RECHT SO!
Gemeinsam . Ziele. Erreichen .
Auf ein Wort Muss ich an einem Personalgespräch teilnehmen? . Seite 2
Zwischen den Zeilen Unbegrenzter Urlaub Seite 2
Unser Urteil Teilzeit während der Elternzeit . Seite 3
Auf ein Wort Muss ich an einem Personalgespräch teilnehmen? . Seite 2
Zwischen den Zeilen Unbegrenzter Urlaub Seite 2
Unser Urteil Teilzeit während der Elternzeit . Seite 3
7 Fragen zum Aufhebungsvertrag . Seite 4
Von höchster Instanz Die Formulierung entscheidet Seite 6
Die digitale Betriebsversammlung ist zurück Seite 7
Rechtsschutzsekretär*innen der DGB Rechtsschutz GmbH . Seite 7
Im Gespräch Digitalisierung der Justiz muss vorangetrieben werden . Seite 8
Gut zu wissenEs ist anerkannt, dass Arbeitgeber auf den drohenden Verfall von nicht genommenen Urlaubstagen hinweisen müssen. Sonst tritt kein Verfall ein. Nun stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar: Der Urlaubsanspruch verjährt auch nicht automatisch nach drei Jahren –sondern nur, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigten tatsächlich in die Lage versetzt hat, ihren Urlaub zu nehmen. (EuGH 22.9.2022 – C-120/21)
Im Herbst wurde die Schwerbehindertenvertretung (SBV) neu gewählt. Sinkt im Laufe ihrer Amtszeit die Zahl der schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen im Betrieb unter fünf, ist das Amt der SBV nicht vorzeitig beendet. Ein vorzeitiges Erlöschen des Amtes ist im Gesetz nicht vorgesehen und auch nicht nach dessen Sinn und Zweck geboten –so das Bundesarbeitsgericht. (BAG 19.10.2022 – 7 ABR 27/21)
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NACHGEFRAGT „Das verheißt nichts Gutes: Der Chef hat mich zu einem Personalgespräch geladen. Drohen mir Konsequenzen, wenn ich nicht teilnehme?“
Grundsätzlich müssen Beschäftigte einer Einladung zum Personalgespräch Folge leisten. Im Rahmen seines Weisungsrechtes kann der Arbeitgeber nämlich Anordnungen über Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie bezüglich „Ordnung und Verhalten im Betrieb“ erteilen. Da er diese Themen auch zum Inhalt eines Personalgesprächs machen kann, ist eine Einladung zu befolgen. Anderenfalls droht eine Abmahnung, im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung.
Ankündigung des Gesprächsinhaltes Soll das Personalgespräch aber ausschließlich eine Änderung des Inhaltes des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand haben, also beispielsweise eine Kürzung von Lohnbestandteilen, oder gar eine Beendigung des Vertrages, besteht (ohne Gefahr von Konsequenzen) keine Teilnahmepflicht.
Damit Beschäftigte die Frage einer Teilnahmepflicht im Voraus überprüfen können, gibt es einen Anspruch auf Ankündigung des wesentlichen Gesprächsinhaltes.
Während einer Arbeitsunfähigkeit besteht keine Verpflichtung, an einem Personalgespräch teilzunehmen. Umstritten ist dies, wenn die Besprechung zwar
bei bestehender Arbeitsfähigkeit, aber außerhalb der persönlichen Arbeitszeit stattfindet.
durch den Betriebsrat
In einigen gesetzlich geregelten Fällen haben Beschäftigte das Recht, ein Betriebsratsmitglied zum Personalgespräch mitzunehmen, etwa bei Einsicht in die Personalakte, bei Erörterung einer Leistungsbeurteilung oder beabsichtigter Änderung der Tätigkeiten.
Darüber hinaus ist die Anwesenheit eines Betriebsrates erlaubt, wenn Beschäf-
tigte damit rechnen müssen, dass auch die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesprochen wird, etwa aufgrund erheblicher Vorwürfe und Kritik in der Vergangenheit.
