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Heiter bis wolkig
Die heurige Sommersaison stand ganz im Zeichen der Coronapandemie. Während einige Regionen erfreulicherweise nur überschaubare Einbußen verzeichneten, mussten vor allem urbane Gebiete starke Rückgänge hinnehmen. Insgesamt verlief die Sommersaison aber besser als erwartet.
Text: Susanne Gurschler
DER SEILBAHNENSOMMER Mehr als zehn Prozent des Jahresergebnisses erwirtschaften die Tiroler Seilbahnen mittlerweile im Sommer, Tendenz steigend.
Trotz der Covid-19-Situation verzeichneten sie im heurigen Sommer eine positive Bilanz. „Natürlich haben die internationalen Gäste gefehlt,“ meint der Obmann der Tiroler Seilbahnen, Franz Hörl. „Mit neuen Angeboten und umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen konnten wir ein ungetrübtes Naturereignis bieten und auch vielen Tirolerinnen und Tirolern die Schönheit der Bergwelt näherbringen.“ Dies schlug sich in Steigerungen von Gästen aus dem regionalen Nahbereich nieder.
Genaue Zahlen gibt es noch nicht. Umfragen der Abteilung Verkehrspolitik der Wirtschaftskammer Tirol legen aber nahe, dass die Beförderungszahlen etwas unter dem Vorjahresniveau liegen. Während der Juni noch schleppend verlief, konnte von Juli bis September bei einigen das Vorjahresniveau erreicht bzw. sogar leicht übertroffen werden. M it einem blauen Auge davongekommen – so lautet das Resümee der Tiroler Tourismusverbände, wenn es um die heurige Sommersaison geht. Die Coronapandemie, der Lockdown und der daraus resultierende verspätete Saisonstart traf alle Tourismusregionen. Die meisten konnten die Nächtigungszahlen im Laufe der Sommermonate wieder stark steigern, so etwa Osttirol und die Region Achensee. Durchwachsener fiel die Bilanz für die urbanen Gebiete aus, allen voran Innsbruck. Dennoch, hohe Flexibilität und spezielle Marketingstrategien federten vieles ab.
IN ALLER MUNDE Die meisten Nächtigungen verzeichnete Osttirol mit rund einer Million. Bereits im Juni meldeten die Medien, dass Osttirol besonders beliebt bei Reisenden sei, es teilweise sogar zu Überbuchungen komme. Die positive Presse verstärkte noch einmal den Blick auf den Bezirk Lienz. Die niedrigen Infektionszahlen wirkten sich positiv aus. Doch der Tourismusverband Osttirol hatte auch sehr früh auf die veränderte Situation reagiert. „Wir haben bereits im Lockdown intensiv mit unserem Marketing für den Sommer begonnen, im ORF den österreichischen Adler fliegen lassen“, betont TVB-Obmann Franz Theurl. Mit der Konzentration auf die in Osttirol ohnehin starken Bereiche Naturerlebnis, Berge, Wandern und Radfahren sei dem Verband damit ein „Coup“ gelungen, nämlich die einheimische Bevölkerung in einer sehr frühen Phase auf Osttirol als Inlandsdestination aufmerksam zu machen. Im August konnte Osttirol fast an die Zahlen 2019 anschließen, im September verzeichnete die Region gar ein Plus von rund neun Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat 2019.
Der TVB Osttirol macht dies nicht nur an den frühen Werbemaßnahmen fest. Vom TVB bezahlte regelmäßige Tests in den Tourismusbetrieben sowie intensive und transparente Kommunikation mit den Mitgliedern hätten zum Erfolg geführt, ist Theurl überzeugt.
Einbrüche verzeichneten insbesondere Lienz und das Osttiroler Pustertal. Hier

MARTIN TSCHONER, GESCHÄFTSFÜHRER TVB ACHENSEE
FRANZ THEURL, OBMANN TVB OSTTIROL
blieben vorwiegend die italienischen Gäste aus. Auch der Bustourismus kam fast zum Erliegen. Gute Buchungszahlen registrierten dagegen die klassischen Bergdestinationen Kals am Großglockner oder Matrei.
