und stellen sich auf weitere Verletzte ein. Solche als »Großscha· fester Bestandteil des ASB seit der Wiedergründung 1962 densereignisse« eingestuften Einsät· 2008 Neukonzeptionierung der ze stellen die Einsatzkräfte vor harte Schnelleinsatzgruppen (SEGn) Entscheidungen. Es gab Meldungen über mehrere Verletzte und Tote.

Für derartige Situationen gibt es eine Richtlinie zur Einteilung der Verletzten. Die Entscheidung, wem zuerst geholfen wird, ist darin eindeutig geregelt macht sie aber nicht angenehmer. Es werden zuerst diejenigen abtransportiert, die die besten Überlebenschancen haben, weil in klassischen Katastrophensituationen zu Beginn eines Einsatzes fast immer zu wenig Kapazität vorhanden ist. Oberstes Gebot ist es dann, die Erstversorgung sicherzustellen und einen geordneten Transport zu organisieren. Im Olympia-Einkaufszentrum konnten glücklicherweise alle Verletzten abtransportiert werden.

Eckdaten Bevölkerungsschutz

»Statt Munition: Mutmaßliche Fliegerbomben entpuppen sich als Metallschrott« – muenchen.de, 2.5.2020 Im Mai 2020 kamen bei den Bauarbeiten zur zweiten SBahn-Stammstrecke zwei vermeintliche Bomben zum Vorschein. Letztlich handelte es sich zwar nur um einen alten Hydranten und ein Wasserrohr, der Katastrophenschutz hatte die Evakuierung des Gebiets jedoch trotzdem vorbereiten müssen. Bei 2 500 Betroffenen wäre das schon unter normalen Umständen eine Herausforderung gewesen.

Die damals strengen Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie verschärften die Situation jedoch zusätzlich. Getrennte Sammelstellen für Gesunde und Kranke inklusive Behandlung blieben hypothetisch.

Die Corona-Pandemie hält die Bevölkerungsschützer aber auch ohne Bombenfunde in Schach. So sind die Schnelleinsatzgruppen etwa auf die Unterstützung von Kliniken vorbereitet.

Die SEG Behandlung sorgt für die notfallmedizinische Behandlung und Stabilisierung der Patienten.

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Rettungsdienst

»An oberster Stelle stehen Respekt und die Regel, niemals Macht auszuüben« Ein Gespräch mit Klaus Kollenberger, ­Geschäftsführer der Rettungsdienst GmbH Klaus Kollenberger, 62, arbeitet seit über 40 Jahren im Rettungsdienst. Seine Laufbahn im ASB begann 1975 mit seiner Verpflichtung zum Katastrophenschutz, nach über einem Jahrzehnt als ausgebildeter Rettungssanitäter im Schichtdienst übernahm er die Rettungsdienstleitung, nach Gründung der ASB Rettungsdienst GmbH die Geschäftsführung. Schichtdienst sei das allerdings noch immer, sagt er, »denn unser Job ist der Notfall – kein Tag im Büro ist planbar«.

Polizisten schütteln oft den Kopf, wenn sie Polizeiarbeit im Fernsehen sehen – wie geht es Ihnen mit der Darstellung von Rettungseinsätzen?

Ich schau es mir nicht absichtlich an, aber ich kann es aushalten. Mich stört gar nicht das Fachliche, das ist oft nah an unserem Alltag. Schlimm finde ich, dass die Patienten fast immer geduzt werden. Das geht überhaupt nicht, denn die Grundlage unserer Hilfe ist Respekt vor dem Patienten und seinem Anliegen. Dasselbe gilt für den Spruch »alles gut«.

So ein Schmarrn! Wenn alles gut wäre, wäre der Rettungswagen doch nicht da.

Wen retten Sie? Das fängt bei einer Beule oder starkem Nasenbluten in der Schule an und hört bei Schlaganfällen auf, die leider immer häufiger werden. Dazwischen gibt es alles Mögliche: Infekte, die sich akut verschlimmern, Frakturen, Lebensmittelvergiftungen oder Jugendliche, die zum ersten Mal Gras geraucht haben und deren Eltern wenig davon halten, ihren halluzinierenden Nachwuchs schlafen zu lassen. Was stark zunimmt, sind psychiatrische Notfälle, die am Einsatzort mitunter schwere Angriffe auf das Rettungspersonal beinhalten. Aus diesem Grund schulen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neben den medizinischen Themen mittlerweile intensiv im Bereich Deeskalation.

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Damals wie heute ist Klaus Kollenberger im Einsatz für den ASB. Bild links: als verantwortlicher Geschäftsführer der Rettungsdienst GmbH. Bild rechts: bei einer Großveranstaltung in den 80erJahren in der Münchner Innenstadt.

Wer unterstützt Sie bei traumatisierenden Einsätzen?

Das Krisen-Interventions-Team des ASB (KIT-München).

Wenn sich ein Mensch in Suizid-Absicht vor einen Zug warf, versorgte der Rettungsdienst früher nur den Verletzten, nicht den Fahrer. Dasselbe galt, wenn ein Kind in Lebensgefahr schwebte: Da kümmerten sich alle um das Kind – niemand um die Eltern. Heute wird das Krisen-InterventionsTeam angefordert; das betreut alle indirekt Betroffenen, im schlimmsten Fall Hinterbliebene, die mit der Situation meist völlig überfordert sind. Das ist ein wahnsinniger Fortschritt.

Für uns hat es den Effekt, dass das Rettungsmittel schneller frei wird. Früher konnten wir die Leute nicht einfach allein an der Unfallstelle stehen lassen, heute ist jemand da.

Ist der Rettungswagen immer nötig?

Schulen müssen z. B. anrufen, weil sie die Verantwortung tragen, und PriMeilensteine in der Entwicklung vatpersonen sind beim Anruf in der des ASB Rettungsdienstes Leitstelle oft so aufgeregt, dass eine · 1973 fährt der erste ASB-Rettungs- Entscheidung auf der Grundlage ihrer wagen nach der Wiedergründung Angaben schwerfällt – da schickt man im Zweifel lieber einen Wagen. Ich verdes ASB in München · 1975 Gründung des Rettungsurteile niemanden, der uns ruft. Anders zweckverbandes als für uns, kommt eine Notfallsituation · 1983 Umzug von der unzufür Patienten unerwartet – das nimmt reichenden Unterkunft in der sich ja niemand beim Frühstück vor.

Rumfordstraße in die ehemalige Wirklich ärgerlich ist nur mutwilliger Feuerwache in der Schulstraße Fehlalarm. · 1994 Umzug nach Sendling in die Adi-Maislinger-Straße 63

Ein Ausschnitt des Fuhrparks in der Schulstraße in den 80er-Jahren (o.) und des heutigen Fuhrparks (u.)

Endet jeder Einsatz mit einer Blaulicht-Fahrt ins Krankenhaus?

Manchmal wird daraus auch ein Krankentransport ohne Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerecht. Wenn es sich als harmlose Sache herausstellt, verweist man den Patienten auch mal an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst und lässt ihn zu Hause – aber das liegt in der Verantwortung des Notfallsanitäters.

Diese Verantwortung ist groß …

Freilich. Speziell bei Schlaganfällen gibt es nichts Schlimmeres, als einen Patienten zu Hause zu lassen, weil man es nicht ernst genug nimmt. Für optimale Genesungschancen ist Zeit neben qualifizierter Hilfe fast immer der entscheidende Faktor.

Gibt es auch Einsätze, die seltener werden?

Klassische Vergiftungen mit Tabletten, weil die Informationen auf den Produkten besser geworden sind und mehr Aufklärung stattfindet. Dafür gibt es eine extreme Steigerung im 64

Vielfalt, Toleranz und Respekt werden im ASB Rettungsdienst großgeschrieben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können auf Wunsch kostenlose Deutschkurse absolvieren.

Bereich der Rausch- und Suchtmittel und natürlich beim Alkoholmissbrauch.

Wo bringen Sie diese neuen Themen in der Ausbildung unter?

Jede Zeit hat eigene Herausforderungen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen ihr gesamtes Berufsleben über dazu. Auch die Fahrzeugausstattung, das medizinische Equipment und die Befugnisse haben sich über die Jahre rasant entwickelt. Es gehört dazu, immer zu lernen und das Gelernte weitergeDer Rettungsdienst in Zahlen ben zu wollen, da stehen wir ganz in der Tradition des ASB. · 185 Mitarbeiter, davon 69 in Vollzeit · 8 Krankentransportwagen Welche anderen Grundwerte haben sich · 11 Rettungswagen über die Jahre erhalten? · 2 Intensivtransportwagen An oberster Stelle stehen Respekt und Die Flotte ist auf fünf Rettungs­wachen die Regel, niemals Macht auszuüben.

Wir stehen nicht über dem Patienin München verteilt: · Rettungswache am Westpark (Haupt- ten, weil wir ihm helfen, sondern es wache der ASB Rettungsdienst GmbH) ist unser Job, den wir machen, wie ein · Rettungswache am Rotkreuzkran- Bäcker Brot bäckt. Dazu gehört auch, kenhaus dass wir ausblenden müssen, wer ein · Rettungswache an der Feuerwache 7 Patient ist und wie er zum Patienten · Rettungswache im Stadtteil »Am geworden ist: Ob die Verletzung fahrHart« bei der Sanitätsakademie der lässig entstanden ist, darf für uns keine Bundeswehr · Rettungswache am Krankenhaus Bo- Rolle spielen. Oder ob der Patient zum genhausen. Diese wird gemeinsam Beispiel eine neonazistische Einstelmit der Malteser Rettungsdienst lung hat: Wir werden ihm helfen, allerdings müssen wir mit ihm auf dem GmbH betrieben.

Weg ins Krankenhaus nicht plaudern.

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Rettungsdienst

Was wir allerdings ablehnen, sind Geschäftsbeziehungen mit einer Partei, die rechtsextreme Ansichten vertritt. So hat unser Bundesverband zum Beispiel die Durchführung von Erste-Hilfe-Kursen für die AfD abgelehnt, da die Positionen dieser Partei unserem Wertekodex widersprechen. Zu dieser Entscheidung stehe ich ebenso. Aber sollte jemand aus der AfD akut Hilfe brauchen, werden wir diese selbstverständlich leisten.

Was für den Rettungsdienst Alltag ist, stellt für Patienten eine absolute Ausnahmesituation dar. Immer wieder erhält der ASB nach Einsätzen Post, zwei Auszüge: »[...] Am vergangenen Mittwoch war ich aufgrund eines Schwächeanfalls auf den Rettungsdienst angewiesen.

Die beiden Rettungssanitäter vom ASB haben mich durch ihr professionelles Handeln, vor allem aber durch ihre menschliche Zuwendung schon wieder einigermaßen stabil bekommen, bevor sie mich ins Herzzentrum gebracht haben. In einer Zeit, in der alles oft schnell und unpersönlich abläuft, tut es gut, so einfühlsam behandelt zu werden. Sie können sich glücklich schätzen, solche Mitarbeiter zu haben. Mit herzlichem Gruß.« »[...] ich erlitt anlässlich einer Pulmonalvenenablation eine Perikardtamponade. Nach Aspiration von mehreren Litern Blut wurde ich von Ihren Sanitätern sowie dem Notarzt in eine andere Klinik transportiert, wo ich notoperiert wurde. Nach einigen lebensbedrohlichen Krisen habe ich letztlich überlebt und durfte auch noch ein paar funktionsfähige graue Zellen meiner Hirnrinde behalten. Ich möchte mich hiermit herzlich bedanken! Sie haben Hervorragendes geleistet, ohne Sie wäre ich nicht mehr am Leben!« 66

Kampf um Akzeptanz und Personal »Die Kombination aus Blaulicht und Martinshorn wird immer häufiger als Lärmbelästigung empfunden, immer wieder gibt es Beschwerden. Also müssen wir den Menschen erklären, warum das nötig ist.

Auch Personal zu finden, wird eine große Aufgabe: Früher konnten wir noch auf angehende Medizinstudentinnen und –studenten zurückgreifen, die gerne die zweijährige Ausbildung zum Rettungsassistenten nutzten, um die Wartezeit bis zum Studium zu überbrücken. Dies ist nicht mehr möglich. Heute dauert die anspruchsvolle Ausbildung zum Notfallsanitäter drei Jahre. Diese Zeitspanne überschreitet auch bei den meisten angehenden Medizinstudentinnen und –studenten die Überbrückungszeit auf einen Medizinstudienplatz.« (Carola Lang, Fahrdienstleitung)

Gekommen, um zu bleiben: Andreas Schöwe Leben zu retten und Menschen in Notsituationen zu helfen, sind die Ziele des Rettungsdienstes. Was aber, wenn die Gesundheit eines Mitstreiters dabei zu kurz kommt? Andreas Schöwe ist seit 26 Jahren beim ASB – und kennt ihn nach seiner Versetzung vom Rettungs- in den Bürodienst tatsächlich in- und auswendig. »Solange es meine Gesundheit irgendwie Andreas Schöwe: »Mein Arbeitsleben erfuhr zulässt, werde ich versuchen, meinen eine radikale Änderung: weg vom helfenden Teil beizutragen«, sagt er. Seine Vita Arbeiten mit Menschen hin zur Büroarbeit. zeigt: Es ist ihm ernst damit.

Auch wenn mein Herz immer noch am aktiven Rettungsdienst hängt, ist meine neue Aufgabe für mich das sprichwörtliche glückliche Ende.«

1993

1994

2005

2011

2014

Nebenamtliche Tätigkeit als Rettungsassistent beim ASB München Wechsel ins Hauptamt. Koordinierungszentrale für den ASB Intensivtransportwagen und -hubschrauber; dann Rettungsdienst im Vollschichtbetrieb mit Einsatz auf der Feuerwache 7.

Wechsel auf den Tagdienst-RTW mit festen Dienstzeiten, da sich infolge des langjährigen Vollschichtdienstes Schlafstörungen eingestellt hatten; Beginn der Betriebsratstätigkeit – zunächst als einfaches Mitglied, später als Vorsitzender.

Erkrankung der Halswirbelsäule, OP, Reha, Freistellung vom Lastenheben; aufgrund der Berufsunfähigkeit im Bereich Rettungsdienst; Umschulung zum Industriekaufmann; ruhendes Arbeitsverhältnis mit dem ASB. Wiederbeschäftigung beim ASB in einer neu geschaffenen Stelle im Bereich Verwaltung

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Rettungsdienst

Routine im Akkord

Ein Rettungseinsatz mit Richard Hahn Die Zeit scheint unterschiedlich schnell zu vergehen, wenn Richard Hahn mit Blaulicht und Sirene zum Einsatzort unterwegs ist: Draußen ist die hohe Geschwindigkeit, mit der sich der sperrige Rettungswagen durch den Stadtverkehr schlängelt. Im Innern des Fahrzeugs herrscht im selben Moment konzentrierte Ruhe. Dort bespricht Richard mit seiner Beifahrerin den Einsatz und bedient nebenher Sirene und Blaulicht, als wären sie ein organischer Teil von ihm. »Wenn man neu ist, ist das noch aufregend, da lässt man die Sondersignale im Zweifel auch mal durchgängig an, weil man die Sonder- und Wegerechte im Straßenverkehr nur hat, wenn beides angeschaltet ist«, sagt Richard. Für den 55-Jährigen sind Blaulicht und Martinshorn nach 30 Jahren im Schichtdienst jedoch normaler Bestandteil des Fahrens.

Fahren, wie er will, kann er trotzdem nicht. Szenen wie im Actionfilm, wo in der historischen Altstadt schon mal links und rechts die Fassaden splittern, gibt es in der Realität nicht. Die größte Zerstörung, die Richard bisher verursachte, war ein ramponierter Vorgarten. »Ich darf zwar in der Stadt die höchste zulässige Geschwindigkeit fahren, aber nur, wenn dabei nichts passiert. Sonst muss ich mich fragen lassen, ob das nötig war – vom Arbeitgeber und von der Versicherung«, sagt er. Auf die Besonnenheit der anderen Verkehrsteilnehmer verlässt er sich dabei lieber nicht.

Wenn eine von drei Spuren frei sei, führen schon mal alle auf die freie Spur, erzählt er, »man rechnet am besten immer mit dem Unwahrscheinlichsten«. Innerhalb des Stadtgebiets schafft er es meist trotzdem, in weniger als der sogenannten Hilfsfrist von zwölf Minuten am Einsatzort zu sein. Im Durchschnitt seien es acht bis zehn Minuten.

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Richard behält seine Ruhe am Einsatzort bei. Zielgerichtete Wege sparen mehr Zeit als wildes Herumgerenne. Was für die Patienten rasend schnell geht, sind für ihn automatisierte Griffe: nach der Vakuummatratze im Rettungswagen, zum EKG, zum Patienten. Richard spricht verbindlich und deutlich, während die Erstversorgung beginnt. Vielen Patienten helfe es bereits, »wenn sie mit einem NotNotfallsanitäter Richard Hahn ist seit 1983 beim ASB. fall nicht mehr allein sind«.