Vorsicht, wenn übereilt Zugeständnisse zu einer Vertragsänderung oder gar Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemacht werden sollen! Sie sollten sich dann unbedingt eine Bedenkzeit ausbedingen und Rechtsrat einholen! v
Michael Mey, Teamleiter der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Hagen
Michael Mey ist sowohl langjähriger Teamleiter bei der DGB Rechtsschutz GmbH Büro Hagen als auch Redaktionsmitglied bei der Zeitschrift „Recht So!“. Engagement im gewerkschaftlichen Rechtsschutz, Unterstützung der ratsuchenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und große Lust am Schreiben zeichnen ihn aus. Michael Mey wird nun am 31.12.2022 in seinen wohlverdienten Ruhestand gehen. Wir danken ihm herzlich für die angenehme Zusammenarbeit.
Davon träumen alle Beschäftigten: Urlaub in unbegrenzter Höhe!
Wirklichkeit wurde dieser Traum für den Arbeitnehmer eines Fitnessstudios im beschaulichen Sauerland: Legte ihm der Arbeitgeber doch tatsächlich einen Arbeitsvertrag vor, der „beliebig viele Urlaubstage“ garantierte!
nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung verlangte. Der Studioinhaber nämlich hatte längst Angstschweiß auf der Stirn und machte einen Rückzieher, und die Gerichte vermochten die großzügige Zusage nicht so richtig zu bewerten.
Schließlich wurde eine Einigung gefunden. Und auch im Sauerland weisen die Arbeitsverträge jetzt eine konkrete Urlaubshöhe aus. v
Michael Mey, Teamleiter der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Hagen Urlaub, so viel das Herz begehrt!
Schweißtreibend soll es ja durchaus in einem Fitnessstudio zugehen. Diese Vertragsformulierung führte nun allerdings bei Arbeitsrichtern in zwei Instanzen zu Schweißausbrüchen, als der Beschäftigte
TEILZEITARBEIT Es besteht ein Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit, wenn dem Wunsch keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.
sie für seine Entscheidungsfindung nicht beachten. Darüber hinaus entschied das Gericht aber auch, dass die vorgetragenen betrieblichen Gründe der „Gerechtigkeit“ und „Flexibilität“ nicht als dringende betrieblichen Gründe im Sinne des Gesetzes anzusehen seien.
Eine Arbeitnehmerin, die sich von Dezember 2019 bis Dezember 2022 in Elternzeit befindet, beantragte im März 2022 bei ihrem Arbeitgeber eine Teilzeittätigkeit mit 28,75 Stunden verteilt auf montags bis freitags jeweils von 8:00 Uhr bis 14:00 Uhr. Der Arbeitgeber lehnte dies im April 2022 ohne Angabe von Gründen ab.
Arbeitgeber lehnte Antrag auf Teilzeitarbeit ab
Unserer Kollegin Anja Wicke aus dem Büro Bremen vertrat die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht in Verden. Im Gerichtsverfahren trug der Arbeitgeber vor, dass er in seinem Einzelhandelsbetrieb ein festes spezielles Schichtsystem habe, nach dem jede*r Beschäftigte auch mal am Samstag arbeiten müsse. Aus Gründen der Gerechtigkeit könne er die Sonderwünsche der Klägerin auf feste Arbeitszeiten nicht berücksichtigen. Es brauche im Einzelhandel flexible Arbeitszeiten, damit im Falle eines kurzfristigen Ausfalls die Arbeit anders verteilt werden könne. Dies wäre bei den von der Klägerin beantragten feststehenden Arbeitszeiten nicht möglich.
Auf die schriftlich mitgeteilten Gründe kommt es an
Das Arbeitsgericht Verden wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass nach dem
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) Voraussetzung für den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit sei, dass dem Anspruch keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstünden. Eine Überprüfung habe auf die Verhältnisse bei Ablehnung des Antrags abzustellen. Lehne der Arbeitgeber einen dementsprechenden Antrag ab, so habe er dies immer zu begründen. Nur dann erhielten Beschäftigte eine tatsächliche Beurteilungsbasis, anhand derer sie die Erfolgsaussichten einer Klage auf Zustimmung zur beantragten Elternteilzeit überprüfen könnten. Dieses Ziel lasse sich aber nur erreichen, wenn der Arbeitgeber im späteren Prozess den Antrag auf Abweisung der Klage nur auf die Gründe stützen könne, die er dem Arbeitnehmer zuvor mitgeteilt habe.
