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Wünschewagen

Der Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen

2016 nahm der Wünschewagen in München und ganz Bayern Fahrt auf. Die Idee, Menschen in ihrer letzten Lebensphase noch einmal mit einem speziell für die Bedürfnisse der Fahrgäste ausgestatteten Krankenwagen an einen Wunschort zu fahren, wurde erstmals vom ASB Essen umgesetzt. Heute decken 25 Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes das komplette Bundesgebiet ab.

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Der ASB-Wünschewagen: Noch ein letztes Mal … Einem schwer erkrankten geliebten Menschen beizustehen und ihm den Abschied zu erleichtern, ist ein selbstverständliches Anliegen, das sich für Angehörige und Freunde jedoch oft schwer verwirklichen lässt. Denn selbst alltäglich anmutende Wünsche sind für sterbenskranke Menschen häufig nicht mehr realisierbar, weil dafür medizinische Ausrüstung und Betreuung durch geschulte Fachkräfte dringend benötigt werden. Diese letzten Wünsche will der Wünschewagen des ASB ermöglichen. Seit Juni 2016 wurden im Raum Oberbayern über 200 Wünsche von schwerst erkrankten Menschen wahr. Das Projekt wird ausschließlich durch Spenden finanziert, es gibt für den Wünschewagen keine öffentliche Förderung. Für den Fahrgast und eine Begleitung ist die Wunschfahrt selbstverständlich kostenlos. Auch das gesamte WünschewagenTeam ist ehrenamtlich tätig, um Menschen jeden Alters in ihrer letzten Lebensphase noch einmal an einen Wunschort zu bringen. Der jüngste Fahrgast war zwei Jahre alt, der älteste 97.

Die Schauspielerin Janina Hartwig unterstützt den Wünschewagen als Projektpatin und hat die erste und die hundertste Wunschfahrt persönlich begleitet: »Für Menschen in ihrer letzten Lebensphase ist es oft nicht mehr möglich, bewusst am Leben teilzuhaben. Es liegt mir ganz besonders am Herzen, diesen schwerst kranken Menschen und

Die erste Fahrt des Münchner Wünschewagens ging noch einmal nach Hause zur Familie. Mit dabei Schauspielerin und Projektpatin Janina Hartwig (1. v. rechts).

Die Wunsch-Erfüller

Die Wunschfahrten werden von mindestens zwei ehrenamtlichen Fachkräften begleitet. Ein Rettungssanitäter ist immer mit an Bord. Darüber hinaus begleiten Pfleger, Krankenschwestern, Palliativmediziner oder psychosoziale Fachkräfte die Wunschfahrten. Sie alle engagieren sich freiwillig. Bevor die erste Wunschfahrt startet, durchlaufen alle zukünftigen Helferinnen und Helfer eine umfassende Schulung. Denn die Betreuung und Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. ihren Familien noch einmal zur Seite zu stehen. Der Wünschewagen ist ein wunderbares, wichtiges Projekt. Ich bin dankbar, Teil sein zu dürfen, und möchte mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wünschewagens und beim ASB bedanken. Ihr macht eine tolle Arbeit!«

Auszüge aus einem nicht alltäglichen HelferAlltag: »Das Faszinierende am Wünschewagen ist für mich, dass ich nur Zeit mitbringen muss, um damit etwas Besonderes zu schaffen. (…) Dann wird für einen Menschen, der nicht mehr lange zu leben hat, aus meiner Zeit und etwas ganz Alltäglichem oder auch Spektakulärem ein ganz einzigartiges letztes Erlebnis.« Bernd Fastje