Für emotionale Beteiligung bleibt Richard während des Einsatzes keine Zeit, die komme häufig erst nachträglich. Aber auch dann sind es weniger schwere Verletzungen, die ihn beschäftigen. »So seltsam das klingt, aber das wird Routine«, sagt er. Nachdenklich mache ihn eher, »dass früher Stille war, wenn wir um drei Uhr morgens durch die Fußgängerzone fuhren, wo heute vor jedem zweiten Haus jemand schläft«.

In seiner Acht-Stunden-Schicht fährt Richard in der Regel sechs Einsätze. Mehr sind kaum zu schaffen, weil die Fahrzeugreinigung nach der Fahrt ins Krankenhaus ebenso dazugehört wie ein umfangreiches Protokoll. Dort ist dann nüchtern von Reanimationen nach Vergiftung, einem Herzinfarkt oder tätlichem Angriff nach einer Stichverletzung zu lesen – aber auch von all dem, was laut Richard längst nicht immer schlimm und traurig sei. »Wir haben nicht immer nur mit Tod und Schrecken zu tun«, sagt er. Auf etwa 80 Prozent schätzt er den Anteil medizinischer Bagatellen. »Das ist für die Patienten trotzdem eine Notsituation«, betont er, »aber wir schauen eben von außen drauf.« Hinzu kommen Momente, an die er sich gern erinnert. An die über 20 Geburten zum Beispiel, die er in seiner Laufbahn schon begleitet hat. Das seien »beeindruckend schöne Einsätze, weil sich am Ende alle freuen«. Auch das nimmt Richard nach der Schicht mit nach Hause, wenn er den Wagen und die Verantwortung an die Kollegen übergibt.

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Krisen-Interventions-Team

Ersthelfer für die Psyche: Das KIT-München Das Krisen-Interventions-Team KIT-München betreut, berät und begleitet jedes Jahr etwa 2 000 Menschen, die unmittelbar nach einem außergewöhnlichen Vorfall unter schweren psychischen Belastungen leiden oder unter akutem psychischem Schock stehen.

Das KIT-München wird von der Leitstelle angefordert, wenn sich Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst mit Personen konfrontiert sehen, die als Hinterbliebene, Vermissende oder Zeugen keine notfallmedizinische Versorgung benötigen – wohl aber psychosoziale. Statistisch 2,5mal wird das KIT-München in München täglich angefordert. Großeinsätze ziehen sich mitunter über mehrere Tage. In jeder normalen Schicht werden zwei Ehrenamtliche für den Einsatz und eine Einsatzleitung eingeteilt.

Zu den Einsatzgebieten des KIT-München gehören neben Todesfällen unter besonderen Umständen Selbsttötungen, der Tod eines Kindes und das Überbringen von Todesnachrichten an Hinterbliebene in enger Zusammenarbeit mit der Polizei. Auch Betreuungen nach einer massiven Gewalterfahrung wie Überfall, Mord oder Tötung, Geiselnahme oder (sexueller) Gewalt fallen in den Aufgabenbereich des KITMünchen, dasselbe gilt für Brände mit Schwerverletzten oder Toten sowie Evakuierungen oder Vermisstensuche.

Ein weiteres Aufgabenfeld sind schwere Verkehrs-, Schienen- oder Arbeitsunfälle.

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Ausbildung in der KIT-Akademie · ca. 1,5 Jahre Ausbildungsdauer · Voraussetzungen: bei Ausbildungsende mindestens 25 Jahre alt, rettungsdienstliche Ausbildung oder Bereitschaft dazu, physische und psychische Eignung, erweitertes polizeiliches Führungszeugnis ohne Eintrag · Bewerbungsgespräch und Probeschichten, anschließend · KIT-Kurs: 100 Unterrichtseinheiten theoretische Ausbildung, Rollenspiel und Bestehen der Prüfung · Einführungsseminar für zukünftige Ehrenamtliche im KIT-München · mindestens 1 Jahr mentorbegleitete praktische Ausbildung · Teilnahme an Supervisionen/ Fortbildungen/ Praktikantentreffen · Prüfungsgespräch · zweite Mentoren-Phase für den fließenden Übergang ins Team

Speziell ausgebildete und erfahrene MitarbeiterInnen des KIT-München sind ehrenamtlich an 365 Tagen rund um die Uhr in Bereitschaft oder im Einsatz.

Obwohl Großeinsätze medial häufig größere Beachtung erfahren, betont KIT-Gründer Dr. Andreas Müller-Cyran, »dass die alltäglichen Dinge – wie ein unerwarteter Todesfall – für die Betroffenen häufig die größte denkbare Katastrophe darstellen«. Die durch das KIT angebotene Versorgung bei Individualereignissen ist ein Pionierprojekt, das international als Vorbild dient. Denn in vielen Ländern gibt es diese Form der psychosozialen Unterstützung zwar, bisher aber lediglich nach Terroranschlägen oder Katastrophen. »Unser Ansatz ist es darüber hinaus, bei alltagsnahen Katastrophen den Grad an Unterstützung zu geben, die der Dimension gerecht wird, die solche Ereignisse für den Einzelnen haben«, sagt Müller-Cyran.

Unabhängig von der Einsatzart steht die Haltung zu den Betroffenen im Fokus der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Um sie in der Ausnahmesituation zu stärken und zu einem Umgang mit dem Ereignis zu befähigen, appellieren die Einsatzkräfte an die Stärken der Person und deren Umfeld. »Es ist sinnvoll, zurückhaltend in die Situation zu gehen und nicht als derjenige aufzutreten, der alles weiß und schon alles erlebt hat«, sagt Müller-Cyran.

Im Auftrag der Bundesregierung: Auslandseinsätze Bei Verkehrsmittel-Unfällen, Katastrophen, terroristischen Anschlägen oder einem Amoklauf wie im OEZ München kann diese Aufgabe nicht von der diensthabenden Schicht allein bewältigt werden. In derartigen Fällen werden alle gut 45 Ehrenamtlichen per SMS benachrichtigt. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich so innerhalb einer Stunde ein Team von mindestens zehn Helfern mobilisieren lässt.

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Krisen-Interventions-Team

Ausnahmen im Einsatz bilden die Auslandseinsätze, zu denen das Auswärtige Amt das KIT erstmals nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in New York und seitdem immer wieder anforderte. Logistische Hürden stellen sich den Einsatzkräften dabei kaum in den Weg, weil sie im Auftrag der Regierung reisen und entsprechend bevorzugt behandelt werden. Was sie vor Ort erwartet, ist hingegen nicht immer vorhersehbar. Einzig eine persönliche Gefährdungslage wird sowohl durch die reisebedingte zeitliche Verzögerung als auch die Einschätzung des Auswärtigen Amtes vorab weitestgehend ausgeschlossen, auch wenn das Team nach dem Erdbeben im japanischen Fukushima beispielsweise den Nachbeben ausgesetzt war.

Unklare Lage: Der Amoklauf im OEZ Eine extreme Ausnahme bildete 2016 der rechtsextremistisch motivierte Amoklauf im Münchner OlympiaEinkaufszentrum, weil die zeitliche Verzögerung entfiel und das KITMünchen in einer unsicheren Situation in Abstimmung mit der Polizei operieren musste. Das sei eine Ausnahmesituation in der Ausnahmesituation gewesen, sagt Müller-Cyran, denn grundsätzlich gelte: »Sicherheit kann nur vermitteln, wer sich selbst sicher fühlt.« Und Sicherheit ist das, was Menschen, die eben ein Attentat überlebt haben, als Erstes und Wichtigstes brauchen.

Als das Team nach dem verheerenden Tsunami nach Thailand flog, gingen die Eindrücke nicht spurlos an ihm vorbei. Beim Abflug war von zwölf deutschen Opfern gesprochen worden – tatsächlich waren es fast 600. »Das sind Einsätze, bei denen uns die Heftigkeit des Ereignisses überrascht«, sagt Müller-Cyran. Ähnliches berichtet Dr. Dominik Hinzmann: Er leitete das KIT-München 2015 bei der Betreuung der Angehörigen nach dem Absturz der Germanwings-Ma72

KIT-Einsätze im Ausland · Terroranschlag in New York · Busunglücke in Siófok/Ungarn, Lyon/Frankreich, Vincenza/Italien, bei Prag/Tschechoslowakei · Tsunami/ Thailand · Konflikt im Libanon (Evakuierung) · Tsunami/Japan · Schiffsunglück Costa Concordia/ Italien · Flugzeugabsturz Germanwings/ Frankreich · Terroranschläge Paris (Stade de France, Bataclan)

11. September 2001: Mitarbeiter des KIT-München koordinieren ihre Einsätze von einem New Yorker Büroraum aus, der ihnen vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt wurde.

Blumenmeer nach dem Amoklauf am Münchner OEZ (Olympia-Einkaufszentrum) 2016

Dr. Andreas Müller-Cyran umgeben von weiteren Helfern beim Katastropheneinsatz nach dem Tsunami in Thailand

17 Mitarbeiter des KIT-München betreuten deutsche Angehörige, die nach Frankreich zum Absturzort der Germanwings-Maschine reisten. Die Nähe zur Unfallstelle hilft den Hinterbliebenen, das unbegreifliche Ereignis begreiflicher werden zu lassen.

schine in den französischen Alpen.

Trotz jahrelanger Erfahrung mit Ausnahmesituationen »haben wir dort emotionale Momente erlebt, die an die Nieren gingen«.

Weil sich die Angehörigen damals nicht an der schwer zugänglichen Absturzstelle verabschieden konnten, regte Hinzmann an, einen Stein mit nach Hause zu nehmen. Die Arbeit des KIT-München hat nichts mit Schönfärberei zu tun, sondern meist mit harten Wahrheiten, die es so behutsam wie möglich, aber dennoch in aller Deutlichkeit zu überbringen gilt. Ein Patentrezept hat Hinzmann dafür nicht. »Oft sind es kleine Signale; das Taschentuch reichen oder ein Trost spendendes Wort«, sagt er.

Er »beurteile oft aus der Erfahrung heraus, was im individuellen Fall zu tun ist«.

Das KIT-München leistet bei Auslandseinsätzen keine humanitäre Hilfe, sondern kümmert sich explizit um deutsche Staatsbürger. Diese Grenze sei notwendig, manchmal aber schwer einzuhalten, gibt Müller-Cyran zu. In Thailand sei es angesichts der immensen Zerstörung hilfreich gewesen, zu sehen, wie parallel die internationale Hilfe anlief. »Wir konnten uns dadurch besser auf unseren Auftrag konzentrieren«, 73

Krisen-Interventions-Team

sagt er, »denn Leute zurückzulassen, von denen man den Eindruck hat, dass sie sich selbst überlassen bleiben, ist kein gutes Gefühl.« »Es gab wenig Forschung und viele Widerstände« Dr. Andreas Müller-Cyran ist ehrenamtlicher Rettungsassistent und Gründer des Krisen-Interventions-Teams München – kurz KIT-München – im ASB. Er ist Doktor der Psychologie und leitet hauptberuflich die Notfallseelsorge in der Erzdiözese München und Freising.

Als »Gründungsmythos« für die Entstehung des KIT-München gilt der tödliche Verkehrsunfall eines Kindes. Welchen Stellenwert hatte dieser Einsatz tatsächlich für den Aufbau der Krisenintervention?

Dr. Andreas Müller-Cyran: Diesen Einsatz gab es, aber er steht stellvertretend für die immer wiederkehrende Erfahrung vieler Rettungskräfte, dass in einer Versorgung, in der kein Platz für die Angehörigen ist, etwas fehlt. Meine Chance war, dass ich aufgrund meines beruflichen Umfelds und meiner Ausbildung die Möglichkeit hatte, Lösungsansätze dafür in eine Struktur und ein System zu überführen.

Wie ist man vor Gründung des KIT-München mit Situationen umgegangen, in denen Angehörige oder Zeugen offensichtlich Probleme mit dem Erlebten hatten?

Man muss es so offen sagen: nach Gutdünken. Die Kollegen haben es trotzdem versucht, aber es war im Einsatzrahmen eigentlich nicht vorgesehen. Darüber hinaus wussten wir einfach wenig. Um in einer solchen Situation die richtige Ansprache zu finden, braucht man relativ differenziertes psychotraumatisches Grundwissen. Das hatten wir alle nicht, und das stellte auch niemand zur Verfügung.

Das heißt, dass man Menschen damit im Grunde alleinlassen musste?

In letzter Konsequenz ja. Wir mussten uns für den nächsten Einsatz bereithalten. Aber die Situation war sehr unbefriedigend, weil wir gemerkt haben, dass wir die Menschen mit Eindrücken alleinlassen, an die sie sich ein Leben lang erinnern werden. Ich erinnere mich an Zeiten, zu denen wir beklommen in der Wohnung standen und irgendwann den Piepser aus- und wieder eingeschaltet haben, weil der dann ein Geräusch machte und man sich unter diesem Vorwand 74

Dr. Andreas Müller-Cyran wurde 2013 das Bundesverdienstkreuz durch Bundespräsident Joachim Gauck verliehen.

aus der Situation befreien konnte. Aber glücklich war damit niemand.

Woran liegt es, dass die psychische Gesundheit unmittelbar Beteiligter oder Betroffener so lange kaum eine Rolle spielte? Hat das damit zu tun, welchen Stellenwert psychische Unversehrtheit in der Wahrnehmung hat und hatte?

Durchaus. Die Zeit, in die die Gründung des KIT-München fällt, war eine Zeit, in der Psychotraumatologie in Deutschland bestenfalls in den Kinderschuhen steckte – auch akademisch. Es gab ganz wenig Forschung – dafür aber viele Widerstände in Bezug auf das Thema.

Welche Idee lag der Gründung des KIT-München konkret zugrunde?

Wir haben in unserer Gesellschaft in den letzten 30 Jahren sehr gute Strukturen aufgebaut, wenn es um den langsamen Tod geht: Es gibt Palliativmedizin, Hospizvereine. Das ist gut so. Im Rettungsdienst haben wir es aber mit einem plötzlichen Tod zu tun. Der wird gerne verdrängt, ist gesellschaftlich aber relevant, weil bis zu 25 Prozent der Menschen plötzlich oder unerwartet sterben. Mit dieser täglichen Realität wird sich zu wenig beschäftigt. Aber genau dieser Realität müssen wir uns in unserer Gesellschaft stellen.

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Krisen-Interventions-Team

So fuhr man 1997 zur Einsatzstelle (l.), das Nachfolgefahrzeug war bereits mit Blaulicht ausgestattet.

Wo setzt die Krisenintervention genau an?

Wir sind als Rettungskräfte im Kampf gegen den plötzlichen Tod oft hilflos und ohnmächtig. Wenn wir bei einem Einsatz mit einem Toten konfrontiert werden, verdeutlicht das, dass wir die fundamentale Hilfe – nämlich den Toten wieder lebendig zu machen – nicht leisten können. Es ist deshalb unsere Aufgabe, mit den Trauernden einen Weg zu finden, mit dem, was sie erlebt und erlitten haben, umzugehen. Außerdem kommt uns eine Brückenfunktion bei der Vermittlung in die psychosoziale Regelversorgung zu. Wir setzen nur einen ersten Impuls.

Sind solche Situationen nicht auch für die Ehrenamtlichen des KITMünchen belastend? Wer macht die Krisenintervention bei der Krisenintervention?

Wenn ich mich in klaren Strukturen sicher bewege und gelernt habe, was ich umsetzen soll, belastet die Arbeit deutlich weniger, denn belastend sind immer Situationen, in denen ich selbst hilflos bin. In der Nachbearbeitung ist die wichtigste Ressource, dass wir uns untereinander gut austauschen. Arbeiten im Team ist eine große Hilfe. Wir sind aber auch alle in Supervision. Wir sprechen dort über Situationen, mit denen wir hadern, weil es Schwierigkeiten oder eine Fehleinschätzung gab. Wir kommen ja nicht aus jeder Betreuungssituation als Helden heraus. Manchmal gibt es einen bitteren Nachgeschmack oder Zweifel.

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Warum ist Krisenintervention nicht längst Bestandteil der staatlichen Grundversorgung?

Es geht im Kern um die Frage, ob ein psychosozialer Notfall als solcher anerkannt wird und damit Bestandteil der Gefahrenabwehr ist. De facto ist er das – aber es gibt weder entsprechende Gesetze noch Finanzierung. Bisher ist das KIT-München eine rein ehrenamtliche Abteilung. Der ASB muss auch nach wie vor viel finanzieren – weder Ausbildung noch die ehrenamtliche Tätigkeit haben irgendeinen finanziellen Hintergrund. Das kommt erst langsam in der Politik an. Außer der Landeshauptstadt München und dem Landkreis München, die einen kleinen finanziellen Zuschuss geben, finanziert die Arbeit niemand. Die staatliche Seite nimmt das bisher nur am Rande zur Kenntnis. Ich bin diesbezüglich immer wieder in Gesprächen, ich betrachte es auch als meine Aufgabe, dass wir da vorankommen.

