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Freitag, 7. Februar 2020
health economy 65
„Kein Ausverkauf“
Kassenreform
Kritik an neuem SV-Vorsitzendem WIEN. Arbeitnehmervertreter, rote und pinke Politiker sowie die Ärztekammer kritisieren den neuen Vorsitzenden im Dachverband der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner. Die versprochene Patientenmilliarde müsse jetzt kommen, forderte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. Lehner hatte erklärt, er könne nicht sagen, ob sie „in fünf oder in sieben Jahren“ komme.
Die Ärztekammer fürchtet eine zunehmende Liberalisierung des Gesundheitswesens. Der neue Minister will das bremsen.
© APA/Hans Klaus Techt
„Etikettenschwindel“ Angesichts der aktuellen Herausforderungen sei das zu spät, sagte Szekeres in einer Aussendung. Zudem warnte der ÄrztekammerPräsident davor, Etikettenschwindel zu betreiben und die Milliarde durch Leistungsabbau oder Honorarkürzungen zu finanzieren. Auch Vizepräsident Johannes Steinhart warnte vor Einschnitten ins Gesundheitssystem. Er und Lehners Vize, Ingrid Reischl, hatten einen Risikoausgleich zwischen den Versicherungs trägern gefordert; Lehner lehnt das ab. (rüm)
••• Von Martin Rümmele WIEN. Ärztekammer und Arbeitnehmervertreter in Sozialversicherungen wie der Unfallversicherung warnen zunehmend vor einer Liberalisierung des Gesundheitswesens und Privatisierungstendenzen. „Priorität in der Gesundheitsversorgung muss das öffentliche Gesundheitssystem haben, um eine weitere Privatisierung der Gesundheitswirtschaft zu stoppen. Sonst entsteht ein massives Ungleichgewicht“, sagt Ärzte kammer-Präsident Thomas Szekeres. „Zugang erhalten“ Das Grundprinzip müsse der möglichst niedrigschwellige Zugang zur Spitzenmedizin für alle sein. „Hochqualitative Pflege und Rehabilitation für alle, unabhängig von dem, wie viel sie in das Sozialsystem eingezahlt haben“, sagt Szekeres im medianet-Gespräch. Man sehe in verschiedenen Ländern, wie etwa Deutschland, oder auch Sparten,
Ich bin ein g roßer Freund von öffentlicher Verantwortung in der Daseinsvorsorge. Da gehört das Gesundheitswesen dazu.
wie der Tiermedizin oder Laboren in Österreich, dass private Unternehmen niedergelassene Einrichtungen übernehmen, sagt der Ärztekammer-Präsident: „Man darf die Sozialversicherungsmedizin nicht zu einem Geschäftsfeld werden lassen. Das ist ein Geschäftsmodell, das zum Nachteil der Patienten ist. Ich denke nicht, dass Privatisie-
rung im Gesundheitswesen die Kosten reduziert. Es wir teurer und nicht besser.“ Nachsatz: „Wir kämpfen für Modelle, wo Ärzte Eigentümer von Ordinationen sind und nicht Konzerne.“ Zuletzt war durch Zusammenlegungen von Rehaeinrichtungen bei der AUVA auch über den Verkauf von Kassen-Immobilien und Liberalisierungen spekuliert worden. Unterstützung von Anschober Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht die Entwicklungen allerdings ebenfalls skeptisch. „Es geht mir da um ein Grundbewusstsein: Ich bin ein großer Freund von öffentlicher Verantwortung in der Daseinsvorsorge. Da gehört das Gesundheitswesen dazu und wir müssen aufpassen, dass das nicht schleichend ausgehöhlt wird. Um das System auf dem Niveau zu bewahren, muss man es laufend weiterentwickeln – das darf aber keine Weiter entwicklung durch einen Ausverkauf sein“, sagt Anschober im medianet-Gespräch.
© APA/sHerbert Neubauer
Gesundheitsminister Anschober: „Müssen aufpassen, dass das Gesundheitswesen nicht schleichend ausgehöhlt wird.“
Kassenboss Peter Lehner ist Vorsitzender der Selbstverwaltung im Dachverband der Sozialversicherungen.