Appenzeller Verlag Leseprobe
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Peter Eggenberger
Der Appenzeller Witz
Eine vergnügliche Spurensuche
Appenzeller Verlag
© 2023 by Appenzeller Verlag, CH-9103 Schwellbrunn
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Umschlaggestaltung: Brigitte Knöpfel
Umschlagbilder: Carmen Wueest
Gesetzt in Stempel Garamond
Herstellung: Verlagshaus Schwellbrunn
ISBN 978-3-85882-878-1
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Inhalt Der Appenzeller Witz 9 David gegen Goliath ........................................................... 10 Drei schlagfertige Wirtinnen 11 Gereimte Schlagfertigkeit 15 Woher kommen die Apenzeller Witze? ........................ 17 Der verhasste Vogt von Schwende .................................. 18 Touristen machten den Witz bekannt 20 Bibel der Appenzellerland-Begeisterung .................... 21 Schlagfertiges Handeln ....................................................... 24 Kein Witz: Abfall wird zu Geld gemacht 25 Sensationelle Wunderheilung ........................................... 26 Gais, ein gesundes Dorf ..................................................... 28 Weissbad und Heinrichsbad übertrumpfen Gais 31 Neue Blüte für alte «Bädli» 32 Appezeller Bädli und Witz ................................................ 37 Alfred Tobler, der führende Witzologe 42 Jeder Appenzeller ein Witzbold 44 Schottebüüch, Schnitzfresser und Kropfli ................... 46 Hans Eggenberger, Pionier der Kropfprophylaxe .... 47 Glanzvoller Aufstieg von Heiden 49 Pfiffiger Kurarzt Dr. Küng ............................................... 51 «Ich tanze nicht mit einem Kind!» ................................. 53 Eine Bahn voller witziger Geschichten 55 Henry Dunant sorgt für Schlagzeilen ............................ 57 Witzig-schlaue Werbestrategen ....................................... 63 Und dann noch die Kuhstallduft-Therapie 64 Mit süffigem Rotwein den Säntis gerettet 66 Ein Dorfarzt als Witzlieferant .......................................... 68 Der Witz-Hotelier von Wienacht ................................... 70 5
6 Walzenhausen, der kurtouristische Spätzünder ......... 71 Der Witz als soziales Nivellierungsinstrument ......... 73 Pfarrer gegen Regierungsrat 76 Der rumänische König und die gewichtigen Schüler .............................................................................. 78 Gemeindehauptleute mit Witz und Pfiff 82 Klein und grossartig: Zwerg Seppetoni 85 Hermann Hesse: Fröhliches Land mit heiteren Menschen ......................................................................... 93 Zwei Drittel Verstand und ein Drittel Herz 94 Der Witz ist krisenresistent .............................................. 95 Gütterlitökter, Quacksalber, Kurpfuscher und Konsorten 96 Ein Preusse als glühender AppenzellerlandVerehrer ............................................................................ 101 Kräuterpfarrer Künzle im Appenzellerland 105 Traditionsreiche Klostermedizin 107 «Ecetera im Klöschterli Grimmeschtaa» ...................... 108 Humorist Jakob Hartmann 111 Witz-Export nach Berlin 114 Herisauer Theaterleute an der Landi in Bern ............. 116 Text für ein Globibuch geschrieben ............................... 118 Vom Humor zur Tragikomödie 119 Grosses Aufrappeln nach dem Zweiten Weltkrieg ... 122 Das deutsche Wirtschaftswunder in Innerrhoden ... 123 Innerrhoder Witzologen 124 Galgenhumor ......................................................................... 127 Und der Appenzeller? Hat er Humor? ......................... 128 Neid und Missgunst statt Humor und Witz 131 Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt 133 Einsam und verlassen .......................................................... 136 Mani Matter und Dällebach-Kari ................................... 137
7 Restoni Räss, der vielseitige und humorvolle Innerrhoder ..................................................................... 138 Der Witzsammler vom Katzensteig 141 August Nef, Humorist im Schatten Hartmanns 142 Von Rheineck geehrt ........................................................... 143 Kurt Metzler, der witzige Zeichner 144 Carl Böckli, ein Meister seines Fachs 146 Geistesblitze aus heiterem Himmel ............................... 148 Ruedi Rohner, der dritte im Bunde ................................ 150 Witze erzählen ist eine Kunst 152 Witzwanderweg sorgt für touristischen Aufschwung .................................................................... 154 Heiden und Walzenhausen machen mit 156 Witzweg rettet Bergbahn ................................................... 157 Frauenfeindlichkeit? Wirklich? ....................................... 158 Schule, Lehrer und Eltern 160 Witze lassen sich kategorisieren 163 De Piccolo, e gwehris Mannli .......................................... 167 Die Witze produzierende Personenwaage 171 Metzgermeister und Appenzellerland-Botschafter 174 Originale sorgten für Witz-Nachschub ........................ 176 «Tampuure Fritz» und seine Zwanziger ....................... 177 Babettes Auftritte waren legendär 179 Witz und Tourismus sind eng verbandelt .................. 181
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Der Appenzeller Witz
«Lachen ist die beste Medizin» oder eben «Lache isch di bescht Medizin». Die Wahrheit dieser uralten Volksweisheit belegen verschiedene Studien: Herzhaftes Lachen verbessert die körperliche und psychische Gesundheit, beeinflusst den Blutzuckerspiegel und Blutdruck positiv, lindert Schmerzen und hilft bei Depressionen, Angst und Stress. Folglich gibt es Lachseminare und ähnliche Angebote, die das Lachen fördern. Erfolgreiche und kostenlose Alternative zum gruppentherapeutischen Lachen ist die Wanderung auf dem Appenzeller Witzwanderweg oder das gemütliche Verweilen in einer heimeligen Wirtschaft, wo eine gesellige Runde von Appenzellerinnen und Appenzellern am währschaften Tisch höckelt, witzelt und immer wieder in Gelächter ausbricht. Die gelebte Tradition wurde mit dem Witzwanderweg in den Fokus gerückt, was dem Appenzeller Witz 2012 einen Platz auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes sicherte.