KIT-Akademie Die Referentinnen und Referenten der KIT-Akademie sind erfahrene Mitarbeiter des KIT-München sowie Kolleginnen und Kollegen von Kooperationseinrichtungen.

KIT-Basisausbildung Peritraumatische Krisenintervention Dieser Kurs vermittelt die Grundlagen der Krisenintervention in der Akutphase der Belastung. Weil die Hilfe möglichst unmittelbar nach dem belastenden Ereignis in der peritraumatischen Phase stattfinden soll, beinhaltet der Kurs eine Einführung in die Psychotraumatologie.

KIT-Vollausbildung Psychosoziale Notfallversorgung für Betroffene (PSNV-B) Dieser Kurs bereitet auf die Krisenintervention im Rettungsdienst vor. Hierfür werden Kenntnisse der Psychotraumatologie in der Akutsituation sowie Wissen im Umgang mit Stress vermittelt. Die Kommunikation mit Menschen nach hoch belastenden Ereignissen und auch der Umgang mit fremden Kulturen und Religionen werden genauso thematisiert wie die rechtsmedizinischen Richtlinien und Verhaltensweisen am Tatort. Die Weiterbildung umfasst 98 Unterrichtseinheiten.

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Intensivtransportwagen ITW

Intensivmedizin auf Rädern – der ITW

Für die schnelle Beförderung kranker oder verletzter Menschen durchzieht München ein engmaschiges Netz aus Krankentransport und Rettungswesen.

Doch was passiert, wenn ein Patient nicht transportfähig ist, aber trotzdem zwingend von A nach B muss? Etwa, weil er eine Operation, ein Intensivbett oder eine Spezialbehandlung benötigt? Bis vor 30 Jahren wurden in diesem Fall mehr oder minder geeignete Notlösungen gewählt, die nicht immer schonend waren und die Patienten in ihrem Genesungsprozess mitunter empfindlich zurückwarfen. »Früher war es leider so, dass man den Patienten zum Verlegen im Zweifel in tiefe Narkose versetzen musste«, erinnert sich Wolfgang Becker. Auf ausdauerndes Betreiben des damaligen ASB-Geschäftsführers Peter Kleber konnte 1991 der erste Intensivtransportwagen (ITW) in München seinen Dienst aufnehmen. An seiner Konzeptionierung war der ASB maßgeblich beteiligt.

Diese »fahrende Intensivstation« hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stetig weiterentwickelt. »Wir sind mittlerweile bei einem Zwölftonner angekommen«, sagt der leitende Notfallsanitäter des Fachbereichs bodengebundener Intensivtransporte. Die schwere Ausstattung im kofferförmigen Aluminium-Gehäuse des Wagens ermöglicht es, Patienten ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend zu beatmen, mit Dauer- Aufgaben des ITW medikation zu versorgen und genau zu überwachen. Der Blutdruck wird inva- · terminierter Interhospitaltransfer in Spezialkliniken siv gemessen, es gibt genügend Platz für · Interhospitaltransfer bei akuter spezielle Zusatzgeräte und das jeweilige Verschlechterung des Zustands Fachpersonal. oder bei OP-Komplikationen Obwohl die Standardbesatzung aus zwei · Postoperativer InterhospitaltransNotfallsanitätern bzw. Rettungsassistenfer zum Intensivplatz oder in ten und einem Notarzt bestens ausgebilFrüh-Rehabilitation det ist, greift sie während der Fahrt im · reguläre Notarztversorgung im Idealfall wenig ein. »Wir versuchen den Münchner Stadtgebiet Patienten möglichst stabil zu haben, be78

Der ASB Intensivtransportwagen der 5. Generation vor der Geschäftsstelle und Rettungswache Sendling/Westpark.

ITW Neuperlach 1. Generation im Hinterhof der Rettungswache Sendling 1990 (l.) und ITW der 2. Generation 1991 (r.)

ITW der 3. Generation von 1999 (l.) und ITW der 4. Generation 2005 (r.)

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Intensivtransportwagen ITW

vor wir abfahren«, sagt Becker. Grund dafür ist, dass auch eine fahrende Intensivstation ein LKW bleibt, in dem man auf der Autobahn besser weder herumläuft noch einen Patienten behandelt. Jeder Fahrt geht deshalb eine akribische Vorbereitung voraus. »Für einen Transport gilt: Er muss sicher und gesichert sein«, sagt Becker, und ergänzt: »Ab dem Moment, in dem ich den Motor anlasse, muss ich mir sicher sein, dass der Transport bis zum Ende durchführbar ist.« Auch beim Steuern des ITW ist Weitblick der Wolfgang Becker, Fachbeentscheidende Faktor: Um den Organismus reichsleiter bodengebundener des Intensivpatienten möglichst wenig durch Intensivtransport, ist seit 2003 Erschütterungen sowie Beschleunigungs- oder beim ASB und maßgeblich an der Bremsmanöver zu belasten, gibt es neben der Entwicklung und Optimierung normalen Bremse einen elektrodynamischen der ITWs beteiligt.

Retarder. Die Wirbelstrombremse drosselt den Motor sanfter, erfordert aber vorausschauenderes Fahren. Denn obwohl der Transport so zügig wie möglich vonstattengehen soll, ist ein zentrales Grundbedürfnis des Patienten auch unterwegs: Ruhe.

In der Vergangenheit bestand das Equipment des ITW oft aus vielen einzelnen Elementen, was die Arbeit erschwerte. Heutzutage wird eine Spezialliege verwendet, an die alle Geräte angebaut sind.

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Innenausstattung ITW heute (o.) und in den 90ern (u.)

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Intensivtransporthubschrauber ITH

Rettung aus der Luft: Christoph München 1990 wurde der Ambulanzhubschrauber »Sama Bayern-Süd« erstmals in Betrieb genommen – anfänglich zur Verlegung von Intensivpatienten. Heute ist der Hubschrauber Christoph München auch für Notfälle im Einsatz. Durchschnittlich fliegt er drei bis vier Einsätze am Tag. 6.15 Uhr. Tobias Schumanns Arbeitstag beginnt in einem Flachbau hinter dem Klinikum Großhadern mit dem Anlegen seiner Dienstkleidung.

6.30 Uhr. Der Nachtdienst übergibt den Rettungshubschrauber Christoph München an Notfallsanitäter Schumann und den Rest der Tagcrew.

7.00 Uhr. Schumann, ein Arzt und ein Pilot besprechen Wetterlage und terminierte Flüge. Es ist der letzte Tagesordnungspunkt, der sich planen lässt. »Wir sind eigentlich ein klassischer Intensivtransporthubschrauber«, sagt Schumann, »aber wir machen auch die ganze Notfallrettung in der Nacht und wenn Christoph 1 schon anderweitig unterwegs ist.« Intensivtransporte werden meist langfristig geplant. Zwei bis drei Stunden dauern diese Einsätze, bei denen Patienten von einer Klinik in eine andere geflogen werden. »Das liegt daran, dass wir im Hubschrauber wenig Platz haben«, erläutert Schumann, »wir versuchen die Patienten deshalb so stabil und versorgt einzuladen, dass wir unterwegs möglichst wenig machen müssen.« 82

Checkliste vor dem Start · Ist genug Sprit an Bord? · Werden Kontrollzonen überflogen? · Erlaubt das Wetter eine sichere ­Landung am Ziel? · Ist der Patient stabil? Stimmen die Daten? · Sind alle Geräte an Bord? · Ist der Hubschrauber nicht zu schwer?

Wer ist Christoph?

Alle Rettungshubschrauber in Deutschland führen den Namen Christoph und unterscheiden sich lediglich durch eine Zahl oder ihren Standort dahinter. Sie sind nach dem Heiligen Christophorus benannt, der zu den 14 Nothelfern zählt. Der Riese wird als Beschützer der Reisenden verehrt, weil er sie der Legende nach über einen tiefen Fluss trug. Einmal trug er das Jesuskind.

ASB Notfallsanitäter Tobias Schumann bei seiner 12-StundenSchicht am Hangar in München-Großhadern.

Er hat eine Zusatzausbildung zum HEMS TC (Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew Member).

Der Hubschrauber ist mit allem bestückt, was zur Intensivund Notfallversorgung nötig ist. Die Herausforderung ist der fehlende Platz. Zwar wird der Hubschrauber beim Landeanflug für den Betrachter größer und größer, der gewaltige Propeller plättet das Gras ringsum und zerzaust die Bäume vor dem Gebäude. »Von außen schaut er wirklich riesengroß aus, aber alles oberhalb der Fenster ist Triebwerk und TechTrotz Wind und Wetter Christoph München bleibt nur bei starkem Nebel oder Sturm über 50 Knoten bzw. 92 km/h, gefrierendem Regen und starkem Schneefall am Boden. Davon abgesehen trotzt die Crew allen Wetterlagen. Im Inneren ist das zu spüren: Das gesamte Transportmittel vibriert und schaukelt. »Es ist wie auf einem kleinen Segelschiff«, sagt Schumann, »wenn man irgendwo etwas ablegt, muss man es anschließend ganz sicher suchen.«

Hubschrauber mit ASB Intensivtransportwagen vor dem Krankenhaus Großhadern 1995 83

Intensivtransporthubschrauber ITH

nik, und alles unterhalb der Tür ist Tank und Technik«, sagt Schumann. Es gibt nur wenige Kubikzentimeter Innenraum, die ungenutzt bleiben.

7.30 Uhr. Wenn Funkalarmmelder und Handy stumm bleiben und Schumann nicht zu einem Notfalleinsatz in den Hubschrauber steigen muss, stehen Tagesaufgaben an. Darunter fallen jede Menge wenig glamouröse Tätigkeiten, die für den reibungslosen Ablauf im Notfall und die Patientensicherheit entscheidend sind.

Weil der Hubschrauber nie abgemeldet wird, lässt sich kein Zeitfenster Begrenzter Stauraum für eine Scheuerdesinfektion ansetzen. »Aus diesem Grund machen wir Der Hubschrauber ist für alle medizidas fortlaufend Stück für Stück«, sagt nischen Eventualitäten ausgerüstet – Schumann. Medikamente müssen allerdings in niedriger Stückzahl. »Wir kontrolliert, aufgefüllt und ausge- versuchen, uns bei einfachen Dingen tauscht werden. Jemand muss die Post wie Infusionen oder Verbandspäckchen von den Einsatzkräften vor Ort holen und die Wäsche waschen. Die unterstützen zu lassen, damit wir nicht Luftrettung sei eine autarke Einheit: zum Auffüllen zurückfliegen müssen, »Wir machen alles selber.« wenn wir gleich den nächsten Einsatz haben.« (Tobias Schumann) 12.00 Uhr. Vielleicht Mittagspause.

Vielleicht auch nicht. Es gibt keine feste Uhrzeit für Pausen. Dafür befinden sich mehrere Aufenthaltsräume und eine voll eingerichtete Küche im Haus, denn verlassen dürfen Schumann und seine Kollegen ihren Stützpunkt während ihrer Zwölf-Stunden-Schichten nicht. »Die Mutigen kochen«, sagt Schumann und lacht.

Er selbst traue sich »maximal Nudeln mit Pesto«. Standard sind Mikrowellengerichte oder Tiefkühlpizzen: »Alles, worum es nicht so schade ist, wenn es letztlich doch nur kalt wird.« Denn ob Zeit für ein entspanntes Essen bleibt oder nicht, weiß am Morgen niemand. »Wenn viel los ist, ziehen wir auch mal zwölf Stunden voller Einsätze durch«, sagt Schumann. An »Inter-Hospital-Transfer« Hubschrauber anderen Tagen bleibt Zeit, bei den Ta- innen 1995 (u.) und 2020 (o.) gesaufgaben vorzuarbeiten.

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Die Crew: Am Tag besteht die Besatzung aus einem Piloten, einem Notarzt und einem Notfallsanitäter mit der Zusatzausbildung zum HEMS TC. Auch Schumann hat diese Zusatzausbildung, die es ihm erlaubt, den Piloten im Cockpit zu unterstützen. »Fliegen kann und darf ich aber nicht«, sagt er. Bei Nachtflügen kommt deshalb zur Sicherheit ein zweiter Pilot hinzu. Es gebe immer noch Menschen, die Hubschrauber mit einem Laser blendeten. Dann übergibt der geblendete Pilot an seinen Assistenten.

Am 20. November 1990 wurde der Ambulanzhubschrauber »Sama Bayern-Süd« in Zusammenarbeit zwischen dem AERO-Dienst Nürnberg, dem ArbeiterSamariter-Bund München sowie dem Institut für Anästhesiologie und der Chirurgischen Klinik des Klinikums Großhadern in Betrieb genommen.

An der Station München werden zwei Inkubatoren vorgehalten. Der abgebildete Space Pod Inkubator wird zusammen mit Teams der Neonatologie des Klinikums Großhadern betrieben.

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Rettungshundestaffel

Vom Suchen und Finden – die ASB-Rettungshundestaffeln Wenn nachts um zwei das Telefon klingelt, reagieren die wenigsten mit gesteigertem Tatendrang. Bei Rettungshund Aquim ist das anders.

Der acht Jahre alte Rüde »hat eigentlich immer Lust, zu suchen«, sagt seine Hundeführerin Anke Boysen. Boysen war langjährige Leiterin der ASB-Rettungshundestaffel München, die von der Polizei regelmäßig für die Suche nach Vermissten angefordert wird. Ihren Antrieb für rund 30 ehrenamtliche Sucheinsätze im Jahr kann die Fachschwester für Intensivmedizin kurz und knapp zusammenfassen: »Ich möchte meinen Beitrag leisten. Es gehört zu meiner Lebenseinstellung, mich ehrenamtlich zu engagieren.« Von ihrem Hund erwartet sie diese Einstellung dagegen nicht. »Man darf sich nicht vorstellen, dass der Hund Menschen suchen würde, um Leben zu retten – so denkt ein Hund nicht. Der weiß: Wenn ich Menschen finde, werde ich Historische Eckdaten belohnt«, sagt sie. Der immer gleiche · Ende der 90er-Jahre Gründung der Ablauf des Witterung Aufnehmens, ASB-Rettungshundestaffel München Suchens und am Fundort Bellens wird · 2002 Gründung der Rettungshunmit einem Belohnungssystem erlernt. destaffeln Starnberg-Weilheim für »Manche spielen lieber, andere fressen den südlicher gelegenen Einsatzbelieber was«, sagt Boysen, »wir fragen reich und Ingolstadt für den nördlicheren den Hund, was er mag«. In jedem Fall · 2012 Mitbegründung der SEG muss es sich lohnen.

(Schnell-Einsatz-Gruppe) Rettungs­ Die grundsätzliche Bereitschaft zu hund Oberland. Dieser Ein­sa­tz­­­verseiner Aufgabe bringe Aquim aber

bund besteht aus den Rettungs­ selbst mit. »Die meisten Hunde hahundestaffeln des BRK Weil­heimben von Natur aus exzellente Nasen Schongau, BRK Garmisch-Partenkirund Lust, sie auch einzusetzen«, sagt chen, BRK Bad Tölz-Wolfratshausen, Boysen, »Sucharbeit bedeutet für die Johanniter Peißenberg und der meisten Hunde per se Spaß.« Boysen Rettungshundestaffel des ASB Starnist seit 21 Jahren Mitglied der Retberg-Weilheim tungshundestaffel. Sie begann dort 86

Lagebesprechung vor dem Ausschwärmen: Kaum gibt es grünes Licht für die Suche, flitzen die Rettungshunde auch schon los.

Mit 220 Millionen aktiven Riechzellen sind die Hunde rund um die Uhr, bei Wind und Wetter, im Einsatz.

Anke Boysen mit Rettungshund Aquim bei einer Übung

gar nicht vorsätzlich, sondern weil sie mit ihrem ersten Hund in der Hundeschule angesprochen wurde. Alle weiteren Hunde suchte sie allerdings im Hinblick darauf aus, dass sie sowohl Familien- als auch Suchhund sein sollten.

300 Meter weit riechen – besser als jedes Messgerät Rettungshunde kommen zum Einsatz, wenn Personen verunglückt sind oder vermisst werden. Ursachen dafür sind zum Beispiel eingestürzte Gebäude. Klassische Vermisstensituationen sind Kinder, die nicht vom Spielen nach Hause kommen oder Senioren, die nach einem Spaziergang den Heim87

Rettungshundestaffel

Fester Bestandteil des jährlich stattfindenden Isarinselfests: die Vorführungen der Münchner Rettungshundestaffel.

weg nicht gefunden haben, aber auch Suizide. Rettungshunde können große und unwegsame Gelände in relativ kurzer Zeit gründlich absuchen. Sie spüren Menschen dabei in bis zu 300 Metern Entfernung auf, verschüttete Personen wittern sie noch bis zu einer Tiefe von mehreren Metern.

