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Interview - „Der ÖGD hat die digitale Steinzeit verlassen”

Tübinger Arzt Dr. Roller leitet seit Februar das Landesgesundheitsamt

„Der ÖGD hat die digitale Steinzeit längst verlassen“

Seit Februar leitet Dr. Gottfried Roller das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg und hat damit gerade in der Corona-Pandemie eine Schlüsselrolle inne. Hier laufen die Zahlen aus ganz Baden-Württemberg zusammen, sein Haus ist allseits gefragt und berät neben der Landesregierung die Stadt- und Landkreise. ABW-Chefredakteur Dr. Oliver Erens sprach mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Sozial- und Umweltmedizin.

Seit fast zwanzig Jahren sind Sie auf verschiedenen Ebenen im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) tätig, zuletzt als Leiter des Kreisgesundheitsamtes Reutlingen. Was hat Sie zum Wechsel ins Landesressort bewogen?

Dr. G. Roller: Mitten in einer Pandemie bewirbt man sich nicht auf eine solche Stelle. Als die überraschende Anfrage kam, war die Entscheidung nicht leicht und musste schnell getroffen werden. Über zwölf Jahre Tätigkeit in einem Landkreis mit einem tollen Team und Landrat und sehr viel Gestaltungsspielraum gibt man nicht so einfach über Nacht auf. Am Ende war es keine einfache Entscheidung, die kommunale Ebene zu verlassen. Aber der Reiz, die kommunale Perspektive auf Landesebene einzubringen und an der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens auf Landesebene mitzuwirken, hat schließlich doch überwogen. Zumal ich die Landesebene aus meiner mehrjährigen Tätigkeit im Sozialministerium kannte und auch während meiner Reutlinger Zeit zahlreiche Aktivitäten über den Landkreis hinaus entfaltet habe.

Ein Neuanfang mitten in der Krise mag riskant, zugleich aber auch Chance sein…?

Dennoch legt die Pandemie schonungslos die Schwächen offen – auch wenn die Digitalisierung im ÖGD schon länger Einzug gehalten und der ÖGD die digitale Steinzeit längst verlassen hat. Aber auch an anderen Stellen müssen neue Impulse gesetzt werden. Da ist es wichtig, die kommunale Perspektive auf Landesebene einzubringen. Vor Ort werden die auf Landesebene getroffenen Entscheidungen immer wieder kritisch reflektiert, das verlangen schon zurecht die Bürgerinnen und Bürger. Daher müssen kommunale Erfahrungen regelmäßig auf Landesebene eingebracht werden. Das verstehe ich als Herausforderung und Chance zugleich, auch wenn ein Wechsel inmitten einer Pandemie nicht ganz einfach ist.

Wie erleben Sie die Pandemie in Ihrer neuen Rolle?

Dr. G. Roller: Die Gesundheitsämter und viele andere Akteure machen seit über einem Jahr einen herausragenden Job. Ich selbst habe in meinem bisherigen Berufsleben noch nie so viel gearbeitet. Es ist beispiellos in der Nachkriegsgeschichte, was sich derzeit im Rahmen der Corona-Pandemie abspielt. Beeindruckt hat mich in meiner neuen Rolle am meisten, mit wieviel Engagement und Einsatz auf allen Ebenen gearbeitet wird, um die Viren in den Griff zu bekommen. Von der Verwaltung über die Ärzteschaft, den ÖGD, die Pflege, die Politik – jede und jeder leistet unheimlich viel. Das wird medial oft gar nicht gesehen. Eine Patentlösung für die Bewältigung der Pandemie gibt es ebenso wenig wie einfache Lösungen. Deshalb entsteht oft zu Unrecht auch der Eindruck, dass keine Strategien vorhanden seien, was aber nicht stimmt.

Welche Schwerpunkte werden Sie nach der Pandemie im Landesgesundheitsamt setzen?

Dr. G. Roller: Die Corona-Pandemie macht deutlich, welchen Stellenwert der ÖGD bei der Umsetzung der staatlichen Daseinsvorsorge hat und wie viel davon abhängt, dass der ÖGD gut funktioniert. Voraussetzung hierfür ist ein nachhaltig gestärkter ÖGD und damit auch ein gut aufgestelltes Landesgesundheitsamt. Ich bin deshalb sehr froh, dass sich die neue Landesregierung im Koalitionsvertrag zu einer personellen und inhaltlichen Stärkung des ÖGD bekannt hat. Denn die Herausforderungen unseres Gesundheitssystems erfordern einen langfristigen gesundheitspolitischen Public-Health-Ansatz, und der eingeleitete Reformprozess muss konsequent weiter beschritten werden.

Das ist eine wesentliche Aufgabe, ist das Landesgesundheitsamt doch Drehscheibe zwischen Politik, Verwaltung und Ärzteschaft. Denn die Globalisierung, die Migration, die Demografie, der Klimawandel und die Digitalisierung beeinflussen unsere gesellschaftlichen Entwicklungen und haben elementare Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem. Als Themenschwerpunkte des Landesgesundheitsamtes sehe ich dabei konkret die Stärkung des Gesundheitsschutzes, die Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit und damit auch gesunder Städte und Gemeinden, die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, eine bessere Vernetzung des ÖGD mit der Primärversorgung, den Aufbau von multiprofessionellen Gesundheitszentren, eine bessere Verknüpfung des ÖGD mit der Wissenschaft und den Ausbau der Digitalisierung im ÖGD. Und natürlich müssen wir uns zunächst auch um die Folgen der aktuellen Pandemie kümmern. Dr. G. Roller

Praxisabgabeseminar.

Med-Seminare (falls erforderlich, wird die Veranstaltung als Webinar durchgeführt) Mittwoch, 17.03.2021, 19.00 Uhr | Jahnstr. 4, 4. OG, 70597 Stuttgart Mittwoch, 05.05.2021, 19.00 Uhr | Jahnstr. 4, 4. OG, 70597 Stuttgart Mittwoch, 07.07.2021, 19.00 Uhr | Jahnstr. 4, 4. OG, 70597 Stuttgart Mittwoch, 21.07.2021, 19.00 Uhr | Jahnstr. 4, 4. OG, 70597 Stuttgart

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Referenten: Tobias Krämer, Sina Altmann, Barbara Brenner und Misel Stojkovic. Die Seminargebühr übernimmt MLP.

Anmeldung mit QR-Code oder bei Frau Olga Kopp Tel 0711 13258 53, Fax -80 med-seminare-stuttgart@mlp.de

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