INTERVIEW | 22.11.2021 | 35
Fussball ohne Kopfbälle?
Die achte Gehirnerschütterung beendete 2015 die Karriere von Philippe Montandon. Der frühere Captain des FC St. Gallen spricht über die Folgen und ein mögliches Kopfballverbot. Text: Dario Aeberli Bilder: Anna Tina Eberhard
Philippe Montandon, Sie mussten Ihre Karriere vor sieben Jahren beenden. Schuld war ein Zusammenprall mit dem Kopf eines Mitspielers. Woran erinnern Sie sich noch? Ich kann mich nur noch erinnern, wie ich vom Physiotherapeuten gestützt vom Rasen lief. Mein Kopf hing runter, ich dachte: Das wars. Wie es zum Zusammen stoss gekommen ist, weiss ich nur vom TV. Der Therapeut musste Sie nicht zur Auswechslung überreden? Nein. Ich und mein ganzes Um feld waren darauf sensibilisiert. In den 14 Monaten zuvor hatte ich schon zwei Gehirnerschüt terungen gehabt. Ich war schon in Behandlung und trug während den Spielen zum Schutz ein
g epolstertes Stirnband. Darum war es kein Thema, dass ich ver suchen könnte weiterzuspielen. Das Stirnband nützte nichts? Für mich war das Stirnband ein psychologischer Schutz. Mein Arzt sagte mir: Kopfverletzungen passieren, wenn man nicht ge fasst ist, einen Schlag auf den Kopf zu kriegen. Setzt man be wusst zum Kopfball an, kann man den Schlag mit der Nacken muskulatur absorbieren. Bei mir war es aber ein Schlag, der einen Bruchteil zu früh kam. Der Ball war in der Luft, der Torhüter rannte raus, ich kam von hinten, und plötzlich stieg der Mitspieler vor mir hoch und unsere Köpfe stiessen zusammen. Der Schlag traf mich unter dem rechten Auge.
Sie fühlten sich sicherer. Ja, es gab mir nach der sechsten Gehirnerschütterung die Sicher heit weiterzuspielen. Ich ging aber nicht mit der Einstellung ins Spiel: Jetzt kann mir nichts mehr passieren. Wie geht es Ihnen heute? Eigentlich gut. Ich habe immer gesagt, wenn ich meinen Alltag so bestreiten kann, wie ich will, dann ist das super. Und das kann ich. Nach einem Arbeitstag vor dem Computer habe ich oft Kopfschmerzen. Ob ich die jetzt mehr oder weniger oft habe, das kann ich nicht messen. Ich weiss nicht, wie es wäre, hätte ich diese Verletzung nicht gehabt. Verfluchen Sie manchmal den Moment des Zusammenpralls?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte das Privileg, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Es gibt viele, die das wollen, aber in den entscheidenden Momenten kein Glück hatten. Ich hatte das Glück. Ich war beim Rücktritt 32 Jahre alt, habe nicht mehr mit mir gehadert. Werden Fussballer zu wenig auf Kopfverletzungen hin sensibilisiert? Ja, das stört mich. Es gibt Zwei kämpfe, bei denen zu rücksichts los mit dem Gegner umgegangen wird. Eine Gehirnerschütterung hatte ich, weil ich einen Ellbogen schlag kassiert habe. Aktuell diskutieren die Regelhüter gar darüber, ob Kopfbälle verboten werden sollen. In Eng-