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Rückblick

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Justitia

Ein Pädophiler wird zu 4,5 Jahren Haft wegen sexuellen Handlungen mit Kindern verurteilt. Seinen Namen behält das «Tagblatt» für sich. Ein Anwalt wird zu 10'000 Franken Busse verurteilt. Seinen Namen erwähnt die Zeitung gefühlte hundert Mal.

Was ist Recht – und was ist richtig? Nehmen wir zwei aktuelle Beispiele aus der Ostschweiz: Ein bekannter St.Galler Anwalt wird wegen (zu) hoher Honorarforderungen von der Anwaltskammer mit 10'000 Franken gebüsst. Überzeugt, richtig gehandelt zu haben, zieht er das Urteil weiter, doch das Kantons- und das Bundesgericht bestätigen das Urteil. Die Gerichte haben Recht gesprochen.

Praktisch gleichzeitig wird ein ehemaliger KitaMitarbeiter wegen sexuellen Handlungen mit Kindern und mehrfacher Pornografie vom St.Galler Kreisgericht zu viereinhalb Jahren Haft, einer stationären Therapie und einer Busse von insgesamt 6600 Franken verurteilt. Das Gericht hat Recht gesprochen, Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben das Urteil akzeptiert. Beide Urteile sind also rechtskräftig. «Ich habe nichts gegen Klassenjustiz; mir gefällt nur die Klasse nicht, die sie macht.» Kurt Tucholsky (1890-1935), deutscher Autor.

Ist es nun richtig, dass das «Tagblatt» den Anwalt mit rund einem Dutzend Artikel an den Pranger stellt, mit vollem Namen und mit Bild? Ist es gerecht, dass der Kinderschänder in den Medien Anonymität geniessen darf, während der Anwalt diesen Täterschutz nicht bekommt? Der Schweizer Presserat fordert in seiner «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalisten», dass Medienschaffende die Privatsphäre von Personen zu respektieren haben, sofern «das öffentliche Interesse» nicht das Gegenteil verlange.

Wo ist das öffentliche Interesse nun höher zu bewerten – bei einem Anwalt, der mit seiner Klientin vor Arbeitsbeginn auf ihren Wunsch hin ei nen Deal ausgehandelt hat und so ein zugegebenermassen sattes (Erfolgs-) Honorar garniert? Oder bei einem Pädophilen, der irgendwann wieder auf die Öffent lichkeit losgelassen wird? Ich persönlich möchte meine Sprösslinge, wenn ich denn welche hätte, nicht unbedingt unter den Fittichen eines verurteilten Kinderschänders wissen. Als Elternteil habe ich allerdings keine Chance zu wissen, ob der Erzieher mei ner Kinder nicht vielleicht ein Pädophiler sein könnte. Denn solche Namen zirkulieren nicht. Sexualstraftäter sind offenbar von weniger grossem öffentlichen Interesse als fehlbare Anwälte. Zumindest für die Medien.

01/2020

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