Das Ziel der Suche ist gar nicht immer, die vermisste Person zu finden, erklärt Boysen: »Manchmal fordert uns die Polizei auch für die gesicherte Information an, dass jemand in einem bestimmten Waldstück sicher nicht ist, damit das für die weitere Suche ausscheidet.« Persönlich belastender als ergebnisloses Suchen seien Einsätze, Welche Hunde können retten? »bei denen man Menschen findet, Grundvoraussetzungen: die zum Beispiel versucht haben, · gut ausgeprägter Gehör- und Geruchssich das Leben zu nehmen oder sinn am Leben sind, sich aber in einer · arbeitsmotiviert Lage befinden, die nicht so einfach · körperlich fit und gesund ist«. · weder zu groß noch zu klein Die Ausbildung eines Rettungshun- · sozialverträglich in Bezug auf Menschen und Artgenossen – Suchen ist deteams, bestehend aus HundefühTeamwork rer und Hund, nimmt circa zwei bis drei Jahre in Anspruch und findet 88

vor Ort in der Rettungshundestaffel statt. Neben Erster Hilfe am Menschen und am Hund sowie Sanitätshelferausbildung umfasst das Training fachspezifisches Wissen um Kynologie, Einsatztaktik, Orientierung im Gelände und Sprechfunk. Am Ende der Ausbildung steht eine Prüfung zur Erlangung der Einsatzfähigkeit, die alle zwei Jahre wiederholt wird. »Entscheidend ist, dass wir unsere Hunde mit Freude und Spaß ausbilden«, betont Boysen, »Zwang oder Druck funktioniert nicht nur bei Menschen nicht.« Zweimal pro Woche trainiert sie mit Aquim. Obwohl die Rettungshunde aus München keine Lawineneinsätze absolvieren, geht es im Winter manchmal zu einer Übungseinheit in den Schnee. »Lawinenarbeit ist Spaß für den Hund, weil Schnee Spaß macht«, sagt Boysen. Auch ein gut trainierter Hund sei keine Maschine, »der hat auch mal einen Tag, an dem er nicht gut drauf ist, aber das muss ich als Hundeführer erkennen und ihn aus dem Einsatz nehmen«. Grundsätzlich aber »hat er eigentlich immer Lust«. Auch nachts – wenn üblicherweise das Telefon für Einsätze klingelt.

Wen fordert die Polizei an? · Flächensuchhunde vorwiegend bei einer Vermisstensuche im Wald · Trümmerhunde bei Gebäudeeinsturz, z. B. nach einer Gasexplosion · Mantrailer (Personenspürhunde) bei der Suche nach vermissten Menschen in urbanem Gebiet oder auch Freiflächen 89

Besuchshundedienst

Wenn Zuhören hilft – der ASB-Besuchshundedienst Auch Hund Benny ist berufstätig – allerdings in einem ganz anderen Bereich als Aquim. Bennys Schlüsselqualifikationen sind seine Ausgeglichenheit, Menschenfreundlichkeit – und seine Ohren. Er ist einer von 27 Hunden vom ASBBesuchshundedienst Ingolstadt. Benny hat Geduld und hört zu: alten und beeinträchtigten Menschen mit und ohne Behinderung sowie Kindern in Schulen und Kitas.

Die tiergestützte Aktivität zielt nicht nur darauf ab, Abwechslung in den Alltag kranker und alter Menschen zu bringen.

Sie soll auch die Kommunikation der Besuchten mit ihrer Umwelt anregen, sie dazu ermuntern, aktiv zu werden und Gefühle wahrzunehmen. Diese Fähigkeiten gehen Menschen im Kontakt mit anderen Menschen manchmal verloren. Sehr hohes Alter, schlechte Erfahrungen, Krankheit oder Ängste sind nur einige von vielen Gründen dafür. Es kommt vor, dass Menschen, die die Kommunikation mit anderen Menschen verweigern, mit Besuchshunden zu sprechen beginnen.

Hunde sind unvoreingenommen und gehen wertfrei auf Menschen zu. Sie kennen keine Berührungsängste und beurteilen nicht nach Äußerlichkeiten. Sie können auf diesem Weg Blockaden und Ängste lösen. Selbst aggressive und ängstliche Menschen werden im Kontakt mit ihnen oft ruhiger. Die Teams besuchen in regelmäßigen Abständen von zwei bis vier Wochen Schulen, Kitas, Senioren- und BehinZahlen und Fakten

Brigitte Höpp mit Kara 90

· 2013: Sonja Weilemann aus der ASB-Rettungshundestaffel Ingolstadt beginnt mit dem Aufbau · 2018: Brigitte Höpp übernimmt die Leitung · 25 Hundehalter und 27 Hunde sind im Team · 7-9 Monate dauert die Ausbildung der Teams

Gäste auf vier Pfoten: Die Gute-Laune-Truppe der Ingolstädter Besuchshunde

derteneinrichtungen sowie Hospize. Sie werden dort oft sehnsüchtig erwartet.

Dankbares Publikum Auch in Schulklassen beeinflusst die Anwesenheit der Besuchshunde das soziale Miteinander. Die Kinder nehmen den vierbeinigen Gast als aufmerksamen, aber wohlwollenden Beobachter wahr. Sie konzentrieren sich dadurch oft besser.

Für Kinder, die Schwierigkeiten beim Lesenlernen haben, sind Hunde eine besondere Hilfe. Vor ihnen genieren sich die Kinder nicht, denn sie kritisieren nicht und lachen nicht aus. Stattdessen liegen oder sitzen sie aufmerksam neben dem vorlesenden Kind und belohnen somit nicht den fehlerfreien Vortrag, sondern das Bemühen der Kinder.

Wie ein Besuchshund vorbereitet wird · Eignungstest · Bett- und Tischarbeit · Gehen am Rollstuhl und Rollator · Spaziergänge mit Doppelleine · Unterordnungs- und Begrüßungsrunden

Wie ein Besuchshundeführer fit für den Einsatz wird

Studien haben gezeigt, dass die Anwesenheit von Hunden in einer Schulklasse das soziale Miteinander positiv beeinflussen kann.

· theoretische Vorbereitung zu den Themen Hygiene, Kynologie, Gefahren beim Hundebesuch, Aufbau von Besuchshundestunden · Erste-Hilfe-Kurs Mensch · Erste-Hilfe-Kurs Hund 91

Motorradstaffel

Schnell und wendig – die Motorradstaffel Seit 2007 ist der ASB nicht mehr nur auf vier Rädern und aus der Luft, sondern auch auf dem Motorrad unterwegs: Die Idee, eine Motorradstaffel zu gründen, hatten Thomas Nindl und Dr. Christian Wolf aber schon früher. Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 waren die Funknetze der Rettungsdienste in München an Spieltagen teilweise überlastet, weshalb die Idee entstand, sogenannte KRAD-Melder für die Übermittlung von wichtigen Nachrichten einzusetzen. Für zukünftige Großveranstaltungen sollten diese der Einsatzleitung einen Überblick über die Verkehrs- und sonstige Lage, z. B. rund um das Fußballstadion verschaffen.

Hinzu kam, dass der ASB München/Oberbayern bereits seit einiger Zeit die jährlich stattfindende BR-Radltour sanitätsdienstlich betreute. Weil der mitfahrende Rettungswagen relativ viel Platz benötigte, um inmitten von 1 200 Radfahrern im Einsatzfall voranzukommen, wurde überlegt, ob für mobile Veranstaltungen dieser Art nicht ein wendigeres und flexibleres Einsatzmittel von Nutzen sein könnte.

Motorradfahrer aus den Reihen des ASB München waren schnell gefunden. Dann galt es, die Basis für die Arbeit zu legen: medizinische Ausstattung, Funkausrüstung und Beklebung der Motorräder im ASB-Design, Bekleidung und Funksprechhelme für die Fahrer, Einsatzgrundsätze, Dienstordnung und Fahrertrainings. Bereits ein Jahr später begleiteten die Motorräder die BR-Radltour zusätzlich zu den bisherigen Einsatzkräften, was sich als außerordentlich erfolgreich erwies. Heute sind die Motorräder als Einsatzmittel bei dieser Veranstaltung nicht mehr wegzudenken.

An allen Wochenenden und Feiertagen zwischen Ostern und Oktoberfest ist zudem immer mindestens ein Motorrad im Raum München/Oberbayern auf »Streife«. Das Die ASB-Motorradstaffel bei der BR-Radltour 92

Von März bis Oktober ist die ASB-Motorradstaffel an Wochenenden auf Oberbayerns Straßen unterwegs.

An Veranstaltungen wie beispielsweise dem Tag der offenen Tür können die kleinen Besucher auf dem Motorrad Probe sitzen.

heißt: Es steht auf den großen Autobahnen und Bundesstraßen als »First Responder« zur Verfügung, um im Auftrag der zuständigen integrierten Leitstelle bei Verkehrsunfällen Erste Hilfe leisten zu können oder bei liegen gebliebenen Fahrzeugen Hilfe anzubieten.

Seit einigen Jahren bieten die Münchner Samariter auch überregionale, internationale Hilfe an. Etwa beim alljährlichen Kitzbühel-Triathlon oder beim Alpen-Rad-Marathon werden die Motorräder vom befreundeten Samariterbund aus Tirol angefordert.

Die Wendigkeit hat sich auch in diesem Bereich als großer Vorteil erwiesen: Insbesondere das im Vergleich zu Rettungswagen leichtere Passieren der oft viel zu schmalen oder nicht korrekt frei gehaltenen Rettungsgasse verschafft den Motorrädern einen deutlichen Zeitvorteil beim Erreichen des Einsatzortes.

Die Staffel besteht mittlerweile aus zwölf medizinisch und motorradtechnisch erfahrenen Mitgliedern – ein Großteil davon gehört zur Gründungsformation. Jährlich legen die Fahrer über 20 000 Kilometer auf den Straßen rund um München zurück und leisten an etwa 70 Tagen pro Jahr fast 1 000 Stunden ehrenamtliche Dienste. Aber Motorräder sind auch bei Präsentationsveranstaltungen gefragt. Vor allem Kinder stehen Schlange, um auf dem Motorrad Probe sitzen zu dürfen. »Natürlich will jeder mal das Blaulicht einschalten«, sagt Nindl, »und vielleicht wird aus dem jungen Motorradfan später einmal ein ganz großer ›Retter‹.« 93

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Angebote für Seniorinnen und Senioren

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Ambulante Pflege

»Dahoam bleibt dahoam« – der ambulante Pflegedienst Es gibt wenig, was Menschen so schwerfällt, wie im hohen Alter ihr Zuhause und damit ihr vertrautes Umfeld zu verlassen, weil sie es und sich selbst nicht mehr alleine versorgen können. Den Ort zurückzulassen, an dem Erinnerungen hängen, wo man jeden Winkel kennt und wo jeder Handgriff sitzt, verunsichert gerade alte oder kranke Menschen zusätzlich. Leistungen der ambulanten Pflege: Ziel des ambulanten Pflegedienstes ist es deshalb, Seniorinnen und Senioren · pflegerische Betreuung diese Erfahrung zu ersparen und ihnen · körperbezogene Pflegemaßnahmen stattdessen dabei zu helfen, ihren Alltag im eigenen Heim mit externer Unter- · Hilfe bei Bewegungseinschränkungen stützung zu bewältigen. · Hilfe bei der Nahrungsaufnahme · Hilfe bei der Haushaltsführung Selbstbestimmt im Alter · Verhinderungspflege Pflegebedürftige Menschen können so · Pflegenachweise §37 SGB XI weiterhin ein selbstbestimmtes Leben 96

ASB Pflegekraft und Patientin bei einer Runde »Mensch ärgere Dich nicht«

in ihrer häuslichen Umgebung und in ihrem gewohnten sozialen Umfeld führen. Sie erhalten Unterstützung bei der Erhaltung ihrer Gesundheit, bei der Genesung oder bei der Rehabilitation. Die pflegerischen Maßnahmen sollen nicht über die Köpfe der Menschen hinweg, sondern mit ihnen gemeinsam entschieden werden: Kooperation und Abstimmung mit dem hilfsbedürftigen Menschen, seinem persönlichen Umfeld und weiteren an der Pflege beteiligten Personen und Institutionen sind zentrale Elemente einer respektvollen Pflege.

Die Sozialstation Laim in den 1990ern In den 1990er-Jahren betrieb der ASB in den Münchner Stadtteilen Laim, Sendling, Altstadt, Schwabing und Behandlungspflege nach dem Krankenversicherungsgesetz: Neuhausen eigenständige Sozialstationen. Deren finanzielle und konzepti· Injektionen onelle Grundlagen wurden bald durch · Wundversorgung die Einführung der sozialen Pflegever· Kompressionstherapie sicherung im Jahr 1997 geprägt. Auch · Medikamentengabe in Reaktion auf die sich ändernde Rolle · Blutdruck- und Blutzuckermessung der Pflege als gesellschaftliche Dienst97

Ambulante Pflege

Ambulante Pflege damals und heute

leistung verlegte der ASB seine Sozialstationen 2004 aus den Stadtteilen in die ASB-Zentrale und betreibt seitdem unter dem Namen »Häusliche Pflege« einen der größeren Pflegedienste in München. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der »Häuslichen Pflege« versorgen circa 60 pflegebedürftige Patienten.

Pflegebedürftige verbinden mit Pflege jedoch oft viel mehr als die bloße Unterstützung bei der selbstständigen Lebensführung. Vor allem für Alleinlebende oder in ihrer Beweglichkeit stark eingeAbgasfrei unterwegs schränkte Menschen ist der Besuch des Pflegedienstes Hilfe und Sozialkontakt · 2015: Der ASB in München setzte in einem: ein Fenster zur Außenwelt. in der Häuslichen Pflege drei vollNach der ersten Assoziation mit dem elektrisch betriebene Smarts ein.

Begriff »häusliche Pflege« befragt, ant- · 2019: Es erfolgte die komplette Umstellung der Flotte auf Elek­ worteten Pflegedienstkunden des ASB tro-Fahrzeuge.

München mit »Aufmerksamkeit«, »Pünktlichkeit«, »Freundlichkeit«, · Für kurze Strecken stehen dem Team E-Bikes zur Verfügung. »Zu­friedenheit« und »Sicherheit«.

Der Besuch des Pflegepersonals habe 98

»enorme Bedeutung« für sie. Neben der vertraglich vereinbarten Hilfestellung schätzen die Pflegebedürftigen an den Besuchen »Abwechslung« und »persönliche Ansprache«. »Wissen, was läuft« – Ansprache als Bestandteil der Pflege Alle Befragten unterstrichen die soziale Komponente, die der Pflegedienst für sie habe. »Kontakt« und »Gespräche« seien »wichtiger Teil« der Pflege. »Unterhaltung«, »Kommunikation« und allgemein mit der Außenwelt »in Kontakt zu bleiben«, um »zu wissen, was läuft« sind Erwartungen, die an die Besuche des Pflegepersonals gekoppelt sind. Ein Bewohner gab gar »Vorfreude darauf, wer kommt« an, und fügte hinzu: »Überraschung!« Die täglichen Besuche verbinden die Pflegebedürftigen mit Verlässlichkeit und Sicherheit. Letzteres war auch die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des eigenen, bekannten Zuhauses. Nicht jeder geht gerne auf Menschen zu – im Alter womöglich noch weniger.

Auch »die Privatsphäre zu wahren« und »Gewohnheit« zu spüren, gaben die Senioren als Beweggründe dafür an, zu Hause wohnen bleiben zu wollen. Oder wie es so schön heißt: »Dahoam ist dahoam.« Abgasfrei unterwegs mit Elektrofahrzeugen

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Wohnen im Viertel

Wohnen im Viertel – Versorgungs­ sicherheit rund um die Uhr Das innovative Wohnprojekt »Wohnen im Viertel« wurde in Anlehnung an das Bielefelder Modell zur Versorgung von Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf gegründet. Der ASB und die GEWOFAG eröffneten den Standort am Innsbrucker Ring im Jahr 2007 als erstes Modellprojekt dieser Art in München mit zehn barrierefreien Wohnungen.

Grundgedanke und zentrales Anliegen von »Wohnen im Viertel« ist es, Versorgungssicherheit rund um die Uhr zu schaffen. Damit soll den hilfsbedürftigen Menschen – auch bei höherer Hilfe- und Pflegebedürftigkeit – trotzdem ein möglichst autonomes Was bietet »Wohnen im Viertel«?

Leben in ihrem eigenen Wohnraum ermöglicht werden. Pflege-, Betreuungs- · Versorgungssicherheit rund um und Hauswirtschaftsleistungen können die Uhr und selbstständig wohjederzeit nach Wunsch und Bedarf annen im eigenen Zuhause an 13 Standorten der städtischen Wohgepasst werden. Eine qualifizierte Pflege, nungsbaugesellschaft GEWOFAG Betreuung und Versorgung ist auf diese in München Weise Tag und Nacht gewährleistet. · Barrierefreie Mietwohnungen der GEWOFAG – auch möbGroße Nachfrage: Der ASB erweitert lierte Wohnungen auf Zeit.