Aus diesem Grund sei der Arbeitgeber im gerichtlichen Verfahren auch mit anderen als den im Ablehnungsschreiben genannten Gründen ausgeschlossen. Zudem müsse das objektive Gewicht der betrieblichen Ablehnungsgründe erheblich sein.
Da der Arbeitgeber in seinem Ablehnungsschreiben keine Gründe für die Ablehnung angegeben hatte, war er im Prozess mit den nur vorgebrachten betrieblichen Gründen ausgeschlossen, d.h. das Gericht durfte
Anja Wicke erläuterte, dass der eigentliche Wunsch der Klägerin darin bestand, nach der Elternzeit in Teilzeit zu arbeiten. Da sie mit Widerstand von Seiten des Arbeitgebers rechnete, begann sie dieses Verfahren früh, indem sie schon Teilzeit während der Elternzeit beantragte. Der Erfolg gab ihr Recht. Das Urteil ist rechtskräftig. v
Sabine Gey-Rommel, Referentin HV DGB Rechtsschutz GmbH
Arbeitsgericht Verden vom 1.9.2022 – 1 Ca 143/22
ANJA WICKE Rechtsschutzsekretärin im Büro Bremen
»Die Klägerin hat wenige Tage nach Verkündung des Urteils ihre Teilzeittätigkeit während der Elternzeit aufgenommen und es klappt bisher unproblematisch.«Mithilfe von Teilzeitarbeit oder Elternteilzeit lassen sich Familie und Beruf verbinden.
AUFHEBUNGSVERTRAG Wollen sich Arbeitgeber und Beschäftigte voneinander trennen, ist der Aufhebungsvertrag eine Möglichkeit. So können beide Parteien ihre Interessen individuell vereinbaren. Was einen Aufhebungsvertrag ausmacht, ob er sich für Beschäftigte lohnt und mit welchen Risiken er verbunden ist, klären wir hier.
Ein Aufhebungsvertrag regelt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin. Alternativ wird er auch als Auflösungsvertrag bezeichnet. Im Gegensatz zur Kündigung sind sich bei einem sogenannten Aufhebungsvertrag sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte*r darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Dementsprechend kommen dem oder der Beschäftigten keine gesetzlichen Kündigungsschutzrechte zugute. Vor allem aber muss auch keine Kündigungsfrist eingehalten werden. Der oder die Beschäftigte kann also sofort gehen. Nach dem rechtlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit können beide Seiten gemeinsam eine individuelle Vereinbarung treffen. Der Betriebsrat muss dabei nicht miteinbezogen werden. Dies bietet viel Freiraum und Flexibilität, birgt jedoch auch Gefahren für Beschäftigte.
2. Wie sind die formalen Voraussetzungen?
Ein Aufhebungsvertrag muss zwingend schriftlich erfolgen und von beiden Parteien unterzeichnet werden (§ 623 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Auf Arbeitgeberseite kann der Vertrag ggf. auch durch den oder die Geschäftsführer*in oder sonstige zur Vertretung berechtigte Personen (z.B. Personalabteilung) unterzeichnet werden. Dahingegen kann der Aufhebungsvertrag nicht via E-Mail oder Fax abgeschlossen werden. Auch eine mündliche Absprache ist rechtlich nicht wirksam. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass neben dem Enddatum des Arbeitsverhältnisses, im Aufhebungsvertrag weitere Punkte, insbesondere organisatorischer Natur, besprochen und geregelt werden wie z.B. Resturlaub,
Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags sollte gut überlegt sein.
Überstunden, Noten im Arbeitszeugnis, bezahlte oder unbezahlte Freistellung und ggf. die Abfindungszahlung.
