MEIN STANDPUNKT
Kernkraftrenaissance Das harte Ringen um umweltverträgliche, versorgungssichere und bezahlbare Energie beherrscht die politische Debatte seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Und immer noch gibt es für die energieintensiv produzierende Industrie in Deutschland kurz- und mittelfristig keine akzeptable Lösung, wie der NORDMETALLPräsident in diesem Heft zu recht kritisiert (s. S. 3). Eine langfristige Lösung allerdings läge auf der Hand: die Renaissance der Kernkraft. Schon der deutsche Ausstiegsbeschluss nach dem Seebeben und der Kraftwerkshavarie bei Fukushima 2011 war überhastet. Das endgültige Aus in diesem Frühjahr ist – mit und ohne Kanzlermachtwort für eine dreimonatige Laufzeitverlängerung – die Fortschreibung dieses historischen Fehlers. Andere Länder wie Frankreich oder Finnland schaffen es bereits heute, mit sicheren herkömmlichen Kernkraftwerken den Industriestrompreis weit niedriger zu halten, als Deutschland. Für die nächsten Dekaden bis zur Jahrhundertmitte wird Klimaneutralität ohne Kernkraft nicht zu erreichen sein, prophezeit der neue EU-Klimakommissar, der Slowake Maroš Šefčovič, und beruft sich auf die relevantesten wissenschaftlichen Prognosen. Längst dämmert diese Einsicht auch Klimaaktivisten, etwa in Schweden, wo Schülerinnen und Schüler eine Pro-Kernkraft-Kampagne lanciert haben, die sich unter anderem gegen die Atom-Phobie von Greenpeace wendet. Für deren althergebrachte „Nein Danke“-Haltung gibt es mit Blick auf die Zukunft aus wissenschaftlichen Gründen immer weniger Anlass: In Ruanda bauen deutsche Physiker einen völlig neuen Test-Kernreaktor, der absolut unfallsicher sein soll und überdies keinen Atommüll anfallen lässt. Das Duel-Fluid-Konzept wurde in Berlin erdacht, im kanadischen Vancouver angesichts aussichtloser deutscher Akzeptanz weiterentwickelt und soll nun in Kigali in den kommenden Jahren getestet werden. Sogar vorhandener Atommüll könnte in dieser neuen Anlagenart verbrannt werden – eine Revolution, die uns dringend überdenken lassen sollte, warum wir den dahinterstehenden ‚brain drain‘ zulassen. Und wieso wir nicht umgehend anfangen, eine Renaissance der Kernkraft einzuleiten.
Alexander Luckow, „Standpunkte“Chefredakteur
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NORDMETALL Standpunkte
3 / 2023