RECHT SO!
Auf ein Wort
Unfall mit dem Firmenfahrzeug . Seite 2
Zwischen den Zeilen Wo bleibt die Wertschätzung? Seite 2
Unser Urteil
Fehler bei der Betriebsratsanhörung Seite 3
Titelthema: Teilzeit
Diese Ansprüche gibt es . Seite 4
Von höchster Instanz Weisungsgebundene Musikschullehrerin setzt sich durch . Seite 6
Aktuelles
Neue Anforderungen für Arbeitsverträge . Seite 7
Die Verwaltungsangestellten bei der DGB Rechtsschutz GmbH Seite 7
Im Gespräch
Saarlouis darf kein Industriedenkmal sein Seite 8
zu wissen
QUARANTÄNE
Oft machen Quarantäne-Auflagen die Urlaubspläne von Beschäftigten zunichte. Können die in Quarantäne verbrachten Urlaubstage gutgeschrie ben werden? Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Ausgangspunkt für die Diskussion ist § 9 Bundesurlaubsgesetz. Dieser macht eine Wiedergutschrift bei Erkrankung mög lich.
ELEKTRONISCHE AU
Der Bundestag hat die Frist zur Einfüh rung der elektronischen Arbeitsunfähig keitsbescheinigung (eAU) auf den 1.1.2023 verschoben. Grund für den Aufschub sind technische Probleme und Auswirkungen der Pandemie. Mit dem Verfahren der eAU müssen Beschäftigte ihre AU-Bescheinigung nicht mehr beim Arbeitgeber vorzeigen. Stattdessen stellen die Krankenkassen die Daten elektronisch zur Verfügung.
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Gut
(BAG 16.8.2022 – 9 AZR 76/22 (A))
#3 | 2022
Gemeinsam . Ziele. Erreichen .
Unfall mit dem Firmenfahrzeug
NACHGEFRAGT „Ich war mit dem Firmenfahrzeug in einen Verkehrsunfall verwickelt. Mein Chef verlangt jetzt von mir Ersatz des Schadens. Muss ich zahlen?“
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass ein Schaden, den Beschäftigte bei Ausübung ihrer Arbeit verursachen, immer vom Ar beitgeber getragen werden muss.
Grundsätzlich müssen Arbeitneh mer*innen selbstverständlich auch wäh rend der Arbeit die notwendige Sorgfalt beachten. Sie können zum Schadensersatz dem eigenen Arbeitgeber gegenüber verpflichtet sein, wenn doch einmal etwas schiefläuft.
Grad des Verschuldens ist relevant
Ob jedoch überhaupt eine Ersatzpflicht besteht und in welcher Höhe ein Schaden ersetzt werden muss, hängt grundsätzlich vom Grad des Verschuldens ab: Haben Arbeitnehmer*innen einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht, müssen sie diesen grundsätzlich in voller Höhe ersetzen. Dagegen sind sie vollkommen von einer Ersatzpflicht befreit, wenn ihnen nur sehr leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Eine teilweise Haftung tritt im Falle ei ner sogenannten „mittleren“ Fahrlässigkeit
ein, was in der Regel der Fall ist, wenn Be schäftigte einen Moment nicht aufgepasst haben. Die Quote, nach der der Schaden dann zwischen ihnen und dem Arbeitge ber aufgeteilt wird, hängt wesentlich vom jeweiligen Verschuldensgrad ab.
Deutliche Unachtsamkeit
Wie dies im konkreten Haftungsfall zu bewerten ist, entscheidet im Streitfall das Arbeitsgericht. Dabei werden alle Umstände des Schadensfalles genau beleuchtet: Ging dem Unglück beispielsweise eine lange Schicht voraus, spricht dies eher – wenn überhaupt – für ein sehr leichtes Verschul den und eine allenfalls geringe Haftungs quote.
Gelangen die Richter zu dem Ergebnis, dass deutliche Unachtsamkeit vorlag, muss von einer größeren Fahrlässigkeit ausge gangen werden. Dann muss der oder die Beschäftigte jedenfalls den größten Teil des Schadens tragen.
Weitere Kriterien für die Haftungsquote können auch die Höhe des Verdienstes sein oder die Feststellung, dass der Unfall bei
Arbeitgeber oder Beschäftigte*r: Wer haftet?
Ausübung einer generell risikobehafteten Tätigkeit geschehen ist.