3. Was ist der Unterschied zwischen einem Aufhebungsvertrag, einem Abwicklungsvertrag und einer Kündigung?
Das wichtigste Merkmal des Aufhebungsvertrages ist, dass er das Arbeitsverhältnis selbständig beendet. Eine Kündigung braucht es dafür gerade nicht mehr. Bei einem Abwicklungsvertrag hingegen, werden nur Einzelheiten im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt. Die Vertragsbeendigung tritt also primär schon aus anderen Gründen ein, beispielsweise einer vorliegenden Kündigung. Auf eine solche wird dann oftmals im Abwicklungsvertrag Bezug genommen. Arbeitgeber schaffen sich nämlich gerne eine Sicherheit und lassen sich von dem oder der Beschäftigten die Rechtswirksamkeit der Kündigung bestätigen, um auf diesem Weg nachträgliche Streitigkeiten zu
vermeiden. Eine spätere gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigung wird unmöglich, daher ist hier Vorsicht geboten.
Zudem kann in dem Abwicklungsvertrag eine Abfindungszahlung vereinbart werden. Wird der oder die Beschäftigte ordentlich gekündigt, genießt er oder sie einen umfangreichen Kündigungsschutz (Vorliegen eines bestimmten Kündigungsgrundes sowie dessen Voraussetzungen; besonderer Kündigungsschutz für Schwangere, Schwerbehinderte, Betriebsräte etc.) und alle Voraussetzungen einer Kündigung müssen für deren Wirksamkeit vorliegen.
4. Ist bei einem Aufhebungsvertrag eine Abfindung zwingend? Wenn ja, in welcher Höhe?
Zwingend ist eine Abfindung nicht, jedoch wird sie regelmäßig in Aufhebungsverträgen geregelt. Ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung besteht allerdings nicht. Auch die Höhe der Zahlung ist individuell zu vereinbaren und hängt nicht selten
1. Was ist ein Aufhebungsvertrag und wann wird er meistens geschlossen?
• Ist ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen, ist er unwirksam. Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation zu entscheiden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme abhängig macht, reicht dafür nicht aus, entschied das Bundesarbeitsgericht.
(BAG 24.2.2022 – 6 AZR 333/21)
• Wurde ein Beschäftigter zu einem Aufhebungsvertrag widerrechtlich genötigt, kann der Vertrag anfechtbar sein. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber ansonsten mit einer fristlosen Kündigung droht, die einer gerichtlichen Überprüfung – wegen Fehlens eines wichtigen Grundes – nicht standhalten würde. Das entschied das Landesarbeitsgericht BerlinBrandenburg.
(LAG Berlin-Brandenburg 25.1.2022 – 7 Sa 1394/21)
von der Situation und dem Verhandlungsgeschick des oder der Beschäftigten ab. Als Orientierung kann die gesetzliche Regelung für betriebsbedingte Kündigungen herangezogen werden (§ 1a Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz – KSchG), sofern die dortigen Voraussetzungen gegeben sind. Darin wird festgelegt, dass die Höhe ein halbes Montagsgehalt für jedes im Betrieb gearbeitete Jahr beträgt. Manchmal sind Arbeitgeber sogar bereit, eine höhere Abfindung zu zahlen. Das liegt nicht etwa an deren Freundlichkeit, sondern vielmehr daran, dass sie mithilfe des Aufhebungsvertrags den gesetzlichen Kündigungsschutz umgehen können und sich nicht mit lästigen Kündigungsschutzprozessen im Anschluss herumschlagen müssen, die zumeist ohnehin mit einem Vergleich inklusive Abfindungszahlung enden.
5. Kann ein Aufhebungsvertrag angefochten werden und wenn ja, unter welchen Umständen (z.B. Drohung)?
Wie jeder andere Vertrag kann auch ein Aufhebungsvertrag bei widerrechtlicher Drohung angefochten werden (§ 123 BGB). Das kann vor allem der Fall sein, wenn der Arbeitgeber dem oder der Beschäftigten mit einer Kündigung droht und ihn oder sie so zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags nötigt. Widerrechtlich ist eine solche Drohung nur dann, wenn der Arbeitgeber sich darüber bewusst ist bzw. hätte sein können, dass die Kündigung einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten würde. In der Praxis bringt dieser Fall jedoch vor allem Schwierigkeiten für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin mit sich. Das liegt daran, dass dem Arbeitgeber eine widerrechtliche Drohung nur schwer im Nachhinein nachzuweisen ist. Ein gerichtliches Vorgehen ist deshalb oftmals wenig aussichtsreich. Ein Widerruf des Aufhebungsvertrags hingegen ist nicht möglich.