Voraussetzungen, um in das Projekt aufVoraussetzungen mindestens genommen zu werden, sind mindestens Pflegegrad 2 und gültiger Reder Pflegegrad 2 und ein gültiger Regis­ gistrierbescheid des Amtes für trierbescheid vom Amt für Wohnen und Wohnen und Migration Migration. Aufgrund der großen Nach- · Der Ambulante Pflegedienst frage nach Projektwohnungen wurde der des ASB an drei Standorten im Münchner Osten versorgt BeStandort 2011 um vier Wohnungen in wohnerinnen und Bewohner, die der Pertisaustraße erweitert. Zwei weiim Umkreis von 800 m zur Pfletere Standorte in Ramersdorf und in der gestation wohnen Kreillerstraße wurden 2014 und 2016 · Ein Wohncafé als Treffpunkt für unter der Leitung des ASB eröffnet, soalle Anwohnerinnen und Anwohdass derzeit circa 35 Menschen versorgt ner des Viertels: Frisch gekochtes werden können.

Mittagsmenü gegen Gebühr sowie Kaffeenachmittage und VerAuf Zeit im Viertel anstaltungen Darüber hinaus gibt es drei möblierte 100

Eröffnung in München-Ramersdorf mit ASBPräsident Franz Müntefering, ASB-Geschäftsführer Christian Boenisch, ASB-Vorstandsvorsitzendem Dr. Christian Wolf und Dr. Klaus-Michael Dengler, Gewofag-Geschäftsführer.

Für die Wohncafés wird täglich frisch gekocht oder gebacken.

»Pflegewohnungen auf Zeit«. Dieses Angebot richtet sich an Menschen, die nach einem Krankenhaus- oder Reha-Aufenthalt temporär Hilfe im Alltag benötigen.

Bis zu drei Monate lang können die barrierefreien und möblierten Apartments gemietet werden. Auch hier übernimmt der ASB die pflegerische Versorgung. Wenn es den Bewohnern besser geht, kehren sie in ihre eigenen Wohnungen zurück.

Herzstück aller Standorte ist das Wohncafé: Hier treffen sich neben den Bewohnerinnen und Bewohnern des Wohnprojekts auch Ehrenamtliche, Mitarbeiter und Menschen, die im Viertel leben. Es gibt täglich ein frisch gekochtes Mittagsmenü sowie wöchentliche Kaffee- und Spielenachmittage, Vorträge und jahreszeitliche Veranstaltungen. Auch Sommerfeste und Adventsfeiern finden hier statt. »Hier ist immer Leben im Haus«, sagt eine Bewohnerin.

Die Einbindung des Projekts in das In der »Pflegewohnung auf Zeit« lässt es sich in Wohnviertel fördert das Gemeinangenehmer Atmosphäre gesund werden. schaftsleben und bietet Möglichkeiten der Beteiligung und zu bürgerschaftlichem Engagement. Die Gemeinschaft wird bereichert und fördert gleichzeitig die Inte­gration von Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf sowie Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Mittlerweile gibt es »Wohnen im Viertel« an 13 Stand101

Wohnen im Viertel

ASB Pflegekräfte mit einer Bewohnerin

orten in München. Das interdisziplinäre und multikulturelle Team besteht aus Mitarbeitenden in Pflege, Verwaltung, Betreuung und Hauswirtschaft.

Bei »Wohnen im Viertel« steht der Renate G. … wohnt im Viertel Mensch im Mittelpunkt – bei Be- Renate G. wohnt in der Seebrucker Stratreuern wie Betreuten. ße im Münchner Stadtteil Berg am Laim.

Die 63-Jährige hat den Pflegegrad 2 und »Bei ›Wohnen im Viertel‹ nehmen konnte nach einem Schlaganfall nicht wir uns Zeit für die Menschen, und mehr in ihrer alten Wohnung bleiben. man wird als Mensch geschätzt«, Im »Wohnen im Viertel« hat sie ein neues sagt Mersada Vilic, stellvertretende Zuhause gefunden. In der barrierefreien Pflegedienstleiterin mit Leib und Wohnung kommt sie nun mit ihrem Rollstuhl überall hin. »Ich bin dort aufgelebt«, Seele. »Wohnen im Viertel« ist das Wohn- beschreibt sie ihre neue Situation. Die und Versorgungsprogramm der Wohnungen sind gefragt, die Warteliste dafür ist lang. Offenbar hat sich Qualität städtischen Wohnungsbaugesell- herumgesprochen: »Wir sind 24 Stunden schaft GEWOFAG in München. am Tag, sieben Tage die Woche erreichbar«, Seit 10 Jahren ist Vilic bei »Wohnen erklärt Dagmar Frentzen, Bereichsleitung im Viertel« in München beschäf- Pflege und Senioren. »Dafür müssen wir tigt. Die Mutter von zwei Kindern nicht einmal ins Auto steigen. Wir erreihat ihre Karriere dort als hauswirt- chen unsere Kunden bequem zu Fuß oder schaftliche Mitarbeiterin begonnen. mit dem Fahrrad. Die für einen ambulanInnerhalb kürzester Zeit hat sie die ten Pflegedienst teils langen Anfahrtswege Ausbildungen zur Pflegefachhel- entfallen, und uns bleibt mehr Zeit für die ferin und examinierten Altenpfle- Patienten«, fügt sie hinzu. Für Renate G. gerin absolviert und arbeitete als hat sich die Betreuung, seit sie in der Seebrucker Straße wohnt, merklich verbessert: Teamkoordinatorin und Praxisan- »Der Pflegedienst hier ist super«, freut sie leiterin. Im November 2019 hat sie sich, »ich bin mir noch nie so gepflegt vorden Sprung zur stellvertretenden gekommen wie hier.« Pflegedienstleiterin geschafft.

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Mersada Vilic ist stellvertretende Pflegedienstleiterin.

Frau Vilic, wie ist Ihnen diese Karriere gelungen?

Mir hat die Arbeit einfach Spaß gemacht. Der ASB hat mir immer die Möglichkeit gegeben, mich weiterzuentwickeln und hat mich dann während meiner Ausbildungszeit unterstützt. So brauchte ich z. B. in den Lernphasen fast keine Wochenenddienste zu machen.

Was ist denn das Besondere an Ihrer Arbeit bei »Wohnen im Viertel«?

Bei »Wohnen im Viertel« nehmen wir uns Zeit für die Menschen. Dies ist möglich, da unsere Pflegekunden alle im Umkreis von 800 Metern um die ASB-Pflegestation wohnen. Manchmal sind es nur fünf Minuten, in denen wir uns mit den Bewohnerinnen und Bewohnern austauschen können – aber dies sind wertvolle fünf Minuten. Wenn ich für die Menschen da bin, ist das ein wichtiger Teil der Pflege – das ist für mich die Pflege der Seele.

Was sollten Menschen mitbringen, die bei Ihnen arbeiten ­möchten?

Wir freuen uns auf Menschen, die kontaktfreudig sind und Empathie besitzen. Zuverlässigkeit ist für uns ganz wichtig, und potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen in unser Team passen. Auch Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen sind bei uns herzlich willkommen.

Was möchten Sie potenziellen Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg geben?

Bei »Wohnen im Viertel« wird man als Mensch geschätzt.

Und auch ganz wichtig: Wer sich beruflich weiterentwickeln möchte, bekommt hier auf jeden Fall die Chance dazu.

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Alten- und Service-Zentrum Altstadt

Austausch und Begegnung: 40 Jahre ASZ Altstadt Ausbildung, Beruf und Kindererziehung sind für die meisten Erwachsenen nicht nur sinnstiftende Aufgaben, sondern auch der Ausgangspunkt für ihre Freizeitgestaltung: Man trifft Menschen, tauscht sich aus, entdeckt gemeinsame Interessen, verabredet sich – und geht einander nicht verloren. Wenn derlei Verpflichtungen im Alter entfallen, bleibt aber nicht nur mehr Freizeit, nach der sich viele Berufstätige sehnen, sondern es entsteht auch eine Leerstelle.

Pensionierung und Rentenalter bringen nicht selten Gefühle von Einsamkeit und Leere aufgrund fehlender Aufgaben und der manchmal schmerzlich erfahrenen fehlenden Teilhabe am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben mit sich. Äußerlich auferlegte Strukturen, auch die täglich garantierte Zusammenkunft mit anderen, fallen weg. Seniorinnen und Senioren müssen Freizeit mit mehr Eigeninitiative organisieren, als es beim Kaffee nach der Arbeit oder beim gemeinsamen Wochenendausflug mit Kindern der Fall war.

Die dadurch entstehende Lücke an täglichen Sozialkontakten versucht der ASB seit Jahrzehnten mit verschiedenen Angebo-

Das Grundstück diente vor Baubeginn als Parkplatz.

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Die Grundsteinlegung 1979

Seit 1981befindet sich das ASZ Altstadt in zentraler Lage am Sankt-Jakobs-Platz.

ten zu füllen. Seit 1981 betreibt der ASB das Alten- und Service-Zentrum (ASZ) Altstadt der Stadt München als zentrale und niederschwellige Einrichtung der offenen Altenhilfe.

Thematischer Vorläufer: die Telefonkette Eine andere Initiative gab es jedoch bereits in den Siebzigern: die 1974 eingerichtete Telefonkette. Sie sollte eigentlich für mehr Sicherheit der Seniorinnen und Senioren sorgen und geDie feierliche Eröffnung 1981

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Alten- und Service-Zentrum Altstadt

Das ASZ Altstadt wird ausschließlich durch die Stadt München finanziert.

Folgende Angebote sind so möglich: · Information, Beratung, Vermittlung von Hilfen

· Versorgungsangebote, um den Verbleib in den eigenen vier Wänden zu unterstützen · Präventive Hausbesuche · Sozialer Mittagstisch · Angebote zur Begegnung, zur Anregung und Aktivierung älterer Menschen · Gruppen für pflegende Angehörige, Edukation Demenz · Musik- und Tanzcafé für Demenzkranke und ihre Angehörigen als Kooperationsveranstaltung mit der Alzheimer Gesellschaft München · Balance-Training gegen depressive Verstimmung im Alter · Migrationsarbeit · Koordination und Vernetzung verschiedener Einrichtungen der Altenhilfe · Unterstützung von Selbsthilfe- und Interessensgruppen im Seniorenbereich · Umfangreiches Programm mit Kursen zu unterschiedlichsten Interessensbereichen · Eine Besonderheit ist die Kegelbahn, in der sich über 30 Gruppen regelmäßig zum geselligen Zusammensein treffen. · Verschiedene Selbsthilfegruppen und z. B. die Literaturwerkstatt nutzen die Räumlichkeiten auch außerhalb der Öffnungszeiten.

Ein herzliches Miteinander in der Cafeteria des ASZ Altstadt

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Die Schwimmkurse waren der Vorreiter eines mittlerweile vielseitigen Kursangebotes.

nerell der Vereinsamung vorbeugen. Das Konzept war denkbar einfach. Feste Gruppen von jeweils sechs Personen lernten sich bei einem Kaffeekränzchen kennen. Künftig rief zu einer bestimmten Tageszeit der Erste den Zweiten an, der wiederum mit dem Dritten Kontakt aufnahm usw. Meldete sich ein Gruppenmitglied nicht, fuhr sofort ein ASB-Mitarbeiter los, um nach dem Rechten zu sehen. Innerhalb kürzester Zeit wurden 120 ältere Menschen in diese Telefonketten integriert.

Was als Sicherheitsmaßnahme begann, ersetzte schnell entfallene Freizeitstrukturen, denn aus den Telefongesprächen ergaben sich immer öfter gemeinsame Neigungen und Interessen. Die Telefonkette wurde somit zunehmend zu Senioren ins Netz!

Digitalisierung ist in aller Munde. einem selbst angewandten Mittel gegen VerBereits 1998 hat das ASZ Altstadt einzelung und Langeweile. Bald verabredeten deshalb mit dem Projekt »SeniorIn- die Senioren auf diesem Weg Spaziergänge, nen ans Netz« die Neuen Medien in Theaterbesuche und andere gemeinsame Akder offenen Altenarbeit eingeführt. tivitäten.

Gemeinsam mit einer computeraffinen Gruppe von Senioren wurden Erweiterung zum Seniorenprogramm Konzepte für PC- und Internetkurse Aus der Telefonkette kristallisierte sich 1975 entwickelt und der erste Internet- der Wunsch der Seniorinnen und Senioren Treffpunkt für Seniorinnen und Seni- nach Schwimmkursen heraus. Ein Münchner oren in München eröffnet. In den folgenden Jahren wurden die Angebote Zivildienstleistender und ein Sportstudent regelmäßig nachgefragt und genutzt. setzten dieses Projekt zunächst ehrenamtlich Die heutigen Seniorinnen und Senio- in die Tat um. Der Zulauf war enorm, Spiel ren bringen ihr Smartphone oder ihr und Spaß im Wasser ein großer Erfolg. BeTablet mit und bevorzugen eine indi- reits 1978 hatten 800 ältere Menschen daran viduelle Schulung an ihrem Gerät. teilgenommen. Der Wunsch nach weiteren Aktivitäten kam auf.

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Mal- und Kreativgruppen: Zu den besonderen Ereignissen zählen auch die wechselnden Ausstellungen unserer Mal- und Kreativgruppen. In aller Farbenpracht und Unterschiedlichkeit schmücken sie regelmäßig die Wände im ASZ.

So wurden auf Wunsch der Seniorinnen und Senioren neben den bestehenden Schwimmkursen bald auch Skilanglauf, Tischtennis, Kegeln, Wanderungen, Tanzen, Schach, Basteln, Nähen, Singen und Tanzen angeboten.

Die Freizeitgestaltung erfolgte ausschließlich nach den Wünschen der Beteiligten. Der ASB gab die Kurse nicht vor. Eigeninitiative war erwünscht und gefordert. Feste, Vorträge, Führungen und Reisen wurden genauso fester Bestandteil des Programms wie Musik und das Erlernen neuer Sprachen. Dreimal im Jahr erschien ein ausführliches Magazin mit allen Angeboten, Adressen und Informationen.

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Brücken bauen Das ASZ lebt die besondere Nachbarschaft in exponierter Lage neben der Synagoge und dem jüdischen Gemeindezentrum, dem Angerkloster, dem Stadtmuseum und dem ORAGHaus. Das Mit- und Füreinander an diesem besonderen Platz stehen im Mittelpunkt. Unter dem Motto »Nachbarn bauen Brücken« wurde schon mehrfach gemeinsam gefeiert: Im Rahmen der 850-Jahr-Feier München im Juli 2008 gab es ein Festwochenende, im Juli 2013 die Jakobi Dult und im Juni 2015 das Bürgerfest »200 Jahre jüdische Gemeinde«.

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Alten- und Service-Zentren (ASZ) in München besuchte Oberbürgermeister Dieter Reiter das ASZ Altstadt.

gefördert von der

Gründung und Entwicklung des ASZ Doch soziale Teilhabe ist nicht nur Freizeitgestaltung oder ein gemeinsames Hobby. Sie ist auch der unkomplizierte Austausch über Sorgen und Alltägliches. Und sie ist das Gefühl, Teil einer Gesellschaft zu sein und von ihr wahrgenommen zu werden. Das Alten- und Service-Zentrum ist für all das zentrale Anlaufstelle. Das ASZ Altstadt ist als eines von aktuell 32 ASZ im gesamten Münchner Stadtgebiet in alleiniger Trägerschaft des ASB München/Oberbayern. Seiner Arbeit liegt eine trägerübergreifende Gesamtkonzeption zugrunde. Es wurde 1981 gemeinsam mit der angegliederten Altenwohnanlage am Sankt-Jakobs-Platz eröffnet. Im Einzugsgebiet wohnen circa 2 500 Seniorinnen und Senioren, die das Haus als Anlaufstelle nutzen können. Aufgrund der zentralen Lage dient es aber auch älteren Menschen aus anderen Stadtbezirken als Begegnungsstätte und Treffpunkt. Die Programmvielfalt und die eigene Cafeteria laden zum Verweilen, Plaudern, Genießen und Zeitvertreiben ein.

Seit vielen Jahren treffen sich auch griechische und russische Seniorinnen und Senioren sowie der Afrikanische Ältestenrat regelmäßig in den Räumen des ASZ Altstadt. So eröffnen sich den Besucherinnen und Besuchern auch im Alter immer wieder neue Horizonte. Neben der Programmvielfalt wirkt die Möglichkeit der spontanen Begegnung im ASZ präventiv gegen die zunehmende Vereinsamung von Seniorinnen und Senioren. Das trägt dazu bei, älteren Menschen so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben im vertrauten Wohnumfeld zu ermöglichen.

