Mittendrin in V
Wie schaffen Sie das, Frau Blancke?
Doro Blancke hatte nicht vor, ihr ganzes Leben umzukrempeln, als sie sich vor sieben Jahren als Ehrenamtliche um junge geflüchtete Menschen in der Südsteiermark und ihrer Heimatstadt Graz kümmerte. Als es im September 2020 in Moria brannte, konnte einer ihrer Schützlinge seinen Bruder nicht mehr kontaktieren, dessen Handy verloren gegangen war. Die Angst um den Bruder und das Gefühl, als Zeitzeugin die Situation persönlich sehen zu müssen, brachten Doro Blancke dazu, nach Lesbos zu fliegen.
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Im Gespräch mit Jugendlichen auf der Flucht aus Afghanistan in Velika Kladusa/Bosnien
Text: Daniela Egger, Fotos: privat
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nzwischen teilt sie sich eine Wohnung auf Lesbos mit ihrem Kollegen und Volunteers ihres Vereins und verbringt viele Monate des Jahres mit ihrer Arbeit in Lagerhäusern, bei griechischen Behördengängen und teilweise auch im Zeltlager – in Kara Tepe auf Lesbos, aber auch auf anderen Inseln und zeitweise an der bosnischen Grenze. Warum machen Sie das, Frau Blancke? „Ich besuchte nach dem Brand das Lager von Moria, wo bis zu 23.000 Leute leben mussten. Die meisten hatten dann keinen Zugang mehr zu Wasser oder Toiletten, da war nichts. Die Leute schliefen überall auf den Straßen, in den Olivenhainen, Kinder auf einer Decke oder auf einem Karton, es gab Schlangen, Skorpione, Ratten und vor allem Dreck. Ich bin selbst Mutter und was ich da gesehen habe, war einfach unerträglich. Da kommt man hin und man kann sich dem nicht mehr entziehen. Also haben wir Hilfe vor Ort aufgezogen. Zuerst hatte ich etwas Geld von Freunden aus Österreich zur Verfügung, damit haben wir begonnen. Inzwischen versorgten wir 10.000 Leute mit den Waren, die wir aus Österreich bekommen haben oder mit Spenden finanzieren. Essen, Hygieneartikel, Babyartikel, warme Kleidung, Decken und Medikamente. Jetzt leben nur mehr zirka 2000 Menschen im Camp. Wir unterstützen hauptsächlich diejenigen Familien,
die mit positivem Asylbescheid, aber fehlenden Dokumenten seitens der griechischen Regierung außerhalb der Camps leben müssen. Wir mieten Wohnungen, liefern Lebensmittelpakete, bieten Rechtsbeistand an und vieles mehr. Wir finanzieren auch Lebesmittelverteilungen im Camp. Es ist ein Dilemma, weil eigentlich sollte man die griechische Regierung in die Pflicht nehmen. Doch diese fährt konsequent grausame Abschreckungspolitik.“
Was mich trägt ist die Liebe
Im neuen Lager Kara Tepe leben derzeit noch rund 1800 Menschen. Die griechische Regierung versucht neue Camps zu bauen, die wie Gefängnisse funktionieren. Was ist nur aus Europa geworden? Diese Frage stellen sich viele Menschen, die angesichts der Brutalität und Illegalität, mit der gegen Menschen auf der Flucht vorgegangen wird, verzweifeln. Die Pushbacks greifen inzwischen selbst auf Menschen über, die bereits an Land sind. Sie werden inhaftiert oder wieder auf hohe See geschleppt und ihrem Schicksal überlassen. Der letzte Vorfall mit 17 Kindern geschah erst Mitte Jänner 2022. Im Frühsommer war Doro Blancke drei Monate ohne Unterbrechung auf Lesbos. Sie und ihr Team organisieren Homeschooling für Kinder und Jugendliche vor Ort, mieten