orte 212

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Ja, alles bestens: Notlügen und Ausreden Franz Hohler

Liebe Redaktion Ich wollte euch einen Beitrag zum nächsten Heft schicken, aber es ist mir etwas Dummes passiert. Ich hatte ihn handschriftlich im Zug von Innerferrera nach Zürich geschrieben, habe ihn dann zu Hause auf meinem Laptop abgetippt, und als ich das word.doc extern sichern wollte, also auf meinen Stick laden, begann das Windrad so lang zu drehen, bis ich eine Notabschaltung machte, den Stick rauszog und dann meinen Laptop neu startete. Als erstes erschien ein Menetekel auf meinem Bildschirm: «Sie haben Ihren Computer infolge eines Problems unter Missachtung des normalen Wegs abgeschaltet. Leider sind dabei alle Dateien verloren gegangen.» Zum Glück, dachte ich, hab ich ja meinen Stick mit den externen Sicherungen, steckte ihn ein, worauf ein knisternder Funke aus der Buchse des Laptops schoss und sich der Stick dunkelrot zu verfärben begann. Schreckensbleich zog ich ihn heraus und verbrannte mir dabei zwei Finger der linken Hand. Mein IT-Supporter, den ich sofort anrief, war in den Ferien, und da ich euren Redaktionsschluss schon verpasst hatte, schrieb ich meinen Entwurf von Hand mit einigen Verbesserungen ab, zerknüllte ihn und warf ihn in den Abfallsack, den meine Frau gerade zu-

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schnürte. Die Reinschrift steckte ich in ein Couvert, adressierte und frankierte es, ging damit zum Briefkasten bei der Post und warf es ein. Nach einer Stunde, in der ich verzweifelt versuchte, das Back-up meines Laptops zum Leben zu erwecken, ging ich kurz raus, um mir bei Denner ein Six-Pack Bier zu holen. Als ich an der Post vorbeikam, war dort die Feuerwehr und versuchte, den Briefkasten zu löschen, aus dem Flammen schlugen. Ein schwarzer Qualm mit einem beissenden Geruch lag über der Strasse. Was hier los sei, fragte ich einen Feuerwehrmann, der sich an einem Hydranten zu schaffen machte. «Briefkastenbrand, Sendung explodiert», sagte er kurz, «bitte wegtreten!» Ich rannte zurück zu meinem Haus, wo gerade der Abfallwagen vorgefahren war und die Müllmänner, die mir fröhlich zuwinkten, unsern Sack mit meinem Entwurf im Schlund des Wagens versenkt hatten. Als der Wagen langsam zum nächsten Haus weiterfuhr, blieb ich am Gartentor stehen und wusste, dass es sinnlos war, den Text zu rekonstruieren, er würde euch auf keinen Fall erreichen. Dieses Mail schreibe ich auf dem Computer meiner Frau und grüsse euch alle zerknirscht, aber hochachtungsvoll, Franz Hohler


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