Kammern und KV
Wortmeldungen badenwürttembergischer Abgeordneter beim online Ärztetag
D Dr. Jürgen de Laporte
er 124. Deutsche Ärztetag hat bei seinen Beratungen Anfang Mai eine Vielzahl von gesundheits-, sozial- und berufspolitischen Beschlüssen gefasst. Neben den Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 stand auch die Corona-Pandemie im Mittelpunkt (wir informierten in unserer Mai-Ausgabe). Die Abgeordneten tauschten sich ferner über zahlreiche weitere aktuelle Themen aus, über die wir nachstehend in Teilen berichten.
Assistierter Suizid
Carsten Mohrhardt
Assistierter Suizid Die Landesärztekammer Baden-Württemberg bietet am 30. Juni 2021 eine online-Fortbildung zum Thema „Assistierter Suizid“. Weitere Informationen hierzu auf Seite 338.
Assistierter Suizid
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Der Ärztetag wurde maßgeblich durch die mehrstündige Debatte über Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 geprägt. Das Gericht hatte im Jahr 2020 unter anderem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf ein Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben geschlossen; die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasse auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen. – Werden Ärztinnen und Ärzte dadurch zu Sterbehelfern? Sind sie nicht vielmehr ausschließlich dem Leben und der Gesundheit ihrer Patienten verpflichtet? Oder ist im Einzelfall das Hinausgehen über die rein palliative Sterbebegleitung nicht doch als letzter Dienst beziehungsweise letzte Pflicht gegenüber dem Patienten zu sehen? Die deutsche Ärzteschaft setzte sich mit der Neuregelung der Sterbehilfe auf dem Deutschen Ärztetag intensiv auseinander. Dabei wurde die Debatte von Abgeordneten aus Baden-Württemberg richtungsweisend mitgeprägt. Das Ärzteparlament befasste sich auch damit, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Anpassung der Muster-Berufsordnung – und Angleichungen der Be-
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rufsordnungen der jeweiligen Landesärztekammern – nach sich ziehen müsse. Sehr deutlich wurde auch, dass der Wunsch eines Menschen nach Sterbehilfe gesellschaftliches Tabu, juristischer Schulfall und ethische Zwickmühle ist. Schon im Vorfeld des Austauschs hatte Dr. Wolfang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg und Co-Vorsitzender des zuständigen Ausschusses Berufsordnung bei der Bundesärztekammer, Position bezogen: „Ich halte Suizidassistenz für keine ärztliche Tätigkeit. Mit dem Gerichtsurteil geht nicht einher, dass Ärztinnen und Ärzte zu Sterbehelfern werden für alle, die aus dem Leben scheiden wollen. Hier geht es auch um die grundsätzliche Abgrenzung ärztlicher Tätigkeit. Die Ärzteschaft ist durch ihre Berufsordnung dem Erhalt des Lebens verpflichtet sowie der palliativen Begleitung von Sterbenden. Wenn es aber darum geht, nicht Schwerkranken – also beispielsweise Menschen in Lebenskrisen – bei der Verwirklichung des Sterbewunsches zu helfen, kann dies nicht unsere Aufgabe sein.“ Es gehöre zwar zum ärztlichen Alltag, sich mit Suizidgedanken und -wünschen von Patienten auseinanderzusetzen, so Dr. Miller weiter. Es gelte aber die Maxime: Ärztinnen und Ärzte sind dem Leben verpflichtet. Die mehrstündige Debatte auf dem Deutschen Ärztetag wurde offen, fair und ausgewogen geführt und ließ Raum für gegensätzliche Meinungen – eine bemerkenswerte Leistung vor allem vor dem Hintergrund, dass die Ärzteschaft nicht in Präsenz, sondern lediglich im virtuellen Raum diskutieren konnte. Dr. Miller wies während der Aussprache darauf hin, dass die Politik und die breite Öffentlichkeit die innerärztlichen Diskussionen zum assistierten Suizid mit großem Interesse ver-
folgen. „Die Menschen erwarten von uns ein Zeichen“, sagte Dr. Miller und betonte damit die große gesellschaftliche Tragweite der zu treffenden ärztlichen Entscheidungen. Die Ärzteschaft müsse sich der Wirkung dieser Debatte bewusst sein, die auch einen ganz zentralen Punkt des ärztlichen Selbstverständnisses berühre: „Wer sind wir? Welche Signale senden wir?“ Weitere Abgeordnete aus Baden-Württemberg brachten sich ebenfalls maßgeblich in die Diskussion ein: So wies Dr. Detlef Lorenzen darauf hin, dass eine offene Diskussion innerhalb der Ärzteschaft essenziell sei, um zu einem für alle Seiten tragbaren Ergebnis zu kommen. Auch müssten Ärztinnen und Ärzte, die im Praxisalltag schwierige Sterbehilfe-Entscheidungen treffen, auf den vorbehaltlosen Rückhalt der Gesamt-Ärzteschaft bauen können. Dr. Robin Maitra betonte, es sei Aufgabe der Ärzteschaft, die Diskussion zur Sterbehilfe breit in die Gesellschaft zu tragen und sie dort maßgeblich mitzugestalten. Dr. Christoph von Ascheraden stellte heraus, dass völlige Einstimmigkeit bei der sensiblen Thematik nicht zu erreichen sei – die Mediziner seien gefordert, mit ihren
Dr. W. Miller, Präsident der Landes ärztekammer Baden-Württemberg