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ASB-Hausnotruf

Auch im Alter sicher zu Hause – der ASB-Hausnotruf Mit dem Hausnotruf haben Menschen in besonderen Lebenslagen, im Krankheitsfall oder im Alter rund um die Uhr die Sicherheit, im Notfall schnelle und kompetente Hilfe zu erhalten. Eines der Hauptziele des Hausnotrufs ist es, ältere Menschen dabei zu unterstützen, möglichst lange zu Hause leben zu können.

Der Kabarettist Dieter Hildebrandt war Hausnotruf-Kunde und schrieb: »[...] Ich möchte, wenn es möglich ist, die letzten Jahre meines Lebens nicht gern in Krankenhäusern verbringen. Dort, wo Krankenschwestern, Knöpfe oder Lichtsignale zur Verfügung stehen, wenn ich Hilfe brauche. Wenn ich davon ausgehe, dass ich allein zu Hause bin, dann scheint es mir sinnvoll, eine technische Vorrichtung neben meinem Bett zu wissen, die Hilfe herbeirufen kann. Ein Hausnotruf? Eine sehr gute Idee. Vorausgesetzt, dass der Notruf funktioniert und der Preis vertretbar ist, würde ich mir dringend empfehlen, so einen Apparat anzuschaffen. Und – wenn es erlaubt ist – vielen anderen auch.« Seit 2016 fahren die Mitarbeiter des technischen Supports (Neuanschlüsse, Wartung) mit Elektroautos zu den Hausnotruf-Kunden.

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Der Hausnotrufsender in den Anfangsjahren

Moderne Freisprecheinrichtung und Handsender

Die Stiftung Warentest zeichnete den ASB-Hausnotruf 2018 als Testsieger aus. Sie schrieb über die Bearbeitung der Notrufe: »Beste Leistung von allen. Schnell und freundlich. Einwandfreie Sprechverbindung.« Nachdem der Hausnotruf in den Anfängen Hausnotruf beim ASB München von wenigen Mitarbeitern erledigt 1989: Gründung des Bereichs wurde, arbeiten heute zehn MitarbeiHausnotruf ter in Voll- und Teilzeit in diesem Be1990: Anschluss der ersten Hausreich. Während die ersten Teilnehmer notrufgeräte 2004: Verlagerung der ASB-Hausdes Hausnotrufs noch die Genehminotrufzentrale zum ASB Köln gung der Post einholen mussten, um 2012: Zusammenarbeit mit dem das Notrufgerät an die Telefondose Notruf-Einsatz-Dienst der anschließen zu dürfen, können moJohanniter-Unfall-Hilfe e. V. derne Hausnotrufgeräte heute an einen 2020: 1 830 Hausnotrufteilnehmer handelsüblichen Router angeschlossen beim ASB München/Oberwerden oder eine SIM-Card nutzen. bayern 111

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Neue Herausforderungen: Wachstum in neue Bereiche

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Flucht und Migration

Auf verschlungenen Wegen – Neustart in der ASB Gemeinschaftsunterkunft Im Jahr 2015 erreichte die Fluchtbewegung von Menschen nach Europa ein bisher nicht gekanntes Ausmaß. Der ASB-Bevölkerungsschutz unterstützte in dieser Zeit beim Aufbau von Flüchtlingsunterkünften in München und bei der Erstbetreuung von Geflüchteten nach ihrer Ankunft. Auch begleiteten ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Flüchtlingszüge zu unterschiedlichen Zielen in Deutschland und waren für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Geflüchteten während der Reise zuständig.

Im Dezember 2015 konnte der ASB dann eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete der Landeshauptstadt München in Betrieb nehmen.

Junge Menschen, die unter schwierigsten Umständen aus ihrer Heimat nach Deutschland geflohen sind, müssen sich nicht nur beruflich orientieren, sondern im Gegensatz zu anderen Gleichaltrigen zusätzlich eine fremde Sprache, ein Land und einen Verwaltungsapparat verstehen lernen. Wer eine Flucht erlebt und Meindlstraße 14a – überlebt hat, sucht oft lange Zeit, Zahlen und Fakten bis er ein Ziel gefunden hat. Fünf Erfolgsgeschichten, an die sich Mit- · Eröffnung der Gemeinschaftsunterarbeiter und Ehrenamtliche aus der kunft: 14. Dezember 2016 Meindlstraße gerne erinnern: · 125 geflüchtete junge Männer aus Äthiopien, Afghanistan, Iran, Irak, Mali, Nigeria, Pakistan, Senegal, SierFünf Erfolgsgeschichten ra Leone, Somalia und Syrien Mohammed war bei seiner Flucht · 150 Bettplätze in Doppel- und Vieraus Syrien erst 15 Jahre alt. Er kam bettzimmern mit 18 aus der Jugendhilfe in die Ge· Gemeinschaftsduschen und -küchen meinschaftsunterkunft, weil er lieber · die Bewohner kochen selbst und geselbstständig leben wollte. Er verhen mehrheitlich einer Arbeit nach spürte großen Druck aus der Heimat, oder besuchen Berufsintegrationsin Deutschland etwas zustande zu klassen/Sprachkurse bringen. Er war gut in Mathematik · ehrenamtlich betreute Fahrradwerkund Physik, aber sehr verlassen, weil statt er nicht wusste, womit er seine Eltern 116

Ausgelassenes Feiern beim Zuckerfest gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinschaftsunterkunft

stolz machen sollte. Er versuchte deshalb viel – und brach viel wieder ab. Nichts passte richtig. Beim ersten Versuch fiel er sogar durch die Prüfung zum qualifizierenden Abschluss der Mittelschule, biss sich aber im zweiten Anlauf durch. Es war die erste Hürde, die er in Deutschland nahm und das erste echte Erfolgserlebnis. Er absolviert eine Ausbildung im Metallgewerbe und ist jetzt im letzten Lehrjahr.

Abdul kam mit einer soliden Grundausbildung aus Afghanistan und wollte eine Ausbildung zum RechtsanwaltsfachangeEhrenamtlich betreute Fahrradwerkstatt

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Flucht und Migration

stellten beginnen. Dafür brauchte er die Mittlere Reife. Er hatte große Schwierigkeiten mit seinem Asylverfahren und damit, überhaupt eine Ausbildung genehmigt zu bekommen. Er begann die Ausbildung schließlich, das Gerichtsdeutsch stellte sich aber als zu kompliziert heraus. Letztendlich hat er einen Weg für sich gefunden, der zu ihm passt: Er startet eine Ausbildung im elektronischen Bereich.

Osita fing nach seiner Flucht aus Nigeria eine Ausbildung zum Bäcker an. Sein Meister war sehr zufrieden: Osita arbeitete gut und kannte sich aus, weil er schon in Nigeria als Konditor gearbeitet hatte. Dann gab es Probleme mit der Vorlage seines Passes. Er bekam keinen Termin in der nigerianischen Botschaft – die Frist verstrich. Ihm wurde mangelnde Kooperation vorgeworfen und als Strafe die Ausbildungsgenehmigung entzogen. Sein Meister beschwerte sich und versicherte Osita, dass er jederzeit zurückkommen könne. Mitarbeiter des ASB sprachen ebenfalls bei der Behörde vor. Ein Jahr und etliche Vorsprachen später wurde die Strafe aufgehoben. Die Stelle hatte der Bäcker für Osita frei gehalten, sodass er seine Ausbildung doch noch fortsetzen konnte.

Ali aus Afghanistan begann eine Ausbildung bei einem Heizungsinstallateur. Er war Fremde Kulturen – großartige Speisen stolz darauf und froh, weil ihm das Ausbildungsverhältnis einen Aufenthalt bis 2022 garantierte. Er bekam viel Anerkennung, war aber todunglücklich, weil die Ausbildung sehr schwer war und er sich in Betrieb und Berufsschule wie ein Fremdkörper fühlte. Er wurde von vielen gelobt, fühlte sich aber nicht zur Gruppe zugehörig.

Nach einem halben Jahr gab er auf und verlor jeden Antrieb. Bei einer Initiative für Geflüchtete absolvierte er schließlich ein dreiwöchiges Barista-Training – und wurde direkt über118

In der Gemeinschaftsunterkunft eröffnet sich den Bewohnern die Chance auf ein neues Leben.

nommen. Seitdem wurde er wiederholt als Mitarbeiter der Woche und des Monats ausgezeichnet. Vor allem hat er aber etwas entdeckt, das er gut kann – und das ihn selbst zufrieden macht.

Mohammed aus Sierra Leone kam mit Anfang 20 nach Deutschland. Er wollte als Lagerist arbeiten und brauchte dafür nicht unbedingt einen Abschluss. Für eine langfristige Perspektive in Deutschland legte er die Prüfung zum qualifizierenden Mittelschulabschluss trotzdem ab und hat mittlerweile seine Ausbildung zum Lageristen abgeschlossen. »Gemeinsame Sprache erzeugt Nähe« Emmanuelle ist Französin, Ingenieurin und Mutter. Sie kam 1989 wegen ihrer Diplomarbeit nach Deutschland. Seit 2015 engagiert sie sich ehrenamtlich in der Begleitung Geflüchteter und kümmert sich hauptsächlich um die französisch sprechenden Geflüchteten. »Ich konnte einfach nicht nichts tun«, sagt sie. Bis heute mache sie »ein bisschen alles«; für viele ist sie aufgrund ihrer emotionalen und fachlichen Unterstützung zu einer Art Vertrauten geworden.

Gibt es feste, immer gleiche Aufgaben?

Nein. Ich begleite Leute zum Arzt, zu Ämtern und Behörden, zum Anwalt, zum Gericht, zu Beratungsstellen und Hilfsorganisationen. Zwei Mal habe ich eine Fußballmannschaft aus Geflüchteten zu einem Turnier begleitet. Um viele Spieler kümmere ich mich noch weiter.

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Flucht und Migration

In der Asylsozialberatung werden hauptsächlich psychosoziale Themen, behördliche Verfahren, Lebensunterhaltssicherung, Gesundheit, Ausbildung und Beruf besprochen.

Wem helfen Sie aktuell?

Ich betreue drei Familien und sonst vor allem junge Männer aus Schwarzafrika, die anfangs komplett durch das Raster fielen. Die meisten eilig aufgelegten Programme waren für Syrer ausgelegt. Die Jungs hatten bei den Deutschkursen deshalb keine Priorität und hingen in der Luft.

Gibt es Dinge, die Sie in Ihrer Arbeit als bereichernd empfinden?

Mein schönstes Erlebnis war, dass ich bei einer Geburt dabei sein durfte. Ich helfe der Familie seit drei Jahren, und als ich anbot, mich während der Entbindung um das ältere Kind zu kümmern, sagte die Mama, ich solle lieber mitkommen und den Papa beim Kind lassen – den könne sie bei der Geburt sowieso nicht gebrauchen. Die Hebamme war froh, dass ich übersetzte, die Mama hat beruhigt, dass ich da war. Ich bin eine Art große Schwester für sie, sie fragt mich oft, wenn sie unsicher ist.

Mit den Jungs aus der Fußballmannschaft habe ich Hausaufgaben gemacht und mit ihren Lehrern aus der Integrationsklasse gesprochen. Sie schicken mir immer ganz stolz ihre Zwischenund Jahreszeugnisse. Das ist schön. Jetzt haben die meisten eine Ausbildung angefangen.

Was sind die größten Probleme?

Die Kommunikation auf Deutsch, weil Gespräche auf Ämtern nur in deutscher Sprache stattfinden dürfen. Dann ändern sich 120

ASB-Mitarbeiter und Geflüchtete vor dem Wandbild an der Gemeinschaftsunterkunft

die Gesetze oder ihre Anwendung zur Frage, wer arbeiten darf und wer nicht, permanent. Ich helfe dabei, auf Ämtern zu erklären, warum man noch keine Geburtsurkunde hat; ich erkläre den Jungs, welches Papier sie unterschreiben und welche Unterlagen mit zum Termin müssen. Außerdem muss man die Menschen bei Rückschlägen ermutigen und ihnen die Angst vor Behördenpost nehmen, das hört nicht auf.

Was macht eine gemeinsame Sprache – in diesem Fall Französisch – aus?

Viel. Es erzeugt Nähe. Das führt dazu, dass die Jungs mir auch leichter von Problemen erzählen. Außerdem entfallen Missverständnisse, die Kraft und Zeit rauben. Und ich habe Verständnis für gewisse Probleme mit Deutschland.

Wie meinen Sie das?

Mein Mann ist Deutscher, ich lebe schon sehr lange hier, trotzdem ist Deutschland auch für mich in einigen Bereichen ein fremdes Land geblieben. Pünktlichkeit, bestimmte starre Strukturen, solche Dinge – ich kann verstehen, dass Menschen damit fremdeln. Aber ich weiß eben auch, welche Vorteile und Sicherheiten diese Strukturen bieten und welch umfassende Hilfe sie garantieren. Jemandem zu erklären, dass beides zusammenhängt, ist leichter, wenn man selbst auch damit zu kämpfen hat.

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Wünschewagen

Der Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen 2016 nahm der Wünschewagen in München und ganz Bayern Fahrt auf. Die Idee, Menschen in ihrer letzten Lebensphase noch einmal mit einem speziell für die Bedürfnisse der Fahrgäste ausgestatteten Krankenwagen an einen Wunschort zu fahren, wurde erstmals vom ASB Essen umgesetzt. Heute decken 25 Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes das komplette Bundesgebiet ab.

Der ASB-Wünschewagen: Noch ein letztes Mal …

Einem schwer erkrankten geliebten Menschen beizustehen und ihm den Abschied zu erleichtern, ist ein selbstverständliches Anliegen, das sich für Angehörige und Freunde jedoch oft schwer verwirklichen lässt. Denn selbst alltäglich anmutende Wünsche sind für sterbenskranke Menschen häufig nicht mehr realisierbar, weil dafür medizinische Ausrüstung und Betreuung durch geschulte Fachkräfte dringend benötigt werden.

Diese letzten Wünsche will der Wünschewagen des ASB ermöglichen. Seit Juni 2016 wurden im Raum Oberbayern über 200 Wünsche von schwerst erkrankten Menschen wahr.

Das Projekt wird ausschließlich durch Spenden finanziert, es gibt für den Wünschewagen keine öffentliche Förderung. Für den Fahrgast und eine Begleitung ist die Wunschfahrt selbstverständlich kostenlos. Auch das gesamte WünschewagenTeam ist ehrenamtlich tätig, um Menschen jeden Alters in ihrer letzten Lebensphase noch einmal an einen Wunschort zu bringen. Der jüngste Fahrgast war zwei Jahre alt, der älteste 97.

Die Schauspielerin Janina Hartwig unterstützt den Wünschewagen als Projektpatin und hat die erste und die hundertste Wunschfahrt persönlich begleitet: »Für Menschen in ihrer letzten Lebensphase ist es oft nicht mehr möglich, bewusst am Leben teilzuhaben. Es liegt mir ganz besonders am Herzen, diesen schwerst kranken Menschen und 122

Die erste Fahrt des Münchner Wünschewagens ging noch einmal nach Hause zur Familie. Mit dabei Schauspielerin und Projektpatin Janina Hartwig (1. v. rechts).

ihren Familien noch einmal zur Seite zu stehen. Der Wünschewagen ist ein wunderbares, wichtiges Projekt. Ich bin dankbar, Teil sein zu dürfen, und möchte mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wünschewagens und beim ASB bedanken. Ihr macht eine tolle Arbeit!«

Die Wunsch-Erfüller Die Wunschfahrten werden von mindestens zwei ehrenamtlichen Fachkräften begleitet. Ein Rettungssanitäter ist immer mit an Bord. Darüber hinaus begleiten Pfleger, Krankenschwestern, Palliativmediziner oder psychosoziale Fachkräfte die Wunschfahrten. Sie alle engagieren sich freiwillig. Bevor die erste Wunschfahrt startet, durchlaufen alle zukünftigen Helferinnen und Helfer eine umfassende Schulung. Denn die Betreuung und Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten.

Auszüge aus einem nicht alltäglichen HelferAlltag: »Das Faszinierende am Wünschewagen ist für mich, dass ich nur Zeit mitbringen muss, um damit etwas Besonderes zu schaffen. (…) Dann wird für einen Menschen, der nicht mehr lange zu leben hat, aus meiner Zeit und etwas ganz Alltäglichem oder auch Spektakulärem ein ganz einzigartiges letztes Erlebnis.« Bernd Fastje »Warum ich das mache? Weil ich unseren Fahrgästen ein Geschenk machen kann.

Ich schenke ihnen Zeit, Mobilität und den Türöffner Wünschewagen für einen Tag. Wir erleben gemeinsam Dinge, die ohne den Wünschewagen nicht denkbar wären.

