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Intensivtransporthubschrauber

Rettung aus der Luft: Christoph München

1990 wurde der Ambulanzhubschrauber »Sama Bayern-Süd« erstmals in Betrieb genommen – anfänglich zur Verlegung von Intensivpatienten. Heute ist der Hubschrauber Christoph München auch für Notfälle im Einsatz. Durchschnittlich fliegt er drei bis vier Einsätze am Tag.

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6.15 Uhr. Tobias Schumanns Arbeitstag beginnt in einem Flachbau hinter dem Klinikum Großhadern mit dem Anlegen seiner Dienstkleidung.

6.30 Uhr. Der Nachtdienst übergibt den Rettungshubschrauber Christoph München an Notfallsanitäter Schumann und den Rest der Tagcrew.

7.00 Uhr. Schumann, ein Arzt und ein Pilot besprechen Wetterlage und terminierte Flüge. Es ist der letzte Tagesordnungspunkt, der sich planen lässt. »Wir sind eigentlich ein klassischer Intensivtransporthubschrauber«, sagt Schumann, »aber wir machen auch die ganze Notfallrettung in der Nacht und wenn Christoph 1 schon anderweitig unterwegs ist.« Intensivtransporte werden meist langfristig geplant. Zwei bis drei Stunden dauern diese Einsätze, bei denen Patienten von einer Klinik in eine andere geflogen werden. »Das liegt daran, dass wir im Hubschrauber wenig Platz haben«, erläutert Schumann, »wir versuchen die Patienten deshalb so stabil und versorgt einzuladen, dass wir unterwegs möglichst wenig machen müssen.« Checkliste vor dem Start

· Ist genug Sprit an Bord? · Werden Kontrollzonen überflogen? · Erlaubt das Wetter eine sichere

Landung am Ziel? · Ist der Patient stabil? Stimmen die

Daten? · Sind alle Geräte an Bord? · Ist der Hubschrauber nicht zu schwer?

Wer ist Christoph?

Alle Rettungshubschrauber in Deutschland führen den Namen Christoph und unterscheiden sich lediglich durch eine Zahl oder ihren Standort dahinter. Sie sind nach dem Heiligen Christophorus benannt, der zu den 14 Nothelfern zählt. Der Riese wird als Beschützer der Reisenden verehrt, weil er sie der Legende nach über einen tiefen Fluss trug. Einmal trug er das Jesuskind.

ASB Notfallsanitäter Tobias Schumann bei seiner 12-StundenSchicht am Hangar in München-Großhadern. Er hat eine Zusatzausbildung zum HEMS TC (Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew Member).

Der Hubschrauber ist mit allem bestückt, was zur Intensiv- und Notfallversorgung nötig ist. Die Herausforderung ist der fehlende Platz. Zwar wird der Hubschrauber beim Landeanflug für den Betrachter größer und größer, der gewaltige Propeller plättet das Gras ringsum und zerzaust die Bäume vor dem Gebäude. »Von außen schaut er wirklich riesengroß aus, aber alles oberhalb der Fenster ist Triebwerk und Tech-

Trotz Wind und Wetter

Christoph München bleibt nur bei starkem Nebel oder Sturm über 50 Knoten bzw. 92 km/h, gefrierendem Regen und starkem Schneefall am Boden. Davon abgesehen trotzt die Crew allen Wetterlagen. Im Inneren ist das zu spüren: Das gesamte Transportmittel vibriert und schaukelt. »Es ist wie auf einem kleinen Segelschiff«, sagt Schumann, »wenn man irgendwo etwas ablegt, muss man es anschließend ganz sicher suchen.«

Hubschrauber mit ASB Intensivtransportwagen vor dem Krankenhaus Großhadern 1995

nik, und alles unterhalb der Tür ist Tank und Technik«, sagt Schumann. Es gibt nur wenige Kubikzentimeter Innenraum, die ungenutzt bleiben.

7.30 Uhr. Wenn Funkalarmmelder und Handy stumm bleiben und Schumann nicht zu einem Notfalleinsatz in den Hubschrauber steigen muss, stehen Tagesaufgaben an. Darunter fallen jede Menge wenig glamouröse Tätigkeiten, die für den reibungslosen Ablauf im Notfall und die Patientensicherheit entscheidend sind. Weil der Hubschrauber nie abgemeldet wird, lässt sich kein Zeitfenster Begrenzter Stauraum für eine Scheuerdesinfektion ansetzen. »Aus diesem Grund machen wir Der Hubschrauber ist für alle medizidas fortlaufend Stück für Stück«, sagt nischen Eventualitäten ausgerüstet – Schumann. Medikamente müssen kontrolliert, aufgefüllt und ausgetauscht werden. Jemand muss die Post holen und die Wäsche waschen. Die Luftrettung sei eine autarke Einheit: »Wir machen alles selber.« allerdings in niedriger Stückzahl. »Wir versuchen, uns bei einfachen Dingen wie Infusionen oder Verbandspäckchen von den Einsatzkräften vor Ort unterstützen zu lassen, damit wir nicht zum Auffüllen zurückfliegen müssen, wenn wir gleich den nächsten Einsatz 12.00 Uhr. Vielleicht Mittagspause. Vielleicht auch nicht. Es gibt keine feste Uhrzeit für Pausen. Dafür befinden sich mehrere Aufenthaltsräume und eine voll eingerichtete Küche im Haus, denn verlassen dürfen Schumann und seine Kollegen ihren Stützpunkt während ihrer Zwölf-Stunden-Schichten nicht. »Die Mutigen kochen«, sagt Schumann und lacht. Er selbst traue sich »maximal Nudeln mit Pesto«. Standard sind Mikrowellengerichte oder Tiefkühlpizzen: »Alles, worum es nicht so schade ist, wenn es letztlich doch nur kalt wird.« Denn ob Zeit für ein entspanntes Essen bleibt oder nicht, weiß am Morgen niemand. »Wenn viel los ist, ziehen wir auch mal zwölf Stunden voller Einsätze durch«, sagt Schumann. An anderen Tagen bleibt Zeit, bei den Tagesaufgaben vorzuarbeiten.

haben.« (Tobias Schumann)

»Inter-Hospital-Transfer« Hubschrauber innen 1995 (u.) und 2020 (o.)

Die Crew: Am Tag besteht die Besatzung aus einem Piloten, einem Notarzt und einem Notfallsanitäter mit der Zusatzausbildung zum HEMS TC. Auch Schumann hat diese Zusatzausbildung, die es ihm erlaubt, den Piloten im Cockpit zu unterstützen. »Fliegen kann und darf ich aber nicht«, sagt er. Bei Nachtflügen kommt deshalb zur Sicherheit ein zweiter Pilot hinzu. Es gebe immer noch Menschen, die Hubschrauber mit einem Laser blendeten. Dann übergibt der geblendete Pilot an seinen Assistenten.

Am 20. November 1990 wurde der Ambulanzhubschrauber »Sama Bayern-Süd« in Zusammenarbeit zwischen dem AERO-Dienst Nürnberg, dem ArbeiterSamariter-Bund München sowie dem Institut für Anästhesiologie und der Chirurgischen Klinik des Klinikums Großhadern in Betrieb genommen. An der Station München werden zwei Inkubatoren vorgehalten. Der abgebildete Space Pod Inkubator wird zusammen mit Teams der Neonatologie des Klinikums Großhadern betrieben.