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Regional gegen die Pandemie
Die diesjährige Wintersaison ist eine Herausforderung für den gesamten Tiroler Tourismus. Die grundlegenden Regeln für einen sicheren Ablauf stehen seit Längerem fest. Die genaue Umsetzung obliegt aber den einzelnen Regionen.
Text: Daniel Feichtner
Masken, Abstand, Hygiene und ein gutes Konzept für den Fall, dass das nicht reicht. Das sind die Vorgaben, die laut der Bundesregierung zumindest eine verkürzte Wintersaison 2020/2021 ermöglichen sollen. Wie genau diese Maßnahmen implementiert und welche zusätzlichen Schritte ergriffen werden, ist vor allem Entscheidung derer, die sie umsetzen. Dabei spielen neben der Priorisierung nicht zuletzt technische Umsetzbarkeit und Budgets eine große Rolle. Dementsprechend variieren auch die Strategien, mit denen einzelne Tiroler Regionen der Pandemie in den kommenden Monaten die Stirn bieten wollen.
HIGH-TECH UND GELENKTE EIGENVERANTWORTUNG
Wie in vielen Skigebieten kommt auch in Ischgl Kaltvernebelung zur Desinfektion von Gondeln zum Einsatz.
Kaum eine Wintersportregion ist in der kommenden Saison mehr unter Zugzwang als Ischgl. Dessen ist man sich überaus bewusst, bestätigt Andreas Steibl, Geschäftsführer des Tourismusverbands Paznaun-Ischgl. „Wir wissen, dass wir im Schaufenster stehen. Die ganze Welt wird auf uns schauen.“ Deswegen steht für Ischgl fest: „Wir wollen klare Signale setzen. Einerseits, um zu beweisen, dass wir aus den Erfahrungen viel gelernt haben. Und andererseits, damit klar sichtbar ist, dass wir das Maximum an Sicherheit für Gäste, Einheimische und Mitarbeiter gewährleisten.“
FRÜHWARNSYSTEM Im Kern der Strategie der Region steht zum einen die Früherkennung. Vor Saisonbeginn werden sämtliche Mitarbeiter – egal ob in Unterkünften, Seilbahnen, Skischulen oder anderen touristischen Infrastrukturen – lückenlos getestet. Dem werden im laufenden Betrieb wöchentliche Tests folgen, deren Ergebnis am selben Tag vorliegt. Umsetzbar macht das eine Teststation in Ischgl mit einer Kapazität von 3.000 Tests pro Woche. Das Angebot stehe auch Gästen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung, versichert Steibl. Allerdings werde man diesen nahelegen, sich schon vor der Anreise testen zu lassen.
ABSTAND MIT UNTERSTÜTZUNG Zum anderen setzt man auf Technologie. Neben der Desinfektion der Gondeln durch Kaltvernebelung, gängigen Hygienemaßnahmen und Maskenpflicht wurde an der Talstation in Ischgl ein Kamerasystem installiert. Dieses misst die Distanz zwischen den Wartenden. Wird sie unterschritten, wird das sofort angezeigt. „Wir sehen das als Maßnahme, Gäste beim Ausüben ihrer Eigenverantwortung zu unterstützen“, erklärt der Geschäftsführer. Denn sich zu Hause richtig zu verhalten sei mitunter einfacher als am Urlaubsort. Sollte dennoch ein Cluster entstehen, baue man auf die Behörden: „Dann haben die Bezirkshauptmann- „Wir wollen klare Signale schaft und die Gesundheitsexperten das Sagen – und deren setzen. Um zu beweisen, Regeln setzen wir natürlich dass wir aus den lückenlos um.“ Erfahrungen viel Zudem wird in Ischgl auch die Contact-Tracing-App gelernt haben.“ „Corona Stopp“ zum Einsatz kommen sowie eine Ischgl-App zur digitalen GästeregistrieANDREAS STEIBL, GESCHÄFTSFÜHRER TVB PAZNAUN-ISCHGL rung. Das an das Kamerasystem gekoppelte Smartphoneprogramm bietet auch ein zusätzliches Feature für Gäste: Es zeigt aktuelle Wartezeiten an. „Damit bieten wir einen Mehrwert im Servicebereich in dieser schwierigen Lage“, sagt Steibl. „Und zugleich kommen wir unserem Ziel näher, eine der besten und sichersten Regionen in der kommenden Saison zu sein.“
PAZNAUN-ISCHGL
UNTERLÄNDER ALLIANZ

Gemeinsam mit den anderen Unterländer TVBs stellt sich auch das Kufsteinerland der Herausforderung.
KUFSTEINERLAND
Im Unterland stehen die Zeichen auf Zusammenarbeit, wie Stefan Pühringer, Geschäftsführer des Tourismusverbands Kufsteinerland, berichtet. Anstatt Maßnahmen alleine zu stemmen, haben sich die TVBs zusammengeschlossen, um einen sicheren Urlaub zu ermöglichen. Daraus hervorgegangen ist unter anderem die Anschaffung eines Contact-Tracing-Tools, das Mitgliedsbetrieben gratis zur Verfügung steht. Das System erfasst, wer wann wo vor Ort war, und liefert Echtzeitinformationen zur Belegung. „Das konnten wir beim Herbstgenusstag in Kufstein testen“, meint Pühringer. „Dort wurde es sehr gut angenommen. Rund ein Viertel der Besucher hat zum Smartphone gegriffen, der Rest hat sich analog registriert. Verweigerer gab es kaum.“
WISSEN SCHÜTZT Zusätzlich läuft eine Schulungsoffensive: TVB- und Seilbahnmitarbeiter werden hinsichtlich der Maßnahmen und des Umgangs mit Gästen ausgebildet. Und auch touristische Betriebe können dort ihr Personal schulen lassen – ein Angebot, das von den TVBs koordiniert und sehr gut angenommen werde.
