3 minute read

Die neue Handelsstrategie der EU

Marcus Schwenke

Abteilungsleiter Import Handelspolitik & Zollrecht

Advertisement

Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) e.V.

Am Weidendamm 1A 10117 Berlin

T +49 30 59 00 99 594 F +49 30 59 00 99 494 marcus.schwenke@bga.de www.bga.de

Die neue Handelsstrategie der Europäischen Union – eine Quadratur des Kreises?

Text: Marcus Schwenke

Die Europäische Kommission hat Mitte Juni mit einer Konsultation den Prozess angestoßen, die Handelsstrategie der Europäischen Union zu überarbeiten. Ziel ist es, mittelfristig Einigkeit bezüglich einer neuen Richtung in der europäischen Handelspolitik herzustellen und damit neuen, globalen Herausforderungen und den Lehren aus der Corona-Krise gerecht zu werden. Der EU-Handelskommissar Phil Hogan folgt mit der Überarbeitung auch den Leitlinien, die er von der in Form eines „Missionsbriefs“ von der frisch gewählten Kommissionspräsidentin von der Leyen erhalten hatte. Die Leitlinien legen, unter anderem, fest, dass Europa seinen Einfluss als Handelsgroßmacht besser nutzen und diese Macht zu einem „strategischen Vermögenswert“ machen solle.

Die neue Handelsstrategie soll als Schwerpunkte Themen beinhalten, die direkt zur Förderung und Sicherung der Außenhandelsaktivitäten europäischer Unternehmen beitragen sollen, wie z.B. die Reform der Welthandelsorganisation, die seit den Attacken der Trump-Administration und des Scheiterns der Doha-Runde einer Überarbeitung bedarf. Zudem soll sich die EU weiterhin für die Schaffung globaler Handelsmöglichkeiten für Unternehmen und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sowie die Stärkung der Handels- und Investitionsbeziehungen mit wichtigen Handelspartnern einsetzen.

Allerdings finden sich in der Themenliste der Konsultation auch Bereiche, die neben der Handelsförderung eher andere strategische Interessen der EU wiederspiegeln. Da geht es zum einen um den „Aufbau einer widerstandsfähigen und nachhaltigen EU-Wirtschaft nach dem Coronavirus“. Hier muss vor allem darauf geachtet werden, dass die Corona-Pandemie nicht zum Anlass genutzt wird, dem Protektionismus weiter Vorschub zu leisten. Gerade Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten enorm von der Globalisierung profitiert. Eine partielle Renationalisierung der Wirtschaftsabläufe könnte unter dem Strich zu erhöhten Kosten und zu erheblichen Wohlfahrtsverlusten führen.

Des Weiteren soll die Handelspolitik eine noch größere Rolle dabei spielen, zentrale globale Herausforderungen wie Klimawandel und nachhaltige Entwicklung zu bewältigen. In den letzten Handelsabkommen der EU wurden diese Themen schon über sog. Nachhaltigkeitskapitel transportiert. Es ist zu befürchten, dass eine weitere Verschärfung dieses Ansatzes, wie beispielsweise die Einrichtung von Sanktionsmechanismen bei Verstößen gegen die Nachhaltigkeitsvereinbarungen, handfeste Nachteile für den Austausch von Waren und Dienstleistungen mit sich bringen wird. Je nach Ausgestaltung der Sanktionen könnten dabei Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen werden, die mit dem jeweils eigentlichen Verstoß nichts zu tun haben.

Aus Handelsperspektive sollte auch der letzte Themenkomplex „Verbesserung der gleichen Wettbewerbsbedingungen und Schutz von EU-Unternehmen und Bürgern“ mit Argwohn betrachtet werden. Schon dem Missionsbrief an Phil Hogan konnte man entnehmen, dass es eine Aufgabe des neuen Handelskommissars sein solle, die EU-Handelspolitik "wehrhafter" zu machen. Das beinhaltet die oben genannte bessere Durchsetzung der Nachhaltigkeitskapitel in Freihandelsabkommen mit einem „Chief Trade Enforcement Officer“ sowie verbesserte Möglichkeiten der EU auf ungerechtfertigte Handelssanktionen anderer Länder reagieren zu können. Hinter dem Ziel der Verbesserung der gleichen Wettbewerbsbedingungen stecken allerdings auch Bestrebungen, eine maßgebliche Verschärfung der EU-Handelsschutzinstrumente herbeizuführen. Einer Diskussion darüber wird man kaum aus dem Weg gehen können, vor allem auch, weil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einer geschwächten post-Corona Wirtschaft der Ruf einiger EU-Industriebranchen nach stärkerem Schutz vor Wettbewerb aus Drittstaaten laut werden wird.

Eine neue Handelsstrategie solle aus Sicht der Kommission auf dem Konzept einer "offenen strategischen Autonomie" aufbauen. Es bleibt abzuwarten, ob die Begriffe „offen“ und „Autonomie“ sich wirklich sinnvoll verbinden lassen werden oder ob sich dahinter in Wirklichkeit eine Quadratur des Kreises verbirgt. ◀

This article is from: