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Kultur

Immer wieder verblüfft und verwirrt uns die Tatsache, dass inmitten von Tod und Zerstörung die Musik, der Tanz, das Theater aufblühen und begeistern und dass die Kunst als ein notwendiges Lebenselixier von den betroffenen Menschen ersehnt und angenommen wird.

des zweitgrößten Opernhauses der Uk- solche Umstände überhaupt noch zu raine wurde von den russischen Inva- akzeptieren. Er stellt ferner fest, dass soren angeordnet. Nach einem Monat nach seiner Ansicht die sogenannte entschied Vasyl Vovkun jedoch mutig, „Russische Kultur“ und die „Russische ab dem 1. April diesen Jahres die Tü- Welt“, die hier etabliert werden solren des Hauses wieder zu öffnen und len, letztlich in einen furchtbaren Rasdie Arbeit mit seinen Künstlern wieder sismus münden werde. Im Gespräch aufzunehmen. mit dem Berliner Tagesspiegel erzählt Vasyl Vovkun, einige seiner MitarbeiEr erzählt weiter, dass das Haus auch ter hätten sich gleich zu Beginn des trotz des ständigen Bombenalarms ge- Krieges der Landesverteidigung angeöffnet bleibe, für die Mitarbeiter und schlossen. Viele von ihnen hatten in das Publikum gäbe es einen Bunker. der ukrainischen Armee gedient. EiWährend des Fliegeralarms werde die nige Frauen seien bei der Herstellung Arbeit unterbrochen, jedoch würde dringend benötigter medizinischer und nach der Entwarnung unverzüglich militärischer Ausrüstung beteiligt geweitergearbeitet. wesen und nicht zuletzt habe man Hilfe bei der Versorgung mit LebensmitDer TV-Sender Arte strahlte im Juni teln geleistet. 2022 in seiner Dokumentations-Reihe Trotz aller Schwierigkeiten und Hemmnisse wird im Opernhaus in Lwiw weiterhin für die Aufrechterhaltung des Kulturbetriebes gesorgt. Am Anfang des Krieges „nur“ mit Konzerten, aber

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as Gegenteil müsste doch eigentlich eintreten: Das Ende von jeglichem kulturellen Engagement, das Desinteresse an jeglicher künstlerischer Darbietung. So denkt man doch gemeinhin: Die Menschen haben jetzt andere Sorgen als Lieder, Tänze und Spiele. Nahrung, Kleidung, Dachüberm-Kopf habe nun absolute Priorität.

Musik, Tanz und Theater mitten im Ukraine-Krieg

Bombenalarm auf der Bühne

Dass es in Zeiten großer Not auch in früheren Zeiten, zusätzlich zur Ernährung des Körpers, immer auch der notwendigen Nahrung des Geistes bedurfte, verdrängen wir meist. Selbst in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten, unter grausamsten Bedingungen, fand Kultur durch Solisten, Musikkapellen und Chöre statt. Denken wir nur an das berühmte Lied aus dem KZ Börgermoor „Die Moorsoldaten“. Das Lied, das der politische Gefange-

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dem Tagesspiegel, wie wichtig es sei, Menschen gerade in diesen Zeiten auch mit Kultur zu versorgen. Während dieser tragischen Ereignisse bleibe die Kunst der einzige Raum, in dem man noch Freude und Leben spüren könne.

ne Wolfgang Langhoff, trotz der täglichen Schikanen durch die KZ-Aufseher und der unmenschlichen Bedingungen im Lager, komponierte, textete, einstudierte und dort mit größtem Erfolg, trotz all des Elends, zur Aufführung brachte. Selbst die SS-Wachen waren laut Augenzeugenberichten so begeistert, dass sogar sie sich immer wieder eine Wiederholung der Darbietung wünschten. Der Intendant der Oper in Lwiw (Lemberg) und frühere Kulturminister der Ukraine, Vasyl Vovkun, führte im Mai 2022 ein Gespräch mit dem Berliner Tagesspiegel. In dem Interview ging es

gerade um dieses brisante Thema: Soll und kann man in diesen schweren Tagen des Krieges den Kulturbetrieb aufrechterhalten? Der Intendant erklärte

„Arte-Re“ einen 30minütigen Bericht über die bemerkenswerten Ereignisse rund um das Opernhaus in Lwiw aus. Der Titel der Sendung lautete: Bombenalarm auf der Bühne – die Oper in Lwiw trotzt dem Krieg. Darin wurde auf beeindruckende Weise berichtet, wie Vovkun leitet seit dem Jahre 2017 das die Künstler und Mitarbeiter des HauOpernhaus von Lwiw (Lemberg) und ist ses die Situation bewältigen und wie seither bestrebt, das Haus zum künst- sie mit den bedrohlichen Umständen lerischen Zentrum und Vorzeigeprojekt fertig werden. des Landes zu machen. Das Opernhaus zählt zum Weltkulturerbe und ist eines Vasil Vovkun teilte unumwunden mit, der architektonisch bedeutendsten wie sehr die schockierenden Bilder aus Bauwerke in der Ukraine. Eröffnet wur- Gostomel, Butscha und Irpin die Psyde es im Jahre 1900 während der Zeit che des gesamten Teams belasten und der k.u.k.-Monarchie. Die Schließung wie schwer es ist in der heutigen Zeit,

mittlerweile auch mit vollständigen Opernwerken und sogar mit Ballettaufführungen. Vasil Vovkun sagt dazu im Tagesspiegel: „Eine kollektive Depression ist die größte Gefahr. Um die zu verhindern, haben wir sogar während des Krieges mit den Proben zu Francis Poulencs ‚Les Dialogues des Carmelites‘ begonnen. Das ist wirklich hart, da wir keinerlei finanzielle Unterstützung bekommen. Aber wir hoffen auf unsere europäischen Partner und auf die Verwirklichung unseres Traums“. Wolfgang Waldenmaier

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Nota bene 24 by Mateo Sudar - Issuu