«Der Appenzeller Witz ist eigentlich so alt wie die Freiheit des Landes, als sich die Appenzeller im 15. Jahrhundert aus der Untertänigkeit der Äbte des Klosters St. Gallen zur Eigenständigkeit emporrangen», schreibt Volkskundler Alfred Tobler in seinem Buch «Der Appenzeller Witz». Weit über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt wurde der Appenzeller Witz allerdings erst mit der ab 1750 einsetzenden touristischen Entwicklung. In der grünen Hügelwelt zur Erholung weilende Gäste aus der Schweiz und Deutschland ergötzten sich über die verblüffenden Reaktionen der kleinen Leute, die jede
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Provokation der «Grossen» schlagfertig und punktgenau parierten. Ein Beispiel: Im legendären Molkenkurhotel Ochsen in Gais pfiff eine junge Kellnerin bereits frühmorgens während der Arbeit ein munteres Liedchen. Ein griesgrämiger deutscher Gast reagierte ausgesprochen übellaunig und meinte zurechtweisend: «Bei uns pfeifen nur die Stallknechte!» Antwortete die junge Gääserin lachend: «Ond bi öös die, wo’s chönid!» («Und bei uns diejenigen, die es können!»)
David gegen Goliath
Und was ist ein guter Witz? Fast immer geht es um die vermeintliche Überlegenheit des «Grossen» gegenüber dem «Kleinen», der mit einer träfen Antwort obsiegt wie im Beispiel der Kellnerin, die den Provokateur in aller Kürze in die Schranken weist. Die Gaiser Begebenheit liegt auf der Linie des Urwitzes, für den die biblischen Gegenspieler Klein-David und Gross-Goliath sorgten: Der siegesgewisse Riese fordert den Kleinen mit einer abschätzigen Bemerkung heraus und freut sich diebisch auf dessen Niederlage. Zur grossen Überraschung der Zuschauer aber bodigt David den Herausforderer, der nach seinem Misserfolg dem Spott und der Schadenfreude der Zuschauer preisgegeben ist. Im übertragenen Sinn hat sich an diesem Vorgang bis heute nichts geändert. Nur ist an Stelle von Davids Steinschleuder die verbale Schlagfertigkeit der Appenzeller getreten. Ein provozierendes Grossmaul erhält vom vermeintlich Schwächeren reflexartig eine Antwort, die den
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Herausforderer schachmatt setzt. Natürlich gibt es viele weitere Witz-Definitionen. Jetzt aber genug des Theoretisierens. Überlassen wir das Wort den drei humorvollen Wirtinnen, die alle im nächsten Umfeld des Witzwanderweges tätig waren und fast täglich Appenzeller Schlagfertigkeit an den Tag legten. Ihre verbalen Reaktionen sorgten für gute Laune und waren damit vollauf dem Motto «Lachen ist die beste Medizin» verpflichtet. Und weil der Appenzeller Witz immer auch vom Dialekt lebt, werden die Geschichten teilweise in der Kurzenberger Mundart erzählt (der Kurzenberg umfasst das östliche Appenzellerland über dem Bodensee und Rheintal, wo der Appenzeller Witzwanderweg verläuft).
Drei schlagfertige Wirtinnen
Die Namen dreier unvergessenen Wirtinnen beginnen alle mit E: Elsi, Else und Ella. Der Buchstabe E trifft bei allen für Weiteres zu: Sie führten einzigartige Erststockbeizen mit endgültig besiegeltem Ende. Geblieben aber sind Erinnerungen an gemütliche Einkehr-Stunden, aber auch an eloquente, empathische und emanzipierte, vor einigen Jahren in die Ewigkeit abberufene Frauen. Heimelige Gaststuben erweisen sich übrigens auch heute als idealen Nährboden für Schlagfertigkeit und Witz. Und Dummköpfe, Wichtigtuer und Prahler nehmen witzige Zeitgenossen mit Vorliebe ins Visier.
