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Suche und finde, Folge 30
Suche und finde
Kunst im öffentlichen Raum, Folge 30: Abijahrgang 1992 der Georg-Büchner-Schule, Obelisk, 1992
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TEXT: THOMAS GEORG BLANK | FOTO: NOUKI EHLERS, NOUKI.CO
Sie werden errichtet für Götter, Könige und Helden, im Gedenken an Schlachten, die Gründung von Nationen und andere artverwandte Block-Buster-Ereignisse der Geschichte. Der Obelisk, ein Klassiker unter den phallischen Monumenten, eignet sich hervorragend, um Macht zu markieren und sie dauerhaft zu demonstrieren. Formal lässt sich nicht viel holen bei diesen seit Jahrtausenden immer sehr ähnlich gestalteten Steinbratspießen. Ein Obelisk ist ein Obelisk ist ein Obelisk. Umso erfreulicher, dass sich in Darmstadt ein verhältnismäßig kleines Beispiel dieser Gattung von Kunst im öffentlichen Raum finden lässt, welches formal zwar auch nicht weiter auffällt, dessen Baugeschichte es allerdings herausragen lässt.
Errichtet wurde das kleine Monument von Abiturient:innen der Georg-Büchner-Schule des Jahrgangs 1992, die das Objekt als spaßigen Abschiedsgruß an ihre Schule eines Nachts mit 1,5 Tonnen Beton über ein Stahlkorsett gegossen haben. Dass dieser Scherz 30 Jahre später auch weiterhin den Stadtraum zieren würde, haben sich die Schüler:innen damals vermutlich nicht vorgestellt. Dieser ungefragt errichtete Obelisk ist so über die Jahre zum Zeichen jugendlicher Selbstermächtigung geworden und deshalb so viel sympathischer als seine Artgenossen. Während der Erwerb der Hochschulreife in den Augen der Gesamtgesellschaft kein aufregendes Ereignis darstellt, ist es für das jeweilige Individuum ein gigantischer Meilenstein im eigenen Leben. Sich ein Symbol der Macht wie den Obelisk anzueignen, um jenseits der Autoritäten das eigene Leben zu feiern, ist eine wunderbar punkige Geste. Von derartiger jugendlicher Autonomie lässt sich viel lernen: Egal, was alle anderen denken, man kann und sollte sich immer selbst ein Denkmal setzen. ❉
Kunst im öffentlichen Raum
— Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jeden sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.


[AB]ÖRTCHEN MIT LIEBE ZUM DETAIL
Drei jeweils einzigartige Kompost-Toiletten stehen seit Juni im Herrngarten. Der Clou: Sie sind nicht nur nachhaltig, sondern auch noch schön und mit Witz gestaltet.
TEXT: ALESSIA ZELENINA | FOTO: NOUKI EHLERS, NOUKI.CO
Wasser-, chemie- und geruchsfrei sind Kompost-Toiletten ein Must-have für eine Stadt wie Darmstadt, die bis 2035 Klimaneutralität anstrebt. Die ersten umweltfreundlichen Kompostis in Darmstadt wurden beim Weihnachtsmarkt 2019 positiv auf- und angenommen. Für diesen Sommer haben Architektur- und Innenarchitek- tur-Studierender der Hochschule Darmstadt (h_da) drei gewitzte „[ab]örtchen“ für den Herrngarten konzipiert, Anfang Juni wurden sie aufgestellt und sollen bis Oktober zu „Nachhaltigkeit und erhöhter Aufenthaltsqualität“ in Darmstadts Central Park beitragen. Sprich: Ein kleiner Gang aufs Öko-Klo für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Darmstädter Menschheit.
In „Schweizer Handarbeit gefertigt“ bieten die Kompost-Toiletten der Züricher Firma Kompotoi circa vier Kubikmeter Platz. Sie benötigen keinen Wasser-, Kanalisations- oder Stromanschluss und sind mit einer Solarbeleuchtung, einem Urinal aus Edelstahl, Klosettbecken sowie Hände-Desinfektions-Spender ausgestattet. Der „Human Output“ wird nach ungefähr 500 Benutzungen biologisch behandelt, mit Pflanzenkohle und Grünkompost vermischt zum „Bodenverbesserer“ gemacht – so schließt sich der natürliche Kreislauf.
Damit die Häuschen gut in die natürliche denkmalgeschützte Umgebung integriert werden konnten, initiierten Denkmalschutzbehörde, h_da, das Grünflächenamt und der EAD einen Stegreif-Wettbewerb. Die drei besten Ideen für die Gestaltung der stillen Örtchen wurden prämiert und umgesetzt. Eine öffentliche Toilette ist wie eine Visitenkarte für eine Stadt. Durch den kreativen gestalterischen Eingriff der h_da-Studenten:innen erhalten die drei Holzhäuschen im Herrngarten einen unverwechselbaren Charakter und machen die Verrichtung der Notdurft angenehmer. Und nachhaltiger. Also lass die Sanitär-Revolution Darmstadt erobern: deiner Erleichterung und der Umwelt zuliebe!
1 Design mit Funktion
Idee: Sarah Fritzinger, Lioba Carl, Nick Ebbinghaus Lage im Park: Südlich des Herrngartencafés Konzept: Schräge Spiegelfassaden an zwei Außenwänden der Trockentoilette sorgen für überdimensionale Effekte. Die Oberflächen spiegeln – etwas verzerrt – die grüne Umgebung und sollen gleichzeitig „vor Vandalismus schützen“ (potenzieller Randalierer, erschrocken zu seinem Spiegelbild: „Huch, was mach ich denn da!?"). Die hintere Außenwand ist mit planer Spiegelfolie versehen. Die rustikale Holztür vorne markiert den Eingang zum mobilen WC, der dadurch kinderleicht zu finden ist.
2 Mit der Lizenz zum Wohlfühlen
Idee: Johanna Lasslop und Yannik Bäuerle Lage im Park: Ostseite des Herrngartens Konzept: Zwei Holztrennwände in labyrinth-artiger L-Form, geschmückt mit bepflanzten Dach- rinnen, dienen als vertikaler Garten rund um die Toilettenkabine. Dadurch wird sowohl mehr Diskretion geschaffen als auch die Optik aufgefrischt. Um die Pflege der Pflanzen (Salbei, Minze, Himbeeren!) kümmert sich das Grünflächenamt.