Große Risiken für die Wertschöpfungskette Interview mit Eric Heymann
Angesichts der Corona-Pandemie überlegen Mittelständler, Teile ihrer Produktion aus Ländern wie China wieder nach Europa zu holen. Kommt jetzt die große Rückkehr? Und welche Faktoren sollten Unternehmer bei ihrer Entscheidung über das sogenannte Reshoring im Blick haben? Eric Heymann, Senior Economist bei Deutsche Bank Research, über die Abhängigkeit von Zulieferern, staatliche Regulierung und die Effekte gestiegener Lohnkosten in Fernost. Redaktion: Herr Heymann, die Corona-Krise hat die globalen Handelsströme unterbrochen, Produktionsstätten lagen still. Hat die Pandemie das Potential, einen größeren Reshoring-Effekt auszulösen – also die Rückkehr der Produktion deutscher Firmen aus dem Ausland, etwa aus China? Eric Heymann: Das lässt sich noch nicht endgültig sagen, die Krise liegt ja noch nicht hinter uns. Sicher ist aber: Corona dürfte für viele Unternehmen ein Anlass sein, die Aufteilung ihrer Produktionsstandorte neu zu bewerten. Dies gilt besonders für die Betriebe, bei denen die Abhängigkeit von zugelieferten Teilen aus nur einem Land – beispielsweise China – hoch ist. Einige könnten sich dann durchaus entschließen, in der Produktion wieder stärker auf Europa zu setzen.
Eric Heymann Senior Economist Automobil, Industrien, Klimapolitik, Verkehr Deutsche Bank AG Deutsche Bank Research Mainzer Landstraße 11-17 60329 Frankfurt am Main T +49 69 910 317 30 Eric.heymann@db.com www.deutsche-bank.de/fk
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R: Der Trend zum Reshoring wird bereits seit einigen Jahren ausgerufen – oft werden bekannte Unternehmen wie Stihl oder der Stofftierhersteller Steiff als Beispiele genannt. EH: Das dürfte vor allem auf anekdotischen Evidenzen beruhen, denn in den Statistiken sehen wir keine starke Entwicklung in diese Richtung: Die deutschen Importe etwa sind in den vergangenen zehn Jahren recht stetig gestiegen. Dies spricht dafür, dass eine Rückkehr von Produktion bisher noch nicht in großem Umfang stattgefunden hat. Ein Grund für die bislang eher geringe Bedeutung von Reshoring ist, dass wir in Europa gar nicht genügend Arbeitskräfte hätten, um eine Rückverlagerung größerer Dimension zu stemmen. Aber natürlich kann es für einzelne Betriebe immer gute Gründe geben, ihre Produktionen zurückzuholen. Übrigens bedeutet Reshoring selten, dass ein Betrieb im Ausland komplett ab- und in Europa wieder aufgebaut wird. In den allermeisten Fällen wird es so sein, dass sich die Schwerpunkte verlagern und beispielsweise die Produktion in Europa stärker ausgebaut wird, während sie in China nicht mehr so schnell wächst. ahv nrw magazin 2020