Eine generelle Pflicht zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung für Firmenfahr zeuge besteht nicht. Jedoch ist ohne eine entsprechende Versicherung der Schadens ersatzanspruch gegen unaufmerksame Beschäftigte der Höhe nach auf die (hypo thetische) Selbstbeteiligung begrenzt. v
Michael Mey, Teamleiter der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Hagen
ZWISCHEN DEN ZEILEN – Wo bleibt die Wertschätzung?
tatsächlich etwas anderes gemeint ist als eine weitere Erhöhung des Gehaltes, lassen wir einmal dahinstehen.
Betriebstreue wird nicht belohnt.
Das Thema Wertschätzung ist im Arbeits leben in aller Munde. Selbst mit Millio nengehältern dotierte Fußballprofis à la Robert Lewandowski fordern sie ein: die Wertschätzung vom Arbeitgeber! Ob damit
Keine Wertschätzung zum 35. Jubiläum Völlig auf Kriegsfuß mit der Wertschät zung seiner Beschäftigten war ein Sieger länder Arbeitgeber. Er verweigerte einer Maschinenbedienerin, die am 31.8.2021 nach exakt 35 Betriebsjahren in Rente ging, das ihr nach einer Betriebsvereinbarung zustehende Jubiläumsgeld von 2.200,- Euro. Begründung: Nicht auf die absolvierten Betriebsjahre komme es an, sondern auf das Dienstjubiläum. Und das liege bei einem Betriebseintritt am 1.9.1986 nun einmal am 1.9.2021, mithin leider einen Tag nach Aus
scheiden der getreuen Mitarbeiterin. Pech gehabt! Wertschätzung hin oder her: Geld gab es keins! Da musste erst das Arbeitsge richt angerufen werden, um für die schmäh lich versagte Wertschätzung zu sorgen und den Rechtsfrieden wieder herzustellen. Es komme, so die Arbeitsrichter, auf die Voll endung der 35-jährigen Beschäftigungszeit an, dies ergebe sich aus der einschlägigen Betriebsvereinbarung. Das Gericht verurteil te den Arbeitgeber zur Zahlung.
Glück im Unglück für ihn: Bei Herrn Lewandowski wäre er in puncto Wertschät zung nicht so billig davongekommen! v
Michael Mey, Teamleiter der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Hagen
2 RECHT SO! #3 | 2022 DGB RECHTSSCHUTZ.DE Auf ein Wort
Fehler bei der Betriebsratsanhörung
KÜNDIGUNG Die Betriebsratsanhörung ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Mitwirkung bei Kündigungen. Dadurch soll der Betriebsrat genau über eine geplante Kündigung informiert werden und dazu Stellung beziehen. Der Arbeitgeber muss einen Mindestzeitraum zwischen der Unterrichtung des Betriebsrates und dem geplanten Ausspruch der Kündigung wahren.
Die Stellungnahmefrist des Betriebsrates ergibt sich aus dem Betriebsverfassungs gesetz. Sie beträgt bei einer außeror dentlichen Kündigung drei Tage, bei einer ordentlichen Kündigung eine Woche. Auch bei einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist beträgt diese Frist eine Woche. Will ein Arbeitgeber mehrere Kün digungen aussprechen, z.B. außerordentlich und hilfsweise ordentlich, so muss er den Be triebsrat zu beiden Kündigungen anhören. Eine Vorratsanhörung ist nicht zulässig Die Voraussetzungen für eine wirksame Anhörung kennt offensichtlich nicht jeder Arbeitgeber.
Arbeitgeber kündigt schwerbehindertem Arbeitnehmer
Ein Klinikum in Hamburg hörte den Betriebsrat am 3.12.2020 zu einer „beab sichtigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.6.2021, hilfsweise zum nächst möglichen Zeit punkt“ an. Der Betriebsrat äußerte am
7.12.2020 Bedenken gegen die beabsich tigte außerordentliche Kündigung. Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer sodann am 9.12.2020.
Der betroffene Arbeitnehmer war jedoch schwerbehindert und die Zustim mung des Integrationsamtes fehlte. Dieses hatte der Arbeitgeber bei der Anhörung auch nicht mitgeteilt. Vorsorglich hörte der Arbeitgeber am selben Tag (9.12.2020) den Betriebsrat noch einmal zu der beabsich tigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist an.
