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BIS DASS DER TOD UNS SCHEIDET?

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KULTOUREN

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„Es gibt aktuell eine Tendenz, bestehende Beziehungen zu hinter agen.“

Prof. Michael Hartmann: Die Analogie zu einer zwischenmenschlichen Beziehung passt wunderbar. Wir sind einer Marke nur so lange treu und meinen es gut mit Ihr, d.h. wir vertrauen ihr, solange wir das Gefühl haben, dass die Marke es auch gut mit uns meint. Aber auch eine Marke kann untreu werden und sich von Kunden abwenden. Das passiert zunächst dann, wenn eine Marke nicht mehr das leistet, was sie mir eigentlich versprochen hat. Markenimage und Markenleistung passen dann nicht zusammen. Es passiert aber auch, wenn sich eine Marke neu orientiert oder re-positioniert. Da sind zum Beispiel Banken zu nennen, die mal ihren Fokus auf Privatkunden und dann wieder auf Geschä skunden legen. Häu ge Wechsel in der Strategie sind also auch schädlich für eine Marke. IBM ist auch ein schönes Beispiel. Ich selbst hatte einen IBM ink Pad. Doch die PC-Sparte wurde 2004 an Lenovo verkau . Damit hat die Marke die Beziehung zu mir beendet.

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COBURGER: Eine Marke kann schwächer werden, ein Sportverein verliert, steigt ab, der Arbeitgeber kriselt, also man wird immer wieder enttäuscht wie auch in einer normalen Beziehung. Dennoch bleiben viele Menschen ihren Marken o über Jahrzehnte treu, einem Sportverein meistens sogar ein Leben lang. Sind also Markenbindungen o stärker als eine Bindung zu einem Menschen?

Prof. Michael Hartmann: Das würde ich so nicht sagen. Hier vermischen sich viele Faktoren. Bei Arbeitgebern oder Vereinen stellt die Leistungsfähigkeit ja nur ein Kriterium dar, warum man sich verbunden fühlt. Die dahinterliegenden Werte der Gemeinscha und die Menschen bleiben meistens gleich. Diese sind es auch, die echte Markentreue ausmachen. Der „Gelegenheitsfan“, der nur dann kommt, wenn es gut läu , ist nicht als markentreu zu bezeichnen. Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich echte Treue und Verbundenheit, wenn es eben mal nicht so gut läu . Wenn sich aber die dahinterliegenden Werte ändern, werden auch treue Fans abwandern. In einer einzelnen zwischenmenschlichen Beziehung müssen auch erst grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammenleben oder den gemeinsamen Zielen vorliegen, bevor es zu einer Trennung kommt.

COBURGER: Nun beschä igen Sie sich auch mit Industriegütermarketing, also mit Geschä en zwischen Unternehmen. Das klingt so erstmal gar nicht nach Gefühlsduselei. Wie treu sind den Unternehmen untereinander oder liegt das immer an den jeweils handelnden Personen?

Prof. Michael Hartmann: Hier sind zwei Aspekte wichtig: In der eorie schreibt man Einkaufsprozessen zwischen Geschä skunden eine größere Rationalität und Formalität zu als bei Konsumgütern. Einkaufsentscheidungen in größeren Unternehmen werden zum Beispiel nur selten von Einzelpersonen getroffen, sondern meist von mehreren, einem sogenannten Buying Center. Da geht es dann um gute Argumente, um das Buying Center zu überzeugen, warum ein Wechsel zu einem anderen Lieferanten notwendig und risikoarm ist. Dennoch erkennt die Forschung an, dass letztlich immer Menschen die Entscheidungen tre en. Diese lassen sich auch von ihren Emotionen leiten und da „menschelt“ es natürlich auch bei der Entscheidungs ndung. Und hier hat meistens niemand Lust auf Experimente, solange Vertrauen besteht und es nicht andere Zwänge gibt, einen Lieferanten zu wechseln.

COBURGER: Hat also ein langjähriger Geschä spartner also erst einmal immer einen Vorteil gegenüber einem neuen, vielleicht auch besseren Konkurrenten mit günstigeren Preisen?