All drei Fraue sönd schlagfierti gsi ond nie uf s Muul gkeit. D Elsi Lutz häd i de appezellische Grueb de «Anker» gfüert. E heimeligi Wiertschaft, wo de grooss
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Von links:
Elsi Lutz, «Anker», Grub.
Ella Schenk, Grütli, Oberegg. Else Messmer, «Säntis», Walzenhausen.
Bachofe dra erinneret häd, as früener o no e Bäckerei samt Lädeli zom Hus zmittscht im Dorf gkhört häd. Wo o wider emol de Rolf Bischof vo de sanggalische Grueb am Handwerker-Znüni nomme häd wele hööre blöd lafere, befilt d Elsi uf zmol: «So, fertig mit Pludere, etz langets!» ond seid wiiter: «Wenn dier d Tömmi weh tät, denn wärischt du de ganz Tag luut am Brööle!» D Schtammtischler hand glachet, ond de Schnori isch veschtillet ond abgschliche.
Ond etz i d Lache ob Walzehuuuse, wo d Else Messmer mit Herzbluet im «Säntis» gwiertet häd. Emol hand o drei Tütschi e-n-Iikehrli gmacht, wo vo Wolfhalde uf Walzehuuse gloffe sönd. «Na, hier sieht es aber sehr bescheiden aus, wir sind uns weit Besseres gewöhnt!», häd de eerscht glamentiert, wos a am Tisch ghocket sönd ond abschätzi ommenand ggaffet hand. O de Zweit häd en tomme Latz ghka ond seid: «Da sind wir doch tatsächlich hinter dem Mond gelandet, alles reichlich primitiv hier und total veraltet!» Denn häd si o no de Dritt veluute lo ond rüeft: «Na, gute Frau, jetzt kriegen wir aber
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was zu essen! Bringen Sie uns Suppe, aber dalli, dalli! Und füllen Sie die Teller bis zum Rand, Suppe gibt nämlich Verstand!» Etz schmöllelet d Else ond määnt: «Ase vill Suppe, wies bi eu drei wuer bruuche, ha-n-i weleweg nöd!» D Manne hands gad halbwegs veschtande, aber de Lächler Bott, de Ernst Sturzenegger, häd am Nebetisch die lengscht Zitt vor si here pfnutteret.
Zom Schluss is «Grütli» a de Schtrooss zwüschet Oberegg ond Heide, wos o all familiär zue- ond herggange-n-ischt. D Ella Schenk, wo sinnerzitt vo Dörflige im Schaffhuusische is Appezellerland zoge-n-ischt, häd si all guet möge wehre. Binere Jassrondi isch de Jogg Breu gkhöri am Bralle gsii. Er häd tick ufgschnitte ond pralaaget, wiemme i de hüttige Zitt s Geld guet mös aalegge ond wie-n-er Erfolg hei im Akziegschäft. Er veschtändi halt näbis rond omms Geld ond hei all schöni
Erträg. Ond denn häd er zomme hööchgschtochne Schlusswort aagsetzt: «Ier Oberegger, Walzehüüsler ond Rüütiger Possli: Ier hand jo ka Ahni, wiemme uhni wäärche riich wierd!»
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Wo-n-em d Ella die viert Fläsche Pier bringt, häd si e blaus Kassebüechli debi gkha. Si lueget em Finanzfachma i d Auge ond määnt: «So, riich? Denn wärs etz aber högschti Zitt zom d Pierschulde vo de letschte beide Mönet z zale, gell Joggeli!» Etz isch de Bralli veblaachet ond schtaggelet, as er uusgrechnet hütt de Geldseckel nöd debi hei. Denn ischt er ufgschtande ond fuert, ond s schadefroh Glächter häde bis a d Hustüer begleitet.
Zimmli henderenand sönd die drei berüemte Wiertinne gschtorbe: Zeerscht d Elsi vom «Anker» im 2011, denn d Else vom «Säntis» im 2012 ond zletscht im 2015 o no d Ella vom «Grütli». Ond mit dene Fraue sönd o ierni gmüetlege Wiertschafte für ali Zitte veschwunde.
blöd lafere, pludere: dumm schwatzen
d Tömmi: die Dummheit
luut am Brööle: laut am Weinen
glamentiert: reklamiert
weleweg: wahrscheinlich
hands gad halbwegs: haben es nur teilweise
Bott: Briefbote
pfnutteret: verhalten gelacht
wos o all: wo es auch immer
pralaaget: geprahlt
wiemme uhni wääche: wie man ohne zu arbeiten
Possli: kleingewachsene, einfältige Burschen
Bralli: Prahlhans, Grossmaul
häde bis: hat ihn bis
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Gereimte Schlagfertigkeit
Der Witz zielt nicht nur auf Dummköpfe, Wichtigtuer und Bluffer, sondern auch auf Autoritäten. Auf Respektspersonen und mehrbessere Leute, die vor allem früher gewissermassen auf einem Podest und damit weit über dem normalen Bürger standen: Ärzte, Pfarrer, Lehrer, Offiziere, Behördenmitglieder, Beamte und viele andere. Zu dieser Kategorie gehörte in der kurtouristischen Blütezeit auch der deutsche Gast, der sich dank seines Wohlstands Ferienaufenthalte im Appenzellerland leisten konnte und dessen geschliffenes Hochdeutsch für Appenzeller Ohren immer auch ein gewisses Mass an Überheblichkeit miteinschloss.