Nachdem einige Zeit später die Zu stimmung des Integrationsamtes erfolgte, kündigte das Klinikum schließlich am 28.6.2021 erneut außerordentlich, diesmal mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2021. Eine Anhörung des Betriebsrates dazu erfolgte nicht mehr.
Soweit der nicht ganz unkomplizierte Sachverhalt. Das DGB Rechtsschutzbüro Hamburg übernahm die Vertretung des Klägers. Die Jurist*innen legten bei Gericht dar, dass beide Kündigungen unwirksam waren.
Fehlerhafte Betriebsratsanhörung
Das erste Schreiben der Beklagten vom 3.12.2020 stellte keine ordnungsgemäße Anhörung dar, da dem Betriebsrat die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht mitgeteilt wurde. Diesen Fehler versuchte das Klinikum mit der erneuten zweiten Anhörung am 9.12.2020 zu besei tigen, sprach aber die Kündigung noch am gleichen Tag aus. Damit hatte der Arbeitge ber die Stellungnahmefrist des Betriebsra tes von einer Woche nicht abgewartet.
Auch die Kündigung vom 28.6.2021 war wegen fehlerhafter Betriebsratsan hörung unwirksam. Der Arbeitgeber war offensichtlich der Ansicht, dass nach der erneuten Anhörung am 9.12.2020 keine weitere Anhörung des Betriebsrates erfol
Tatjana Dette, Teamleiterin der AE Ludwigshafen ist langjährige Redakteurin der „Recht So!“. Sie hat dieses Urteil aus unserem Büro in Hamburg für uns besprochen.
gen musste. Dieses ist jedoch unzutreffend. Der Zusatz, wonach die Kündigung hilfs weise zum nächstmöglichen Zeitpunkt stattfinden sollte, stellt keine Anhörung des Betriebsrates zu später erneut beabsichtig ten Kündigungen dar.
Das Arbeitsgericht gab dem Kläger in vollem Umfang recht. Beide Kündigungen waren unwirksam.
Dank der Unterstützung der Jurist*in nen des Büros Hamburg hat der Kläger seinen Arbeitsplatz behalten. v
Tatjana Dette, Ass. jur., Teamleiterin, DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Ludwigshafen
Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25.5.2022 – 17 Ca 529/20
3 RECHT SO! #3 | 2022 DGB RECHTSSCHUTZ.DE Unser Urteil
TATJANA DETTE vom DGB Rechtsschutz, Büro Ludwigshafen
Kündigungen sind nicht immer wirksam.
Recht auf Teilzeit –diese Ansprüche gibt es
ARBEITSZEIT In Zeiten von Work Life Balance wird Teilzeit für viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen immer attraktiver. Wir klären auf, wer Teilzeit beantragen kann und welche Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen.
1. Aus welchen Gründen kann man Teilzeit beantragen?
Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit reduzieren möchten, können bei ihrem Arbeitgeber einen Antrag auf Teilzeit stellen. Der ganz allgemeine Teilzeitanspruch ist in § 8 Teil zeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gere gelt. Neben diesem allgemeinen Anspruch gibt es weitere gesetzliche Möglichkeiten, für ganz spezielle Lebensumstände Teilzeit zu beantragen.
So können beide Elternteile nach der Geburt ihres Kindes ihre Arbeitszeit reduzieren und Elternteilzeit nehmen, § 15 BEEG. Auch zur Pflege naher Angehöriger können Arbeitnehmer und Arbeitneh merinnen ihre Arbeitszeit verringern (§ 3 PflegeZG). Außerdem haben schwerbe hinderte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach § 164 Absatz 5 SGB IX einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn ihre Be hinderung eine Verkürzung der Arbeitszeit notwendig macht. Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, sind nach § 1 Altersteilzeitgesetz ebenfalls berechtigt, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, so genannte Altersteilzeit.
2. Können Beschäftigte nach dem allgemeinen Teilzeitanspruch (§ 8 TzBfG) jederzeit ihre Arbeitszeit reduzieren? Welche Voraussetzungen müssen dafür vorliegen?
Beschäftigte können nach § 8 TzBfG einen Antrag auf Teilzeitarbeit stellen, sofern sie bereits länger als 6 Monate in dem Unter nehmen arbeiten und in dem Unternehmen in der Regel mehr als 15 Mitarbeiter*innen beschäftigt sind. Außerdem muss der Mit arbeiter oder die Mitarbeiterin den Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit mindes tens drei Monate vorher ankündigen, damit
Eltern können beide in Teilzeit arbeiten und sich die Betreuungszeiten aufteilen.
der Arbeitgeber genügend Zeit hat, den Antrag zu bearbeiten.
