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Termin beim Chef: Martin M. Dassler von Turbo-Technik
„Wenn ich in die Werkshalle komme und da sind mehr als 30 Mitarbeiter unterwegs, dann macht mich das nervös.“ Ein ungewöhnlicher Satz für einen M+E-Chef. Aber Martin M. Dassler sagt ihn mit voller Überzeugung. Und er hat allen Grund dazu: Seine Turbo-Technik GmbH & Co. KG ist die vielleicht internationalste Firma im beschaulichen Wilhelmshaven. Der Großteil der 130 festangestellten und noch mal gut 200 freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwärmt mit einem Auftrag aus der Zentrale an der Kaikante des Nordhafens regelmäßig in die weite Welt aus, um Pannen und Wartungsdienste für Seeschiffe und die Industrie zu leisten.
„Höchste Qualität, höchste Kundenzufriedenheit“
Das hat hier Tradition: „Mein Vater übernahm als gelernter Schiffsmaschinenschlosser in den 1960er-Jahren für internationale Schiffsmaschinenhersteller Wartungs- und Garantierarbeiten. 1967 gründete er hier in Wilhelmshaven schließlich sein eigenes Unternehmen“, berichtet Martin M. Dassler, den seine schwedische Mutter 1965 in Göteborg zur Welt brachte. Der Firmenname Turbo-Technik leitet sich von der früher in Schiffen üblichen Dampfturbinentechnik ab. In den Folgejahren half der Firmengrundsatz „höchste Qualität bei höchster Kundenzufriedenheit“, um sowohl Kundenstamm als auch Leistungsspektrum sukzessive wachsen zu lassen. So entwickelte sich Turbo-Technik seit Mitte der 1970er-Jahre auch zum regelmäßigen Partner für den Bau und die Wartung von LNG-Tanks und LNG-Equipment an Bord von Schiffen. Kooperationen und Serviceverträge mit namhaften Motorenherstellern wie beispielsweise Kawasaki und Mitsubishi kamen dazu. Aber auch in der Nachbarschaft wurde man auf das aufstrebende Unternehmen aufmerksam: Die Bundesmarine, mit acht Marineanlagen in der Stadt bestens vertreten, erteilte Aufträge zu Wartung oder Umbau militärischer Spezialschiffe.
Martin M. Dassler lernte das Geschäft mit den „großen Pötten“ von fast allen Seiten kennen: Während des Studiums der Betriebswirtschaftslehre nahm er Ende der 1980er-Jahre das Angebot einer Schiffsmaklerei an und ging nach Paris. Fünf Jahre lang machte er so von der Seine aus Erfahrungen im An- und Verkauf Hunderttausender schwimmender Tonnen Stahl, im Anschluss dann noch ein Jahr lang von London aus. Nach der Rückkehr an die Nordsee und dem Einstieg in den väterlichen Betrieb übernahm er gemeinsam mit seiner Frau 2006 die Familienfirma. „Wir haben dann bald neben den beiden maritimen Schwerpunkten auch das dritte Standbein ausgebaut: Bau wie auch Wartung und Umbau industrieller Anlagen diverser Branchen, mit Kunden aus der Energie-, Wärme- und Stahlerzeugung sowie der Lebensmittel- und Chemieindustrie“, berichtet der Firmenchef.
Mittlerweile haben Turbo-Technik-Experten in mehr als 100 Kreuzfahrtschiffen weltweit Abgasreinigungsanlagen eingebaut, sogenannte Scrubber – meist während laufender Fahrten und ohne, dass die Gäste davon etwas merkten. „Im ‚Mein Schiff 6‘ haben wir die riesige Kurbelwelle erneuert, ein so imposantes Unterfangen, dass die Reederei davon einen ausführlichen Film gemacht hat“, berichtet Martin M. Dassler nicht ohne Stolz (siehe Video).
Für den neuen LNG-Terminal in Stade haben sie in Wilhelmshaven gerade die Gasrohre zusammengeschweißt, die -163 Grad Celsius aushalten müssen. „Das stellt ganz besondere Anforderungen an das Material, das verwendete Schweißverfahren sowie die Schweißer, weil man keinen normalen Karbonstahl nehmen kann, sondern nur einen mit sehr niedrigem Kohlenstoffanteil“, weiß der Turbo-Technik-Chef. Für das Stader Projekt wurde daher ein Edelstahl gewählt, der im Sprachgebrauch unter S316L bekannt ist und weniger als 0,03 Prozent Kohlenstoff enthält.
