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Rettungsdienst GmbH
»An oberster Stelle stehen Respekt und die Regel, niemals Macht auszuüben«
Ein Gespräch mit Klaus Kollenberger, Geschäftsführer der Rettungsdienst GmbH
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Klaus Kollenberger, 62, arbeitet seit über 40 Jahren im Rettungsdienst. Seine Laufbahn im ASB begann 1975 mit seiner Verpflichtung zum Katastrophenschutz, nach über einem Jahrzehnt als ausgebildeter Rettungssanitäter im Schichtdienst übernahm er die Rettungsdienstleitung, nach Gründung der ASB Rettungsdienst GmbH die Geschäftsführung. Schichtdienst sei das allerdings noch immer, sagt er, »denn unser Job ist der Notfall – kein Tag im Büro ist planbar«.
Polizisten schütteln oft den Kopf, wenn sie Polizeiarbeit im Fernsehen sehen – wie geht es Ihnen mit der Darstellung von Rettungseinsätzen? Ich schau es mir nicht absichtlich an, aber ich kann es aushalten. Mich stört gar nicht das Fachliche, das ist oft nah an unserem Alltag. Schlimm finde ich, dass die Patienten fast immer geduzt werden. Das geht überhaupt nicht, denn die Grundlage unserer Hilfe ist Respekt vor dem Patienten und seinem Anliegen. Dasselbe gilt für den Spruch »alles gut«. So ein Schmarrn! Wenn alles gut wäre, wäre der Rettungswagen doch nicht da.
Wen retten Sie? Das fängt bei einer Beule oder starkem Nasenbluten in der Schule an und hört bei Schlaganfällen auf, die leider immer häufiger werden. Dazwischen gibt es alles Mögliche: Infekte, die sich akut verschlimmern, Frakturen, Lebensmittelvergiftungen oder Jugendliche, die zum ersten Mal Gras geraucht haben und deren Eltern wenig davon halten, ihren halluzinierenden Nachwuchs schlafen zu lassen. Was stark zunimmt, sind psychiatrische Notfälle, die am Einsatzort mitunter schwere Angriffe auf das Rettungspersonal beinhalten. Aus diesem Grund schulen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neben den medizinischen Themen mittlerweile intensiv im Bereich Deeskalation.

Damals wie heute ist Klaus Kollenberger im Einsatz für den ASB. Bild links: als verantwortlicher Geschäftsführer der Rettungsdienst GmbH. Bild rechts: bei einer Großveranstaltung in den 80erJahren in der Münchner Innenstadt.
Wer unterstützt Sie bei traumatisierenden Einsätzen? Das Krisen-Interventions-Team des ASB (KIT-München). Wenn sich ein Mensch in Suizid-Absicht vor einen Zug warf, versorgte der Rettungsdienst früher nur den Verletzten, nicht den Fahrer. Dasselbe galt, wenn ein Kind in Lebensgefahr schwebte: Da kümmerten sich alle um das Kind – niemand um die Eltern. Heute wird das Krisen-InterventionsTeam angefordert; das betreut alle indirekt Betroffenen, im schlimmsten Fall Hinterbliebene, die mit der Situation meist völlig überfordert sind. Das ist ein wahnsinniger Fortschritt. Für uns hat es den Effekt, dass das Rettungsmittel schneller frei wird. Früher konnten wir die Leute nicht einfach allein an der Unfallstelle stehen lassen, heute ist jemand da.
Ist der Rettungswagen immer nötig? Schulen müssen z.B. anrufen, weil sie Meilensteine in der Entwicklung des ASB Rettungsdienstes die Verantwortung tragen, und Privatpersonen sind beim Anruf in der Leitstelle oft so aufgeregt, dass eine · 1973 fährt der erste ASB-Rettungs- Entscheidung auf der Grundlage ihrer wagen nach der Wiedergründung Angaben schwerfällt – da schickt man des ASB in München im Zweifel lieber einen Wagen. Ich ver· 1975 Gründung des Rettungs- urteile niemanden, der uns ruft. Anders zweckverbandes als für uns, kommt eine Notfallsituation · 1983 Umzug von der unzu- für Patienten unerwartet – das nimmt · reichenden Unterkunft in der Rumfordstraße in die ehemalige Feuerwache in der Schulstraße 1994 Umzug nach Sendling in die sich ja niemand beim Frühstück vor. Wirklich ärgerlich ist nur mutwilliger Fehlalarm.
Adi-Maislinger-Straße


Ein Ausschnitt des Fuhrparks in der Schulstraße in den 80er-Jahren (o.) und des heutigen Fuhrparks (u.)
Endet jeder Einsatz mit einer Blaulicht-Fahrt ins Krankenhaus? Manchmal wird daraus auch ein Krankentransport ohne Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerecht. Wenn es sich als harmlose Sache herausstellt, verweist man den Patienten auch mal an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst und lässt ihn zu Hause – aber das liegt in der Verantwortung des Notfallsanitäters.
Diese Verantwortung ist groß … Freilich. Speziell bei Schlaganfällen gibt es nichts Schlimmeres, als einen Patienten zu Hause zu lassen, weil man es nicht ernst genug nimmt. Für optimale Genesungschancen ist Zeit neben qualifizierter Hilfe fast immer der entscheidende Faktor.
Gibt es auch Einsätze, die seltener werden? Klassische Vergiftungen mit Tabletten, weil die Informationen auf den Produkten besser geworden sind und mehr Aufklärung stattfindet. Dafür gibt es eine extreme Steigerung im

