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SELFMADE WOMAN

Sie war das jüngste von zehn Kindern einer Einwandererfamilie. Heute ist sie die grösste Rapperin der Schweiz. Hier erzählt LOREDANA, wie man sich nach oben kämpft. Und warum sie jetzt zum ersten Mal nervös ist. Text ANNE WAAK Fotos FELIX KRÜGER SELFMADEWOMANLOREDANA

SCHAU MIR IN DIE AUGEN!

ie ist müde. Vor zwei Tagen erst ist Loredana im Auto aus der Schweiz nach Deutschland gefahren, um im Studio ein paar Aufnahmen zu machen, nur um am gleichen Tag wieder die Rückfahrt anzutreten. Nun sitzt sie schon wieder in Berlin, diesmal in einem Fotostudio, und wird für das Red Bulletin-Shooting gestylt. 16-Stunden-Tage. Aber, sagt sie mit ihrer Stimme, die noch eine Spur rauer erscheint als sowieso schon, ihre Laune sei gut – immer.

Wie könnte es auch anders sein. Erst gute drei Jahre ist es her, dass Loredana ihren ersten Track veröffentlichte. Das Rap-Stück «Sonnenbrille» erschien im Juni 2018, wurde aus dem Stand ein Hit und machte sie berühmt. Seither ist sie in der Schweiz ein Streaming-Phänomen – und nicht nur dort. Ihre «King Lori-Tour» sollte sie 2020 von Zürich über Köln bis nach Leipzig führen, so gut wie alle ihre Konzerte waren entweder ausverkauft oder wurden wegen der unerwarteten Nachfrage in grössere Hallen verlegt (bis die Tour an Corona scheiterte).

SLoredanas Jugend: Kontrolle, aber keine Angst Nun wagt sich Loredana auf musikalisches Neuland. Im November wird sie im KKL (Kultur- und Kongress zentrum) ihrer Heimatstadt Luzern im Rahmen von «Red Bull Symphonic» zwei Konzerte geben – mit einem ganzen Orchester in ihrem Rücken. Es ist ihre erste Berührung mit klassischer Musik, das Projekt und die Abende werden von einem DokumentarflmTeam begleitet, darüber hinaus wird ein Album aufgenommen. Normalerweise sei sie vor Auftritten nicht besonders aufgeregt, aber in dem Fall habe sie schon jetzt ein Kribbeln im Bauch. «Meine Stimme wird in diesem Moment ganz im Mittelpunkt stehen. Wir spielen live, wenn ich da einen Fehler mache, betrifft der 50 andere Leute.» Lange deutete nichts darauf hin, dass aus Loredana Zef, 1995 geboren und aufgewachsen in einem Vorort von Luzern, einmal einer der grössten Musikstars im deutschsprachigen Raum werden würde. Als jüngstes von zehn Kindern eines aus Albanien eingewanderten Fabrikarbeiters und einer Gelegenheitsjobberin wurde sie von ihren Brüdern mit zum Fussball genommen, hatte immer jemanden zum Spielen

Ihre Familie verbietet Loredana Social Media, bis sie achtzehn ist. Heute folgen ihr drei Millionen Fans.

LÄSSIG ZUGEKNÖPFT

Loredana setzt auf einen legeren Kleidungsstil: «Meine Persönlichkeit soll im Vordergrund stehen», sagt sie. «Ich bin nicht berühmt geworden, weil ich sexy aussehe.»

«Klar spüre ich ein Kribbeln: Wenn ich auf dieser Bühne einen Fehler mache, betrifft der 50 Leute.»

und wuchs mit ständigem Hip-Hop-Soundtrack auf, Tupac Shakur vor allem. Sie sagt, sie habe ihren Brüdern ihr Selbstbewusstsein und ihre Angstfreiheit zu verdanken. Aber als Nesthäkchen-Mädchen wurde sie von den älteren Geschwistern richtiggehend bewacht und zum Beispiel zur Schule gefahren – angeblich, um sie vor schlechten Einfüssen zu schützen. «Man hat mich einfach 24 Stunden kontrolliert», stellt sie rückblickend ungerührt fest. Aber es habe funktioniert. Sie trinke bis heute nicht, und, von Zigaretten abgesehen, interessierten sie auch Drogen nicht.

Zur familiären Überwachung gehörte auch, dass sie bis zum Alter von achtzehn keine Social-MediaAccounts haben durfte. Doch als sie es dann durfte, ging sie in die Vollen.

Sie habe immer die Gewissheit besessen, dass sie mal berühmt werde, sagt Loredana. «Mit dreizehn habe ich zu einem meiner Brüder gesagt: Ich glaube, ich werde rappen.» Die Schule brach sie nach der neunten Klasse genauso ab wie die Ausbildung zur Kauffrau. Irgendwann drehte sie Lip-Sync-Videos von Stücken bekannter Rapper und lud sie auf YouTube hoch. Sie lernte den albanischen Rapper Mozzik kennen und kam mit ihm zusammen, sie ging mit dem Produzenten Macloud ins Studio, nahm ihren ersten Track auf und stellte einen kleinen Ausschnitt davon ins Netz. «Die Leute sind durchgedreht.» Allein in den ersten zwei Wochen sammelte das Video auf der Plattform 13 Millionen Aufrufe. Auf Instagram hat Loredana heute drei Millionen Follower. Als Mitte 2019 mittlerweile fallengelassene Betrugsvorwürfe gegen sie aufkamen, war ihr Name in der Schweiz der meistgesuchte Begriff auf Google.