Wa ischt en guete-n-Appezeller Witz?
Nünt anders als en Pfiil mit scharfem Schpitz. Gschosse wierd uf mehbesseri Lüüt, wo määnid, gad sü seiid geschiid!
Lüüt, wo hööch überem afache Völkli schtond: De Herr Pfarrer, de Herr Tokter ond o d Frau Oberscht, de Herr Lehrer ond de Herr Richter gkhöörid o dezue, me seidene schö grüezi mit em Titel ond häd denn Rue.
Aber i de Beiz am ronde Tisch kommids draa, die groosse Fisch.
Sü wörid vom Podeschtli abigrupft, ond öppe-n-Herr wierd etz veruckt, wenn er troffe wierd vomme trääfe Witz, ebe, vomme Pfiil mit scharfem Schpitz.
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Ond etz e Müschterli zomm da illuschtriere, e klari Sach, me mos nöd lang schtudiere: En nooble Kurgascht us em Tütsche wott en Appezeller vetwütsche. Etz sächt de Frönt en Puur bim Heue i de Nööchi vom Wiertshus Leue.
Wo de Puur überi lueget zom nooble Maa, packt dä e Hampfle Grääs ond schnüfflet draa. Ond denn rüeft er: «Hee, Ihr Heu stinkt grausig, die Qualität ist mies und lausig!»
Etz schnoret de Puur zomm Tütsche überi: «Wa seischt? Grüüsig? Du keibe Schnuderi! Moscht halt am Heu schmecke ond nöd a de Finger!»
De Gascht isch baff, dä Pfiil häd troffe, ond aseweg isch de Fall gritzt ond gloffe.
Ond noch em Heue isch de Puur in «Leue».
O de Tütsch isch gko ond häd möge lache ond wott mit em Puur wädli duzis mache.
Sü büttid enand im Fride d Hand ond trinkid en Halbe mitenand.
Zletscht rüemt de Gascht: «Die Appenzeller Witze haben Klasse und sind ganz einfach Spitze!»
nünt anders: nichts anderes
de Frönt: der Fremde
wa seischt: was sagst du
Schnuderi: Lümmel
moscht halt: musst eben
ond wott wädli: und will schnell
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Woher kommen die Apenzeller Witze?
Der Appenzeller Witz ist uralt, nur fehlen vielfach schriftliche Quellen. Verbrieft aber sind schlagfertige Reaktionen bereits im 15. Jahrhundert, eine Zeit, die geprägt war von Streitigkeiten mit den Äbten von St. Gallen als Eigentümer vieler Ländereien zwischen Bodensee und Säntis. Die Richtlinien für alle Lebensbereiche gaben die mit harter Hand regierenden Klosterherren vor. Um- und durchgesetzt wurden sie von Vögten, deren Selbstherrlichkeit und Eigennutz zu Gegenreaktionen seitens der Appenzeller führten. Verbale Reaktionen vorerst, dann aber gefolgt von handfesten Auseinandersetzungen mit Waffengewalt. Auch nach den siegreichen Schlachten der Appenzeller bei Vögelinsegg (1403) und am Stoss (1405) waren die Differenzen zwischen den St. Galler Äbten (zur Zeit der Freiheitskriege war Abt Kuno von Stoffel am Ruder) und den Appenzellern keineswegs bereinigt. Besonders verhasst war der 1463 eingesetzte Klostervorsteher Ulrich Rösch, dessen Geiz und Raffsucht grenzenlos war, was den Druck auf die Appenzeller Landleute weiter steigerte. Sie nannten ihn spöttisch «de bschissen Uoli», und mit Sicherheit war er immer wieder Zielscheibe witzig-gehässiger Sprüche. Bereits nach 1403/05 suchten die Appenzeller bei den Eidgenossen Hilfe gegen den von den Habsburgern unterstützten Abt. In der Folge nahm die damalige Eidgenossenschaft Appenzell 1411 ins Burg- und Landrecht auf (das Land war nun zugewandter Ort und somit Beitrittskandidat), ehe dann 1513 die endgültige Aufnahme des damals noch ungeteilten Landes Appenzell
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als 13. Vollmitglied in den Bund der Eidgenossen erfolgte. Die Teilung ins katholische Inner- und reformierte Ausserrhoden wurde 1597 besiegelt.
Der verhasste Vogt von Schwende
Eine der alten Erzählungen befasst sich mit dem Spannungsfeld zwischen den St. Galler Äbten und den Appenzellern, die – wie erwähnt – von Vögten als Ausführende der äbtischen Direktiven die kleinen Leute nach Strich und Faden drangsalierten. Auch der verhasste Vogt von Schwende gehörte dazu.