3. Wie muss der Antrag aussehen? Aus welchen Gründen kann der Arbeitgeber ablehnen?
Für den Antrag schreibt das Gesetz lediglich die Textform vor. Beschäftigte können den Antrag also auch per E-Mail stellen. In dem Antrag müssen sie zwingend den Umfang der Verringerung nennen, zusätzlich sollen sie angeben, wie sie ihre Arbeitszeit vertei len wollen. So können sie zum Beispiel jeden Tag – dafür aber nur halbtags – oder nur drei Tage die Woche den ganzen Tag arbeiten.
Ablehnen darf der Arbeitgeber den Antrag nur dann, wenn „betriebliche“ Gründe ent gegenstehen. Solche Gründe können vor allem dann vorliegen, wenn die Verringe rung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhält nismäßige Kosten für den Arbeitgeber verursacht. So ist es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten zum Ausgleich für die Teilzeit eine weitere Vollzeitkraft einzustellen oder die Arbeit auf die übrigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu verteilen, sodass diese ständig Überstunden machen müssen. Im Tarifvertrag können weitere Ablehnungs gründe geregelt sein.
4 RECHT SO! #3 | 2022 DGB RECHTSSCHUTZ.DE Titelthema
4. Was versteht man unter „Brückenteilzeit“ und was sind die Vorausset zungen (Rückkehrrecht auf Vollzeit)?
Seit Januar 2019 können Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zudem die sogenannte „Brückenteilzeit“ beantragen. Die Brücken teilzeit ermöglicht es den Beschäftigten, ihre Arbeitszeit nur für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren und danach wieder zu ihrer ursprünglichen Arbeitszeit zu rückzukehren. Der Arbeitgeber muss dem Antrag nur stattgeben, wenn die folgenden Voraussetzungen des § 9a TzBfG erfüllt sind. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin nen können die Brückenteilzeit nur bean tragen, wenn der Arbeitgeber in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer und Arbeitneh merinnen beschäftigt und das Arbeitsver hältnis bereits seit länger als sechs Monaten besteht. Der Antrag bedarf auch hier nur der Textform und muss drei Monate vor Beginn der Brückenteilzeit gestellt werden. Wer diese Frist nicht einhält, riskiert die Ablehnung des Antrages.
Das BAG (7.9.2021 – 9 AZR 595/20) hat 2021 entschieden, dass ein Antrag ohne Einhaltung der 3-Monats-Frist unwirk sam ist. Eine Auslegung des Antrags zum frühestmöglichen Zeitpunkt ist nur dann möglich, wenn für den Arbeitgeber objektiv erkennbar ist, ob der oder die Beschäftigte die Brückenteilzeit verkürzen oder verschie ben möchte. Im Antrag müssen die Be schäftigten außerdem den Zeitraum für die Brückenteilzeit angeben. Dieser darf nicht kürzer als 1 Jahr und nicht länger als 5 Jahre sein. Auch die Brückenteilzeit kann der Arbeitgeber ablehnen, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen und das Gewähren unzumutbar ist.
5. Was sind die Voraussetzungen für die anderen Teilzeitansprüche?
Neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Teilzeit ist bei der Elternteilzeit die rechtzeitige Beantra gung besonders wichtig. Die ist abhängig vom Alter des Kindes. Bis zum vollendeten dritten Lebensjahr muss der Antrag sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn der Teilzeittätigkeit erfolgen. Für Kinder zwischen drei und acht Jahren sind es 13 Wochen. Voraussetzung ist außerdem, dass der Elternteil mindestens für zwei Monate Teilzeit arbeitet, und zwar nicht weniger als
Immer mehr Beschäftigte nutzen die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten.
15 und nicht mehr als 32 Wochenstunden pro Monat.
Die Pflegeteilzeit können Arbeitneh mer und Arbeitnehmerinnen nur für die Pflege naher Angehöriger mit Pflegestufe I für maximal sechs Monate beantragen. Schwerbehinderte Menschen können auch dann Teilzeit beantragen, wenn weniger als 15 Beschäftigte im Unternehmen beschäf tigt sind und sie selbst noch nicht 6 Monate dort arbeiten. Die Teilzeit muss aufgrund von Art und Schwere der Behinderung erforderlich sein. Altersteilzeit ist für alle Beschäftigten möglich, die das 55. Lebens jahr vollendet haben und die in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeit we nigstens 1.080 Kalendertage sozialversiche rungspflichtig beschäftigt waren. Sie sind berechtigt, ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen Arbeitszeit zu reduzieren.