Transformation als große Chance und Herausforderung
In den Herausforderungen der Transformation für Schiffbau und Industrie sieht Dassler eine große Chance für sein Unternehmen: „Die Schiffbauer zum Beispiel setzen verstärkt auf Dual Fuel, das kann Methanol und Diesel, aber auch LNG und Diesel sein.“ Da bringe sein Unternehmen die jahrzehntelange Kompetenz mit, um bei Installation, Wartung oder Umbau zu unterstützen. Und die notwendige Flexibilität sowieso: In Hamburg unterhält Turbo-Technik nicht nur ein Ingenieurbüro, in dem die Kolleginnen und Kollegen arbeiten, die Dassler im Umfeld der Elbmetropole für sein Unternehmen gewinnen konnte, ohne dass ein Umzug nach Wilhelmshaven infrage kam. „Wir unterhalten an der Alster auch ein eigenes Reisebüro mit 24-Stunden-Erreichbarkeit“, berichtet Martin M. Dassler. Der sonst kaum irgendwo gebotene Rund-um-die-Uhr-Service sei unverzichtbar, damit die Turbo-Techniker inklusive Equipment auch an entlegeneren Plätzen der Welt „in time“ ankommen: „Die Kreuzfahrtschiffe warten auf den Bermudas nicht auf uns, weshalb wir zwingend pünktlich da sein und an Bord gehen müssen.“
Der Fachkräftemangel hat sich längst zur Arbeitskräftekrise ausgewachsen.
Ausbildungsanerkennung durch die Politik fehlt
Um die anspruchsvollen Aufträge inklusive weltweiter Reisetätigkeit erfolgreich abwickeln zu können, braucht Martin M. Dassler immer wieder neue Schweißer, Ingenieure, Schlosser oder Mechatroniker, von denen der Betrieb allein derzeit mehr als ein Dutzend über seine Website sucht. „Der Fachkräftemangel hat sich längst zur Arbeitskräftekrise ausgewachsen“, moniert der Familienunternehmer und sieht die Politik in der Verantwortung, dagegen wesentlich agiler vorzugehen. Noch dazu habe sich die Haltung potenzieller Auszubildender so verändert, dass es extrem schwierig geworden sei, fähige Kandidatinnen und Kandidaten zu finden: „Früher kamen hier schlaue Mofa-Tüftler vorbei, die hatten ihre Maschine auf 45 km/h getunt, da wusste ich, das wird ein guter Schlosser.“ Solche Typen gäbe es heute leider nicht mehr.
Die Anstrengungen, die nun gemacht werden müssten, um wenigstens zehn Azubis für das Unternehmen zu gewinnen, seien derart groß, dass er sich dringend mehr Anerkennung aus dem politischen Raum dafür wünschen würde: „Statt über Ausbildungsabgaben wie in Bremen sollte über Ausbildungsanerkennung zugunsten der Wirtschaft diskutiert werden“, sagt Dassler mit Nachdruck. Auch könne dies etwa im Rahmen von öffentlichen Vergaben in die Bewertung der Bewerber einfließen. Der Wilhelmshavener Selfmademan ist generell nicht sonderlich zufrieden mit der Politik, die den Unternehmen im internationalen Vergleich zu hohe Abgaben, zu viel Bürokratie und zu wenig Freiraum einräume. „Ich habe gegen Mitbewerber aus Europa oder auch den USA und Asien angesichts unserer Hochlohnpolitik kaum noch eine Chance auf dem Weltmarkt, wenn sich der Auftrag rechnen soll“, kritisiert er. Auch der deutsche Regelungswildwuchs und die Langsamkeit der Behörden seien echte Wachstumshemmnisse. „Nach vielen Jahren scheinen wir es jetzt endlich zu schaffen, mit Unterstützung unseres umtriebigen Wirtschaftsministers in Hannover einen Fortschritt in der angestrebten Flächenerweiterung zu erreichen, die Baugenehmigung für eine weitere Werkshalle liegt bereits vor“, berichtet Dassler. Privat ist der 1,90-Meter-Mann dagegen gelassener Familienmensch: Martin M. Dassler kocht gern, am liebsten, wenn die gesamte Familie, darunter seine vier Kinder, im Haus sind und man nicht mit den Arbeiten auf dem Familienhof nahe Wilhelmshaven beschäftigt ist. „Dennoch hat mir meine Frau erst neulich wieder gesagt, ich sei rastlos“, lacht Martin M. Dassler. Eben ein echter Turbo-Techniker. Alexander Luckow
Statt über Ausbildungsabgaben sollte über Ausbildungsanerkennung zugunsten der Wirtschaft diskutiert werden.
Hier geht es zum Video „Termin beim Chef."