Prof. Michael Hartmann: Treue bringt in jedem Fall Wettbewerbsvorteile, und zwar für beide Seiten. Wenn man sich gegenseitig vertraut, wird auch der Informations uss besser, man kennt sich genauer und wickelt Prozesse routinierter ab. Damit sind ja auch E zienzvorteile für den Kunden verbunden. Da ein Lieferantenwechsel auch immer mit einem Risiko verbunden ist, haben es neue Anbieter, selbst mit guten Angeboten, nicht leicht. Sie müssen mit Ihrem Angebot das Wechselrisiko kompensieren. Auch ist es so, dass mit einer intakten Beziehung ein Informationsvorsprung für den langjährigen Geschä spartner einhergeht. Darauf au auend lassen sich angebotene Leitungen für den Kunden mit seinen Bedürfnissen optimieren. Insofern hat ein langjähriger Geschä spartner zunächst immer die besseren Karten. Allerdings ist dieser Vorteil kein „Freifahrtschein“ und nicht besonders groß. Wer sich nicht um seine Kunden stets auf Neue bemüht, der wird diese irgendwann verlieren. Das ist wie in einer menschlichen Beziehung. Diese will auch gep egt werden.

COBURGER: In Krisen wie der aktuellen Pandemie geraten gewachsene Strukturen ins Wanken, Unternehmen sind gefährdet, andere sehen neue Chancen. Bei Menschen sagt man „Gelegenheit macht Liebe“. Wie ist das derzeit in der Geschä swelt aus Ihrer Sicht? Wird da viel fremdgegangen?

Prof. Michael Hartmann: Es gibt zumindest eine Tendenz, bestehende Beziehungen zu hinterfragen. In der Tat sagen einige Studien, dass es eine Verschiebung im Konsum- und Kaufverhalten gibt. Einerseits liegt es an mangelnder Verfügbarkeit von bestimmten Produkten und man muss zwangsläu g auf alternative Produkte oder Marken ausweichen. Wenn diese Marken dann überzeugen, ist der Wechsel zumeist vollzogen. Andererseits ist im Konsumgüterbereich auch zu beobachten, dass Kunden die Dinge, die sie einkaufen, bewusster einkaufen. Es wird Wert auf Qualität und Regionalität gelegt. Der symbolische Nutzen einer Marke tritt etwas in den Hintergrund. Man könnte sagen, der Konsum wird nachhaltiger. Zum Beispiel hat der Anteil an Bio-Lebensmitteln im Jahr 2020 einen kleinen Sprung gemacht.

Und auch zwischen Unternehmen werden Geschä sbeziehungen hinterfragt. Teilweise berichten Studien, dass etwa 75% der befragten Unternehmen während der Pandemie Probleme mit ihren Lieferketten hatten oder haben und ca. 40% diesen Bereich daher umbauen wollen. Ein Problem ist hierbei auch die mangelnde Transparenz und Verfügbarkeit von Informationen. Hier können neue Anbieter punkten, sofern sie digital gut aufgestellt sind. Eigentlich wollen auch Unternehmen heute nämlich so einkaufen, wie sie es privat machen würden: Man schaut erst einmal online nach und informiert sich. Je mehr man da schon über ein Produkt erfahren kann, umso besser. Je mehr man als Kunde oder Einkäufer dann noch extra nachfragen muss, um Informationen bitten, umso schwerer wird es der Anbieter mit seinen Produkten haben.

COBURGER: Und in Sachen Markentreue von Endkunden, geraten in einer solchen Krise langjährige Beziehungen schneller in Gefahr? Weil man gerade in einer solchen Phase als Mensch besonders sensibel ist und schneller als sonst dem geliebten Produkt den Rücken kehrt, weil es sich danebenbenommen hat, Stichwort Maskenskandal bei CDU/CSU, Stichwort Adidas und Mieterlass in der Pandemie?

„Wir erwarten gerade in einer schwierigen Zeit, dass wir auf eine Marke vertrauen können.“

Prof. Michael Hartmann: In Krisen wie dieser spielen Emotionen eine größere Rolle und damit auch die sogenannte a ektive Dimension. Wer sich als Unternehmen oder Produkt in solchen Zeiten danebenbenimmt, kann nicht glaubha vermitteln, dass er es gut mit seiner Umwelt und damit den Konsumenten meint. Insofern sind wir hier sensibler und erwarten gerade in der schwierigen Zeit, dass wir zurecht auf eine Marke vertrauen können. Das ist wie in einer privaten Beziehung: Wenn man gerade eine persönliche Krise hat, benötigt man umso mehr Zuwendung vom anderen, sonst wird man enttäuscht und wird die Beziehung möglicherweise dann auch in Frage stellen.

COBURGER: Es heißt ja auch, solidarische Gesellscha en kommen mittelfristig besser durch solche Krisen als egoistische, Solidarität hat ja auch etwas mit Treue zu tun. Wie würden Sie die aktuelle Situation unserer Gesellscha vor diesem Hintergrund interpretieren? Sind wir solidarisch? Sind wir uns treu?