6. Haben Beschäftigte in Teilzeit andere Rechte und Pflichten als Vollzeitbeschäftigte?
Hinsichtlich der Ableistung von Überstun den gilt für Teilzeitkräfte dasselbe wie für Vollzeitkräfte. Überstunden sind grund sätzlich nicht verpflichtend, es sei denn Tarif- oder Arbeitsvertrag oder eine Be triebsvereinbarung enthalten dementspre chende Regelungen. In puncto Vergütung dürfen Teilzeitangestellten ebenfalls keine Nachteile entstehen. Sie haben deshalb Anspruch auf denselben Stundenlohn wie Vollzeitbeschäftigte. Andernfalls verstößt der Arbeitgeber gegen das Diskriminie
rungsverbot. Auch Teilzeitbeschäftigte können Mitglied im Betriebsrat sein. Nimmt das Mitglied seine Aufgaben außerhalb sei ner Arbeitszeit wahr, erhält es hierfür auch Freizeitausgleich, denn auch teilzeitbe schäftigte Betriebsratsmitglieder müssen für ihre Tätigkeit keine Freizeit opfern.
7. Welchen Einfluss hat die Arbeitszeitreduzierung auf den Urlaubsanspruch?
Je nach Umfang und Verteilung der ver ringerten Arbeitszeit, verringert sich auch der Urlaubsanspruch. Da der Anspruch auf Urlaub von der Anzahl der Arbeitstage abhängt, bekommt ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin nur dann weniger Urlaub, wenn er oder sie auch weniger Tage arbeitet. Wer zum Beispiel ursprünglich 5 Tage die Woche gearbeitet hat und nun nur noch 3 Tage pro Woche arbeitet, hat statt 20 Urlaubstagen nur noch einen Anspruch auf 12 Tage Urlaub im Jahr. Arbeitet ein Be schäftigter oder eine Beschäftigte aber wei terhin 5 Tage die Woche, jedoch nur noch halbtags, bleibt der Urlaubsanspruch wie bisher bestehen. Bei einem Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit müssen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einen etwaigen Resturlaub aus der Vollzeit vorher nehmen. Ist das nicht möglich, steht ihnen trotz der reduzierten Arbeitszeit ihr voller Urlaubsan spruch zu. Der Arbeitgeber darf den bereits erworbenen Urlaubsanspruch dann nicht kürzen. v Bund-Verlag
5 RECHT SO! #3 | 2022 DGB RECHTSSCHUTZ.DE Titelthema
Weisungsgebundene Musikschullehrerin setzt sich durch
VERSICHERUNGSPFLICHT Wer eine Tätigkeit nach Weisungen ausübt und in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist, unterliegt der Sozialversicherungspflicht. Vor dem Bundessozialgericht konnte eine Musikschullehrerin ihre Versicherungspflicht nun durchsetzen.
Revision zum Bundessozialgericht ließ das Landessozialgericht nicht zu.
Stadt und Rentenversicherung waren mit dem Urteil einverstanden. Die Musik schullehrerin, als Betroffene im Verfahren nur beigeladen, demgegenüber nicht. Doch auch Beigeladene dürfen Rechts mittel einlegen. Thomas Kohlrausch vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht setzte sich für die Frau erfolgreich ein.
Eine seit Jahren mit Honorarverträgen beschäftigte Musikschullehrerin unterrich tete bei ihrer Arbeitgeberin, einer Stadt in Baden-Württemberg, im Fach Klavier/Key board. Sie erhielt ein festgelegtes Honorar pro Unterrichtsstunde, musste die Räume und das Klavier der Musikschule nutzen und sich bei ihrem Unterricht an den Rahmen lehrplänen, die der Verband der Musikschu len vorgibt, orientieren. Auch in zeitlicher Hinsicht war die Frau an die Weisungen ihrer Arbeitgeberin gebunden. Mindestens einmal jährlich musste sie Schülervorspiele durch Proben vorbereiten und durchführen sowie zweimal jährlich an Konferenzen teil nehmen, die sie separat vergütet erhielt.
