Coburger - Das Magazin #44

Page 28

MENSCH UND MARKEN

Prof. Michael Hartmann: Treue bringt in jedem Fall Wettbewerbsvorteile, und zwar für beide Seiten. Wenn man sich gegenseitig vertraut, wird auch der Informationsfluss besser, man kennt sich genauer und wickelt Prozesse routinierter ab. Damit sind ja auch Effizienzvorteile für den Kunden verbunden. Da ein Lieferantenwechsel auch immer mit einem Risiko verbunden ist, haben es neue Anbieter, selbst mit guten Angeboten, nicht leicht. Sie müssen mit Ihrem Angebot das Wechselrisiko kompensieren. Auch ist es so, dass mit einer intakten Beziehung ein Informationsvorsprung für den langjährigen Geschäftspartner einhergeht. Darauf aufbauend lassen sich angebotene Leitungen für den Kunden mit seinen Bedürfnissen optimieren. Insofern hat ein langjähriger Geschäftspartner zunächst immer die besseren Karten. Allerdings ist dieser Vorteil kein „Freifahrtschein“ und nicht besonders groß. Wer sich nicht um seine Kunden stets auf Neue bemüht, der wird diese irgendwann verlieren. Das ist wie in einer menschlichen Beziehung. Diese will auch gepflegt werden. COBURGER: In Krisen wie der aktuellen Pandemie geraten gewachsene Strukturen ins Wanken, Unternehmen sind gefährdet, andere sehen neue Chancen. Bei Menschen sagt man „Gelegenheit macht Liebe“. Wie ist das derzeit in der Geschäftswelt aus Ihrer Sicht? Wird da viel fremdgegangen? Prof. Michael Hartmann: Es gibt zumindest eine Tendenz, bestehende Beziehungen zu hinterfragen. In der Tat sagen einige Studien, dass es eine Verschiebung im Konsum- und Kaufverhalten gibt. Einerseits liegt es an mangelnder Verfügbarkeit von bestimmten Produkten und man muss zwangsläufig auf alternative Produkte oder Marken ausweichen. Wenn diese Marken dann überzeugen, ist der Wechsel zumeist vollzogen. Andererseits ist im Konsumgüterbereich auch zu beobachten, dass Kunden die Dinge, die sie einkaufen, bewusster einkaufen. Es wird Wert auf Qualität und Regionalität gelegt. Der symbolische Nutzen einer Marke tritt etwas in den Hintergrund. Man könnte sagen, der Konsum wird nachhaltiger. Zum Beispiel hat der Anteil an Bio-Lebensmitteln im Jahr 2020 einen kleinen Sprung gemacht. Und auch zwischen Unternehmen werden Geschäftsbeziehungen hinterfragt. Teilweise berichten Studien, dass etwa 75% der befragten Unternehmen während der Pandemie Probleme mit ihren Lieferketten hatten oder haben und ca. 40% diesen Bereich daher umbauen wollen. Ein Problem ist hierbei auch die mangelnde Transparenz und Verfügbarkeit von Informationen. Hier können neue Anbieter punkten, sofern sie digital gut aufgestellt sind. Eigentlich wollen auch Unternehmen heute nämlich so einkaufen, wie sie es privat machen würden: Man schaut erst einmal online nach und informiert sich. Je mehr man da schon über ein Produkt erfahren kann, umso besser. Je mehr man als Kunde oder Einkäufer dann noch extra nachfragen muss, um Informationen bitten, umso schwerer wird es der Anbieter mit seinen Produkten haben. COBURGER: Und in Sachen Markentreue von Endkunden, geraten in einer solchen Krise langjährige Beziehungen schneller in Gefahr? Weil man gerade in einer solchen Phase als Mensch besonders sensibel ist und schneller als sonst dem geliebten Produkt den Rücken kehrt, weil es sich danebenbenommen hat, Stichwort Maskenskandal bei CDU/CSU, Stichwort Adidas und Mieterlass in der Pandemie?

„Wir erwarten gerade in einer schwierigen Zeit, dass wir auf eine Marke vertrauen können.“

28

COBURGER | DAS MAGAZIN

AUSGABE 44 / APRIL 2021


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Coburger - Das Magazin #44 by Coburger - Das Magazin - Issuu