Saison (Dezember 2020)

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EIN BESONDERER WINTER

INTERVIEW

TOURISMUS

W IRD R A S CH W IEDER

D UR CHS TA R T EN

Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), sieht für den Tourismus im Alpenraum besondere Chancen nach der Krise. Mit dem Start der Impfungen werde auch die Reiselust zurückkehren. Den Trend hin zu nachhaltigen und längeren Aufenthalten in den Bergen gelte es mit Qualität zu verbinden. Das Gespräch führten Florian Neuner und Stefan Kröll.

„AUFGRUND DER UNSICHERHEIT WIRD ABER MEHR GESPART. ICH GEHE DAVON AUS, DASS DAS GELD AUCH WIEDER AUSGEGEBEN WIRD, SOBALD ES GRÖSSERE FREIHEITEN GIBT.“

Herr Kocher, Sie haben im Oktober gemeint, der Wirtschaftseinbruch durch die Coronakrise könnte in Österreich schwächer ausfallen als noch vor einigen Monaten gedacht. Wie ist Ihre jetzige Einschätzung angesichts des zweiten Lockdowns? MARTIN KOCHER: Unsere Prognose mit sieben Prozent Rezession war zu optimistisch. Wir dachten, dass der zweite Lockdown nicht nötig sein würde. Der ist eine zusätzliche Belastung und die Wirtschaft wird mehr schrumpfen als erwartet. Wenn die Wirtschaft zurückgeht – ist Urlaub etwas, wo die Menschen sparen? Das verfügbare Einkommen der Österreicher ist aktuell nur um etwa zwei Prozent gesunken – das liegt auch an den Hilfsmaßnahmen. Aufgrund der Unsicherheit wird aber mehr gespart. Aktuell liegt die Sparquote bei 15 Prozent. Letztes Jahr war sie bei acht Prozent. Also hat sie sich fast verdoppelt. Ich gehe davon aus, dass das Geld auch wieder ausgegeben wird, sobald es größere Freiheiten gibt.

Die aktuelle Unsicherheit ist für die Touristiker eine große Herausforderung. Lässt sich aus Ihrer Sicht irgendwie absehen, wie sich die Situation entwickeln wird? Was meiner Meinung nach entscheidend sein wird, ist die Planung einer umfassenden Teststrategie. Das gilt sowohl für Urlauber, die die Möglichkeit einer freiwilligen Testung bei der Ankunft nutzen können, als auch für die regelmäßige Testung von Personal. Der Tourismus spielt eine zentrale Rolle für die Tiroler Wirtschaft. Wie sehen Sie die Zukunft der Branche, wenn dieser Winter nur eingeschränkt funktionieren wird? Es wird sehr stark davon abhängen, wie viele Betriebe durch die Maßnahmen aufgefangen werden können. Bisher haben wir im Tourismus eine relativ gute Bilanz. Den Abbruch der letzten Wintersaison und die etwas schwächere Saison im Sommer hat man ganz gut verkraftet. Ein schlechter Winter wäre sicher eine große Belastung. Mittelfristig sehe ich aber nicht so große Probleme – gerade für den Tourismus am Land. Beim Städtetourismus ist es kritischer. Die Gästestruktur in Tirol ist ja zum Großteil europäisch. Sobald die Pandemie durch eine Impfung oder eine gute Behandlung eingedämmt ist, wird der Tourismus wieder starten. Die Schwierigkeit wird sein, die richtigen Betriebe so lange durch die Krise zu bringen.

© CARL ANDERS NILSSON

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