Der Rechtsstreit zog sich durch die Instanzen
Die Rentenversicherung stellte Sozialver sicherungspflicht fest und forderte die Arbeitgeberin auf, Sozialversicherungsbei träge zu entrichten. Die Stadt war nicht ein verstanden und klagte beim Sozialgericht, verlor jedoch den Prozess. Das Verfahren ging zum Landessozialgericht, das die Rechtslage anders bewertete. Ein Beschäf tigungsverhältnis der Klägerin zur Stadt bestehe nicht und infolgedessen auch keine Versicherungspflicht, heißt es im Urteil. Die
Dies geschah zunächst über eine Nicht zulassungsbeschwerde und nach deren Zulassung in einem Revisionsverfahren. Mit seinem Urteil vom 28.6.2022 bestätigte das Bundessozialgericht im Wesentlichen die Entscheidung des Sozialgerichts. Die Musik schullehrerin sei aufgrund einer abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig in allen Versicherungszweigen.
Unternehmerische Möglichkeiten hatte die Lehrerin nicht
Ihre Tätigkeit sei nicht nur durch die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung in festgelegten Räumen gekennzeichnet, so das Bundessozialgericht. Die Beigeladene sei auch in prägender Weise in die Organi sationsabläufe der Musikschule eingeglie dert gewesen.
Eine Dienstleistung könne fremdbe stimmt sein, wenn die Ordnung eines frem den Betriebes sie präge. Rahmenvorgaben oder reduzierte Weisungsrechte würden in solchen Fällen erst dann für eine Selbststän digkeit sprechen, wenn die Tätigkeit auch typische unternehmerische Freiheiten mit unternehmerischem Handeln und entspre chenden Risiken beinhalte.
Daran fehle es bei der Beigeladenen. Diese habe keinerlei unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten und könne im Rahmen des Vertragsverhältnisses weder
eigene Schüler*innen akquirieren bzw. auf eigene Rechnung unterrichten. Ein gar nicht so außergewöhnlicher Fall kam damit zu einem positiven Ende. Die Sozialversi cherungspflicht gilt nun rückwirkend und bringt Sicherheit für die Zukunft. v
Susanne Theobald, Rechtsschutzsekretärin und Redakteurin, DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Saarbrücken
Bundessozialgericht, Urteil vom 28.6.2022 – B 12 R 3/230 R
„Unsere Mandantin war beigeladen und hat in dieser Rolle die Revi sion eingelegt, Klägerin in dem Verfahren war die Stadt, bei der sie beschäftigt ist. Die sind aber gar nicht zum Termin beim BSG erschienen. Es war also schon eine interessante Prozesskonstellation, zumal die Rentenversicherung als Beklagte weder vorgetragen noch Anträge gestellt hat.“
6 RECHT SO! #3 | 2022 DGB RECHTSSCHUTZ.DE Von höchster Instanz
THOMAS KOHLRAUSCH Rechtsschutzsekretär vom Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht meint dazu:
Die Musikschullehrerin bekam recht.
Neue Anforderungen für Arbeitsverträge
NACHWEISGESETZ Seit dem 1.8.2022 gelten neue Vorgaben für Arbeitsverträge. Die Schriftform ist zwingend vorgeschrieben. Außerdem müssen zusätzliche Angaben z.B. zu Überstunden und Kündigung enthalten sein. So die Änderungen im Nachweisgesetz.
Die „EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie“ verpflichtet Arbeitgeber, Arbeitsverträge detailliert und verständlich zu formulieren. Diese Richtlinie wurde in Deutschland durch eine Änderung im Nachweisgesetz (NachwG) umgesetzt. Demnach müssen Arbeitgeber jetzt zusätzliche Arbeitsbedin gungen in die Arbeitsverträge mit aufneh men. Außerdem müssen Beschäftigte ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen auch weiterhin zwingend schriftlich erhalten.