I de Schwendi – e Schtond hender Appezell – ischt e Schloss vommene Vogt gschtande, wo d Lüüt eelend ploget häd.
Bim schöne Wetter ischt er fuul vor sim Turm gkhocket, ond nebet emm hand zwee riisegi Wolfshönd knuret ond ggaaferet. Fascht jede Tag isch dei e-n-arms Büebli vebii, wo mitere Taase häd möse i d Alp gi Schotte hole. De Vatter ischt en afache Beck ond Müller im Rachetobel gsii, ond d Mueter häd zo de groosse Famili glueget.
Amme Tag frooget de Vogt de Bueb, wa d Eltere machid. De Bueb seid: «De Vatter bachet ehggesses Brot, ond d Mueter macht bös uf bös.» De Vogt wott wisse, wa da z bedüütid hei. «Jo ebe, de Vatter vebachet Mehl, wo-n-er nöd häd köne zale, und d Mueter flickt verupfti Hose ond Hemper mit alte Lömpe», gid s Büebli zuer Antwort. «Woromm machids daa?» Do määnt de Bueb: «Wil du üüs alls Geld schtilscht!»
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Etz wierd de Schlossherr veruckt ond treut em Junge, as er emm d Hönd noijagi, wenn er nomol aseweg e frechi Antwort gäb.
De Bueb ischt hamm ond häd em Vatter alls vezellt.
Dä häd Rot gwisst: «Los, legg d Taase s nöchschmol z onderschüberschi aa ond tos s Möhrli, üseri jung Katz, drii. Ond wennder de Vogt bös will, züchscht am Teckel.»
Ond wider isch de Bueb am Schloss vebii. Ond wider isch de Vogt veruss gkhocket ond häd de Jung zuer Red gschtellt. «So, du keibe Schnudernasli, kasch mer o säge, öb d Ägeschtevögel meh wiissi oder schwarzi Federe hand?» «Meh schwarzi», seid de Bueb. «Woromm?»
«Wil d Zwingherre wie duu meh mit em Tüüfel als mit de Engel z tänd hand!» Etz vetaubet de Vogt ond lood d Hönd los. Tifi zücht de Bueb de Taaseteckel, ond s Möhrli isch wie s Bisiwetter uf ond devo.
D Hönd sönd de Katz no. De Bueb lachet ond lauft wädli em Rachetobel zue. De Vogt fluechet, packt de Schpiess ond schpringtem no. Wo-n-eren fascht iigkholt
häd, lood de Bueb d Taase gkeie. De Vogt schtolperet drüber, wörft de Schpiess ond trüfft de Jung am Baa. Dä hülpet hamm ond vezellts de Eltere.
E Halbschtond schpööter marschiert de Vatter mit bewaffnete Manne geg s Schloss. Aber de Vogt ischt uuf ond devo, ond er isch no nöd emol uf em Fänereschpitz obe gsi, wo-n-er sächt, wie s Füür überal zom Schloss usiflacket.
Am 17. Juni 1405 hand d Krieger vom Sanggaller Abt ond d Habsburger de böckige Appezeller wele zaage, wo de Bartli de Moscht holet. Sü sond vo Altstätte ufwärts gritte ond gmarschiert, ond am Stooss obe hands
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aagriffe. Es isch zonnere bööse Schlacht gko, wo d Appezeller gwonne hand. En Huffe vo de Äbtesche ond de Habsburger Ritterslüüt hand s Lebe velore. Ond am Oobet häd me onder de Tootne o de Vogt vo Schwendi gfonde.
Taase: Rückentrage für Milch, Schotte, Wasser
Schotte: Molke (Abfallprodukt beim Käsen)
treut: droht
z onderschüberschi: verkehrt
Schnudernasli: Lümmel
Ägeschtevögel: Elstern
z tänd hand: zu tun haben
vetaubet: wütend geworden
tifi: flink
hülpet hamm: hinkt heimwärts
Fänereschpitz: Hügel ob Brülisau
Touristen machten den Witz bekannt
Fast epidemieartig verbreitete sich der Appenzeller Witz mit dem Aufkommen des Fremdenverkehrs ab den 1750er-Jahren. «Die Appenzeller geniessen gemeinhin den Ruf, ein witziges Volk zu sein», schreibt der Innerrhoder Germanist und Historiker Peter Faessler (1942 –2006) in seinem 1983 im Nebelspalter-Verlag erschienenen Buch «Appenzeller Witz und arkadische SchweizIdyllik». Faessler weiter: «Das Appenzellerland als Arkadien. Dieses Charakterbild ist vorab eine Schöpfung des 18. Jahrhunderts, welches dem Gebirgsvolke höchst günstig gesinnt war. Nach Einschätzung des Gelehrten
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Christoph Meiers (1747 – 1810), eines deutschen Reiseschriftstellers von Ruf, sind die Appenzeller die Lieblinge der ganzen übrigen Schweiz, die allenthalben bewundert und von den vaterländischen Dichtern als das freiste, glücklichste und geistreichste Hirtenvolk gepriesen werden.»
