LEADER Februar 2020

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Wirtschaft

Wie die öffentliche Hand Medien fördern will Der Gossauer Stadtrat geht in Sachen Medienförderung eigene Wege: Er hat den Auftrag für ein Stadtmagazin ausgeschrieben. Was verspricht sich Gossau vom Magazin? Wie beurteilt ein HSG-Medienexperte den «Gossauer Weg»? Und was hat es mit dem Media Lab auf sich, dass die Uni der St.Galler Regierung als Massnahme zur Medienförderung vorschlägt?

Im Sommer 2017 ist die traditionsreiche Gossauer Wochenzeitung GOZ verschwunden, einen Sommer später die «A GOZ». «Seither empfinden es verschiedene gesellschaftliche Akteure schwierig, Beachtung in den gedruckten lokalen Medien zu finden», sagt Wolfgang Giella, Stadtpräsident von Gossau. Dazu komme, dass gerade die jüngere Generation sich zunehmend online informiere. «Dies zwingt Gemeinden, darüber nachzudenken, wie man alle Bevölkerungskreise informiert, nicht nur die printaffinen», so Giella.

«Der Lenkungsausschuss soll die Leitplanken für die redaktionelle Arbeit geben, sich aber nicht ans Steuer setzen.» Wolfgang Giella, Stadtpräsident Gossau

Neues Stadtmagazin Analysen hätten gezeigt, dass sich die Mehrheit der Gossauer Bevölkerung auf mobilen Endgeräten über digitale Kanäle informiert. «Die Printmedien reduzieren aus ökonomischen Gründen seit Längerem die lokale Berichterstattung und spiegeln das örtliche gesellschaftliche Leben zunehmend nicht mehr», stellt Giella fest. Eine Studie zeige zudem: Je weniger die Medien über lokale Politik berichteten, desto geringer sei die Wahlbeteiligung. «Mit der Lancierung eines unabhängigen Stadtmagazins will der Stadtrat dazu beitragen, dass der politische Diskurs in Gossau nicht verebbt», so Giella. Der Gossauer Stadtrat stellt sich eine gedruckte Ausgabe vor, die alle zwei Wochen erscheint und in alle Haushalte in Gossau LEADER | Jan. / Feb. 2020

und Arnegg verteilt wird. News und andere Beiträge sollen zuerst online erscheinen – auf einer Website und einer App. Print und online seien auch für Vereine, Verbände, Gewerbe und Fachgeschäfte interessant. Das genaue Konzept ist noch offen; der Stadtrat hat den Auftrag dazu bis am 9. März öffentlich ausgeschrieben. Journalistische Unabhängigkeit Das Magazin soll von einer externen Redaktion produziert werden. Die redaktionelle Hoheit liegt bei einem paritätisch zusammengesetzten Lenkungsausschuss. Hier stellt sich die Frage, wie unabhängig ein Medienprodukt sein kann, das von der öffentlichen Hand lanciert und mitfinanziert wird. Die Stadt Gossau will jedes Jahr 250'000 Franken investieren plus Initialkosten von 50'000 Franken übernehmen. Wolfgang Giella sieht die Unabhängigkeit der Redaktion gewahrt und zieht dazu den Vergleich zur SRG. «Deren journalistische Arbeit wird landesweit als recht unabhängig wahrgenommen. Der Lenkungsausschuss soll mit dem Redaktionsstatut die Leitplanken für die redaktionelle Arbeit geben, sich aber nicht ans Steuer setzen.» Die Stadt sei einer unter vielen Vertretern im Ausschuss. Den Kostenrahmen, mit dem sich die Stadt am neuen Magazin beteiligt, hält Giella für realistisch: «Aus Sicht des Stadtrats ist diese Summe eine gute Basis für ein üppigeres Businessmodell.» Und es könne ja sein, dass der künftige Auftragsnehmer aus dem Produkt ein weiterverwertbares Geschäftsmodell entwickle. «Interessanter Weg» Wie beurteilt das Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St.Gallen den «Gossauer Weg»? Vincent Kaufmann, Direktor am MCM, findet Medienförderung durch lokale Behörden einen interessanten Weg. Es bestehe offensichtlich heute ein Bedürfnis, die (hyper)lokale Öffentlichkeit zu unterstützen. «Es ist zu vermuten, dass sich dieses


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