The Red Bulletin CD 12/21

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Film

kastriert in seinem neuen Film ein Rind. Weil er muss. Privat? Ist er super soft. Und demnächst Buddhist. Interview RÜDIGER STURM

Ein Hubschrauber donnert vorbei, im Hintergrund klimpert ein Pianist, aber Benedict Cumberbatch bleibt beim Interview auf der Terrasse des venezianischen Hotels Excelsior cool und spricht konzentriert und mit un­ erschütterlicher Ruhe. Das mag daran liegen, dass der 45-Jährige in seinen Rollen schon wesentlich intensivere Herausforderungen gemeistert hat. Auch in dem Cowboy-Drama «The Power of the Dog» (auf Netflix) lässt er sich auf physische Strapazen und aufreibende Psychoduelle ein. Viel­ leicht hat es aber auch damit zu tun, dass er für seine mentale Ruhe eine ganze Menge unternimmt. the red bulletin: Herr Cumber­ batch, Ihre Rolle in «The Power of the Dog» scheint nicht gerade gemütlich gewesen zu sein. BENEDICT CUMBERBATCH: Ich verstehe das als Kompliment. Ich will Jobs, die mir das Ungewohnte bieten. Nur so kann ich dabei Spass haben. Das dürfte auch für das Pu­ blikum interessanter sein, als wenn ich immer das Gleiche mache. Sie müssen in dem Film den Job eines Cowboys erledigen: reiten, Rinder zusammentreiben und ­kastrieren. Haben Sie dabei etwas gelernt, was Sie im Alltag brau­ chen können?

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Ja, ich kann jetzt mit Kühen um­ gehen. Kürzlich waren wir im Urlaub und spazierten auf einem Pfad zum Strand, als uns Leute mit angst­ erfüllten Gesichtern entgegenrann­ ten. Der Pfad war von einer Gruppe Kühe blockiert. Dank meiner neuen Kenntnisse konnte ich sie wegtreiben – natürlich sanfter als im Film. Also ist der knallharte Macho bei Ihnen nur gespielt? Wir leben in anderen Zeiten als früher. Heute willst du mit anderen­ Menschen mitfühlen, ihren Blick­ winkel verstehen. Es ist doch so viel schöner, wenn du die Gemein­ samkeit mit anderen Menschen spüren kannst. Dazu gehört auch, dass du diese toxische Männlichkeit bekämpfst. Wann immer dir Chau­ vinismus begegnet, solltest du ihn beim Namen nennen und dagegen auftreten. Sie wirken sehr fortschrittlich. Wie haben Sie Ihr Weltbild ent­ wickelt? Mir hilft Meditation sehr. Das ist ein Instrument, mit dem du die Stille in dir spüren kannst. Sie befreit dich vorübergehend von deinen Gedan­ ken und gibt dir die Möglichkeit, dich komplett zu entspannen. Das ist ideal, um Stress abzustreifen.

Ist das nicht eine ziemlich ­pessimistische Weltsicht? Das hängt davon ab, was man unter Leiden versteht. Viele denken, das ist der Schmerz, wenn man einen Unfall hat oder Gewalt erfährt. Aber eigentlich ist dieses Leiden nur Anspannung. Und die entsteht oft, weil wir mit den Veränderungen des Lebens nicht klarkommen. Das Leben ist ständig im Fluss, was wir mit all unseren Sinnen wahrnehmen. Wenn wir das akzeptieren, können wir uns von unseren Schmerzen befreien. Wir müssen begreifen, dass alles im Leben vergeht. Was aufsteigt, fällt, und was fällt, steigt wieder auf. Liegt in dieser Erkenntnis auch der Schlüssel zum Glück? Der Schlüssel zum Glück ist, dass du gar nicht erst danach suchst. Und auch nicht die Frage stellst, wo es liegt. Wenn du ihm hinterherjagst, kannst du es nicht finden. Erlebe einfach nur das Sein. In jedem be­ liebigen Moment. Das ist die Wahr­ heit. Oder man könnte sagen, der Topf Gold befindet sich am Ende des ­Regenbogens. Haben Sie eigentlich auch schon Unglück erlebt? Ich war dieses Jahr beim Finale der Fussball-EM im Wembley-Stadion (England verlor 3:4 im Elfmeter­ schiessen gegen Italien; Anm). Muss ich noch mehr sagen? «The Power of the Dog»: ab 1. Dezember bei Netflix

Wie oft meditieren Sie? Ich versuche, es einmal täglich zu tun, normalerweise am Morgen. Aber es hilft mir auch, mich zu be­ ruhigen, bevor ich schlafen gehe. THE RED BULLETIN

CHARLIE CLIFT/BAFTA/CAMERA PRESS/PICTUREDESK.COM

Benedict Cumberbatch

Abgesehen vom Meditieren ­interessieren Sie sich angeblich auch für den Buddhismus. Für die Buddhisten ist das Leben Leiden. Stimmen Sie dem zu? Ja, unbedingt.


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