6. Was sollten Beschäftigte immer bedenken, was sind die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrags?
Der wohl größte Vorteil eines Aufhebungsvertrags liegt für Beschäftigte darin, dass sie sich sofort, also ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, von der Arbeitsstelle lösen können. Das kann z.B. interessant sein, wenn man direkt bei einer neuen Arbeitsstelle beginnen möchte. Ein klarer Nachteil ist die Gefahr der Sperrzeit für das Arbeitslosengeld. Wird die Auflösung des Arbeitsvertrags eigenständig herbeige-
führt, besteht in der Regel für drei Monate kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dies gilt nicht, wenn der oder die Beschäftigte einen wichtigen Grund zur Auflösung hatte. Solche Gründe können sein: Erkrankung, die die Berufsfähigkeit wegfallen lässt, oder Versetzung des Ehepartners.
Insgesamt gibt es nur wenige Fälle, in denen die Vorteile eines Aufhebungsvertrags für Beschäftigte überwiegen. Zwar erhält man dadurch einerseits zeitliche Flexibilität und kann schnell den Job wechseln. Andererseits besteht die erhebliche Gefahr der Sperrzeit des Arbeitslosengeldes sowie die Umgehung jedweden Kündigungsschutzes. Daher sollte der Abschluss eines Aufhebungsvertrags gut und mit vorheriger gewerkschaftlicher Beratung überlegt sein.
7. Wie unterscheiden sich die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei einem Aufhebungsvertrag und einer Kündigung?
Der Betriebsrat muss bei einem Aufhebungsvertrag nicht miteinbezogen werden und besitzt auch keine Beteiligungsrechte. Neben den fehlenden gesetzlichen Kündigungsschutzrechten ist der oder die Beschäftigte auch hier wieder schutzlos – ein großer Unterschied zur Kündigung. Hier muss der Betriebsrat nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor der Kündigung angehört werden. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Widerspricht der Betriebsrat der Kündigung, hat das für die betroffenen Beschäftigten in einem Kündigungsschutzprozess Vorteile. So ist ein Weiterbeschäftigungsanspruch möglich. v Bund-Verlag
TARIFBINDUNG Aus der Tarifbindung raus und Verträge auslegen, wie man will. Das hatte ein Arbeitgeber im Sinn, der aus dem Unternehmerverband ausgeschieden war und dem Kläger das tarifvertraglich vereinbarte Zusatzgeld später nicht zahlen wollte. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter*innen legten die Verträge aus und entschieden zu Gunsten des Klägers.
Seit 2018 gilt in tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie das ERA-Entgeltabkommen. Zeitgleich schlossen die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag über ein tarifvertragliches Zusatzgeld (T-ZUG) ab. Die Beklagte des Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht hatte schon 2010 ihre Mitgliedschaft im Unternehmer verband gekündigt. Eine von ihr gewünschte Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit ließ sich damals mit der Gewerkschaft nicht durchsetzen.
Das Unternehmen beabsichtigte, die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich mittels Individualvereinbarungen zu erhöhen. In
einer Betriebsversammlung erläuterte der Geschäftsführer das künftige Konzept der Beklagten. Sämtliche Arbeitnehmer*innen erhielten im Nachgang ein ausführliches Informationsschreiben, womit die Geschäftsleitung ihnen bei einer Zustimmungsquote und Gesamtbeteiligung von mindestens 85 Prozent zur 38,5-Stunden-Woche eine jährliche Erfolgsbeteiligung und die weitere Anwendung der Tarifverträge zusicherte.
