AUSBILDUNG
«Ich bin der Stadt Thun wahnsinnig dankbar» Seit 1962 verfügt die Stadt Thun über einen eigenen Stipendienfonds. Thunerinnen und Thuner können bei der Stiftung Stipendienfonds ein Gesuch um Ausbildungsfinanzierung stellen. So hat dies vor einigen Jahren auch Xavier Garzón getan. Heute übt er seinen Traumberuf Berufsschullehrer aus.
Xavier Garzón vor dem Rathaus Thun.
Xavier Garzón überlegt nicht lange: «Ja, Berufsschullehrer ist
werden und sparte auf sein Ziel hin. Doch die Steuern (damals
mein Traumberuf. Ich finde es schön, junge Erwachsene in diesem
musste man sie zwei Jahre rückwirkend bezahlen) machten ihm
spannenden Lebensabschnitt zu begleiten und ihnen etwas mitzu-
einen Strich durch seine eng kalkulierte Rechnung. Garzón fragte
geben für das Leben. Das ist sehr erfüllend.» Garzón unterrichtet
den Kanton um Stipendien an. Dieser verwies ihn jedoch an seine
Polymechanikerinnen und Polymechaniker am Bildungszentrum
Eltern. Da aber sein Vater zu dieser Zeit schwer erkrankte, konnte
Interlaken bzi. «Es ist eine Berufs- und Lebensschule», sagt
er ihn auch nicht unterstützen. Die Situation schien nicht sehr
Garzón. In den vier Jahren bringt er seinen Lernenden unter ande-
aussichtsreich. Durch Zufall erfuhr Garzón vom Stipendienfonds
rem bei, wie man sein Leben meistert – wie man ein Budget macht
der Stadt Thun (siehe Infokasten). Er reichte ein Gesuch um Un-
zum Beispiel. Garzón selbst musste als Sohn eines spanischen
terstützung ein – und es wurde bewilligt.
Arbeitsimmigranten während seiner Studienzeit lernen, haushälterisch mit Geld umzugehen. Trotz seiner Sparsamkeit kam er an
Finanzielle und psychische Entlastung
einen Punkt, an dem er fremde Hilfe annehmen musste.
«Ich bin der Stadt Thun wahnsinnig dankbar für die Unterstützung», sagt Garzón. Das Geld bedeutete für ihn nicht nur eine fi-
Durch Zufall vom Stipendienfonds erfahren
nanzielle Entlastung, sondern auch eine psychische. Gerade der
Als gelernter Hochbauzeichner entschloss sich Xavier Garzón im
zweite Punkt sei nicht zu unterschätzen, zumal die Zeit während
Alter von 30 Jahren, noch studieren zu gehen. Er wollte Lehrer
des Studiums finanziell keine einfache gewesen sei. Garzón musste trotz der Hilfe durch die Stadt Thun während des vierjähri-
Stipendienfonds der Stadt Thun
gen Studiums an der PH Bern nebenbei 50 Prozent auf dem Bau arbeiten. Eine intensive Zeit.
Thun will die Chancengleichheit im Zugang zur Bildung
«Heute kann ich die Früchte ernten», sagt Garzón. Aus Dankbar-
fördern. Die Stadt verfügt seit 1962 über einen eigenen
keit bezahlt Garzón heute jeden Monat freiwillig 50 Franken in
Stipendienfonds. Dieser wird vom Amt für Bildung und Sport
den Stipendienfonds ein: «So kann ich der Stadt etwas zurückge-
verwaltet. Als Ergänzung zu den kantonalen Stipendien
ben und Menschen helfen, die sich in einer ähnlichen Situation
können Thunerinnen und Thuner bei der Stiftung Stipendien-
befinden wie ich damals.»
fonds ein Gesuch um Ausbildungsfinanzierung stellen. Der Stiftungsrat behandelt die Gesuche dreimal im Jahr. Es steht
Text Simone Tanner Bild Marc Riesen
jährlich ein Betrag von 125 000 Franken zur Verfügung. Die Gesuchformulare und weitere Informationen sind abrufbar unter: www.thun.ch/stipendien
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