Welche Arbeitsverträge sind betroffen? Alle neuen Arbeitsverträge, die ab dem 1.8.2022 unterschrieben werden, müssen den neuen Anforderungen des NachwG
entsprechen. Das gilt aber auch für die Ver träge von Beschäftigten, die erst ab August auf dem neuen Arbeitsplatz anfangen, ihren Vertrag aber schon vorher unterschrieben haben – und zwar sechs Monate rückwir kend. Auch Altverträge können von den Änderungen betroffen sein. Denn Beschäf tigte können den Arbeitgeber dazu auffor dern, ihnen die Daten, die Arbeitsverträge jetzt zusätzlich enthalten müssen, inner halb von sieben Tagen mitzuteilen. Arbeitsverträge müssen jetzt unter anderem folgende Angaben enthalten:
• das Enddatum bei befristeten Arbeitsver hältnissen
• die Dauer der Probezeit
Die Verwaltungsangestellten bei der DGB Rechtsschutz GmbH
TEAMARBEIT Unsere Verwaltungsangestellten unterstützen die Jurist*innen der DGB Rechtsschutz GmbH mit ihrer qualifizierten Assistenz in allen Bereichen. Für unsere Mandant*innen sind sie die erste Anlaufstelle bei Problemen.
Die DGB Rechtsschutz GmbH vertritt ihre Mandant*innen im Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsrecht. Eine gute und umfassen de Vertretung unserer Mandant*innen wäre ohne die selbstständige Mitarbeit unserer Verwaltungsangestellten nicht möglich. Sie sind die erste Anlaufstelle im Büro. Dies gilt für unsere Mandant*innen, aber auch für Gewerkschaftssekretär*innen, die wegen fachlicher Fragen zu uns kommen. Egal, ob dies ein Telefonanruf, eine Mail oder ein persönlicher Besuch unserer Mandant*innen ist, am Empfang wird das Begehren von den Verwaltungsangestell ten in die richtigen Wege geleitet. Zu den weiteren Hauptaufgaben der Verwaltungs
angestellten beim DGB Rechtsschutz gehört die selbstständige Erledigung der Standardkorrespondenz. Schriftsätze an die Gerichte oder Behörden werden nach Diktat oder Vorlage erstellt. Sie verfügen über umfangreiche Kenntnisse in verschie denen Textverarbeitungs- und Software programmen.
Sie führen und überwachen das Fristenund Terminmanagement und organisieren den Ablauf des Büros.
Eine abgeschlossene Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte*r oder eine vergleichbare Ausbildung ist Voraussetzung für diese Tätigkeit. Teamarbeit wird bei uns großgeschrieben! v
• die Vergütung von Überstunden und die Form der Auszahlung
• die vereinbarten Ruhepausen und Ruhe zeiten
• die Möglichkeit der Anordnung von Über stunden und deren Voraussetzungen
• das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformer fordernis und die Fristen für die Kündi gung sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Informieren Arbeitgeber nicht oder nicht richtig über die wesentlichen Arbeitsbedin gungen, droht ihnen pro Fall ein Bußgeld bis zu 2.000 Euro. v Bund-Verlag
7 RECHT SO! #3 | 2022 DGB RECHTSSCHUTZ.DE Aktuelles
Mit Kompetenz für Sie da.
Saarlouis darf kein Industriedenkmal sein
INTERVIEW Das Ford Werk in Saarlouis hat den Kürzeren gezogen im Wettstreit um den künftigen Standort für die E Auto Produktion. Lars Desgranges, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen, zum fehlenden Plan B des Managements und den Konsequenzen für die Mitarbeiter.
die Focus-Produktion wohl spätestens im Mai 2025. Daher hätte eigentlich Saarlouis dieses Auto erhalten müssen. Das von Saarlouis vorgelegte Angebot schätzen wir als überdurch schnittlich wettbewerbsfähig
ein, im Vergleich zu dem Ange bot des spanischen Standortes. Ford hätte beide Werke erhalten können, aber dieser Bieterwettbewerb hatte nur ein Ziel, nämlich Saarlouis als den klar unterlegenen Standort zu präsentieren. Dies ist wegen der Solidarität der deutschen Belegschaften nicht gelungen, so dass Ford Europa zu Taschen spielertricks greifen musste, um den tatsächlichen Ausgang des Prozesses zu manipulieren.
Ford nicht einmal jetzt bereit ist, seiner Belegschaft reinen Wein einzuschenken. Ich persönlich traue Ford hier jede denkbare skrupellose Entscheidung zu. Es geht jetzt darum, schnell für Klarheit zu sorgen und hier ist auch insbesondere die Politik aufgefordert, Ford nicht aus der Verantwortung zu lassen.