»Warum ich das mache? Weil ich unseren Fahrgästen ein Geschenk machen kann. Ich schenke ihnen Zeit, Mobilität und den Türöffner Wünschewagen für einen Tag. Wir erleben gemeinsam Dinge, die ohne den Wünschewagen nicht denkbar wären. Die kleinen Wunder auf der Reise, das freundliche Augenzwinkern vom Schick-

sal: Das erleben nicht nur unsere Gäste, sondern auch wir. Einen Wunsch zu erfüllen, ist ein Geschenk. So gesehen habe ich in den letzten Jahren einige Geschenke bekommen; große und kleine ganz besondere Momente. Jede Fahrt macht uns reich an Erinnerungen, Erlebnissen und Überraschungen. Es geht nicht darum, besonders weit zu fahren oder von besonders weit oben hinunterzuschauen. Wir besuchen Orte, die unseren Fahrgästen etwas bedeuten.« Natascha Schuschei

»Was mich besonders berührt, sind die tiefe Dankbarkeit und die vielen Emotionen unserer Gäste. Das ist mein großer Ansporn, noch sehr viele Wünsche zu erfüllen.« Paul Lamatsch

Natascha Schuschei

Der Wagen

Schwere Krankheiten und Palliativmedizin verbindet man oft ausschließlich mit sehr alten Menschen. Die Realität des Wünschewagens sieht jedoch ganz anders aus. Gut 25 Prozent der Fahrten erfüllen letzte Wünsche von Kindern: Von einem letzten Tag im eigenen Kinderzimmer bis zum Show-Besuch bei »Holiday on Ice«. Auch die Wünsche der Erwachsenen sind so vielfältig wie die Menschen, die sie hegen.

Der speziell für die Bedürfnisse von schwerstkranken Menschen ausgestattete Krankentransportwagen bietet eine moderne notfallmedizinische Ausstattung und trotzdem angenehme Atmosphäre. Er verfügt über spezielle Stoßdämpfer, eine Musikanlage sowie ein harmonisches Konzept aus Licht und Farben. Eine verspiegelte Rundum-Verglasung bietet einen Panorama-Blick in die Umgebung.

»Rosenheim-Cops« Eine 11-Jährige mit Querschnittslähmung ist begeisterter Fan der Rosenheim-Cops und wollte ihre Stars unbedingt einmal live bei Dreharbeiten Die Sonne genießen und noch einmal ganz normale Dinge tun. Zwei Ehrenamtliche und ihr glücklicher Fahrgast (Mitte).erleben. Am Morgen ging es von der elterlichen Wohnung in die Bavaria Studios. Nach einer Runde über das Set durfte sie bei den Dreharbeiten zuschauen. Auch ein Blick in den »Times Square« wurde ermöglicht. Nach einem ausgiebigen Mittagessen mit den Stars und einem Blick in die »Pathologie« brachten wir das überglückliche Mädchen wieder nach Hause.

Bei den »Rosenheim-Cops«

Auf der Brücke über den Chiemsee Einen 8-jährigen Jungen, auf den Rollstuhl angewiesen, hat das Team des Wünschewagens zu einem Ausflug an den Chiemsee aus der Einrichtung »Atemreich« abgeholt. Nach einer kleinen Stärkung ging es mit dem Kleine und große Letzte Wünsche: Schiff auf Rundtour über den Chiemsee Noch einmal … mit Stopp auf der Fraueninsel. Der Kapitän des Ausflugsschiffes ermöglichte · die Schlachtschüssel im Augustiner- es dem Jungen, die Rückfahrt auf der zelt auf der Wiesn genießen Brücke direkt neben dem Steuerruder · · im Streichelzoo Tiere streicheln zum Spiel des Lieblingsvereins und zu genießen. · · mit dem Lieblingsspieler sprechen auf die Zugspitze und die Weite spüren über die grünen Fairways in die Berge schauen Noch einmal zum eigenen Pferd Unser Fahrgast wollte auf einem Reiterhof in Gilching noch einmal Zeit mit seinem Pferd verbringen. Dort wurden · · die Frühlingsblüte im Blumenpark erleben mit der ganzen Familie zusammen sein – auf der Hochzeit des Sohnes Noch einmal Kapitän sein – mit Beatmungsgerät und Rollstuhl ging es aufs Schiff über den Chiemsee. · vom Berggipfel in die Ferne schauen · einen Sonnenuntergang am See erleben · die Stationen aus 100 Jahren Leben besuchen · die Wohnung sehen, bevor es in ein

Hospiz geht · bei der Hochzeit der Tochter dabei sein · Freunde besuchen, die in einer anderen Stadt leben

Abschied nehmen vom eigenen Pferd und den Reiterfreunden.