Das Unternehmen bot den Mitarbeiter*innen an, eine Zusatzvereinbarung zu unterschreiben, mit der die Arbeitszeit ohne Entgeltausgleich von 35 auf 38,5 Stunden erhöht werden sollte. Weiter hieß es in dieser Vereinbarung:
„Mit Ausnahme der Regelung zur Wochenarbeitszeit kommen alle Tarifverträge für die nordrhein-westfälische Metall- und Elektroindustrie, die mit der IG Metall abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung. Auch zukünftige zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte Entgelterhöhungen, werden unter Berücksichtigung der tariflichen Regelungen zum ERA ETV, in vollem Umfang an den Mitarbeiter weitergegeben.“
Der Teufel steckt oft im Detail.
Recht vertrat den Kläger vor dem Bundesarbeitsgericht. Er berief sich darauf, dass die Zusatzvereinbarung eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge der Metallund Elektroindustrie enthielt. Auf das Arbeitsverhältnis seien damit das Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung und auch künftige tarifvertragliche Entwicklungen anzuwenden.
„Erwähnenswert finde ich insoweit, dass der Senat hier zur Begründung der dynamischen Bezugnahme in der Zusatzvereinbarung letztlich entscheidend auf den Text des Informationsschreibens abgestellt hat.“
Das neue Konzept schien aufzugehen Neunzig Prozent der Belegschaft unterschrieb die Zusatzvereinbarung. Die Beklagte zahlte die Tarifentgelte, gab aber die T-ZUG-Zahlungen nicht weiter. Sie sei aus dem Unternehmerverband ausgetreten und müsse nach der Zusatzvereinbarung nur die Tarifentgelte mit den jeweiligen Erhöhungen zahlen, die es bereits zum Zeitpunkt des Austritts aus dem Unternehmerverband gegeben habe. Der Tarifvertrag T-ZUG gehöre nicht dazu. Diesen hätten die Tarifvertragsparteien erst später abgeschlossen.
Thomas Heller vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches
Das Bundesarbeitsgericht
Die Zusatzvereinbarung nehme ausdrücklich Bezug auf die jeweiligen Tarifverträge, so das Gericht. Sie sei nur hinsichtlich der Wochenarbeitszeit eingeschränkt. Darüber hinaus sollten alle Tarifverträge, die „mit der IG Metall abgeschlossen worden sind“, weiterhin im Betrieb zur Anwendung kommen. Das gelte auch für den zeitlich nach dem Austritt aus dem Unternehmerverband entstandenen Tarifvertrag T-ZUG. Der Arbeitgeber müsse dem Kläger das Zusatzgeld zahlen. v
Susanne Theobald, Redakteurin, Hauptverwaltung DGB Rechtsschutz GmbH
Bundessozialgericht, Urteil vom 27.4.2022 – 4 AZR 289/21
BETRIEBSVERSAMMLUNG Der Gesetzgeber ermöglicht erneut die schon einmal befristet eingeführten digitalen Betriebsversammlungen. Die Sonderregelung gilt bis 7.4.2023.
Im Zuge der Corona-Pandemie waren digitale Betriebsversammlungen schon einmal befristet erlaubt. Zuletzt durch eine Sonderregelung in § 129 BetrVG (vom 12.12.2021 bis 19.3.2022). Während digitale Betriebsratssitzungen jetzt unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG unbefristet zulässig sind, war § 129 BetrVG im März 2022 ohne Nachfolgeregelung ausgelaufen.
Gesundheitsschutz steht im Fokus Mit Blick auf die Gesundheitslage im Herbst und Winter hat der Gesetzgeber die Sonderregelung mit dem „Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor
COVID-19“ wieder reaktiviert und verlängert. Dafür wurde in § 129 BetrVG als neues Ablaufdatum der 7.4.2023 eingefügt. Bis dahin können
• Betriebsversammlungen
• Betriebsräteversammlungen
• Jugend- und Auszubildendenversammlungen
• Sitzungen der Einigungsstelle wieder mittels „audiovisueller Einrichtungen“ durchgeführt werden. Eine Verlängerungsmöglichkeit der Vorschrift um bis zu drei Monate, wie sie in der Vorgängerversion des § 129 BetrVG niedergeschrieben war, ist diesmal ausdrücklich nicht vorgesehen. Eine wichtige Voraussetzung für die digitale Versammlung ist, dass nur teil-
KOMPETENZ Die im Rechtsschutz beschäftigten Jurist*innen sind ausgewiesene Expert*innen im Arbeits-, Sozial- und Beamtenrecht.