Sie ist verletzlicher, als sie sich gibt Während sie sich in der Öffentlichkeit kühl gibt, stellt sie sich im Gespräch mit ihrem Spitznamen Lori vor, ist offen und zugänglich. «Ich bin draussen kälter als drinnen», sagt sie. Das sei ihr Schutzmechanismus. Die Leute sollen nicht wissen, was sie verletzen könnte. «Die Sonnenbrille schützt meine Identität / Sie fragen mich, woher, sie ist von Fendi / Die Hände voller Cash, kann nicht ans Handy gehen», heisst es in ihrem Debüt-Stück.

«Sonnenbrille» stammt aus ihrer Feder, statt auf ein naheliegendes Feature einer anderen Rapperin oder eines anderen Rappers wie Mozzik setzte sie auf ihren Solo-Auftritt. «Ich wollte mir beweisen,

BOSS LADY

Warum Loredana 16 Stunden pro Tag arbeitet? «Damit meine Tochter ein schönes Leben führen kann.»

UNTER DIE HAUT

Das Tattoo «Hana» auf ihrem rechten Unterarm ist Loredanas Tochter gewidmet. Ein anderes ist ihr aber wichtiger, wie sie im Interview gesteht.

dass ich es allein kann. Und dass die Leute das Stück wegen mir hören, nicht wegen jemand anders. Ich wollte, dass klar ist: Keiner hat mich gross gemacht.» Es ist diese Eigenständigkeit, der Loredana ihren Erfolg zu verdanken hat. Sie setzt auf ihre eigene Leistung, nicht auf die Liebesdienste anderer. Dazu gehört auch, dass sie die längste Zeit darauf verzichtete, einen bestimmten Look zu bedienen. Sie habe immer ihre Persönlichkeit in den Vordergrund gestellt. «Ich bin nicht berühmt geworden, weil ich heiss aussehe.» Obwohl sie gern Kleider trage und sich auch gern sexy zeige, habe sie auf einen coolen, eher angezogenen Stil gesetzt. OversizeSweatshirts, lange Hosen. Jetzt, da sie es geschafft habe, ändere sich das. «Langsam, langsam zeige ich auch meine frauliche Seite.»

Ende 2018 kam ihre und Mozziks gemeinsame Tochter Hana auf die Welt. Das Muttersein bezeichnet Loredana als «das schönste und schlimmste Gefühl zugleich». Schön sei es, weil sie mit dem Kind eine enge Bezugsperson in ihrem Leben habe. Schlimm, weil sich damit auch eine existenzielle Angst um diese Person eingestellt habe.

Seit der Trennung von Mozzik, der seither wieder in Albanien lebt, ist Loredana Alleinerzieherin. Sie habe «hundertprozentig» das Gefühl, ihrer Tochter etwas bieten zu müssen, und dabei keine Sorge, das Kind zu verwöhnen. «Ich arbeite, damit meine Tochter ein schönes Leben führen kann.» Die Botschaft auf dem Rücken Die Betonung von Geld und Luxus war nicht immer das Markenzeichen des HipHop. Als die Subkultur in den 1970erJahren in der Bronx, einem übel beleumundeten Stadtteil von New York entstand, drehte sich alles um improvisierte Partys, DJs, Beatboxing und Breakdance. Ende der 1980er dann betrat die Figur des GangstaRappers die Bühne. Seine Darsteller wie etwa der schon erwähnte Tupac Shakur (Rapperinnen gab es damals noch so gut wie keine) verkörperten zwei Entwicklungen der Zeit: den aufkommenden Neoliberalismus und die CrackEpidemie. Beide verbinden zwei Prinzipien: ehrgeiziges Unternehmertum und schnelles Geld. Erst als HipHop in den 1990ern in den Mainstream und damit auch in nichtschwarze und europäische Lebenswelten einzog, sorgte das auch für Reichtum bei den Rappern. Ganz im Sinne der uramerikanischen Erzählung vom Aufsteiger, der aus dem Nichts kommt, werden seither Statussymbole wie Autos, Schmuck und Pelzmäntel möglichst eindrucksvoll zur Schau gestellt.

War der Reichtum in Form von FendiSonnenbrille, CartierRingen und Stapeln von Geldscheinen in «Sonnenbrille» noch eine Erfndung, hat es Loredana gut drei Jahre später geschafft. Der Name ihres aktuellen, wieder gemeinsam mit ihrem Ex Mozzik aufgenommenen Albums «No Rich Parents» bezieht sich darauf, dass sie sich beide alles allein aufgebaut haben, ohne fnanzielle Unterstützung von zu Hause. Ihre Eltern seien nicht reich gewesen, «wir haben unsere Eltern reich gemacht».

Das für sie wichtigste unter den ungezählten Tattoos überall auf ihrem Körper, erzählt Loredana dann auch, sei nicht etwa der Name ihrer Tochter auf dem rechten Unterarm, sondern das auf ihrem Rücken. «Selfmade Millionaire» steht da. «Wenn ich mich umdrehe und weggehe, muss der andere das lesen. Der hat vielleicht schon gedacht: ‹Wer glaubt die, dass sie ist?›», erklärt sie die Bedeutung des Schriftzugs. «Ich bin es einfach selber geworden.»

«Ich wollte beweisen, dass ich es allein kann. Dass die Leute das Stück wegen mir hören. Dass klar ist: Keiner ausser mir hat mich gross gemacht.»

Am 24. und 25. November tritt Loredana im Rahmen von «Red Bull Symphonic» im KKL (Kultur- und Kongresszentrum Luzern) auf. Alle Infos zum Event und Karten unter: redbull.com/symphonic

STYLING: TIM HEYDUCK/SHOTVIEW MAKE-UP: SELLMA KASUMOVIQ HAIR: KACI MANTEL UND HOSE: AILEEN KLEIN WESTE: STYLIST’S OWN SCHUHE: PRADA (LOREDANA)

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