Ärzteblatt Baden-Württemberg 06-2022

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Kammern und KV Eine Woche lang wurde Gesundheitspolitik in Bremen gemacht

126. Deutscher Ärztetag

E

Foto: Jürgen Gebhardt

nde Mai wurde beim 126. Deutschen Ärztetag eine Woche lang Gesundheitspolitik in Bremen gemacht: 250 ärztliche Abgeordnete aus ganz Deutschland, darunter 31 aus Baden-Württemberg, setzten gesundheitspolitische Impulse, berieten wichtige gesundheits- sowie berufspolitische Themen und fassten weitreichende Beschlüsse. Das Treffen des Ärzteparlamentes fiel in politisch besonders herausfordernde Zeiten: Die Corona-Pandemie geht in ihr drittes Jahr; hinzu kommen die humanitären Folgen des Ukraine-Krieges. Eröffnet wurde der Ärztetag von Bundesärztekammer-​Präsident Dr. Klaus Reinhardt im Beisein von Bundes­ gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. In ihren Ansprachen ging es unter anderem um alte Baustellen: Den Ärztemangel, die lahmende Digita­ lisierung, die Kran­ ken­hausfinanzierung oder den Pflege­ notstand. An vielen Stellen konnte Minister Prof. Lauterbach bei der Ärzteschaft punkten: „Wir brauchen mehr Medizinstudienplätze“, „weniger Bürokratie“ und eine Digitalisierung des Gesundheitswesens, die auch wirklich in der Praxis funktioniere. Aber er musste auch Kritik von der Ärzteschaft hinnehmen, die sich mehr Mitspracherecht bei großen Veränderungen wie etwa der anstehenden Krankenhausreform wünscht, betonte Dr. Reinhardt. Ein weiteres Anliegen konnte Prof. Lauterbach kaum abwehren – denn es wurde ihm persönlich als „Gastgeschenk“ überreicht: Ein dickes Buch mit der Aufschrift „GOÄ“, dem Entwurf einer Novelle der Gebührenordnung für Ärzte – ein Dauerstreitpunkt schon seit Jahren.„Geschehen ist bisher nichts und wir empfinden das als Affront“, bemängelte Dr. Reinhardt unter großem Beifall. Der Minister dämpfte allerdings die Hoffnung, dass sich daran bald etwas

Bundesärztekammer-​ Präsident Dr. K. Reinhardt

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ändert, da er das „filigrane Gleichgewicht“ zwischen gesetzlichen und privaten Versicherungen nicht verschieben wolle. Er nahm den Wälzer entgegen, schmunzelte und sagte:„Ich werde das vorurteilsfrei prüfen.“

Zahlreiche Beschlüsse Die Debatten und Beschlüsse des Ärztetags widmeten sich einer überaus breiten Themenpalette, die im Rahmen dieser Berichterstattung allenfalls angerissen werden kann. Alle Beschlüsse im Wortlaut sowie dazugehörige Begründungen sind im Online-​ Portal der Bundesärztekammer nachzulesen: 126daet.baek.de

Reformen im Gesundheitswesen Im Leitantrag wurde der Gesetzgeber aufgefordert, wichtige Reformen im Gesundheitswesen jetzt umzusetzen. Insbesondere seien die ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen patientengerecht, sektorenverbindend und digital vernetzt auszugestalten. Zudem sei die Gesundheitskompe tenz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken sowie die Forschungsförderung zur Pandemieprävention auszubauen. Der Mensch müsse der Maßstab des politischen Handelns sein. Die Ausgestaltung der ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen, die Versorgungsplanung, die Vergütung sowie die digitale und personelle Vernetzung der Versorgungsbereiche müssten sich am tatsächlichen Bedarf der Patientinnen und Patienten orientieren und nicht ausschließlich an ökonomischen Parametern oder an einem überkommenen Sektorendenken ausrichten.

Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Natürlich beschäftigte sich das Ärzteparlament auch mit Corona –

hier vor allem mit den körperlichen, psychischen und seelischen Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche. Die Ärzteschaft hatte seit jeher darauf aufmerksam gemacht, dass junge Menschen extrem unter dem Pandemiegeschehen zu leiden hatten und dass deren Bedürfnisse zu wenig im Fokus waren. Nun widmete der Ärztetag dem Thema einen eigenen Tagesordnungspunkt – auch, um Kindern und Jugendlichen„eine Lobby zu geben“, wie Dr. Reinhardt betonte. Den Abgeordneten ging es darum, die Pandemiefolgen, die Kinder und Jugendliche mit am härtesten getroffen hatten, aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und Gegenakzente zu setzen. Mehrere Referate präsentierten ­Daten, brachten Erkenntnisse vor und führten dem Ärzteparlament Zusammenhänge vor Augen. So stellten sie unter anderem Faktoren heraus, die Kinder und Jugendliche gesund bleiben lassen (Bewegung, Begegnungen in verschiedenen sozialen Settings etc.) und machten deutlich, wie die Lockdowns positive Entwicklungen unterminiert beziehungsweise sogar teils zu psychischen Abhängigkeiten und körperlichen Einschränkungen geführt hatten. Die Experten kritisierten, dass viel über die Köpfe junger Menschen hinweg entschieden

Bundes­ gesundheits­ minister Prof. Dr. K. Lauterbach mit GOÄ-​ „Gast­ geschenk“


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