Vermischtes Interview · Tübinger Universitäts-Oberarzt ist dem Schwindel digital auf der Spur
„Smarter Algorithmus für Patienten“
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onkrete Hilfe für Schwindel patienten und clevere Geschäftsidee in einem: Dr. Dominik Bless-Martenson hat eine Smart phone-App entwickelt, die aus Anam nesedaten mittels Algorithmus – gegen Gebühr – eine Rangliste möglicher Diagnosen erstellt. Mit dem Oberarzt der HNO-Universitätsklinik Tübingen, der zudem auch in Filderstadt bei Stuttgart niedergelassen ist, sprach ÄBW-Chefredakteur Dr. Oliver Erens.
Dr. D. Bless-Martenson
Etwa ein Viertel der Bevölkerung erleidet im L aufe des Lebens einen behandlungsbedürftigen Schwindel. Wie kommt Ihre App ins Spiel? Dr. Bless-Martenson: Der Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung von
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Praxisabgabeseminar. Med-Seminare (falls erforderlich, wird die Veranstaltung als Webinar durchgeführt)
Mittwoch, 16.03.2022, 19.00 Uhr | Jahnstr. 4, 4. OG, 70597 Stuttgart Mittwoch, 25.05.2022, 19.00 Uhr | Jahnstr. 4, 4. OG, 70597 Stuttgart Mittwoch, 20.07.2022, 19.00 Uhr | Jahnstr. 4, 4. OG, 70597 Stuttgart • Nachbesetzungsverfahren • Geeigneten Nachfolger finden • Optimaler Abgabezeitpunkt • Praxiswert, steuerliche Fragen Referenten: Tobias Krämer, Sina Altmann, Barbara Brenner und Misel Stojkovic. Die Seminargebühr übernimmt MLP. Anmeldung mit QR-Code oder bei Frau Olga Kopp Tel 0711 13258 53, Fax -80 med-seminare-stuttgart@mlp.de
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ÄBW 03 | 2022
Schwindel und Gleichgewichtsstörungen ist die Anamnese. Die Nutzer können mit der App in zirka fünf Minuten eine umfassende strukturierte Anamnese erstellen, mit der sie sich ihren behandelnden Ärzten vorstellen sollen. Bei akutem Schwindel ist die Anwendung für die Nutzer kostenlos. Die App ist als gemeinsame Anwendung für Patient und Ärztin beziehungsweise Arzt gedacht; die Patienten bringen ihr eigenes Expertensystem auf dem Smartphone oder auf Papier mit in die Praxis. Die EDV der behandelnden Ärzte wird nicht tangiert. Die App ist ein zertifiziertes Medizinprodukt und läuft datenschutzkonform auf dem Endgerät der Patienten.
Wie wurde die Idee geboren und in die Tat umgesetzt? Dr. Bless-Martenson: Die Idee eines smarten Algorithmus für Patienten mit Schwindel verfolgt mich seit vielen Jahren. Es gibt eine CD-Version aus dem Jahr 1999 mit einer Auflage von 30.000 Exemplaren, damals als Anwendung nur für Ärztinnen und Ärzte konzipiert. Im Jahr 2020 fanden sich dann begeisterte Investoren und ein plötzliches Zeitfenster durch die Corona- Pandemie. Nach sechs Monaten intensiver Arbeit mit zwei Agenturen für Softwareentwicklung und Design war die Schwindel-App fertig, barrierefrei und DSGVO-konform, als zertifiziertes Medizinprodukt der Risikoklasse I. Die medizinischen Inhalte und der Algorithmus sind durch ein Expertenteam aus den verschiedenen Fachrichtungen und durch eine externe klinische Bewertung akribisch überprüft worden. Nach dem Anamnesemodul errechnet die App – gegen kostenpflichtige Freischaltung – eine Rangliste möglicher Diagnosen, die dann den behandelnden Ärzten vorgelegt werden soll? Die Schwindel-App erstellt durch einen algorithmischen Abgleich der individuellen Anamnese mit Leitlinien
und Standardwissen eine Rangliste von bis zu 16 Diagnosen, welche ursächlich für die Beschwerden des jeweiligen Nutzers sein könnten. Diese Liste kann den behandelnden Ärztinnen und Ärzten als Expertenrat für eine erste Verdachtsdiagnose dienen, um dann selbst zu behandeln oder gezielter zu überweisen. Bei akutem Schwindel ist auch die Diagnosenliste kostenlos verfügbar.
Wie häufig wird die App heruntergeladen beziehungsweise freigeschaltet? Dr. Bless-Martenson: In der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie ist es schwierig und sehr teuer, schnell viel Aufmerksamkeit und damit Downloads zu bekommen. Die Nutzerzahlen steigen aber stetig und wir versuchen, über Artikel und Presse auf die App aufmerksam zu machen.
Können Ärztinnen und Ärzte die App rezeptieren und den Patienten damit die Kosten ersparen? Dr. Bless-Martenson: Die Anam nesefunktion der Schwindel-App ist kostenlos. Bei akutem Schwindel ist das Diagnosemodul auch kostenlos zu verwenden. Lediglich bei länger anhaltendem Schwindel ist das Diagnosemodul der Schwindel App für 19,99 Euro zu erwerben und bietet dann eine Rangliste von bis zu 16 verschiedenen Ursachen für die Patienten und die behandelnden Ärzte. Wir planen aktuell die Zulassung als digitale Gesundheitsanwendung, um die App dann für alle Patienten in jeder Version rezeptierbar zu machen. Die App wurde entwickelt, um flächendeckend die Differenzialdiagnose und die Therapie des Symptoms Schwindel zu verbessern und so unnötige Kosten im Gesundheitssystem zu vermeiden. Außerdem soll den Patienten schneller eine adäquate Therapie ermöglicht werden.