Während der Wunschfahrten entwickeln die sterbenskranken Fahrgäste oft enorme Kräfte, wie dieser dankbare Fußballfan, der mit dem Wünschewagen noch einmal seine Lieblingsmannschaft besuchen durfte.

wir von Betreibern und Freunden herzlich begrüßt. Im Rollstuhl und mit dem Pferd an der Leine ging es durch die nahe gelegenen Wiesen. Hinterher gab es im Kreis weiterer Reiterfreunde Kaffee und Kuchen. Es war sehr berührend zu sehen, wie sehr unser Fahrgast in dieser Runde aufblühte. Nach circa zwei Stunden verließen ihn allmählich seine Kräfte und wir traten mit der Gewissheit den Rückweg an, dass dieser Ausflug bei allen sehr viel Freude hinterlassen hat.

Beflügelnder Fußball Ein schwer krebskranker Fan des 1. FC Nürnberg wollte noch einmal bei einem Training zuschauen. Laut der betreuenden Palliativschwester hatte er das Bett seit drei Wochen nicht verlassen und kaum noch gegessen und getrunken. Er erwartete uns von Tochter und Enkelin begleitet im Rollstuhl am Straßenrand. Im Stadion schaute er bei sengender Hitze zwei Stunden lang zu und war überglücklich, als Kapitän und Trainer der Mannschaft, Michael Köllner und Hanno Behrens, im Anschluss noch eine halbe Stunde lang mit ihm fachsimpelten. Zu Hause bestand er darauf, auf eigenen Füßen in den ersten Stock zu gehen.

Der schönste Tag im Leben Hochzeiten sind nicht nur für die Eheleute große Tage. Ein 81-jähriger Gast wollte an der standesamtlichen Trauung seiner Tochter in Wolfratshausen teilnehmen. Wir holten ihn und seine

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter gehen manchmal an ihre Grenzen, um dem Fahrgast den letzten Wunsch zu erfüllen, wie bei diesem Transport auf die Zugspitze.

Ehefrau in Schwabing ab, wo die Fahrt wegen Kreislaufproblemen des Fahrgastes zunächst kurz auf der Kippe stand. Wir kamen dennoch pünktlich an. Das Eintreffen des Gastes sorgte beim Brautpaar und der Familie bereits für große Emotionen. Kaum jemand hatte es für möglich gehalten, dass der Papa wirklich an der Hochzeit würde teilnehmen können. Unser Gast mobilisierte alle Kräfte, um möglichst lange bei der wunderschönen Feier dabei zu sein.

Gipfelglück Wir holten unseren Gast, einen leidenschaftlichen Bergsteiger, im Krankenhaus ab, wo die Enkel schon in freudiger Aufregung warteten, um mit ihrem Opa »auf den Berg zu wandern«. An der Talstation unterstützte uns das Personal nach Kräften. Wir fuhren in einer »Privatgondel« allein für unseren Fahrgast und seine Familie nach oben. Er schaffte trotz seiner ausgeprägten körperlichen Einschränkungen den letzten Aufstieg über eine steile Rampe und einige Stufen bis zur Kapelle. Dort sind die Helfer der Bergwacht stationiert, wo unser Gast selbst mehr als 50 Jahre tätig war. Nach Wirtshausbesuch und Talfahrt verabschiedete sich unser Gast mit Tränen in den Augen vom Wendelberg. Im Krankenhaus angekommen, bedankte er sich herzlich für die Möglichkeit, noch einmal so hoch hinaus gekommen zu sein.

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