Arkadien und Appenzellerland. Die geographisch weitgehend isolierte griechische Provinz Arkadien wurde von Romantikern bereits vor Jahrhunderten zu einer heilen Welt verklärt. Eine Welt, wo Menschen frei von mühsamer Arbeit und gesellschaftlichem Anpassungsdruck in einer idyllischen Natur als zufriedene Hirten lebten. Arkadien wurde zum Sehnsuchtsort. Und genau dieser Mythos wurde ab dem 18. Jahrhundert auf das Appenzellerland übertragen, wo angeblich zufriedene, freiheitsliebende, stets gutgelaunte, sangesfrohe und witzige Leutchen in einer unberührten Landschaft lebten. Damals verfassten Schweizer und deutsche Reiseliteraten schwärmerische Berichte über das voralpine Hügelgebiet, die von einer breiten Leserschaft förmlich verschlungen wurden und eine Welle der Sympathie für das Appenzellerland auslösten.
Bibel der AppenzellerlandBegeisterung
Prominent erwähnt Faessler den deutschen Arzt und Schriftsteller Johann Gottfried Ebel (1764 – 1830) aus Preussen, der sich in besonderem Masse in den Bann von Landschaft und Volk ziehen liess: «Alle überlieferten
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Lobreden münden schliesslich in Ebels ‹Schilderungen der Gebirgsvölker der Schweitz› (erschienen 1798). Das Buch galt als Bibel der Appenzellerland-Begeisterung im 19. Jahrhundert schlechthin.» Im erwähnten Buch rühmt Ebel: «Der Appenzeller ist lebhafter, munterer, scherzhafter, witziger und geistreicher als alle seine Nachbarn. Überall erschallen Appenzells Gebirge von freudigem Jauchzen und einem eigenen Geschrei, was sie jolen nennen. Als ich zum ersten Mal dieses Land betrat und von allen Seiten jauchzen hörte, wohlgekleidete Menschen im lachenden Grün der Wiesen hüpfen und sich freuen sah, glaubte ich auf einer der glücklichen Inseln zu seyn, wovon sich ein Schatten im Südmeere befindet.»
Der Schlagfertigkeit der Bevölkerung windet Ebel ein besonderes Kränzchen: «Die Appenzeller stellen sich gerne einfältig und dumm. Wenn ihre Gegner, da-
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Zwischen Wildkirchli und Äscher wird an J. G. Ebel erinnert.
durch dreist gemacht, ihren Spöttereien freien Lauf lassen und sich schon triumphierend sehen, so ergreift der schlaue Appenzeller die scharfe Waffe seines Witzes und vernichtet seinen Feind, indem er ihn zum Gelächter der ganzen Gesellschaft macht.» Im erwähnten Buch sind zudem Witz-Kostproben wie etwa diese aufgeführt: Ein Geistlicher fragt in der Kinderlehre: «Was haben Joseph und Maria mit sich genommen, als sie sich auf die Flucht begaben, um der Verfolgung durch Herodes zu entgehen?» Antwortet ein Innerrhoder Bub: «I wääss es nüd, i bi halt bim Uuspacke nüd debei gsee.»
Und Ebel weiter: Professor Johann Jakob Bodmer (Zürcher Literat, 1698 – 1783) macht mit Begleiter N. eine Reise zu Pferd durch Appenzell. Sie kommen an ein Gatter, welches den Weg verschliesst. «Mach auf, Junge!», ruft N. dem dort stehenden Knaben zu. «He, ich muss erst wissen, wer ihr seid», erwidert er. «Ich bin N., und der da ist ein Professor.» «Was ist ein Professor?», will der Bub wissen. «Nun, das ist ein Mann, der alles kann.» «O, da braucht ihr mich doch nicht, dann wird er auch den Gatter öffnen können», tönt es schlagfertig zurück.
Ebel liebte das Appenzellerland ehrlich, was er im schrecklichen Hungerjahr 1816 bewies und Historiker Walter Schläpfer im Buch «Geschichte von Appenzell Ausserrhoden» belegt: «Der alte Appenzellerfreund Johann Gottfried Ebel sandte zweimal Beiträge für die armen Gemeinden Urnäsch, Hundwil, Schwellbrunn und Rehetobel, ferner für die Hagelgeschädigten im Hinterland.»
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Schlagfertiges Handeln
Faessler erzählt in seinem Buch von einem Arzt, der auf Grund der Beschreibungen von Ebel das Appenzellerland aufsuchte und den Witz der Bevölkerung auf die Probe stellte:
Ein deutscher Arzt war mit einigen Damen in die Appenzeller Alpen gekommen. Er machte sich an ein paar Innerrhoder, um diese aufzuziehen und herauszufordern. «Welcher von euch macht mir das nach?», fragte er höhnisch, indem er mehrmals über einen Tisch sprang, um damit den zuschauenden Frauenzimmern und den einfältigen Bauern Eindruck zu machen. Die Appenzeller schienen verlegen. Endlich sagte einer, wenn der Tisch dort stände, wo jenes Heu liege, so wolle er den Sprung wagen, damit er sich im Fallen nicht wehtue.