Die kleinen Wunder auf der Reise, das freundliche Augenzwinkern vom Schick123

Wünschewagen

sal: Das erleben nicht nur unsere Gäste, sondern auch wir. Einen Wunsch zu erfüllen, ist ein Geschenk. So gesehen habe ich in den letzten Jahren einige Geschenke bekommen; große und kleine ganz besondere Momente. Jede Fahrt macht uns reich an Erinnerungen, Erlebnissen und Überraschungen. Es geht nicht darum, besonders weit zu fahren oder von besonders weit oben hinunterzuschauen. Wir Natascha Schuschei besuchen Orte, die unseren Fahrgästen Der Wagen etwas bedeuten.« Natascha Schuschei »Was mich besonders berührt, sind die tiefe Dankbarkeit und die vielen Emotionen unserer Gäste. Das ist mein großer Ansporn, noch sehr viele Wünsche zu erfüllen.« Paul Lamatsch Schwere Krankheiten und Palliativmedizin verbindet man oft ausschließlich mit sehr alten Menschen. Die Realität des Wünschewagens sieht jedoch ganz anders aus. Gut 25 Prozent der Fahrten erfüllen letzte Wünsche von Kindern: Von einem letzten Tag im eigenen Kinderzimmer bis zum Show-Besuch bei »Holiday on Ice«. Auch die Wünsche der Erwachsenen sind so vielfältig wie die Menschen, die sie hegen.

Der speziell für die Bedürfnisse von schwerstkranken Menschen ausgestattete Krankentransportwagen bietet eine moderne notfallmedizinische Ausstattung und trotzdem angenehme Atmosphäre. Er verfügt über spezielle Stoßdämpfer, eine Musikanlage sowie ein harmonisches Konzept aus Licht und Farben. Eine verspiegelte Rundum-Verglasung bietet einen Panorama-Blick in die Umgebung.

»Rosenheim-Cops« Eine 11-Jährige mit Querschnittslähmung ist begeisterter Fan der Rosen- Die Sonne genießen und noch einmal ganz heim-Cops und wollte ihre Stars un- normale Dinge tun. Zwei Ehrenamtliche und bedingt einmal live bei Dreharbeiten ihr glücklicher Fahrgast (Mitte). erleben. Am Morgen ging es von der elterlichen Wohnung in die Bavaria Studios. Nach einer Runde über das Set durfte sie bei den Dreharbeiten zuschauen. Auch ein Blick in den »Times Square« wurde ermöglicht. Nach einem ausgiebigen Mittagessen mit den Stars und einem Blick in die »Pathologie« brachten wir das überglückliche Mädchen wieder nach Hause.

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Bei den »Rosenheim-Cops«

Auf der Brücke über den Chiemsee Einen 8-jährigen Jungen, auf den Rollstuhl angewiesen, hat das Team des Wünschewagens zu einem Ausflug an den Chiemsee aus der Einrichtung »Atemreich« abgeholt. Nach einer kleinen Stärkung ging es mit dem Schiff auf Rundtour über den Chiemsee Kleine und große Letzte Wünsche: mit Stopp auf der Fraueninsel. Der KaNoch einmal … pitän des Ausflugsschiffes ermöglichte · die Schlachtschüssel im Augustineres dem Jungen, die Rückfahrt auf der zelt auf der Wiesn genießen Brücke direkt neben dem Steuerruder · im Streichelzoo Tiere streicheln zu genießen. · zum Spiel des Lieblingsvereins und mit dem Lieblingsspieler sprechen Noch einmal zum eigenen Pferd · auf die Zugspitze und die Weite Unser Fahrgast wollte auf einem Reispüren terhof in Gilching noch einmal Zeit mit · über die grünen Fairways in die seinem Pferd verbringen. Dort wurden Berge schauen · die Frühlingsblüte im Blumenpark Noch einmal Kapitän sein – mit Beatmungsgerät erleben und Rollstuhl ging es aufs Schiff über den Chiem· mit der ganzen Familie zusammen see. sein – auf der Hochzeit des Sohnes · vom Berggipfel in die Ferne schauen · einen Sonnenuntergang am See erleben · die Stationen aus 100 Jahren Leben besuchen · die Wohnung sehen, bevor es in ein Hospiz geht · bei der Hochzeit der Tochter dabei sein · Freunde besuchen, die in einer anderen Stadt leben 125

Wünschewagen

Abschied nehmen vom eigenen Pferd und den Reiterfreunden.

wir von Betreibern und Freunden herzlich begrüßt. Im Rollstuhl und mit dem Pferd an der Leine ging es durch die nahe gelegenen Wiesen. Hinterher gab es im Kreis weiterer Reiterfreunde Kaffee und Kuchen. Es war sehr berührend zu sehen, wie sehr unser Fahrgast in dieser Runde aufblühte. Nach circa zwei Stunden verließen ihn allmählich seine Kräfte und wir traten mit der Gewissheit den Rückweg an, dass dieser Ausflug bei allen sehr viel Freude hinterlassen hat.

Beflügelnder Fußball Ein schwer krebskranker Fan des 1. FC Nürnberg wollte noch einmal bei einem Training zuschauen. Laut der betreuenden Palliativschwester hatte er das Bett seit drei Wochen nicht verlassen und kaum noch gegessen und getrunken. Er erwartete uns von Tochter und Enkelin begleitet im Rollstuhl am Straßenrand. Im Stadion schaute er bei sengender Hitze zwei Stunden lang zu und war überglücklich, als Kapitän und Trainer der Mannschaft, Michael Köllner und Hanno Behrens, im Anschluss noch eine halbe Stunde lang mit ihm fachsimpelten. Zu Hause bestand er darauf, auf eigenen Füßen in den ersten Stock zu gehen.

Der schönste Tag im Leben Hochzeiten sind nicht nur für die Eheleute große Tage. Ein 81-jähriger Gast wollte an der standesamtlichen Trauung seiner Tochter in Wolfratshausen teilnehmen. Wir holten ihn und seine 126

Während der Wunschfahrten entwickeln die sterbenskranken Fahrgäste oft enorme Kräfte, wie dieser dankbare Fußballfan, der mit dem Wünschewagen noch einmal seine Lieblingsmannschaft besuchen durfte.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter gehen manchmal an ihre Grenzen, um dem Fahrgast den letzten Wunsch zu erfüllen, wie bei diesem Transport auf die Zugspitze.

Ehefrau in Schwabing ab, wo die Fahrt wegen Kreislaufproblemen des Fahrgastes zunächst kurz auf der Kippe stand.

Wir kamen dennoch pünktlich an. Das Eintreffen des Gastes sorgte beim Brautpaar und der Familie bereits für große Emotionen. Kaum jemand hatte es für möglich gehalten, dass der Papa wirklich an der Hochzeit würde teilnehmen können. Unser Gast mobilisierte alle Kräfte, um möglichst lange bei der wunderschönen Feier dabei zu sein.

Gipfelglück Wir holten unseren Gast, einen leidenschaftlichen Bergsteiger, im Krankenhaus ab, wo die Enkel schon in freudiger Aufregung warteten, um mit ihrem Opa »auf den Berg zu wandern«. An der Talstation unterstützte uns das Personal nach Kräften. Wir fuhren in einer »Privatgondel« allein für unseren Fahrgast und seine Familie nach oben. Er schaffte trotz seiner ausgeprägten körperlichen Einschränkungen den letzten Aufstieg über eine steile Rampe und einige Stufen bis zur Kapelle. Dort sind die Helfer der Bergwacht stationiert, wo unser Gast selbst mehr als 50 Jahre tätig war. Nach Wirtshausbesuch und Talfahrt verabschiedete sich unser Gast mit Tränen in den Augen vom Wendelberg. Im Krankenhaus angekommen, bedankte er sich herzlich für die Möglichkeit, noch einmal so hoch hinaus gekommen zu sein.

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Haus für Kinder »Abenteuerland«

Doppelt geplant hält besser – das »Abenteuerland« in Pasing Wer eine Kindertagesstätte im Auftrag der Stadt München betreiben will, benötigt ein Konzept. Es wird beim Referat für Bildung und Sport eingereicht, um eine Betriebserlaubnis zu erhalten. Dieser Teil der Gründungsgeschichte leuchtet ein. Vom zweiten, weniger sichtbaren Teil erzählt Jacqueline Groß, die Einrichtungsleiterin des »Abenteuerlands«.

Seit sie im Juli 2019 die Konzeptionierung für das Haus für Kinder des ASB München in Pasing übernahm, musste sie nämlich vor allem eines: Flexibel sein und sich jeden Tag aufs Neue den Herausforderungen des Kita-Alltags stellen.

Denn im »Abenteuerland« geht es um Kinder bis zum Alter von sechs Jahren – und die passen manchmal einfach nicht zu den Plänen, die man im Voraus für sie geschmiedet hat.

Alles ganz anders: Ein neuer Förderschwerpunkt »Wir wollten unseren Schwerpunkt eigentlich auf Entschleunigung legen«, sagt Groß, »weil Kinder heutzutage oft einen volleren Terminkalender haben als ihre Eltern.« Groß ist studierte Jacqueline Groß, Einrichtungsleitung Kindheitspädagogin und arbeitete 14 Jahre lang als Erzieherin. »In dieser Zeit sieht man viel, und dann versucht man Zahlen und Fakten zum natürlich, seine Traum-Kita aufzubau- »Abenteuerland« en, indem man alles einfließen lässt, was einem gefallen hat, und möglichst · Eröffnung im Oktober 2019 · Altersstruktur: Kinder von acht nichts von allem anderen«, sagt sie. ­Wochen bis sechs Jahren Das Haus für Kinder in Pasing ist die · 111 Plätze gesamt erste Kindertagesstätte des ASB Mün- · 75 davon in drei Kindergartenchen/Oberbayern.

Geschäftsführer Gruppen Christian Boenisch nennt vor allem · 36 in drei Kinderkrippen-Gruppen den Mangel an Betreuungsplätzen als · Betreuungszeit von 7.30 bis 17 Uhr Motivation: »Obwohl Kinder und Ju128

Moderner Neubau mit viel Holz und Glas

gendliche eine ganz prominente Stelle im ASB haben, waren wir in diesem Bereich bislang kaum operativ tätig.« Man habe sich deshalb gefragt, »warum wir uns nicht an der Behebung des Missstands fehlender Kita-Plätze beteiligen«. Im Herbst 2019 eröffnete im »Abenteuerland« die erste Kindergartengruppe mit 20 Kindern und stellte gleich alles auf den Kopf.

Die Platzvergabe erfolgte zentral über die städtische Elternberatung. In der Gruppe waren am Ende 17 Jungen und drei Mädchen; 14 Kinder sprachen kaum oder gar kein Deutsch. »Wir haben einen Migrationsanteil von knapp 90 Prozent«, sagt Groß – seitdem gibt es einen neuen Schwerpunkt. SprachViel Platz für Spiel und Spaß drinnen und im großen Garten

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Haus für Kinder »Abenteuerland«

förderung wurde automatisch zum Kernelement der täglichen Arbeit. »Das hatten wir nicht eingeplant«, sagt Groß, aber sie betrachtet es als ihre Aufgabe, das Konzept situationsorientiert an die Kinder anzupassen. Es wurde deshalb nicht entschleunigt, sondern fleißig gemalt. In den ersten Wochen wurden jede Menge Schilder für den gemeinsamen Alltag durch das Team produziert, z. B. Schilder zum Händewaschen, für Geschirr oder Spielzeug. Mit der Hilfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen die Kinder Routinen und gleichzeitig eine Sprache, die ihnen nach ihren Jahren im Haus für Kinder nicht mehr fremd sein soll.

Wege zur internationalen Kommunikation Das »Abenteuerland« ist auch für Groß ein Abenteuer geworden, bei dem manches mehrfach geplant werden musste. »Aber die Eltern sind wahnsinnig froh über ihren Platz und arbeiten gut mit uns zusammen«, sagt sie. Manchmal findet die Kommunikation »mit Händen und Füßen und auf Englisch« statt, aber die Eltern seien durchweg interessiert. Zu gemeinsamen Festen waren alle da. Groß weiß aus ihren über zehn Jahren im Gruppendienst, dass das nicht die Regel ist. »Wir haben zu Weihnachten ein Fest der Nationen gefeiert, bei dem alle Familien ihr Lieblingsgericht aus ihrem Heimatland mitgebracht haben«, erzählt sie. Es sind Tage wie diese, an denen sie merkt, dass sie und ihr Team nicht nur nach Wegen zur internationalen Kommunikation suchen, sondern sie auch finden.

Im Januar kam die zweite Gruppe dazu, ehe die Corona-Pandemie auch die neu erarbeiteten Pläne ausbremste. Erst im Juli waren alle Kindergartengruppen komplett. »Da haben wir im Prinzip noch einmal neu eröffnet«, sagt Groß. Auch der Krippen-Bereich für die unter Dreijährigen ist startklar. Was fehlt, ist Personal. Auch für den Kindergarten war die Akquise schwierig. »Wir wussten das von Anfang an, wollten es aber trotzdem angehen«, sagt Boenisch, »wir können ja nicht so tun, als gäbe es keinen Mangel an Plätzen«. Die Stadt München sucht Träger, und Boenisch stellt klar: »Wo wir gewollt sind, beteiligen wir uns.«

gefördert von der

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Lieblingswörter der Kinder im Haus für Kinder ire lego

Lego bauen – costru

Bügelperlen

Roboter – robot

Haus – maison

an

Mama – mam Puzzle

schaukeln – stijena

Auto – car

Rakete – razzo

ein

Bücher – libros

n oynamak

n – oyu Spiel spiele

Auto – araba Polizei – police Prinzessin – alamira

me

Louloudi – Blu

et

Freunde – shok

Baby – beb

Pferd – hesp

Sonne – Lego

Marienkäfer

Glitzikatze

enbogen

Raduga – Reg to

Auto – aftokini

Krokodil – noun

Hase – kiskis Nudeln

Sport – ticha

laufen – trecho

Himmel – sky

Sprache bringt Gedanken in die Welt: Viele Kinder lernen erst im »Abenteuerland« Deutsch. Mit den Gruppenleiterinnen haben sie ihre Lieblingswörter in ihrer Muttersprache aufgeschrieben.

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Beringerheim Tutzing

Tutzing – Inklusives Lernen und Arbeiten ab 2021 Von Hort im Wald bis Tagespflege – die Drei-Generationen-Nutzung des Beringerheims in Tutzing Die Angebote des ASB in München und Oberbayern unterliegen einer ständigen Weiterentwicklung und werden laufend an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst. Von daher gibt es immer neue Bereiche, die in der Planungs- bzw. Umsetzungsphase sind, so auch die Gestaltung des Beringerheims in Tutzing.

Eigentum verpflichtet. Seit 2017 ist der ASB München/Oberbayern Eigentümer des Beringerheims in Tutzing am Starnberger See. Er übernahm damit auch die Verantwortung, im Sinne des Gründers Johann Beringer zu wirken und das Schloss samt Park in schönster Lage wieder seiner ursprünglichen – sozialen – Nutzung zuzuführen.

Beringer stiftete das Anwesen im Jahre 1904 dem »Bayerischen Verkehrsbeamten-Verein« mit der Vorgabe, dort eine neue Wohlfahrtseinrichtung für seine Mitglieder an einem der schönst gelegenen Punkte Bayerns zu erbauen.

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Das Beringerheim im frühen 20. Jahrhundert Erstmals öffnete das Haus 1913 seine Türen. Damals wurde es als Erholungsheim für Verkehrsbeamtenfamilien so gestaltet und geführt, dass sich die Besucher bei aller Einfachheit der Einrichtung wohlfühlten und ihnen beim Aufenthalt im Heim keine wesentlich höheren Kosten entstanden als zu Hause. (Quelle: Broschüre aus der Gründerzeit 19/20) Die schöne Aussicht auf den See, frische Luft und die Vielzahl an Tieren und Pflanzen auf dem gesamten Gelände sorgten dafür, dass das Beringerheim nicht nur im Sommer, sondern im gesamten Jahr zum beliebten Erholungsort wurde. Als sich während des Zweiten Weltkriegs das Land verdunkelte, erfüllte auch das Beringerheim einen zeitgemäßen Zweck: Es wurde als Lazarett genutzt.

Johann Georg Beringer (1829 bis 1919) Nach Kriegsende wurde der Betrieb des war Ingenieur und Imker. Er installierte Erholungsheimes zunächst durch den Baydas erste Telefon auf der Zugspitze. Darerischen Verkehrsbeamten-Verein wiederüber hinaus machte er sich insbesondeaufgenommen, der sich 2017 jedoch wegen re durch sein ökologisches Fachwissen Überalterung und fehlenden Nachwuchses im Bereich der Imkerei einen Namen. auflöste. Mit dem ASB war ein WohlfahrtsSeine bis heute bekannte Abhandlung über die »Grundzüge der Bienenzucht«, verband als Nachfolger gefunden, der es sich zur Aufgabe machte, das Haus auf vielverlieh ihm den Namen »Tutzinger Bienenvater«. fältige Weise wieder mit Leben zu füllen.

