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MUT ZUM TRÄUMEN

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FAMILIENSACHE

FAMILIENSACHE

Fabian «Bane» Florin

hat es geschafft, eine 14 Jahre dauernde Sucht zu besiegen. Heute ist er einer der erfolgreichsten Grafftikünstler der Schweiz. Was ihn gerettet hat? Er glaubte an seinen Traum.

Interview STEFANIA TELESCA Foto LUKAS MAEDER

«Das Gefängnis war für mich wie ein 3-Sterne-Hotel. Ich hatte etwas zu essen, es war warm, und ich hatte eine Pause von der Strasse.» Fabian Florin, 38, sitzt an einem frühen Samstagmorgen in seinem Atelier in Chur und erzählt seine Geschichte. Seit der Haft vor mehr als zehn Jahren hat sich sein Leben grundlegend verändert. Seine Erinnerungen hingegen teilt er gern, auch wenn er dabei immer wieder innehalten muss. «Es ist eine Art Präventionsarbeit, die ich mache. Und wenn sie nur hilft, ein einziges Leben zu retten.»

Kurz und schmerzhaft: Mit vierzehn rutscht der Churer in die Drogensucht ab. Er konsumiert alles, was es auf der Strasse gibt. Dann: Beschaffungskriminalität, Dealen, Überleben: «Bane», wie sich der Künstler heute nennt, schläft regelmässig in Tiefgaragen. Vierzehn Jahre lang ist die Sucht sein einziger Lebensinhalt.

Ungezählte Versuche eines Entzugs scheitern, immer wieder bringt ihn sein «Lifestyle» hinter Gitter. Mit Ende zwanzig der Tiefpunkt: «Ich hatte wirklich keine Lust mehr auf dieses Leben. Dazu drohte mir eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren.» Er entscheidet sich für eine Langzeittherapie. Zwei Monate dauert der harte Entzug, zwei Jahre die Therapie. Während dieser Zeit beginnt Fabian wieder zu sprayen. Füllung der inneren Leere

Die Wende glückt, als er an einem Graffticontest teilnimmt und diesen gewinnt. «Ich erinnere mich gut an diesen Tag. Ich habe einen Fisch gesprayt», sagt er lächelnd. Er wisse nicht einmal mehr, was der Preis war. «Der eigentliche Gewinn lag ganz woanders. Dieser Contest gab mir einen Lebensinhalt, eine Perspektive, ein Ziel.» Er habe plötzlich daran geglaubt, etwas Grossartiges erreichen zu können.

Schon als Teenager hatte er in einem Hip-Hop-Magazin die Welt der Grafftis entdeckt. «Das war das erste Mal in meinem Leben, dass mich etwas so faszinierte.» Er sei schon immer ein Träumer gewesen. «Ich träumte davon, ausserordentliche Sachen zu machen. Irgendwo in mir drin kannte ich schon das Leben, das ich heute habe.» Auch während der Jahre der Sucht habe in ihm ein kleines «Flämmchen» gebrannt, das nie erloschen sei: «Nenne es Hoffnung, nenne es Überlebenswille. Aber dieses Flämmchen hat es in diesem Moment geschafft, den Unterschied zu machen.»

Das Wichtigste im Leben sei es, Träume zu haben. «Ich habe einen für morgen, einen für nächste Woche, ich habe viele kleine und grosse Träume und hole mir auch immer neue.» Seine Träume ersetzten die Leere, die nach dem Entzug entstand. «Ich fragte mich damals: Wer bin ich überhaupt?» Die innere Leere zu füllen sei für alle Menschen wichtig. Gerade wenn man in einer schwierigen Lebenssituation steckt: «Wichtig ist, dass man Neues ausprobiert.» Dafür müsse man zwingend raus aus der eigenen Komfortzone.

Bane hat vor drei Jahren das «Street Art Festival Chur» ins Leben gerufen und auch einen Analogfotografeverein gegründet. Inzwischen gehört er zu den erfolgreichsten Streetart-Künstlern in der Schweiz. Seit elf Jahren ist er selbständig und sprayt im In- und Ausland. Umsetzen kann er etwa 20 Prozent der zahlreichen Anfragen, die ihn erreichen. Bekommt er einen grossen Auftrag, kollaboriert er gerne mit anderen Künstlern: «Wir teilen uns die Gage und sind füreinander da.»

Und was bedeutet der Künstlername «Bane»? Das, sagt Fabian, heisst «Fluch». Er will niemals zu seinem früheren Leben zurück, aber auch niemals vergessen, woher er gekommen ist. Regelmässig besucht er Schulen und erzählt von seinem Weg. Für die Drogenprävention – aber auch, um den Jungen zu zeigen, dass sie alles erreichen können.

Als wir mit Bane durch Chur spazieren, um seine Kunstwerke anzuschauen, wird er von allen Seiten angesprochen und angelächelt. Manche sagen Danke. Dafür, dass er der Stadt Chur Farbe gibt. Vermutlich aber auch, weil er mit seiner Geschichte viele berührt. «Damit habe ich nicht gerechnet. Ich wollte doch nur grosse Wände anmalen.»

Fabian «Bane» Florins Murals zieren Wände im In- und Ausland. Verfolge seinen Weg auf Instagram: @ fabian_bane_florin Weitere Infos unter: fabianflorin.ch

«In mir brannte ein Flämmchen. Das hat mich gerettet.»

Künstler Fabian «Bane» Florin, 38, vor einem seiner Werke in Chur

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