Die neue Handelsstrategie der Europäischen Union – eine Quadratur des Kreises?
Text: Marcus Schwenke
Die Europäische Kommission hat Mitte Juni mit einer Konsultation den Prozess angestoßen, die Handelsstrategie der Europäischen Union zu überarbeiten. Ziel ist es, mittelfristig Einigkeit bezüglich einer neuen Richtung in der europäischen Handelspolitik herzustellen und damit neuen, globalen Herausforderungen und den Lehren aus der Corona-Krise gerecht zu werden. Der EU-Handelskommissar Phil Hogan folgt mit der Überarbeitung auch den Leitlinien, die er von der in Form eines „Missionsbriefs“ von der frisch gewählten Kommissionspräsidentin von der Leyen erhalten hatte. Die Leitlinien legen, unter anderem, fest, dass Europa seinen Einfluss als Handelsgroßmacht besser nutzen und diese Macht zu einem „strategischen Vermögenswert“ machen solle.
Marcus Schwenke Abteilungsleiter Import Handelspolitik & Zollrecht Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) e.V. Am Weidendamm 1A 10117 Berlin T +49 30 59 00 99 594 F +49 30 59 00 99 494 marcus.schwenke@bga.de www.bga.de
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Die neue Handelsstrategie soll als Schwerpunkte Themen beinhalten, die direkt zur Förderung und Sicherung der Außenhandelsaktivitäten europäischer Unternehmen beitragen sollen, wie z.B. die Reform der Welthandelsorganisation, die seit den Attacken der Trump-Administration und des Scheiterns der Doha-Runde einer Überarbeitung bedarf. Zudem soll sich die EU weiterhin für die Schaffung globaler Handelsmöglichkeiten für Unternehmen und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sowie die Stärkung der Handels- und Investitionsbeziehungen mit wichtigen Handelspartnern einsetzen. Allerdings finden sich in der Themenliste der Konsultation auch Bereiche, die neben der Handelsförderung eher andere strategische Interessen der EU wiederspiegeln. Da geht es zum einen um den „Aufbau einer widerstandsfähigen und nachhaltigen EU-Wirtschaft nach dem Coronavirus“. Hier muss vor allem darauf geachtet werden, dass die Corona-Pandemie nicht zum Anlass genutzt wird, dem Protektionismus weiter Vorschub zu leisten. Gerade Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten enorm von der Globalisierung profitiert. Eine partielle Renationalisierung der Wirtschaftsabläufe könnte unter dem Strich zu erhöhten Kosten und zu erheblichen Wohlfahrtsverlusten führen. Des Weiteren soll die Handelspolitik eine noch größere Rolle dabei spielen, zentrale globale Herausforderungen wie Klimawandel und nachhaltige Entwicklung zu bewältigen. In den letzten Handelsabkommen der EU wurden diese Themen schon über sog. Nachhaltigkeitskapitel transportiert. Es ist zu befürchten, dass eine weitere Verschärfung dieses Ansatzes, wie beispielsweise die Einrichtung von Sanktionsmechanismen bei Verstößen gegen die Nachhaltigkeitsvereinbarungen, handfeste Nachteile für den Austausch von Waren und Dienstleistungen mit sich bringen wird. Je nach Ausgestaltung der Sanktionen könnten dabei Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen werden, die mit dem jeweils eigentlichen Verstoß nichts zu tun haben. ahv nrw magazin 2020