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„DIE GEBAUTE UMWELT ALS ROHSTOFFLAGER BETRACHTEN“
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ECO.NOVA: Worum geht es beim Konzept des Urban Mining? ANKE BOCKREIS: Beim Urban Mining geht es darum, die Rohstoffe, die in unserer Umwelt – sei es in Gebäuden oder unserer Infrastruktur – verbaut sind, als Sekundärrohstoffe*) wieder nutzbar zu machen und dem System nicht immer neue Primärrohstoffe*) zuführen zu müssen. Es ist gerade angesichts der Knappheit gewisser Rohstoffe sinnvoll, die verbaute Umwelt als Rohstofflager zu betrachten. Die ersten Konzepte in diese Richtung gab es schon in den 1980er-Jahren. Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch das sogenannte Landfill Mining, das sich mit der Rückgewinnung von Rohstoffen aus Deponien beschäftigt. Beide Bereiche sind derzeit immer wieder in der Diskussion und es gibt erste Ansätze, das systematisch in einem ganzen Land zu betreiben.
Warum hat sich in den letzten vierzig Jahren seit Aufkommen dieser Konzepte praktisch so wenig getan? Das hatte hauptsächlich ökonomische Gründe. Die Rohstoffpreise haben noch nicht dem Wert entsprochen, damit sich das gerechnet hätte. Bei den derzeitigen Preisen wird Urban und Landfill Mining wirtschaftlich interessanter. Es gibt in verschiedenen Ländern Bestrebungen, zumindest neue Gebäude in einem Kataster zu erfassen, um später die Rohstoffpotenziale und notwendigen Behandlungsverfahren beim Rückbau besser einschätzen zu können. Was heute gebaut wird, kann so zukünftig besser genutzt werden. Beim Bestand ist es schwierig, die Datengrundlage nachträglich zu erheben. Wir haben noch keine ausgewachsene Energiekrise, dürften aber eine bekommen. Die Produktion und der Bezug von
*) Primärrohstoffe sind natürliche Ressourcen. Sie sind abgesehen von den Schritten, die nötig sind, um sie zu gewinnen, unbearbeitet. Sekundärrohstoffe stammen dagegen nicht unmittelbar aus natürlichen Quellen, sondern werden durch Wiederaufbereitung der Primärrohstoffe gewonnen.
Anke Bockreis, Professorin für Abfallbehandlung und Ressourcenmanagement in Innsbruck, erläutert, warum in der gebauten Umwelt und in Deponien die Rohstoffschätze der Zukunft zu heben sein werden und unter welchen Voraussetzungen Urban Mining am besten funktionieren kann. INTERVIEW: MARIAN KRÖLL