Sogleich wurde der Tisch am gewünschten Ort hingestellt. «Macht es uns noch einmal vor, Herr!», wurde nun der Arzt von den Burschen aufgefordert. Er tat’s, und versank Augenblicke später in einer Grube mit Kuhmist, welche die Appenzeller unbemerkt mit Heu zugedeckt hatten.
Der Prahlhans fluchte wie ein Heide und begehrte Genugtuung. Da er aber ganz abscheulich aussah und stank, wollte sich ihm kein Mensch nähern. Zuletzt musste er froh sein, dass ihm das Sonntagswams eines Sennen angeboten wurde. Nachdem der Tisch wieder an seinem vorherigen Platz stand, sprangen alle Burschen mit Leichtigkeit darüber.
Das Appenzellerland als Paradiesgarten. Natürlich ist die Sicht der damaligen Schriftsteller einseitig,
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schwärmerisch und schönfärberisch. Das Buch von Ebel und viele weitere Werke anderer Reiseliteraten haben
dem Tourismus starke Impulse verliehen und liessen viele ins gelobte Ländchen zwischen Säntis und Bodensee aufbrechen. Damals sind Fremdenverkehr (heute Tourismus) und Witz eine wohl einzigartige, bis heute anhaltende Symbiose eingegangen. Witz und Tourismus sind Geschwister, gehen Hand in Hand. Der Appenzeller Witzwanderweg hat dieses enge Miteinander erfolgreich reaktiviert und akzentuiert, was der anhaltende Besucherstrom klar belegt.
Kein Witz: Abfall wird zu Geld gemacht
Die Zeit der Appenzellerland-Begeisterung, ausgelöst von Reiseliteraten und dem Ruf «Zurück zur Natur!»
(das Zitat wird irrtümlich dem Genfer Kulturkritiker
Jean-Jacques Roesseau, 1712 – 1778, zugeschrieben), fällt in die Zeit der Romantik, in der die Molkenkuren ihre grosse Zeit erleben. Molke oder Schotte ist ein beim Käsen entstehendes Abfallprodukt. Die grünlich-gelbe, fast geschmack- und geruchlose Flüssigkeit besteht zu 94 Prozent aus Wasser und einem kleinen Rest Milchzucker. Sie wurde den Schweinen verfüttert. Alpsennen und Bauern haben sie auch getrunken und ihre Wirkung auf den Organismus sehr wohl verspürt: Der Stoffwechsel wird in Schwung gebracht, verbunden mit laxierendem Effekt. Weitere, oft gewünschte Wirkung bei längerer regelmässiger Einnahme ist der Verlust überflüssiger
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Pfunde. Schon griechische Ärzte haben vor zweitausend Jahren die Heilkraft der Molken bei allerlei Verschleimungen der Atmungsorgane sowie zur Reinigung der Gedärme und des Blutes gerühmt. Warum also dieses hundertprozentige Naturprodukt nicht kurmässig einsetzen und damit Gäste für längere Aufenthalte in die romantisierte Sehnsuchtslandschaft beider Appenzell bringen? Als eigentlicher Erfinder, Pionier und erfolgreicher Vermarkter der Molkenkuren ist der legendäre und umtriebige Hans Ulrich alias Ueli Heim (1720 –1814), Gais, in die Geschichte eingegangen.
Sensationelle Wunderheilung
Man schrieb das Jahr 1749, als in Gais der schwerkranke Theodor Steinbrüchel aus Zürich eintraf. Die Ärzte hatten unheilbare Lungenschwindsucht (Lungentuberkulose) diagnostiziert. Steinbrüchel pilgerte von Arzt zu Arzt und klammerte sich an jeden Strohhalm. Der ebenfalls aufgesuchte Doktor Meyer in Arbon empfahl als letzte Möglichkeit eine Kur mit dem Gääser Wundertrunk Molke nach dem Motto «Nützt es nichts, so schadet es nicht». Der Patient nahm bei Heim im «Ochsen» Quartier. Mit Molke, Wasser- und Kräuteranwendungen und viel Bewegung an frischer Luft erholte er sich zusehends. Auch Heims Frohnatur war der Gesundheit förderlich, und mehr und mehr genoss der Patient auch das befreiende Lachen als beste Medizin. Jedenfalls bestieg er nach fünfwöchigem Aufenthalt beschwerdefrei den Gaiser Hausberg Gäbris. Der wohlhabende Steinbrü-
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chel hatte einen grossen Bekanntenkreis, und die sensationelle Wunderheilung verbreitete sich nach seiner Heimkehr wie ein Lauffeuer. Damit hatte Gais den Durchbruch zum anerkannten Kurort geschafft.