Sie vertreten Gewerkschaftsmitglieder in deren Verfahren gegenüber dem Arbeitgeber, Sozialversicherungsträgern und Behörden. Beratungen und eine gerichtliche Vertretung erhalten auch Betriebs- und Personalratsmitglieder. Gewerkschaftssekretär*innen werden in Einzelfragen und in Massenverfahren fundiert beraten und unterstützt.
Rechtsschutzsekretär*innen kennen die Betriebe und deren Betriebsräte. Sie haben damit auch besondere Kenntnisse über die Situation und die Besonderheiten in den Betrieben vor Ort. Der enge Draht zu den Kolleg*innen der örtlichen DGB-Gewerkschaften ist eine wesentliche Voraussetzung für deren erfolgreiche juristische Arbeit.
Sie führen Verfahren in allen drei Instanzen und auch vor dem Europäischen Gerichtshof. Eine Spezialisierung auf die Rechtsgebiete des Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsrechts, die kontinuierliche Fortbildung und der regelmäßige kollegiale und fachliche Austausch tragen zu ihrer großen Fachkompetenz bei.
In besonderen Kompetenzcentern, wie z.B. zum Beamtenrecht oder Insolvenzrecht, können die Jurist*innen des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes ihre Fachkenntnisse vertiefen. Schulungen für Betriebsräte oder ehrenamtliche Richter*innen sind vielfach ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit.
Über 350 Jurist*innen bearbeiten dabei jährlich rund 110.000 Fälle. v
nahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Betriebsversammlung nehmen können. Die Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit der Versammlung müssen durchgängig sichergestellt sein. Darauf ist besonders bei einer Teilnahme aus dem Homeoffice zu achten. Eine Aufzeichnung der Versammlung ist ausdrücklich unzulässig.
Gibt es die für die Durchführung von Online-Versammlungen erforderliche Technik im Betrieb nicht, können Interessenvertretungen die notwendigen technischen Ressourcen oder Software-Lizenzen über den Arbeitgeber organisieren oder beschaffen. v Bund-Verlag
da.
INTERVIEW Dr. Eberhard Natter, Präsident des LAG Baden-Württemberg, zur langjährigen Zusammenarbeit mit dem DGB Rechtsschutz und zur Bedeutung von eAkte und elektronischem Rechtsverkehr im Arbeitsrechtsprozess.
Die DGB Rechtsschutz GmbH feiert 2023 ihr 25-jähriges Bestehen. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit vor Gericht?
Meine Zusammenarbeit mit den DGB-Arbeitsrechtlern geht bis in den Anfang der 1990er Jahre zurück. Damals traf ich als junger Richter auf Rechtsschutzsekretäre wie Jürgen Leicht und Sabine Gey-Rommel. Ich schätze die engagierte und faire Prozessführung der DGB-Arbeitsrechtler sehr. Später, nachdem mich mein Weg in die Gerichtsverwaltung geführt hatte, empfand ich die Zusammenarbeit immer als sehr vertrauensvoll. Wir konnten offen über alle Fragen sprechen.
Welches Verfahren ist Ihnen aus dieser Zeit in besonderer Erinnerung geblieben? Ich erinnere mich gut an ein Verfahren, das vor ca. 3 Jahren in meiner Kammer anhängig war. Es wurde in den Instanzen von ver.di und beim BAG vom Centrum für Revision der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Streitgegenstand war die Arbeitnehmereigenschaft einer Grafikdesignerin bei
einer Rundfunkanstalt. Wir waren der Meinung, dass nach mehr als zwanzig Jahren kein berechtigtes Interesse der Rundfunkanstalt mehr bestehe, eine Grafikdesignerin als freie Mitarbeiterin zu beschäftigen. Die Rundfunkanstalt ging in die Revision. Es hat mich gefreut, dass das BAG unsere Auffassung teilte.