Gibt es einen Plan B? Welche Konsequenzen kommen jetzt auf die Mitarbeiter vor Ort zu? Zum heutigen Zeitpunkt ist uns kein Konzept bekannt, das nachhaltig Arbeitsplätze nach
zudem eine weitere Offen barung der Unfähigkeit des Ford-Managements. Auch die Politik steht hier in der Pflicht und darf Ford nicht aus der Ver antwortung lassen. Sollte Ford keine tragfähigen Lösungen präsentieren, muss die Politik ernsthaft über die Anwendung des Art. 14 Abs. 2 Grundge setz nachdenken. Eigentum verpflichtet, heißt es darin, und das Eigentum von Ford auf dem Saarlouiser Röderberg darf kein Industriedenkmal werden.
Ford hat sich im Bieterwett streit gegen Saarlouis ent schieden. Wie bewertet die IGM diese Entscheidung?
Die Entscheidung ist eine Farce, da sie bereits vorher entschie den wurde. Die IG Metall und alle ihre Betriebsräte haben sich zusammengeschlossen, um dem Standort Saarlouis dieses Auto zu sichern. Valencia baut bis Ende der 20er Jahre den Kuga, in Saarlouis endet
IMPRESSUM
Was bedeutet dies für den Ford-Standort und auch für Ford Deutschland?
Für Ford in Europa bedeutet es zunächst, dass man diesem Management nie wieder trauen kann. Ford hat sich in Deutsch land mit diesem perfiden Bieterprozess ein Marken image zugelegt, das nachhaltig bestimmt, für welche Werte der Ford-Konzern steht. Was die Entscheidung für Saarlouis bedeutet, bleibt abzuwarten, da
2025 sichert. Stuart Rowley, der Europachef von Ford, wird nun mehr liefern müssen als ein Flugblatt, um der Belegschaft eine Perspektive aufzuzeigen. Der Auftritt vom Ford-Manager Kieran Cahill am 20. Juli 2022 im Wirtschaftsausschuss des saarländischen Landtages war
Wie schätzen Sie generell die Zukunftsaussichten für die Produktion von E-Autos in Deutschland ein? Deutschland ist für die Pro duktion von E-Autos bestens geeignet und gerüstet. Wir werden einen Quantensprung an neuen Technologien, an Digitalisierung und an qualifi zierten Beschäftigten erleben und benötigen. Das alles hat Deutschland mit seiner her vorragenden Infrastruktur zu bieten. Es ist kein Zufall, dass selbst Tesla diese Qualitäten erkannt hat. v
Das Interview führte Christof Herrmann.
Herausgeber DGB Rechtsschutz GmbH, Abteilung Kommunikation, Beata Teresa Tarnowska (verantwortlich), Roßstraße
Düsseldorf
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Fragen: kommunikation@ dgbrechtsschutz.de
Redaktion
Tatjana Dette, Sabine Gey Rommel, Michael Mey, Susanne Theobald (DGB Rechtsschutz GmbH)
Verlags-Redaktion
Bettina Frowein, Christof Herrmann, Leslie Schilling Verlag Bund Verlag GmbH Geschäftsführer Rainer Jöde Emil von Behring Straße 14 60439 Frankfurt
Bildnachweis
Titelbild, S. 4: ©iStock.com, Eva Katalin Kondoros; S. 2 (oben): ©iStock.com, Dimedrol68; S. 2 (unten): ©iStock.com, chuntise; S. 3 (oben) Tatjana Dette: Frank Ott; S. 3 (unten): ©iStock.com, KatarzynaBialasiewicz; S. 5: ©iStock.com, Tatomm; S. 6 (oben): ©iStock.com, monkeybusinessimages; S. 6 (unten) Thomas Kohlrausch: Frank Ott; S. 7: © Adobe Stock, contrastwerkstatt; S. 8 Lars Desgranges: IGM
Gestaltung und Satz fsvk.design
Druck
Westdeutsche Verlags und Druckerei GmbH, Kurhessenstraße 4 – 6, 64546 Mörfelden Walldorf
RECHT SO! Newsletter DGB Rechtsschutz GmbH ISSN 1861 7174 Ausgabe 3 / 2022 (September 2022) Erscheint viermal jährlich. Nächste Ausgabe Dezember 2022
94, 40476
am Main
8 RECHT SO! #3 | 2022 DGB RECHTSSCHUTZ.DE Im Gespräch
„Diesem FordManagement kann man nie wieder trauen.“
LARS
DESGRANGES Lars Desgranges, 1. Bevollmächtigter IG Metall Völklingen