Ausgabe 145 (Juli + August 2022)

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Wrede und Antwort Die populäre Front, Spalter TEXT: GERALD WREDE | FOTO: NOUKI EHLERS, NOUKI.CO

Kann ich im Sanitätshaus Kit­tel von den Ärzten kaufen? Nicht, ob ich im Sanitätshaus „Kittel“ etwas von dort eventuell anwesenden Ärzten kaufen könnte, sondern umgekehrt – in jedwedem Sanitätshaus weiße Kittel von der Musikgruppe „Die Ärzte“. Es gab und gibt Bands und Interpreten, die ihren Namen Dinge abseits ihrer veröffentlichten Musik hergeben beziehungsweise gaben. Kein Tee und keine Pizza, ich rede von so etwas profanem wie Kleidung. Aber kein Merchandise, sondern die Zusammenarbeit mit namhaften, angesagten Ausstattern. Aktuell wurden gleich zwei der gehyptesten Eventy-Produkte zusammengeführt, nämlich Me­tallica und Engelbert Strauss. Wie schlau das ist! Mehr Wacken geht gar nicht. Das wird ein solch rie­ siger Erfolg werden, da können sich VW, Bon Jovi, Genesis und

Pink Floyd die Köppe aneinanderschlagen, wie schlecht das im Gegensatz dazu damals funktioniert hatte. Es müssen eben beide Seiten populär sein, und ob VW seit den 80ern wirklich populär war, sei mehr als dahingestellt. Es sei sogar dort hingestellt. Zudem waren das ja Autos und keine Hosen, und sollten beide nicht angesagt sein, ist die Katastrophe nun mal vorprogrammiert. Die Ver­kaufszahlen von Spandex­ hosen der Gruppe Saxon, hergestellt von Ergee, würden mir da spontan als zwar fiktives, aber sehr gutes Beispiel einfallen. Bleiben wir doch bei Hosen. Vor­bei die Zeit, als Engelbert Strauss noch „der Karl Lagerfeld der Land­bevölkerung“ war, wie es das St. Galler Tagblatt so schön formulierte. Und vorbei natürlich die Zeit, als die „Kill'Em All“-Frak­tion Metallica noch für sich allein hatte beziehungsweise lediglich mit der Mercyful-Fate-Fraktion teilen musste. Ich bin so froh, dass P | 102

AC/DC 1979 keine Bon-Scott-Jeans bei Wrangler herausgebracht hat, denn ich hätte mir auf jeden Fall eine gekauft beziehungsweise kaufen lassen. Wer kauft mit zwölf seine Jeans schon von seinem eigenen Geld? Ich musste es nicht, und im nächsten Jahr war der Spuk ja leider schon wieder vorbei, denn niemand auf Gottes Erdboden hätte mich in eine Brian-Johnson-Jeans bekommen – selbst der Begriff klingt schon scheiße und unwahr! Zudem wä­ren die Hosenbeine viel zu kurz gewesen, denn sowohl Bon als auch ich hatten 1979 bereits län­gere Beine, als Brian Johnson jemals haben wird. Und schönere! Was nichts daran ändert, dass die Musik von Metallica sehr schlecht ist, und ihre eigene Welt eher aus Balsaholz denn aus Metall – und Menschen, die MultifunktionsArbeitskleidung außerhalb von Messebaustellen und HolzschlagGebieten tragen, zumindest die Kontrolle über ihr Privatleben bereits verloren haben. ❉


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