Dem starken September wäre wohl ein starker Oktober gefolgt. Doch die Reisewarnung Deutschlands traf auch den Bezirk Lienz, obwohl die Fallzahlen zu diesem Zeitpunkt bei null beziehungsweise zwei positiv getesteten Personen gelegen seien, wie Theurl unterstreicht. „Wir haben auch in Deutschland gegengesteuert mit einer Presseaussendung und darauf hingewiesen, dass die Lage in Osttirol ganz anders als in Nordtirol ist“, so Theurl. Einige große Medien nahmen das Thema auf. Eine Teststraße wurde eingerichtet, Urlaubende konnten sich kostenlos testen lassen, binnen zwölf Stunden erhielten sie das Ergebnis, die deutschen Behörden wurden vorinformiert.
AM WASSER Klassische Meerurlaube fielen heuer im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Umso begehrter waren Aufenthalte an heimischen Seen, allen voran der Achensee mit seinem vielfältigen Sportangebot.
Die Sommersaison fiel deutlich kürzer aus als normalerweise. „Sie geht am Achensee, im Gegensatz zu einigen anderen Regionen Tirols, tatsächlich von 1. Mai bis 31. Oktober“, so Martin Tschoner, Geschäftsführer des TVB Achensee.
Aufgrund der absehbar schwierigen Situation schichtete der Verband im April Marketinggelder um und bearbeitete verstärkt den heimischen Markt, klassisch via Print, TV und Radio, aber auch digital. Dazu kam eine große Plakataktion, insbesondere in der Region Linz und in Wien. Mit Erfolg: „Von Juli bis September verzeichneten wir einen deutlichen Zuwachs bei den österreichischen Gästen“, freut sich Tschoner. →
OUTDOOR- UND FREIZEITPARK AREA 47
Die Area 47 am Eingang zum Ötztal verzeichnete im Februar eine „sensationelle Buchungslage“, wie Geschäftsführer Christian Schnöller betont. Der Lockdown veränderte die Lage komplett. Anstatt fünf Monate Saison gab es nur drei. „Mehr als einem Drittel unserer Mitarbeiter mussten wir sagen, dass wir sie heuer nicht beschäftigen können“, so Schnöller. Das Unternehmen erstellte umfassende Sicherheitspakete für alle Sportarten, die angeboten werden, vom Canyoning bis zur Water Area, führte Mitarbeiter-Workshops in Kleingruppen durch.

Insgesamt lief die verkürzte Saison weit besser als erwartet. „Wir verzeichneten einen Rückgang von 35 bis 40 Prozent. Allerdings hatten wir auch zwei Monate weniger“, so Schnöller. Eine große Herausforderung stellten die kurzfristigen Buchungen dar, die normalerweise bei den Angeboten im Bereich Extremsportarten nicht vorkommen. Stark gestiegen ist die Zahl der Nächtigungen bei den Einheimischen.
In der Regel verzeichnet die Area 47 rund 18 Prozent österreichische Gäste, diesen Sommer waren es 30 Prozent. „Dass wir so gut durch den Sommer gekommen sind, verdanken wir einem Team, das zu 100 Prozent hinter den Maßnahmen stand und sie umgesetzt hat“, resümiert Schnöller.
KARL GOSTNER, OBMANN INNSBRUCK TOURISMUS
Gleichzeitig ging der TVB Achensee eine Kooperation mit der Lebensmittelkette MPreis und der Achensee-Schifffahrt ein und belebte die traditionelle Sommerfrische neu. Die Aktion sei sehr gut angekommen, wie Tschoner unterstreicht. Deutsche Urlauber waren auch heuer wieder stark vertreten. Mit der Reisewarnung im Oktober versiegte der Gästestrom allerdings abrupt.