Ebenso stimmen sich die TVBs bei der Testung der Mitarbeiter ab. Über den Sommer gelang es, die 450 bis 700 Tests pro Woche über lokale Ärzte abzuwickeln. Wie das in der laufenden Saison aussehen wird, steht noch nicht eindeutig fest: „Wir evaluieren die Einrichtung einer Containerlösung oder einer fixen Teststraße in Kufstein“, sagt der Geschäftsführer. „Nach der Reisewarnung Ende September hat der TVB Wilder Kaiser seine Teststraße zur Abreise auch umliegenden TVBs angeboten. Das hat sehr gut funktioniert und da bringen wir also auch Erfahrungswerte mit.“
STEFAN PÜHRINGER, GESCHÄFTSFÜHRER TVB KUFSTEINERLAND
DISTANZ UND VORBEREITUNG Für Sicherheit im laufenden Betrieb sorgen vor allem Abstände – von vergrößerten Parkplätzen über reglementiertes Anstehen bis in die Hüttengastronomie. In Letzterer sollen außerdem überall, wo es sinnvoll ist, digitale Speisekarten für weniger Berührungspunkte sorgen. „Damit der Abstand auch am Weg auf die Piste gewahrt bleibt, werden in der Skiwelt Wilder Kaiser Brixental mehr Gondeln zum Einsatz kommen, die mit Kaltvernebelung desinfiziert und belüftet werden“, sagt Pühringer.
Und auch für den Fall einer Infektion oder eines Clusters ist man vorbereitet: Gemeinsam mit mehreren anderen Verbänden wurde vergangenen Sommer unter der Regie des TVB Wilder Kaiser ein sogenanntes Safehouse eingerichtet. „Dort verfügen wir über 20 bestens ausgestattete Zimmer, in denen sowohl Gäste als auch Mitarbeiter wenn nötig ihre Quarantäne verbringen können“, versichert Pühringer. Und auch die Abreise habe man im Zuge der deutschen Reisewarnung bereits einmal erprobt: „Es hilft, das im ‚Real-Life‘ durchgespielt zu haben. Und wie sich zeigt, sind neben guter Vorbereitung vor allem der interne Dialog und die lückenlose Kommunikation nach außen die wichtigsten Schlüssel.“
GEMEINSAM MIT HYGIENEPROFIS

Dosierung und Lenkung der Gäste in Verbindung mit Hygienemaßnahmen und Hinweisen auf die Regeln sind wichtige Säulen des Konzepts im Stubaital.
Auf niederschwelliges Testangebot setzt auch das Stubaital: „Die Bundesregierung hat im Juli die flächendeckende Testung von Tourismusmitarbeitern angekündigt. Wir testen bereits seit Anfang Juni gemeinsam mit einem Tiroler Medizinlabor Mitarbeiter von Beherbergungsbetrieben, Gastronomie, Seilbahnen, Sportgeschäften, Freizeiteinrichtungen und -anbietern im Stubaital“, sagt Roland Volderauer, Geschäftsführer des Tourismusverbands Stubai Tirol. Dabei hat der TVB die Kosten der Ersttestung aller Mitarbeiter von touristischen Kernleistungsträgern übernommen, die nicht im Testangebot „Sichere Gastfreundschaft“ berücksichtigt wurden.
KEIMFREIES KONZEPT Um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten, hat sich das Stubaital mit hollu einen Hygienespezialisten an Bord geholt. „Seit diesem Sommer organisiert der Tourismusverband Stubai Tirol für seine Mitglieder Schulungen, bei denen ein Medizinlabor, die lokale Ärzteschaft und hollu das gemeinschaftliche Hygienekonzept präsentieren und erläutern“, erklärt Volderauer. „Die Kommunikation und Updates erfolgen über unsere internen Kanäle.“
Das Konzept befasst sich mit der korrekten Reinigung und Behandlung von Oberflächen. Aber es umfasst auch Themen wie die richtige Organisation von Ein- und Zugangsbereichen, die Protokollierung der gesetzten Maßnahmen und deren nachhaltige Absicherung.
LENKUNG UND INFORMATION In den Wintersportgebieten selbst wird neben dem Hygienekonzept vor allem hingewiesen und aufgeklärt: Über das ganze Tal verteilte Informationsstellen präsentieren die Regeln als Piktogramme und erinnern daran, sie einzuhalten. Zusätzlich gestützt wird die Kampagne von einer digitalen und einer Bewegtbildoffensive. Parallel dazu sorgen infrastrukturelle Maßnahmen dafür, dass Sicherheit gewährleistet ist: Eine zusätzliche Optimierung des Busverkehrs soll Überfüllung vorbeugen.
Die Berggastronomie baut neben Sitzplatzbegrenzung unter anderem auf digitale Speisekarten, die am Smartphone abgerufen werden. Und auch Skipässe können online beziehungsweise kontaktlos erworben und bezahlt werden. Die Zufahrt zum Stubaier Gletscher und damit die Besucherströme werden über eine Dosierampel geregelt. „An den Kassen und den Gondeln stehen Besuchern eigens geschulte Mitarbeiter zur Seite, welche auf die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen hinweisen. Unter anderem werden Kabinen und Sanitärbereiche laufend mittels Kaltvernebelung desinfiziert“, so Volderauer. „Dieses Konzept hat sich während der Sommermonate und an den Oktoberwochenenden mit Skibetrieb am Stubaier Gletscher bestens bewährt.“
ROLAND VOLDERAUER,
GESCHÄFTSFÜHRER TVB STUBAI TIROL