Fragen und das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst. Wegen der Vorreiterrolle des Landes Baden-Württemberg bei der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte habe ich auch gerne das wichtige Thema der Digitalisierung der Justiz angesprochen.
Der elektronische Rechtsverkehr ist ein Dauerthema. Wie sind Ihre Erfahrungen am LAG und wo besteht noch Handlungsbedarf?
Sie sind auch Referent auf Fortbildungsveranstaltungen für den DGB Rechtsschutz. Was sind aktuell drängende Themen und Fragestellungen? Ich habe mich immer gerne mit den Rechtsschutzsekretär*innen ausgetauscht, sei es in Präsenz oder zuletzt auch online. Thematisch ging es meist um prozessrechtliche
Die Arbeitsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg hat als erste Gerichtsbarkeit im Bund im April 2019 flächendeckend die elektronische Akte eingeführt. Daher kann ich auf drei Jahre Erfahrung mit der elektronischen Akte und dem elektronischen Rechtsverkehr zurückblicken. Meine Einschätzung ist: Die Digitalisierung der Justiz und der rechtsberatenden Berufe muss zügiger vorangetrieben werden. Ich hoffe sehr, dass im Laufe des Jahres 2023 der elektronische Rechtsverkehr mit den Verbänden mittels des eBO stattfinden wird.
Die Digitalisierung wird auch nicht mit der Einführung der
eAkte und des elektronischen Rechtsverkehrs beendet sein. Sie muss nun für den Bürger nutzbar gemacht werden, etwa durch einen zeitgemäßen (online)-Zugang zum Recht. Vor allem im Einsatz von Künstlicher Intelligenz sehe ich erhebliches Potential. Dieser Einsatz darf aber nicht dazu führen, dass die bewährte Gesprächs- und Streitschlichtungskultur der Arbeitsgerichtsbarkeit in den Hintergrund tritt. v
Das Interview führte Christof Herrmann.
RECHT SO!
Newsletter DGB Rechtsschutz GmbH
ISSN 1861-7174 Ausgabe 4 / 2022 (Dezember 2022) Erscheint viermal jährlich. Nächste Ausgabe März 2023
Herausgeber DGB Rechtsschutz GmbH, Abteilung Kommunikation, Beata Teresa Tarnowska (verantwortlich), Roßstraße 94, 40476 Düsseldorf
Abo-Service Abo erfolgt digital: www.dgbrechtsschutz.de/ newsletter Fragen: kommunikation@ dgbrechtsschutz.de
Redaktion
Tatjana Dette, Sabine Gey-Rommel, Michael Mey, Susanne Theobald (DGB Rechtsschutz GmbH)
Verlags-Redaktion Bettina Frowein, Christof Herrmann, Leslie Schilling Verlag Bund-Verlag GmbH Geschäftsführer Rainer Jöde Emil-von-Behring-Straße 14 60439 Frankfurt am Main
Bildnachweis
Titelbild, S. 4: ©iStock.com, BernardaSv; S. 2 (oben) Michael Mey: Frank Ott; S. 2 (unten): ©iStock.com, Evgenii Lesiuk; S. 3 (oben): ©iStock.com, filadendron; S. 3 (unten) Anja Wicke: Frank Ott; S. 5: ©iStock.com, nortonrsx; S. 6 (oben): ©iStock.com, vladwel; S. 6 (unten) Thomas Heller: Frank Ott; S. 7: © Adobe Stock, elnariz; S. 8 Dr. Eberhard Natter: LAG Baden-Württemberg
Gestaltung und Satz fsvk.design
Druck
Westdeutsche Verlagsund Druckerei GmbH, Kurhessenstraße 4 – 6, 64546 Mörfelden-Walldorf
„Ich schätze die engagierte und faire Prozessführung der DGB-Arbeitsrechtler sehr.“
DR. EBERHARD NATTERDr. Eberhard Natter, Präsident LAG BadenWürttemberg