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Beringerheim Tutzing

Eingangsbereich und Speisesaal

Im Sinne des Gründers: Bildung und Natur Ziel des ASB ist es, das Anwesen für die Menschen vor Ort zu öffnen und in mehreren sozialen Projekten Angebote zur Teilhabe, Bildung und Inklusion aufzubauen.

Hort im Wald Im Jahr 2021 wird auf einer Wiesenfläche im Beringerpark der »Hort im Wald« mit einem naturpädagogischen Angebot für Schulkinder der Gemeinde entstehen. Es werden zwei Bauwagen auf dem Gelände aufgestellt und vorerst 25 Hortplätze angeboten. Ein abgegrenztes Waldgebiet wird für die Kinder des Hortes zur Verfügung stehen. Sie sollen so die Möglichkeit bekommen, an einem landschaftlich besonders schönen Ort mit großer Biodiversität frei zu spielen und in der Natur zu sein.

Einnahmen- und Ausgabenliste (alle historischen Abbildungen aus Broschüre: Erholungsheim des Bayerischen VerkehrsbeamtenVereins Tutzing am Starnberger See, 1914)

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Traumblick zum See inklusive

Tagungs- und Bildungshaus Im historischen Beringerschlösschen werden sowohl ASB-interne Fortbildungen und Lehrgänge der Montessori Biberkor Akademie stattfinden, aber auch Tagungen und Bildungsangebote externer Einrichtungen und Kooperationspartner.

Das Tagungs- und Bildungshaus soll von einer Inklusionsfirma betrieben werden, in der Menschen mit und ohne Behinderung zusammen lernen und arbeiten. Die Bewirtung ist sowohl im Innenraum als auch in einem Gartencafé geplant, um den Ort für die Bürger und Bürgerinnen der Gemeinde zu öffnen. Die Gastronomie hat den Anspruch, sowohl frische Produkte aus der Region, oder auch aus Eigenanbau zu verarbeiten. Ein Markt mit handwerklichen Produkten aus der Region soll das Leben in der Gemeinde bereichern. Kunst und Kulturschaffenden soll hier ein Forum gegeben werden.

Der Park soll in seiner Gestaltung zudem wieder seiner ursprünglichen Form angeglichen werden: eine Streuobstwiese, ein Bauerngarten mit Blumenwiese und ein Gewächshaus sind geplant.

Neubau für die Tagespflege Im unteren Bereich des Beringerparks soll ein Neubau bedarfsorientiert für das Leben im Alter entstehen. Für Seniorinnen und Senioren der Gemeinde können hier zudem Begegnungsmöglichkeiten und ein Beratungsangebot für pflegende Angehörige entstehen.

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Corona-Teststation für Angehörige von Seniorinnen und Senioren in Pflegeeinrichtungen an Weihnachten 2020

Covid-19 – Eine Herausforderung für alle Viele Herausforderungen musste der ASB in seiner 100-jährigen Geschichte meistern. Eine davon ist sicherlich die Corona-Pandemie. Im März 2020, während der ersten Corona-Welle, wurde nach Ausrufung des Katastrophenfalls in Bayern ein Krisenstab beim ASB gebildet.

Hauptaufgabe des Krisenstabs war es in dieser Anfangsphase, Schutzmaterial für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Rettungsdienst, Intensiv- und Krankentransport sowie im Seniorenbereich zu beschaffen, um die verschiedenen Dienste aufrechterhalten zu können.

Die Verunsicherung in der Bevöl- Im Sommer 2020 betrieb der ASB gemeinsam kerung war in unzähligen Anrufen mit weiteren Hilfsorganisationen eine Coronaund persönlichen Gesprächen deut- Teststation am Münchner Hauptbahnhof.

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Patiententransport unter verstärkten Hygiene- und Schutzmaßnahmen

lich zu spüren. Es galt, nach außen zu beruhigen und im ASB Ruhe zu bewahren.

Julian Rosenlehner vom ASB-Katastrophenschutz sagt: »Das Schwierige an Corona ist, dass wir das noch nie hatten.« Zudem handele es sich um nichts Greifbares, sondern um »eine abstrakte Gefahr, eine flächendeckende abstrakte Lage«. Hilfe hier und jetzt konnte in dieser Phase lediglich Reaktion sein.

Für den Erhalt der eigenen Handlungsfähigkeit beschloss der Krisenstab strenge Verhaltensregeln und Schutzmaßnahmen. Denn nur wer selbst keine Hilfe benötigt, kann auch anderen helfen. »Der Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und aller Menschen, für die wir Verantwortung tragen, hat allerhöchste Priorität«, sagt Geschäftsführer Christian Boenisch, »in dieser unsicheren Zeit wollen wir mehr denn je für unsere Mitmenschen da sein und sie dabei unterstützen, möglichst gesund durch diese Pandemie zu kommen.« Ende Dezember 2020 – auf dem Höhepunkt der zweiten Welle der Corona-Pandemie – steht die Zulassung eines Impfstoffes kurz bevor Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen und macht Hoffnung auf eine Entbleibt die Pflege eine Herzensangelegenheit. spannung im Jahr 2021.

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Nachhaltigkeit beim ASB

»Ökologie ist Teil unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung« Ein Gespräch mit Christian Boenisch, Geschäftsführer ASB München/Oberbayern e. V. Die Autoflotte in der ambulanten Pflege fährt bereits mit Strom, die Büros sollen komplett plastikfrei werden, und Pläne für eigenständige Stromgewinnung sind trotz Rückschlägen noch nicht vom Tisch.

Wann war Elektromobilität zum ersten Mal Thema?

Wir haben 2015 erstmals darüber gesprochen – und der Anlass war ein betriebswirtschaftlicher. Die Fahrtkosten in der ambulanten Pflege waren so wahnsinnig hoch, dass wir etwas ändern mussten. Aber wenn man in diesen Zeiten etwas ändert, war uns klar, dass wir nicht einfach nur kleinere Autos kaufen konnten, sondern gleichzeitig auf Elektromobilität umsteigen mussten. Wir hatten sogar den Plan, den Strom selber zu erzeugen, sind aber vorerst an unserer eigenen Dachkonstruktion gescheitert, die ungeeignet ist, um Solarzellen darauf zu installieren. Wir suchen aber nach Alternativen.

Oft werden eher Gegenargumentationen auf betriebswirtschaftliche Aspekte gestützt …

Elektroautos sind in der Anschaffung natürlich zunächst mal teurer. Dass niemand mehr zum Tanken fahren muss, spart bei acht Autos im permanenten Gebrauch aber tatsächlich Geld – denn das ist immer Arbeitszeit einer Fachkraft, die nun stattdessen in der Tiefgarage nur noch den Stecker in die Steckdose stecken muss. In der ambulanten Pflege gibt es keine Benziner mehr. Wir wollen das weiter ausbauen, trauen uns aber noch nicht an die Blaulichtfahrzeuge heran, weil die im Einsatz oftmals lange irgendwo Christian Boenisch, stehen müssen und »Strom« verbrauchen. Das schafft Geschäftsführer des ASB München/Oberbayern man mit einem Elektrofahrzeug heute noch nicht.

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Seit 2016 werden Pflegepatienten und Hausnotrufkunden ohne Benziner besucht.

Fahrrad-Sanitäter: Mit ihren E-Bikes erreichen sie viele Orte schneller als mit dem Rettungswagen.

Sie wollen in der Verwaltung künftig komplett auf Plastik verzichten. Was steht auf dem Index?

Es gibt keine Marker, Lineale, Aktenkörbchen und möglichst auch keine Hüllen oder Ordner mehr aus Plastik. Kugelschreiber sind zumindest aus Recyclingplastik. Bei Werbegeschenken werden wir die Heliumballons ersetzen, weil sie zwar beliebt sind, aber massive Schäden dort anrichten, wo sie in der Natur landen. Begonnen hat die Reflexion darüber, welchen Einfluss die Büroarbeit auf Nachhaltigkeit hat, mit einer Diskussion über unseren hohen Papierverbrauch. Den haben wir durch eine Sensibilisierung für das Thema bereits deutlich reduziert.

Wird es bald gar kein Papier mehr geben?

Dazu fehlt uns leider die Grundstruktur in der EDV. Es sind aber Seminare geplant, weil die Richtung stimmt. Zunächst geht es dabei um eine drastische Reduktion. Bestimmte Dokumente muss man irgendwann mal ausdrucken – ordnerweise Schriftverkehr mit Ämtern aber zum Beispiel nicht.

Zu diesen Veränderungen ist der ASB gesetzlich nicht verpflichtet, warum wurden sie dennoch angestoßen?

In Bayern ändert sich auf Gesetzgeberseite nur unter größtem Druck etwas, und dann auch nur sehr langsam. Wir sind von innovativen und nachhaltigen Lösungen in vielen Bereichen weit entfernt. Als Verband haben wir neben unseren unmittelbaren Dienstleistungen aber eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Und wir können doch nicht ernsthaft für uns in Anspruch nehmen, solidarisch und bunt zu sein und Gerechtigkeit anzustreben, wenn uns das Thema Ökologie egal ist. Das gehört einfach dazu.

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Chronologie

Der ASB München/Oberbayern in Zahlen 29. 11.1888 Der Zimmererpolier Gustav Dietrich organisierte mit fünf weiteren Zimmerleuten einen ersten Erste-Hilfe-Kurs für Arbeiter. Dies gilt als Gründungsdatum des Arbeiter-SamariterBundes in Deutschland 1909

Die ASB-Kolonnen schließen sich deutschlandweit zu einer eigenständigen Erste-Hilfeund Rettungsorganisation zusammen

03.03.1921 Gründung einer eigenständigen Münchner ASB-Kolonne im Veteranensaal des Mathäserbräu in München 13.01.1923 Eintragung der ASB-Kolonne München ins Vereinsregister 1924

Der ASB in München hat bereits 200 Mitglieder, leistet Hilfe bei 618 Unfällen, 50 Betriebsunfällen und führt zahlreiche Krankentransporte durch

1926

Es gibt bereits sechs Übungslokale: Blumenschule am Sendlinger Tor, Sieboldschule, Schwindschule, Haimhauser Kinderschule, Jugendheim Neuhausen und Boschetsrieder Schule

1928

Der ASB darf offiziell Reichssammelwochen, die sogenannten »Blumentage« durchführen

23.06.1932 Großes internationales Fest der bayerischen Arbeiter-Sport- und Kulturverbände in München mit Sanitätsdienst-Beteiligung der Samariter 15.05.1933 Verbot und Auflösung der Münchner ASB- Kolonne durch die Nationalsozialisten 03.01.1935 ASB bittet um Löschung aus Vereinsregister, nachdem Zahl der Mitglieder auf drei gesunken ist 1933-1945 Jüdische Ärzte wurden diffamiert und verfolgt. Ihnen wurde die Arbeitserlaubnis entzogen, ihr Vermögen wurde enteignet und nicht wenige haben in Konzentrations- und Arbeitslagern ihr Leben verloren 1945

Die Wiedergründung des ASB in München direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde nach Aussage des ASB-Wiedergründungsmitglieds Josef Saller durch den damaligen Münchner Polizeipräsidenten Franz Xaver Pitzer gebremst

21.05.1962 Endlich gelang die Wiedergründung – erste Dienststelle Seidlstraße 26 1963

Im ersten Jahr nach der Wiedergründung wurden bereits 143 Krankentransporte verzeichnet

1966

Dienststelle in der Brudermühlstraße 10

1968

Der ASB leistet den Sanitätsdienst bei der Gedenkveranstaltung im Konzentrationslager Dachau

1970

Katastrophenschutzhelfer verpflichten sich

1971

Umzug in die Rumfordstraße 23-25

70er Jahre Die ersten Zivildienstleistenden unterstützen den ASB in München. Bis zur Abschaffung Ende 2011 haben jährlich etwa zehn junge Leute ihren Zivildienst beim ASB abgeleistet

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1972

ASB leistet Sanitätsdienst bei den Olympischen Spielen

1973

Der erste Rettungswagen seit der Wiedergründung nimmt seinen Dienst auf

1974

Einrichtung einer Telefonkette für Seniorinnen und Senioren

1974

Katastrophenschutz-Einsatz in der Erdbebenregion von Udine, Italien

1975

Ein Seniorenprogramm mit umfangreichen Kursen wird aufgelegt

07.07.1975 Gründung des Rettungszweckverbandes 1977

Fahrdienst für Behinderte

1980

Schnelleinsatzgruppen sind beim Terroranschlag auf das Oktoberfest im Einsatz.

1981

Eröffnung des Alten- und Service-Zentrums Altstadt (ASZ) – eine zentrale und niederschwellige Einrichtung der offenen Altenhilfe

22.10.1983 Umzug in die neue Geschäftsstelle, die ehemalige Feuerwache in der Schulstraße 5 1986

Eröffnung der 1. Sozialstation

1990

Der erste Hausnotruf-Teilnehmer wird ans Netz angeschlossen

1990

Wiedergründung der Arbeiter-Samariter-Jugend

20.11.1990 Der ASB stellt die Besatzung für den ersten Intensivtransporthubschrauber (ITH) 1990er

Beginn einer intensiven Partnerschaft mit dem Ukrainischen Samariterbund (SSU) in Kiew, Ukraine

1990er

Der ASB betreibt in den Stadtteilen Laim, Sendling, Altstadt, Schwabing und Neuhausen eigenständige Sozialstationen

1991

Der erste Intensivtransportwagen (ITW) nimmt in München seinen Dienst auf

09.03.1994 Gründung des Krisen-Interventions-Teams (KIT-München) durch Dr. Andreas Müller-Cyran 24.06.1994 Umzug in die neue Geschäftsstelle Adi-Maislinger-Str. 6-8 1998

Das ASZ Altstadt führt mit dem Projekt »SeniorInnen ans Netz« die Neuen Medien in der offenen Altenarbeit ein

Ende 90er Erste Rettungshundestaffel in München 2002

ASB-Rettungshundestaffeln in Starnberg/Weilheim und Ingolstadt

2007

Aufbau der ASB-Motorradstaffel

2007

Der ASB und die GEWOFAG eröffnen den ersten Standort für das innovative Wohnprojekt für Seniorinnen und Senioren »Wohnen im Viertel«

01.01.2012 Durch die Abschaffung des Zivildienstes kommen die ersten Bundesfreiwilligen zum ASB 2012

Mitbegründer der Schnelleinsatzgruppe Rettungshund Oberland

2013

KIT-Gründer Dr. Andreas Müller-Cyran erhält das Bundesverdienstkreuz

2013

Aufbau des Besuchshundedienstes in Ingolstadt

2014/2016 Zwei weitere Standorte von »Wohnen im Viertel« werden eröffnet 2015

In der Ambulanten Pflege werden die ersten drei Elektro-Smarts eingesetzt

14.12.2015 Eröffnung Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete 01.06.2016 Der Wünschewagen erfüllt erste Wünsche für Menschen in der letzten Lebensphase 2018

Die Stiftung Warentest zeichnet den ASB-Hausnotruf als Testsieger aus

2019

Die Ambulante Pflege, der Hausnotruf und die Ausbildung stellen komplett um auf Elektro-Fahrzeuge. Für kurze Strecken stehen E-Bikes zur Verfügung

01.10.2019 Die erste Kindergartengruppe im Haus für Kinder »Abenteuerland« wird eröffnet 2021

Eröffnung des Beringerheims in Tutzing: Inklusives Lernen und Arbeiten mit Hort im Wald, inklusivem Tagungs- und Bildungshaus und Tagespflegeeinrichtung

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Es ist Zeit, DANKE zu sagen!

Ein herzliches Dankeschön gilt all denjenigen, die an der Erstellung dieser Jubiläums-Publikation beteiligt waren und ohne die dieses Buch, auf das wir alle stolz sind, nicht vorliegen würde: HERZLICHEN DANK an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und alle Ehrenamtlichen des ASB München/Oberbayern e. V. , Wilhelm Müller, ehemaliger ASB Bundesgeschäftsführer, für seine historische Beratung und redaktionelle Zuarbeit, Katrin Freiburghaus für ihre großartige redaktionelle Leistung, und alle anderen Autorinnen und Autoren, die redaktionelle Beiträge geleistet haben, Martin Arz, Verlagsleiter im Hirschkäfer Verlag, für die grafische Gestaltung und produktionstechnische Abwicklung, Brigitta Frucht, Leiterin des ASB-Bundesarchivs, für die Zusammenstellung der historischen Fotos, Dorothea Wilhelm, die auf alle Texte ihr korrektives Auge gerichtet hat und die Kolleginnen aus dem Bereich Kommunikation des ASB München/Oberbayern, die den Entwicklungsprozess des Buches vom Konzept bis zur Drucklegung begleitet haben.

Dr. Christian Wolf Vorstandsvorsitzender

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Christian Boenisch Geschäftsführung