Vielfalt, Toleranz und Respekt werden im ASB Rettungsdienst großgeschrieben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können auf Wunsch kostenlose Deutschkurse absolvieren.
Bereich der Rausch- und Suchtmittel und natürlich beim Alkoholmissbrauch.
Wo bringen Sie diese neuen Themen in der Ausbildung unter? Jede Zeit hat eigene Herausforderungen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen ihr gesamtes Berufsleben über dazu. Auch die Fahrzeugausstattung, das medizinische Equipment und die Befugnisse haben sich über die Jahre rasant entwickelt. Es gehört dazu, immer zu lernen und das Gelernte weitergeDer Rettungsdienst in Zahlen ben zu wollen, da stehen wir ganz in · 185 Mitarbeiter, davon 69 in Vollzeit der Tradition des ASB. · · · 8 Krankentransportwagen 11 Rettungswagen 2 Intensivtransportwagen Welche anderen Grundwerte haben sich über die Jahre erhalten? An oberster Stelle stehen Respekt und Die Flotte ist auf fünf Rettungswachen die Regel, niemals Macht auszuüben. in München verteilt: Wir stehen nicht über dem Patien· Rettungswache am Westpark (Haupt- ten, weil wir ihm helfen, sondern es wache der ASB Rettungsdienst GmbH) ist unser Job, den wir machen, wie ein · Rettungswache am Rotkreuzkran- Bäcker Brot bäckt. Dazu gehört auch, kenhaus dass wir ausblenden müssen, wer ein · · · Rettungswache an der Feuerwache 7 Rettungswache im Stadtteil »Am Hart« bei der Sanitätsakademie der Bundeswehr Rettungswache am Krankenhaus Bogenhausen. Diese wird gemeinsam mit der Malteser Rettungsdienst Patient ist und wie er zum Patienten geworden ist: Ob die Verletzung fahrlässig entstanden ist, darf für uns keine Rolle spielen. Oder ob der Patient zum Beispiel eine neonazistische Einstellung hat: Wir werden ihm helfen, al-
GmbH betrieben. lerdings müssen wir mit ihm auf dem Weg ins Krankenhaus nicht plaudern.
Was wir allerdings ablehnen, sind Geschäftsbeziehungen mit einer Partei, die rechtsextreme Ansichten vertritt. So hat unser Bundesverband zum Beispiel die Durchführung von Erste-Hilfe-Kursen für die AfD abgelehnt, da die Positionen dieser Partei unserem Wertekodex widersprechen. Zu dieser Entscheidung stehe ich ebenso. Aber sollte jemand aus der AfD akut Hilfe brauchen, werden wir diese selbstverständlich leisten.
Was für den Rettungsdienst Alltag ist, stellt für Patienten eine absolute Ausnahmesituation dar. Immer wieder erhält der ASB nach Einsätzen Post, zwei Auszüge:
»[...] Am vergangenen Mittwoch war ich aufgrund eines Schwächeanfalls auf den Rettungsdienst angewiesen. Die beiden Rettungssanitäter vom ASB haben mich durch ihr professionelles Handeln, vor allem aber durch ihre menschliche Zuwendung schon wieder einigermaßen stabil bekommen, bevor sie mich ins Herzzentrum gebracht haben. In einer Zeit, in der alles oft schnell und unpersönlich abläuft, tut es gut, so einfühlsam behandelt zu werden. Sie können sich glücklich schätzen, solche Mitarbeiter zu haben. Mit herzlichem Gruß.«
»[...] ich erlitt anlässlich einer Pulmonalvenenablation eine Perikardtamponade. Nach Aspiration von mehreren Litern Blut wurde ich von Ihren Sanitätern sowie dem Notarzt in eine andere Klinik transportiert, wo ich notoperiert wurde. Nach einigen lebensbedrohlichen Krisen habe ich letztlich überlebt und durfte auch noch ein paar funktionsfähige graue Zellen meiner Hirnrinde behalten. Ich möchte mich hiermit herzlich bedanken! Sie haben Hervorragendes geleistet, ohne Sie wäre ich nicht mehr am Leben!« Kampf um Akzeptanz und Personal
»Die Kombination aus Blaulicht und Martinshorn wird immer häufiger als Lärmbelästigung empfunden, immer wieder gibt es Beschwerden. Also müssen wir den Menschen erklären, warum das nötig ist. Auch Personal zu finden, wird eine große Aufgabe: Früher konnten wir noch auf angehende Medizinstudentinnen und –studenten zurückgreifen, die gerne die zweijährige Ausbildung zum Rettungsassistenten nutzten, um die Wartezeit bis zum Studium zu überbrücken. Dies ist nicht mehr möglich. Heute dauert die anspruchsvolle Ausbildung zum Notfallsanitäter drei Jahre. Diese Zeitspanne überschreitet auch bei den meisten angehenden Medizinstudentinnen und –studenten die Überbrückungszeit auf einen Medizinstudienplatz.«
(Carola Lang, Fahrdienstleitung)