Dennoch zieht Tschoner eine positive Bilanz. Große Einbrüche konnten verhindert werden. Das Minus bei den Nächtigungen reduzierte sich auf 14 Prozent. „Die intensive Beschäftigung mit dem Inlandsmarkt möchten wir unbedingt weiterführen“, so der Geschäftsführer des TVB Achensee. Zwar könne der heurige Sommer nicht zum Maßstab erhoben werden, doch „wir haben einen Fuß in der Tür und die Rückmeldungen sind sehr positiv“.
Besonderer Effekt der veränderten Situation: Die Aufenthaltsdauer, die in den letzten Jahren rückläufig war, stieg von bisher durchschnittlich 3,7 auf 3,9 Tage. Die Herausforderung für alle sei, „dass wir derzeit Passagier der weltweiten Entwicklung sind. Man kann jetzt nicht sagen, wie es sich entwickelt“, so Tschoner.
URBAN IM NACHTEIL Mit minus 61,4 Prozent bei den Ankünften und minus 51,1 Prozent bei den Nächtigungen bis Ende September musste die Region Innsbruck Tourismus die größten Verluste hinnehmen und bestätigte damit den Trend des heurigen Sommers, dass urbanere Regionen (Kufsteinerland, Seefeld, Kitzbühel) am stärksten vom veränderten Reiseverhalten betroffen waren.
Um den Blick verstärkt auf die alpinen Qualitäten der Region zu richten, konzentrierte der TVB den Bildfokus der Sommerkampagne „gezielt auf Naturaufnahmen“, einzig die Textsprache habe an Stadtgefühle erinnert, so TVB-Obmann Karl Gostner: „Die Kombination aus Naturbild und Stadtslogan sollte überraschen und Lust auf Urlaub in der Region Innsbruck machen.“
Insgesamt ergibt sich für ihn eine „halbwegs erfreuliche Bilanz“. Und er fährt fort: „Insbesondere aus den Nahmärkten konnten wir im Vergleich zufriedenstellende Zahlen verzeichnen. Auch die Aufenthaltsdauer ist gestiegen: in der Stadt um 23 Prozent, im Bereich Mieminger Plateau und Inntal sogar um knapp 38 Prozent.“ Kurzfristig verzeichnete das Verbandsgebiet sogar mehr Gäste aus der Schweiz und Deutschland als im Vorjahr.
Stornierte Flugverbindungen führten aber zu massiven Rückgängen bei den Gästen aus Übersee. Da für den Städtetourismus wichtige Bereiche wie große Veranstaltungen, Kongresse, internationale Gruppenreisen ausfielen, musste die Stadt im September wieder einen drastischen Rückgang der Gästefrequenz verkraften. „Im Vergleich zum Tourismusjahr 2018/2019 fehlen der Stadtregion aktuell fast eine Million Nächtigungen“, ergänzt Gostner.
Die Strategie für den Winter lautet: weiterhin Fokus auf die Nahmärkte, inklusive Inlandtourismus. Um das Niveau von vor Corona wieder zu erreichen, benötigt die Region allerdings die Überseegäste und den internationalen Kongresstourismus.
Fazit des Tirolers Sommers: Ländliche Regionen mit einem weitläufigen Outdoorangebot konnten den neuen Anforderungen leichter gerecht werden als eher urban wahrgenommene Regionen oder Städte. In Summe aber lief der Sommer weitaus besser als im April oder Mai vermutet und im Juni prognostiziert wurde – dank des großen Engagements der heimischen Tourismusunternehmen und -organisationen.
Veränderung zum Vorjahr
September
Ankünfte:
Nächtigungen:
772.312
Sommer Mai bis Oktober
Ankünfte:
Nächtigungen: -20,6 %
3.053.996
SOMMERSAISON 2020
-8,8 %
Oktober
Ankünfte:
Nächtigungen:
216.021
803.961
-69,2 %
-65,3 %
3.792.183
-38,8 %
15.578.423