
3 minute read
KOMMENTAR
from April 2022
ESKALATION
Dieses Frühjahr hat es in sich. Wir sind vom Corona-Regen in die Ukraine-Traufe gekommen. Im Moment munitionieren beide Seiten auf – mit Waffen, mit Taten und mit Worten. Irgendwie müssen wir aus dieser Eskalationsspirale wieder raus.
Advertisement
Spätestens jetzt müssten renitente Corona-Demonstranten in Grund und Boden versinken. Haben sie uns doch zwei Jahre lang mit trotziger Empörung erzählen wollen, dass in Österreich eine Diktatur herrsche, sie ihrer Meinungsfreiheit beraubt würden und sie mindestens so arm wie die in der NS-Zeit verfolgten Juden seien. Angesichts der „richtigen“ Diktatur in Russland, angesichts der massiven Unterdrückung jeder kritischen Meinung durch Putin und dem Bombenhagel auf ukrainische Zivilisten wird deutlich, wie weit diese Wortwahl daneben war. Wer in den letzten Jahren dachte, wir hätten ein Problem, dem wird jetzt drastisch vor Augen geführt, was eine echte Krise ist.
Doch Putin hat sich offenkundig verrechnet: Damit, dass er in ein paar Tagen über einen schwachen ukrainischen Widerstand drübermarschieren könne; damit, dass der Westen ohnehin nur eine Ansammlung unsolidarischer Selbstdarsteller sei und sich nie und nimmer auf schmerzhafte Sanktionen einigen werde; damit, dass alle vor seiner Ankündigung, Gas in Rubel zu bezahlen, in die Knie gehen würden. Aber es nützt uns allen leider herzlich wenig, dass Wladimir Putin den Blick auf die Realität verloren hat. Weil er nicht einfach so wieder abziehen und den Russen erklären kann, er habe sich geirrt. Deswegen muss der Westen höllisch aufpassen, dass er nicht selbst in die Eskalationsspirale gerät. Wir sollten das nicht aus Rücksicht auf Putin machen, sondern aus Rücksicht auf uns selbst. Zum Glück schließt die Nato die so harmlos klingende „Flugsicherungszone“ aus, mit der ein direktes Aufeinandertreffen West-Ost verbunden wäre, das wir uns alle nicht vorstellen wollen. Leider ist deeskalieren in der öffentlichen Wirkung undankbarer, als Öl ins Feuer zu gießen. Es sieht auf den ersten Blick feig, ungerecht und egoistisch aus. Aber es gibt keine Alternative. Der ehema-
lige US-Außenminister Henry Kissinger ist sicher kein best VON KLAUS SCHEBESTA friend von Putin. Aber er schrieb bereits 2014 in einem Artikel in der Washington Post, dass die Ukraine selbstverständlich souverän, aber „nicht der Vorposten der einen Seite gegen die andere sein solle – sie sollte als Brücke zwischen beiden Seiten fungieren“. Ansonsten werde sich „das Abdriften in Richtung Konfrontation beschleunigen“. Jetzt sind alle Brücken abgebrochen und wir sind genau dort, wovor Kissinger gewarnt hatte. Wenn wir – hoffentlich – in absehbarer Zeit das Schlimmste abgewendet und wieder halbwegs tragfähige Brücken errichtet haben, stehen noch einige haushohe Aufgaben vor uns. Allem voran: Die westlichen Staaten müssen ihre Budgets sanieren. Corona und die nahtlos anschließende Ukrainekrise haben zur Folge, dass alle Schulden machen, als ob das Geld geschenkt wäre. Das hält das Finanzsystem auf Dauer nicht aus. Die Nullzinsen müssen wieder einem gesunden Verhältnis weichen, damit uns die Inflation nicht davongaloppiert. Dann sollten wir noch das Klima retten, wobei Putin selbst einen unfreiwilligen Impuls gesetzt hat, da wir fieberhaft nach Alternativen zu seinem Gas suchen. Und, ach ja, fast hätte ich es vergessen: Zu guter Letzt müssen wir Corona mit halbwegs rationalen Entscheidungen einfangen. Wenn mehr als zwei Jahre Erfahrung nicht langsam dafür ausreichen, ist der Bundesregierung nicht mehr zu helfen. Noch sind wir aber nicht so weit. Daher noch ein Wort zum Ukrainekrieg: Es soll ja außerhalb Russlands immer noch Menschen geben, die Wladimir Putin für seine fragwürdige One-Man-Show bewundern. Es ist aber wesentlich heldenhafter, sich seinen Kritikern im demokratischen Dialog zu stellen, anstatt sie zu vergiften, einzusperren oder zu erschießen. Selbst wenn der Westen Russland aufgrund der offensiven Osterweiterung in die Enge getrieben hat – der Überfall auf ein souveränes Land ist keine Antwort, das ist menschenverachtend und grenzenlos schwach.
Polestar — Innsbruck Autopark, Langer Weg 12
Scannen und Probefahrt buchen