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Schönes Lagebild

„SCHÖNES

LAGEBILD“

Auf Wissenschaft und Technik als Helfer in der Pandemie setzen derzeit mehrere Projekte. Ein Hoffnungsträger der Tourismuswirtschaft ist die Forschung zum Abwassermonitoring, eine Kooperation von Land Tirol und Medizinischer Universität Innsbruck.

Text: Esther Pirchner

Maske tragen, Abstand halten, Hände waschen –wer das Dreigestirn der Covid-19-Eindämmung beherzigt, sollte ein Ansteckungsrisiko gering halten können. Zugleich suchen Tiroler Wissenschaftler, Unternehmen und öffentliche Stellen nach technischen Möglichkeiten, um Clusterbildungen besser vorhersagen und damit auch schneller darauf reagieren zu können als bisher. Viel Aufmerksamkeit erhielt im Frühjahr das Monitoring, in dem flächendeckend erhoben wird, wie stark das Virenaufkommen im Abwasser ist. Es befindet sich aktuell in der Testphase.

PROBEN, TESTS UND DATEN Das Prinzip ist bekannt, die Anwendung neu: Wer wissen will, wie viele und welche Drogen in einer Region konsumiert werden, der findet eine zuverlässige Antwort im Abwasser. Denn die Ausscheidungen, die in einem Klärwerk landen, lassen Rückschlüsse auf Art und Menge der Substanzen zu, die davor eingenommen wurden. Ähnliches gilt für Krankheitserreger – auch sie sind in Ausscheidungen nachweisbar. Das führte zur wissenschaftlichen Frage, ob und wie Messungen in Klärwerken Vorhersagen über einen Zuwachs der Covid-19-Erkrankungen erlauben. Wäre dies möglich, könnte eine weitere Ausbreitung unterbunden werden.

In einem Gemeinschaftsprojekt machten sich im Mai 2020 die Abteilungen Wasserwirtschaft und Statistik des Landes Tirol und das Institut für Gerichtliche Medizin an der Medizinischen Universität Innsbruck daran, ein solches Abwassermonitoring zu entwickeln. Mehrmals pro Woche nehmen Mitarbeiter des Landes Proben in 43 Kläranlagen, sodass fast ganz Tirol abgedeckt ist. Die Proben untersucht das Team von Chemiker Helmut Oberacher, einem Spezialisten für forensische Toxikologie an der Med-Uni, auf Viren. Das Land übernimmt dann den Abgleich der Ergebnisse mit Daten, die der Abteilung Statistik vorliegen: etwa Einwohnerzahlen oder Touristenanzahl zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Regionen. Am Ende sollte feststehen, wie viele „fiktive Ausscheider“ sich in einem Gebiet befinden, und daraus auf eine Clusterbildung geschlossen werden können.

KOMPLEXES SYSTEM Präzise Ergebnisse sind dabei nicht ganz einfach zu bekommen, denn es spielen viele Faktoren herein: Infizierte scheiden unterschiedliche Mengen an Viren aus, man benützt Toiletten zu Hause, bei der Arbeit, auf Reisen und bei Veranstaltungen. Zudem gelangt bei

„Unsere Idee ist, möglichst viele Informationen in unserem System zusammenzubringen.“

HERBERT FORSTER, LANDESAMTSDIREKTOR

starkem Regen mehr Wasser über den Kanal ins Klärwerk, sodass der Anteil an Viren sinkt. Man sei daher noch „beim Kalibrieren“, meint Landesamtsdirektor Herbert Forster. „Es ist eine Studie, in der wir versuchen, immer besser zu werden, aber es funktioniert schon nicht schlecht.“ Immerhin konnte man im Sommer feststellen, dass sich einer der größeren Cluster, jener im Stubaital, auch in einem erhöhten Virenaufkommen im Abwasser widerspiegelte. Anfang November habe auch das Halloweenwochenende in den gesammelten Proben seine Spuren hinterlassen.

Mit der Zeit sollen immer genauere Aussagen getroffen werden können und ihren Niederschlag auch in technischen Maßnahmen finden. Eine Zukunftsvision wäre, dass in jeder Kläranlage ein Gerät automatisch den Virenanteil misst und Ausschläge anzeigt. Doch selbst wenn dies einmal möglich ist, wird das Abwassermonitoring das Sammeln anderer Informationen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen können. „Es ist ein weiteres Instrument, das unterstützt und zusätzliche Anknüpfungspunkte gibt“, meint Forster. Ziel des Projekts sei daher, in Kombination mit anderen Maßnahmen wie Testungen und der Nachverfolgung von Kontakten ein „schönes Lagebild zu erhalten“.

Je mehr Informationen gesammelt werden können, desto detailreicher wird dieses Bild ausfallen und desto schneller wird man auf Veränderungen reagieren können. Maske, Seife und Distanz, PCR-Tests, Contact Tracing und Abwasserscreening sollen dann alle gemeinsam dazu beitragen, die Infektionszahlen niedrig zu halten.

SIDESTORY Vernebeln, belichten

Die Konsole seTUBE kann in Skigondeln, Wellnessbereichen, Hotelzimmern etc. zur Desinfektion eingesetzt werden.

Zwei verschiedene Methoden zur Desinfektion rücken dem Covid-19-Erreger auf Oberflächen zu Leibe. Die Entsorgungsfirma DAKA setzt auf die Vernebelung von Räumen mit Wasserstoffperoxid, u. a. mit einem Gerätetyp nach Schneekanonenart. Care by Light verwendet hingegen UV-C-Licht.

LEDS ALS INNOVATION UV-C-Licht ist besonders kurzwellig und energiereich, dadurch können Viren inaktiviert sowie Bakterien und Pilze auf Oberflächen rasch abgetötet werden. Die Technik an sich ist nicht neu, die Verwendung von LEDs hingegen schon. Entwickelt hat sie das wissenschaftliche Team um Harald Schöbel, Senior Lecturer am Forschungsschwerpunkt Food Science & Biotechnology des MCI, mit der Firma Planlicht. LEDs sind, so Schöbel, „wesentlich kompakter, effizienter und viel flexibler im Betrieb“ als Leuchtstoffröhren. Sie konnten in zwei neuen Systemen verbaut werden, die nun unter dem Markennamen Care by Light auf dem Markt sind: In der Box seCUBE können Gegenstände vom Handy bis zum Krankenhausbett oberflächlich desinfiziert werden. Die Konsole seTUBE wird in Räume gestellt und funktioniert in kleinen Umgebungen – Umkleiden, Seilbahngondeln und Büros – ebenso wie in großen. Auch eine Desinfektion der Raumluft nach demselben Prinzip erforscht Schöbel derzeit.

Beide Techniken erzielen gute Ergebnisse, allerdings dürfen die Räume während der Anwendung nicht betreten werden. Den logistischen Mehraufwand, der daraus entsteht, werden Liftgesellschaften oder Hotels, die die Geräte einsetzen wollen, aber vermutlich gerne in Kauf nehmen. www.carebylight.com www.daka.tirol

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