Ausgabe 139 (Dezember 2021 + Januar 2022)

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Und dass Techno in seinem Ursprung halt nicht weiß ist. Da würde ich eigentlich gerne viel mehr drüber reden und mehr Bewusstsein dafür haben; über die widerständigen Ursprünge dieser Musik.

Ich finde, da tut sich oft die Frage nach der Musik als bloßes Mittel auf: Ist der politische Gedanke Teil einer aktivistischen Grundmotivation oder entsteht der erst im Prozess? Also die Frage nach einer Trennung von Kunst und Aktivismus – seid ihr Künstler:innen, die politisch sind, oder seid ihr Aktivist:innen, die eine künstlerische Form gewählt haben? A: Ersteres auf jeden Fall. N: Ja. Ich glaube, wenn ich Aktivismus machen will, dann mache ich Aktivismus. Und das machen wir beide auf jeden Fall auch – wenn auch in der Vergangenheit etwas mehr. Ich sehe die Stärke eines Redebeitrags auf einer Demo darin, dass man Sachen klar benennt, Forderungen formuliert, seine Kritik vorbringt und eine gemeinsame Stoßrichtung entwickelt. Und dann kann man sich in einer politischen Gruppe organisieren und damit an die Öffentlichkeit treten, etwa mit einer Pressemitteilung oder einer Rede. Ich finde, das ist die Stärke von Aktivismus. A: Oder auch mit zivilen Ungehorsam Dinge erkämpfen und Sachen einen Ausdruck geben. Zu zeigen, dass ich eine Sprecherinnenposition bekomme, auch wenn ich nicht in einem Parlament sitze. N: Genau. Und ich finde, was die Kunst dem Aktivismus oder der Wissenschaft voraushat, ist die Möglichkeit zur Ambivalenz. Dass ich eben nicht der Wahrheit verpflichtet bin, sondern dass ich mich in Feld-

er wagen kann, die uneindeutiger werden. Ich glaube, dass ein Song, bei dem ich das Ziel verfolge, genau eine Aussage zu treffen, nicht gut wird. A: Beim Schreiben und Musik machen ist der Ausgangspunkt immer mein eigenes Empfinden. Und das ist eben auch politisch geprägt, weil die Dinge aus meiner Umgebung mich bewegen und ich darüber nachdenke und eine Position dazu entwickle.

Nicolai hat vorhin davon gesprochen, dass Eure Kunst auf andere vielleicht anders wirkt als Ihr persönlich tickt. Nun seid Ihr beide

funktioniert ja ganz viel durch diese Regelung: Wir stehen hier oben und erzählen eine Story und alle anderen sitzen da unten im Dunkeln und sind leise. Und hören sich das an und am Ende klatschen sie eben mehr oder weniger laut, je nachdem, wie gut es ihnen gefallen hat. In der Musik reagieren die Leute unmittelbar, nachdem wir den ersten Ton spielen, indem sie eben tanzen oder mitsingen oder es eben lassen und vielleicht sogar rausgehen. A: Oder reinkommen. N: Und das wiederum macht ja dann auch wieder was mit dem, wie wir auf der Bühne sind. Das ist so viel dichter und ich krieg so viel mehr mit. Das, was ich mit den Leuten anstelle, stellt auch wieder was mit mir an. Das ist einfach super geil. Das findet im Theater zwar auch statt, aber viel zugekleisterter.

»Was die Kunst dem Aktivismus voraushat, ist die Möglichkeit zur Ambivalenz.« Schauspieler:innen. Spielt Ihr auf der Bühne als Alle werden fallen auch eine Rolle? A: Das bin 100 Prozent ich, das ist ganz anders als beim Schauspiel. N: Bei mir genauso. Schauspielen macht mir großen Spaß und ist auf eine ganz andere Art und Weise erfüllend. Aber was ich an der Musik so liebe, ist, dass ich nicht mehr irgendeinen Fremdtext oder die Vorgabe irgendeiner Regisseurin für den richtigen Haarschnitt zwischen mir und meinem Ausdruck habe. Ich kann das alles selbst gestalten. A: Was ich einfach merke beim Musikmachen, natürlich vor allem bei Live-Musik, ist diese unmittelbare Verbindung, die ich durch die Musik zu den Leuten herstellen kann. N: Und auch, wie die Leute darauf reagieren. Im Theater P | 34

Noch die obligatorische Frage zum Abschluss: Was darf man in naher Zukunft von Euch erwarten? Eure EP „Komfort ist keine Freiheit“ ist ja vor ziemlich genau einem Jahr erschienen ... A: Vor Weihnachten gibt's noch eine EP. Mit vier Tracks. Das ist gerade so der Plan. Auftritte haben wir im Moment nichts Fixes, was wir schon ankündigen könnten. Aber natürlich kann man das alles immer gut mitbekommen auf unserer Instagram-Seite oder auf der Website unseres Labels Zweihorn Records. ❉ allewerdenfallen.bandcamp.com facebook.com/alle.werden.fallen instagram.com/alle.werden.fallen shop.zweihornrecords.de


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