Prof. Michael Hartmann: Ich würde schon sagen, dass sich unserer Gesellscha solidarisch zeigt. Das mache ich an verschiedenen Beobachtungen fest. Bedenkt man den Umgang mit existenziellen Fragen unseres gesellscha lichen Zusammenlebens, so wird dies schnell am Beispiel der Impfpriorität klar. Impfpriorität liegt z.B. bei den besonders vulnerablen Gruppen. Auch ist für mich die Tatsache, dass fast alle Menschen in unserer Gesellscha sich an die Corona-Au agen halten, ein Zeichen der Solidarität. Gleiches gilt für den Zuspruch zu vielen Maßnahmen, auch wenn diese für alle mit Entbehrungen verbunden sind. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, wie z.B. Demonstrationen von Corona-Leugnern. Deren unsolidarisches Verhalten würde ich allerdingt nicht als Maßstab für die Bewertung unserer Gesellscha als Ganzes heranziehen wollen. Ich denke schon, dass die Gesellscha zusammenhält.

Prof. Dr. Michael Hartmann

Hochschule Coburg

Lehr- und Forschungsgebiete

» Industriegütermarketing » Operativer Vertrieb und

Key Account Management » Organisation von Kreativität in Innovationsprozessen

KURZVITA

seit 09/2019 Professur für Industriegütermarketing und Technischer Vertrieb an der Fakultät Wirtscha swissenscha en der Hochschule Coburg

09/2017 – 08/2019 Vertretung der Professur für Industriegütermarketing und Vertrieb an der German Graduate School of Management and Law, Heilbronn

04/2014 – 08/2019 Promotion / Stipendiat im Graduiertenkolleg Dynamic Capabilities and Relationships an der Europa Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)

03/2010 – 03/2014 Bereichsleiter Vertrieb im Produktionsverbindungshandel

10/2005 – 02/2010 Key Account Manager in der Automobilzulieferindustrie

10/2002 – 09/2005 Studium Betriebswirtscha slehre an der Berufsakademie Mosbach

„Ich würde ihn wieder heiraten“, sagt Andrea Mirzahossein und blickt zu ihrem Ehemann Mohammad. Andrea und Mohammad kennen sich seit 39 Jahren, seit 38 Jahren sind sie verheiratet. Die Geschichte beginnt im Jahr 1983 in der Mensa der Universität in Köln, dort begegnen sich Andrea und Mohammad zum ersten Mal. Noch am Abend desselben Tages sehen sich die beiden bei einer privaten Feier wieder. „Da hat es richtig gefunkt“, erinnern sie sich. Von dem Tag an tre en sich der junge Student aus dem Iran und die Kölnerin regelmäßig. Für Mohammad steht schnell fest: Andrea ist die richtige Frau für ihn. Rasch hält der 27-Jährige um Andreas Hand an. „Nach der ersten Woche sagte er, dass ich die Frau sei, die er heiraten möchte“, schmunzelt Andrea. Die damals 23-Jährige reagiert überrascht. „Na ja, habe ich gedacht, wie kann er das wissen, wir kennen uns kaum.“ Mohammad soll recht behalten, bereits ein Jahr nach dem Kennenlernen geben sich die beiden das Ja-Wort, standesamtlich und in einer Moschee in Köln. Beide lernen jeweils die Muttersprache des anderen. „Das war uns ganz wichtig, um die Kulturen besser zu verstehen.“ Überhaupt, den anderen so zu nehmen, wie er ist, das ist dem Paar ein Herzensanliegen. „Mohammad unterstützt mich immer, mental und im Haus“, sagt Andrea. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder, Navid ist 35 und Rohja 29 Jahre alt. Viele Jahre hat die Familie in Meeder gelebt, vor einiger Zeit sind Andrea und Mohammed nach Coburg umgezogen. Deutschland ist längst zu Mohammads Heimat geworden, obwohl er sich noch mit dem Iran verbunden fühlt, schon allein deshalb, weil seine Verwandtscha dort lebt.

Durch dick

Von inniger Freundschaft und großer Liebe

Menschen kommen und gehen. Einige begleiten uns eine kleine Wegstrecke, andere schauen kurz vorbei und sind wieder weg. Wege trennen sich, Menschen leben sich auseinander. Und dann gibt es diese besonderen Beziehungen, die ein Leben lang halten. Was verbindet diejenigen, die sich über viele Jahre hinweg treu bleiben, die Krisen meistern, Hürden nehmen? Die immer ein o enes Ohr für einander haben, die da sind, wenn sie gebraucht werden. Sei es in der Liebe oder in der Freundscha .

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