Hintergrund
Aus privaten Gesprächen wie öffentlichen Diskursen ist nicht selten ein gewisses Verständnis für Russland herauszuhören – die Ukraine sei ja nun mal immer ein Teil Russlands gewesen. Dies kann nicht unwidersprochen bleiben.
Das Recht der Ukraine auf Selbstbestimmung kann nicht infrage gestellt werden Nach der Russischen Revolution, die 1917 zur Abdankung des russischen Kaisers Nikolaus II. führte und die Herrschaft der Zaren in Russland beendete, wurde die Sowjetunion im Dezember 1922 von Russland, der Ukraine, Weißrussland und Transkaukasien gegründet. Die immer wieder einmal zu hörende „Meinung“, die Ukraine sei ja nun eigentlich immer ein Teil Russlands gewesen, ist schlicht falsch. Das ukrainische Volk hat – wie auch viele andere in unserer Welt – eine leidvolle und abwechslungsreiche Geschichte mit unterschiedlichsten Belagerungen und Besatzungen hinter sich. Wenn man diese aufarbeitet, könnte man auch auf die Idee kommen zu sagen, na ja, gehören die vielleicht eigentlich zu Polen oder Österreich. Das alles wäre genauso falsch wie die Behauptung, sie wären ein natürlicher Teil Russlands. Richtig ist, dass die Ukraine in ihrem jüngeren Teil der Geschichte Teil der Sowjetunion war (kurz auch UDSSR genannt). Diese Sowjetunion war von 1922 bis 1991 ein Staat in Osteuropa und in Asien. Die Abkürzung UdSSR stand für „Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“. Neben Russland gehörten Belarus und die Ukraine zu diesem Staatenbund wie auch 12 weitere Staaten, nämlich Armenien, Aserbaidschan, Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgisien, Lettland, Litauen, Moldawien, Tadschikistan, Turkmenien/Turkmenistan und Usbekistan.
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nota bene | Juli – 2022
In der russischen Revolution hatten sich nach heftigen Kämpfen kommunistische Revolutionäre unter der Führung von Wladimir Iljitsch Lenin durchgesetzt. Die wichtigste Forderung war, dass der neue kommunistische Staat gerecht sein sollte. Die Menschen in Russland sollten ihren Staat selbst gestalten. Dieses Ideal aber wurde nie verwirklicht. Die Sowjetunion entwickelte sich schnell zu einer Diktatur, in der die kommunistische Partei das Sagen hatte. Unter Josef Stalin, dem Nachfolger von Lenin, wurden Millionen von Menschen umgebracht oder in Arbeitslagern eingesperrt. Im 2. Weltkrieg stand die Sowjetunion zunächst an der Seite des nationalsozialistischen Deutschlands. Nach dem Überfall des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion wurde sie aber schnell einer der größten Kriegsgegner Deutschlands und gehörte zu den „Alliierten“. Mehr als 25 Millionen Soldaten und Zivilisten aus der Sowjetunion sind im Krieg gestorben. 1945 zählte die Sowjetunion zu den vier Siegermächten des Krieges, die über den weiteren Umgang mit Deutschland entschieden.
Danach stieg die Sowjetunion zur zweiten Supermacht neben den USA auf. Zusammen mit den von ihr kontrollierten Staaten in Osteuropa bildete sie im Kalten Krieg den sozialistischen Ostblock. Auch die DDR gehörte dazu. Unter Führung der Sowjetunion wurde 1955 der Warschauer Pakt gegründet. Mit dem militärischen Bündnis wollte die Sowjetunion ein Gegengewicht zur NATO bilden und ihre Macht in Osteuropa absichern. Die Sowjetunion hatte Jahrzehnte lang mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Im Wettbewerb mit den marktwirtschaftlichen Staaten des Westens war die Zentralverwaltungswirtschaft der kommunistischen Staaten unterlegen. Die wirtschaftlichen Probleme wollte der letzte Führer der UdSSR, Michail Gorbatschow, ab 1985 mit tiefgreifenden Reformen bekämpfen. Er forderte mehr Offenheit und Meinungsfreiheit. Aber diese Reformen kamen zu spät. 1991 zerfiel die Sowjetunion. Am 31.12.1991 wurde die Sowjetunion aufgelöst. Zum Jahresbeginn 1992 entstanden auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion 15 neue unabhängige Staaten. Das heutige Russland gehört ebenso wie die Ukraine zu den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Schon aus dieser geschichtlichen Entwicklung heraus verbietet es sich, zu behaupten, die Ukraine wäre immer schon ein Teil Russlands gewesen.