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RADIKAL Anastasia Umrik hat ein Buch über Krisen geschrieben und über Neuanfänge. Davon hat sie selbst einige erlebt. Wie gelingt es, sein Leben zu ändern? Text: Anna-Elisa Jakob, Foto: Andreas Hornoff
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RADIKAL ZU SEIN BEDEUTET FÜR ANASTASIA UMRIK: STRIKT ZU HINTERFRAGEN, MIT WELCHEN DINGEN SIE SICH AUSEINANDERSETZEN MÖCHTE.
ie erste Krise, an die sie sich erinnern kann, erlebte sie mit sieben Jahren. 1994, ein deutsches Krankenhaus, ein deutscher Arzt und sie, das Mädchen, das seine ganze Kindheit in Kasachstan verbracht hatte und hier kein Wort verstand. Stattdessen spürte sie: den wochenlangen Schmerz, nachdem man sie an der Wirbelsäule operiert hatte. Um aus ihr ein „normales Mädchen zu machen“, wie sie Jahre später zynisch die Hoffnung ihrer Eltern in jene Operation beschrieb. Als sie sieben Jahre alt war, sagte man ihr auch, dass sie mit einer Krankheit leben werde, die man „Spinale Muskelatrophie“ nennt und die ihr im Verlauf ihres Lebens zunehmend ihre Muskeln nehmen würde. Damals ließen Schmerz und Unverständnis sie nur durch das Krankenhaus brüllen: „Mama, warum hast du mich nicht vorher umgebracht?“ Nun, kurz vor dem Jahreswechsel 2021/22, empfängt mich Anastasia Umrik in ihrem Wohnzimmer. Aus dem Mädchen ist eine Frau geworden, 34 Jahre alt, Autorin, Rednerin und Coachin. Vor dem Fenster liegt das graue Hamburg, wohingegen drinnen alles strahlt: die bunten Bilder an den Wänden, die zwei Blumensträuße, einer auf dem Tisch und einer in einer Vase auf dem P arkett. In der Mitte das gelbe Sofa, auf dem eine Katze thront. Gerade hat Umrik ein Buch veröffentlicht, das die Krise feiert – ausgerechnet jetzt, in einer Zeit, in der Krisen allgegenwärtig sind (Klima und Corona, nur mal als Beispiel). „Du bist in einer Krise. Herzlichen Glückwunsch, jetzt wird alles besser!“, heißt es. Und dieser Optimismus bedarf vielleicht doch erstmal einer Erklärung. Deshalb die Frage: Sind viele Krisen nicht einfach nur … Umrik vervollständigt schnell selbst den Satz: „scheiße?“ Sie lacht. Der Gedanke ist auch ihr nicht fremd. Kurz vor dem Interview hatte Umrik noch auf Twitter gepostet, dass es manche Tage gebe, die sie am liebsten „Einfach scheiße!“ nennen würde. Sie nennt sie dann aber „Immerhin-Tage“. Immerhin ist noch Kaffee im