1780 wurde das Dorf Opfer einer verheerenden Feuersbrunst. Ueli Heim baute den «Ochsen» neu auf, der sich schon bald als zu klein erwies. 1796 errichtete Heims
Sohn Samuel (1764 – 1869) deshalb den Kurpalast «Neuer Ochsen» (das kuppelbewehrte Prachtsgebäude am Dorfplatz zeugt auch heute von der einstigen touristischen Hochblüte). Der alte «Ochsen» wurde später zum noch bestehenden Gasthaus «Falken». Der den herrschenden Vorstellungen von Modernität weitgehend entsprechende «Neue Ochsen» verzeichnete regen Zuspruch, zumal die französischen Besatzungstruppen in der Zeit der Helvetik (1798 – 1803) eine für damalige Verhältnisse leistungsfähige, von Kutschen bequem befahrbare Strasse
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Belebter Molkenkurort Gais um das Jahr 1820.
von St. Gallen via Gais und Stoss nach Altstätten im Rheintal verwirklichten. Prominenz aus halb Europa gab sich nun bei Familie Heim ein Stelldichein und schlürfte nach einem strengen Kurplan von morgens bis abends Molke, ergänzt mit Wasser, verschiedenen Kräutertees und leichter Kost. Beste Reklame für das Hotel waren kurende Persönlichkeiten wie Louis Bonaparte, Ex-König von Holland, dessen Gattin Hortense de Beauharnais (Stieftochter von Kaiser Napoléon I.) und viele weitere adelige Herrschaften. Innerrhoder Molkenträger brachten die begehrte Kurflüssigkeit von den Alpen rund um den Seealpsee in Eilmärschen frühmorgens nach Gais. Ziegenmolken für innere, Kuhmolken für äussere Anwendungen wie Bäder und Wickel. Dann aber setzte ein unaufhaltsamer Niedergang ein, zumal namhafte Ärzte mehr und mehr Wert und Wirkung einer Molkenkur in Zweifel zogen. Mit dem studierten Arzt Johann Heinrich Heim (1802 – 1876) versuchte ein Enkel von Ueli mit Vorträgen und medizinischen Schriften vergeblich, an die guten alten Zeiten seines Grossvaters anzuknüpfen. Nach der Ära Heim verzeichnete der «Neue Ochsen» von 1864 bis zur Betriebseinstellung als Hotel im Jahr 1901 dreizehn verschiedene Wirte. 1920 wurde auch die Gastwirtschaft «Neuer Ochsen» aufgehoben.
Gais, ein gesundes Dorf
Zurück zur Gaiser Blütezeit, zu Ueli Heim, der in alten Quellen als lebhafter, rundlicher Mann mit roter Weste und Zipfelmütze geschildert wird. Er war ein schlagfer-
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1977 wurde Gais für sein intaktes Dorfbild mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet.
tiges Original, das jeden verbalen Angriff mit der passenden Antwort quittierte. Diese Erfahrung machten seine Gäste immer wieder, und erneut ist es ein Besucher aus dem nördlichen Nachbarland, der zur Zielscheibe des harmlosen Spotts von Ueli Heim wird.
En Tütsche ischt uf Gääs gko. Uf em schöne Dorfblatz lauft er vor em «Ochse» am legendäre Wirt, am Ueli Heim, über de Weg. De Gascht frooget, öb Gääs wüerkli e so e gsonds Dorf sei, wiemme da bi ene im Tütsche uss all wider gkhööri. «Jo defriili, da schtimmt. Bi üüs hobe isch rondomm alls gsond, da kamme säge.»
Etz seid de Tütsch e kli vo obenabe: «Rundum gesund?
Das kann jeder sagen. Ich will Beweise, Herr Wirt!»
«Joo, do wär emol üseri gsond Luft ond natüürli d Schotte.» De Gascht römpft d Nase ond määnt: «Gesund Luft? Molke? Kein schlagender Beweis!» «Joo,
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denn hammer o ganz schöni, groossi Wälder.» «Pah, Wälder! Genügt mir nicht!» «Joo, wammer o no hand, isch ganz e guets Quellwasser.» «Wasser? Dass ich nicht lache. Ham wir auch. Sonst noch was?»
De Heim häd e kli in Hoore gkratzet. Ond denn ischt em nomol näbis iigfalle. «Joo, ond denn monigi o no säge, bi üüs z Gääs schterbid ganz weni Lüüt.»
Etz häd de Tütsch d Ohre gschpitzt ond frööget: «Ja, wie hoch, beziehungsweise wie niedrig, ist denn in Gais die Sterblichkeit?» «Joo, i de letschte zwanzg Johr isch bi üüs obe gad de Tokter gschtorbe», seid etz de Ueli in aannere Seelerue. «Na, so was! Nur der Doktor! Unglaublich! Und woran ist er denn gestorben?» «Joo, wil er vehungeret ischt!»
De Gascht vetschüttlet de Kopf ond fangt denn mit em Ueli a lache. Denn häd er e Zimmer bezoge. Ond
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Auch heute dominiert der kuppelbewehrte neue Ochsen den Gaiser Ortskern.