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker nach der Charta der Vereinten Nationen (UN) von 1945 und nach weiteren bindenden Verträge der internationalen Völkergemeinschaft ist eines der existentiellen Grundrechte des Völkerrechts. Es besagt, dass ein Volk das Recht hat, frei über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden. Dies schließt seine Freiheit von Fremdherrschaft ausdrücklich ein. Das Selbstbestimmungsrecht ermöglicht es einem Volk, eine Nation bzw. einen eigenen nationalen Staat zu bilden oder sich in freier Willensentscheidung einem anderen Staat anzuschließen. Die Sowjetunion mit einer Lebensdauer von gerade einmal 69 Jahren war ein Wimpernschlag der Geschichte. So wie Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre Staaten des ehemaligen Ostblocks und nach dem Zerfall der Sowjetunion viele derer Staaten ihre Selbstbestimmung rechtmäßig nach der UN-Charta erklärt haben, wie z. B. Polen, Ungarn, Tschechei, Slowakei, Estland, Lettland, Litauen u. a., so hat dies mit demselben Recht auch die Ukraine 1991 getan. Und diesen Schritt kann ihr keiner streitig machen. Er ist international durch die Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen (UN) garantiert. Wer dies mit militärischen Mitteln versucht, zu verändern, begeht einen Verstoss gegen das Völkerrecht. Und es ist die Pflicht aller Staaten, so etwas zu verhindern.
Noch eine kleine Anmerkung zum Nachdenken: Wenn wir heute behaupten würden, alle Gebiete, die jemals von Deutschen besetzt oder annektiert waren, wären Teile Deutschlands, wäre die Weltgemeinschaft wohl zu Recht empört, oder? mmp
Anerkennung der staatlichen Souveränität durch Russland Der Oberste Sowjet in Kiew gab am 16. Juli 1990 mit 355 gegen 4 Stimmen eine Souveränitätserklärung ab, mit der die Gesetze der ukrainischen Sowjetrepublik über die der Sowjetunion gestellt wurden. Am 23. Oktober 1990 übernahm Witold Fokin kommissarisch die Geschäfte des Vorsitzenden des Ministerrats der Ukraine und wurde am 14. November 1990 in diesem Amt bestätigt. Am 19. November 1990 unterzeichneten Leonid Krawtschuk, der erste Präsident der Ukraine, und Boris Jelzin einen Freundschaftsvertrag und damit die gegenseitige Anerkennung der staatlichen Souveränität. Grenze zu Russland Am 2. Dezember 1991 erfolgte die Anerkennung der Ukraine durch Russland. Ihre Grenze zu Russland wurde im russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag vom 31. Mai 1997 festgeschrieben. Der Vertrag trat am 1. April 1999 in Kraft. Mit dem Freundschaftsvertrag wurden auch weitere Verträge über die Stadt Sewastopol abgeschlossen, die deren Status regelten. Sie bestätigten die Souveränität der Ukraine über die Stadt und den Hafen und garantierte zugleich Russland das Recht, dort für mindestens weitere 20 Jahre einen Marinehafen zu betreiben. Mit der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags verzichtete Russland auf alle territorialen Forderungen bezüglich der Krim einschließlich Sewastopols. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von zunächst zehn Jahren; diese verlängerte sich aber automatisch, da der Vertrag nie gekündigt wurde.
1994 in Budapest im Rahmen der dort stattfindenden KSZE-Konferenz unterzeichnet. Im Gegenzug erhielt die Ukraine Sicherheitsgarantien von Russland und den USA. Dazu gehörte die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität sowie die Zusage, keine Atomwaffen gegen sie einzusetzen. Russland bricht die ersten drei Zusagen seit März 2014 (Annexion der Krim, Krieg im Donbas) und noch mehr seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Russland und die Ukraine schlossen am 31. Mai 1997 in Kiew einen Freundschaftsvertrag; darin verpflichtete Russland erneut, die Grenze zwischen beiden Ländern nicht zu verletzen. Am 24. Februar 2022 griff die russische Armee die Ukraine an.
Sicherheitspolitische Aspekte Am 14. Januar 1994 unterzeichneten die Präsidenten Russlands, der Ukraine und der Vereinigten Staaten von Amerika die Trilaterale Erklärung zur Vorbereitung für das Abkommen über die Vernichtung der auf ukrainischem Staatsgebiet stationierten Kernwaffen, womit der nichtnukleare Status der Ukraine endgültig bestätigt wurde. Das Budapester Memorandum wurde schließlich am 5. Dezember
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Quelle: Wikipedia
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